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Children of Elements

Buch I - Freundschaft
von

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Das Shona-Ritual

Jemand stolperte durch den Wald.

Er fiel hin, stand wieder auf und lief weiter, als wäre nichts geschehen.

Fynn hatte sich immer noch nicht damit abfinden können, dass Rorax tot war.

Er erinnerte sich nur noch bruchstückhaft an das, was passiert war, nachdem Rorax das erste Mal mit ihm gesprochen hatte und dann in seinen Armen gestorben war.

Xankir hatte den Kopf auf den leblosen Rücken seines Freundes gelegt und der Drache und der Mensch hatten gemeinsam um ihn geweint, während das Kijana sich dicht neben Fynn gesetzt und versucht hatte, ihn zu trösten, indem es immer wieder seine Schnauze unter den Arm des Jungen geschoben und „Nicht weinen“ gesagt hatte.

So saßen Xankir, Fynn und das Kijana eine Weile.

Dann war plötzlich der Fluss angestiegen bis er die Trauernden erreicht hatte, die daraufhin vor dem Wasser flüchteten, überschwemmte Rorax’ Körper und nahm ihn mit sich.

Göttin Maji hatte ihn zu sich geholt.

Die zwei Drachen und der Mensch hatten noch eine weitere Weile verloren auf den Fluss gestarrt, der wieder so aussah, als wäre nichts passiert.

Dann hatten sie sich endlich zögernd aufgemacht und waren zum Versteck des Clans geflogen. Unterwegs hatten sie kein Wort gesprochen bis auf einmal, als das Kijana leise darauf aufmerksam gemacht hatte, dass es Hunger hatte, woraufhin Fynn den ganzen Proviant – auch seinen – an den Kleinen verfüttert hatte.

Am späten Nachmittag waren sie endlich am Ziel.

Xankir hatte den Jungen vor dem Versteck abgesetzt und war erst mal ohne ihn mit dem Kijana ins Versteck geflogen um die dortigen Drachen auf das Erscheinen eines Menschen vorzubereiten. Dann hatte er Fynn abgeholt und die Drachen empfingen ihn freundlich, aber sehr vorsichtig.

Die Kike aber wagte sich nahe an den Jungen heran und schmiegte für einen Moment ihren Kopf an seine Brust. Sie hatte überglücklich ihr Kijana abgeleckt, gestreichelt und erzählt, dass es erst ein paar Wochen alt war und noch keinen Namen hatte. Es sei ein Mädchen berichtete sie weiter und als Fynn erzählte, dass Ardhi sie ihm anvertraut hatte, beschloss sie, das Kijana der Erdgottheit zu Ehren „Jani“ – was soviel wie „Blatt“ bedeutete – zu nennen.

Die Drachen waren unglaublich traurig als sie erfuhren, dass Rorax tot war.

Fynn und Xankir blieben nur eine Nacht im Drachenversteck.

In dieser Nacht wachte der Mensch auf, weil sich draußen vor der Höhle ein seltsamer Singsang erhob. Xankir, an den sich Fynn gelehnt hatte, begleitete ihn nach draußen und erklärte, dass die Drachen auf diese Weise um den verstorbenen Wasserdrachen trauerten.

Der Mensch lauschte den traurigen Klängen lange. Einmal glaube er, eine silbrig glänzende Gestalt zu sehen, die sich aus einem Fluss in der Nähe erhob und er fragte sich, ob Maji auch trauerte.

Bereits am frühen Morgen flogen Xankir und Fynn wieder fort.

Am späten Nachmittag kamen sie wieder im Wald, der sich hinter Fynns Dorf erstreckte an.

Die Freunde verabschiedeten sich ohne Worte.

Fynn ging nach Hause um nachzudenken, wie er auf dem Flug sagte, und Xankir wollte sich nach einem neuen Nachtquartier umsehen, da das vorherige – ihre Höhle – ja nun nicht mehr geheim war. Sie trafen sich an diesem Tag nicht mehr.
 

Nun stolperte Fynn also am nächsten Morgen auf die Lichtung zu, auf der er sich mit Xankir treffen wollte, doch der Drache war noch nicht da.

Er setzte sich an einen Baum und wartete, stand dann jedoch wieder auf und lief rastlos zu einem Bach, der in der Nähe wisperte.

Er sank am Ufer auf die Knie und starrte verloren und traurig in das Wasser.

Plötzlich überkam es ihn. Ohne dass er sich dagegen wehren konnte, flossen ihm die Tränen über das Gesicht. Er blickte in die Fluten und stellte sich Rorax Kopf vor, was ihm durch das Blau des Wassers, das ihn an seine Schuppen erinnerte besonders gut gelang.

Fast glaubte Fynn, ihn würden wirklich Rorax’ katzengleiche Augen aus dem Bach heraus ansehen.

Dann erschrak er.

Im Spiegelbild des Wassers erblickte Fynn einen dunkelblauen Drachen, der ihm über die Schulter starrte.

‚Rorax!’, rief es in ihm und er drehte sich schockiert um.

„Alles in Ordnung Fynn? Ich weiß, du vermisst Rorax sehr.“

Fynn sah Xankir mit leeren Augen an.

Einen Moment lang hatte er wirklich geglaubt, Rorax würde ihm über die Schulter sehen, wäre von Göttin Maji ins Leben zurückgeholt worden und lebendig wieder aus den Fluten des Flusses gestiegen.

Doch es war nur Xankir, dessen grüne Schuppen durch den Wasserspiegel blau ausgesehen hatten.

Auf einmal verneigte sich Xankir vor Fynn, der ihn verwirrt ansah. Dann hörte er hinter sich eine ruhige, leise Stimme.

„Warum hast du mich gerufen, Menschenkind?“

Fynn wirbelte herum, sah den Besitzer der Stimme einen Moment lang verblüfft an und verneigte sich dann vor der Wassergöttin.

„Wie… wie meint Ihr das? Ich habe Euch nicht gerufen… oder?“

„Doch, dein Herz hat mich gerufen. Du willst mit mir über Rorax sprechen, habe ich Recht? Du fühlst dich verantwortlich für seinen Tod.“

Xankir sah seinen Freund erschrocken an.

„Stimmt das Fynn? Du fühlst dich schuldig deswegen? Warum hast du mir das nicht erzählt?“

Fynn sah ihn nicht an, sondern senkte den Kopf und betrachtete das Gras.

„Ich… wollte nicht, dass du dir… Sorgen um mich machst…“, antwortete er. „Bitte“, fuhr er, an die Gottheit gewandt fort, „bitte, gib Rorax wieder frei. Kannst du ihm nicht sein Leben zurückgeben? Er ist doch dein Geschöpf! Du kannst doch nicht wirklich seinen Tod wollen! Gib ihn wieder her, gib ihn uns wieder zurück!!“, schrie der Junge unter Tränen.

Er schrie der Wassergöttin seine Schmerzen und seine Verzweiflung entgegen.

Warum gab Maji Rorax nicht sein Leben zurück? Sie war doch eine Göttin! Sie konnte alles! Dann sollte sie Rorax zurückbringen. Sofort!

Die Göttin hatte den Gefühlsausbruch des Jungen ruhig über sich ergehen lassen.

Xankir legte den Kopf auf Fynns zuckende Schulter, der nun zusammengesunken vor der Gottheit kniete, sein Gesicht mit den Händen bedeckte und verzweifelt schluchzte.

Der Junge nahm die Hände vom Gesicht, umschlang den Hals des Freundes und drückte seine heiße Stirn an dessen kühle Schuppen.

So saßen die beiden einige Zeit und Maji sah stumm und geduldig zu.

Nachdem sich Fynn etwas beruhigt hatte, begann sie wieder zu sprechen.

„Ja, er ist mein Geschöpf, aber ich herrsche nur über die lebenden Wasserdrachen, nicht über die toten. Ich kann nicht einfach jedem, wenn ich es will, wieder sein Leben zurückgeben, so funktioniert es nicht. Es ist so gut wie nicht möglich.“

„ ‚So gut wie’? Also ist es nicht völlig unmöglich!“, erkundigte sich Fynn hoffnungsvoll.

„Nein… nein, nicht ganz, aber ist sehr… schwierig… man braucht nämlich ein Opfer. Eine Art Tausch. Ein Leben für ein Leben“, sagte Maji.

„Also… müssen wir ein Tier opfern?!“, fragte Fynn entsetzt.

„Nein, kein Tier. Auch kein Mensch. Nur ein Drachenleben für ein Drachenleben, sonst funktioniert das nicht.“

„Und wie genau funktioniert das?“, meldete sich jetzt Xankir.

„Es wird ein Shona-Ritual, ein Ritual der Seelen durchgeführt. Dieses kann nur an einem See durchgeführt werden, da Rorax ein Wasserdrache war. Außerdem müssen die anderen drei Elementgottheiten auch teilnehmen. Dann tritt das Opfer ins Wasser und übergibt sein Leben an den Toten, der wiederbelebt werden soll.“

Fynn und Xankir sahen sich schweigend an.

„Ich tue es“, sagte der Erddrache dann.

Der Mensch wusste nicht, was er sagen sollte. Er war hin und her gerissen zwischen dem Wunsch, Rorax wiederzubeleben und dem Entsetzten darüber, dass sich sein bester Freund dafür opfern wollte.

‚Egal was ich jetzt tue, ich lasse einen der beiden im Stich!’, dachte Fynn. ‚Es muss noch eine andere Lösung geben. Nur welche?!’

Xankir sah seinen Freund unsicher an.

„Was sagst du dazu, Fynn, gehen wir los und suchen einen See? Je schneller Rorax wieder ist, desto…“

„NEIN!“

Fynn war aufgestanden und sah Xankir in die Augen.

„Nein, es gibt eine andere Lösung. Es MUSS eine andere Lösung geben!“

Er sah die Wassergöttin an, doch die… war verschwunden…

„Verdammt!“, schrie der Junge und fiel wieder auf die Knie. „Komm zurück! Es muss eine andere Lösung geben! Sag sie uns!“

Wütend schlug er mit den Fäusten ins Wasser.

„Beruhig dich doch“, sagte Xankir ruhig. Er verstand Fynn Gefühle.

Fynn stand auf. Xankir sah seinen entschlossenen Gesichtsausdruck.

„Was hast du vor?“, frage er den Menschen vorsichtig.

„Ich werde schon eine Möglichkeit finden, dass Rorax wieder zurückkommt, ohne, dass ein anderer Drache geopfert werden muss. Ich habe auch schon eine Idee. Warte hier, ich muss kurz nach Hause, etwas holen.“

Damit lief er davon und ließ einen verwirrten Erddrachen zurück.
 

Er kam zurück, als die Sonne im Zenit stand. Wortlos setzte er sich auf den schuppigen Rücken seines Freundes und beachtete dessen neugierige Blicke nicht.

Der Drache ließ den Wald unter sich und sie flogen los, die Sonne hinter sich, immer nach einem See Ausschau haltend.

Die Sonne stand schon tief, als sie endlich unter sich das glitzernde Blau eines riesigen Sees entdeckten.

Sie landeten am Ufer, Fynn krempelte seine Hosenbeine hoch und stieg bis zu den Knien ins Wasser.

„Maji! Maji, hier sind wir! Wir sind bereit für das Ritual!“, rief er über den See, der seine Stimme weit trug.

Etwa zehn Armlängen vor ihm begann das Wasser sich zu erheben. Ein Gesicht, Arme, ein Körper bildeten sich.

„Seid ihr wirklich sicher, dass ihr das tun wollt? Es ist eine schwere Entscheidung, die nicht leichtsinnig getroffen werden sollte“, sagte Maji.

„Ja, wir sind uns sicher“, sagte Fynn entschieden.

„Gut, dann werde ich die anderen Götter rufen“, antwortete Maji.

Danach sagte sie nichts mehr, sondern stand nur da, als würde sie auf etwas warten, während Fynn auf sein rasendes Herz achtete.

Der Junge war sehr aufgeregt. Was, wenn sein Plan nicht funktionieren würde? Was, wenn die Götter sein Opfer nicht annehmen würden?

Plötzlich verließen die Vögel rum um den See den Wald und flogen davon.

Fynn drehte sich um und sah Ardhi, der majestätisch auf das Ufer des Sees zuschritt. Fast gleichzeitig fühle der Junge unsichtbare Finger, die ihm durchs Haar fuhren und eine Stimme, wie das Säuseln des Windes, wisperte ihm „Nur Mut, kleiner Mensch“ ins Ohr.

Am Ufer, etwa fünf Armlängen vor Xankir entfernt brachen auf einmal Flammen aus dem Boden, wuchsen, bis sie so groß wie der Drache waren und ließen allein ein Gesicht erkennen. Eine Stimme, wie knisterndes Feuer, wehte an Fynns Ohr.

„Hier bin ich, was gibt es denn, Maji?“

„Diese beiden hier wollen einen Freund von den Toten auferstehen lassen“, antwortete das Wasser.

„Ein Shona-Ritual? Das haben wir schon sehr lange nicht mehr durchgeführt“, säuselte die Windgöttin Newa.

Fynn sah sich nach ihr um, konnte sie aber nicht entdecken. Dann sah er, dass die Luft an einer Stelle, etwa zwei Armlängen neben ihm, leicht flimmerte.

Er sah genauer hin und konnte Arme, Schultern und ein Gesicht ausmachen. Newa war nur schwer zu sehen, sie bestand ja nur aus Luft.

„Dann wollen wir anfangen?“, fragte Ardhi mit seiner knarzenden Stimme.

Die anderen Gottheiten nickten.

Nun setzte der Erdgott einen seiner Wurzelfüße auf das Wasser.

Fynn dachte, er würde versinken, doch der Gott lief über das Wasser, als wäre es Waldboden. Auch Moto das Feuer kam über das Wasser, als würde es ihm nichts ausmachen.

„Komm her, Xankir, stell dich in unsere Mitte“, sagten die Gottheiten gleichzeitig, so dass es sich anhörte, als würde sie mit einer einzigen Stimme sprechen.

„Nein!“, sagte Fynn schnell. „Ich habe das Opfer!“

Die Gottheiten und Xankir sahen ihn verwirrt an.

Fynn begann in seiner Tasche, die er immer bei sich trug, zu wühlen. Dann holte er vorsichtig einen Lehmdrachen heraus.

„Das. Das ist Euer Opfer!“, rief er und hielt den Lehm mit bebenden Händen in die Höhe, den Elementen entgegen.

Xankir sah seinen Freund vom Ufer aus überrascht an.

„Das…“, sagten die Elemente, immer noch mit einer Stimme, „ist kein Drache, sondern Lehm, der die Form eines Drachen hat. Dies ist kein gleichwertiges Opfer.“

„Ja… ja, ich weiß, aber… ich dachte, Ihr könntet… die Legende besagt, dass Ihr die Drachen auch aus Lehm geschaffen habt… vielleicht… könnte Ihr dasselbe nun mit diesem Lehmdrachen machen! Gebt ihm Euren Segen und akzeptiert ihn als Opfer, bitte!“

„Wir brauchen einen Drachen mit Schuppen, Hörnern und Krallen.“

Fynn brannten Tränen in den Augen.

Dann fiel ihm etwas ein. Wieder wühlte er in der Tasche und holte die Schuppe raus, die er damals, als er Xankir kennen gelernt hatte, vor der Höhle aufgesammelt und seitdem immer in der Tasche getragen hatte. Er drückte sie gegen den Lehmdrachen.

Jetzt hatte er eine Schuppe.

„Das reicht nicht. Warte! Vielleicht reicht es doch! Ist diese Schuppe von Xankir?“, fragten die Gottheiten den Menschen.

Dieser blickte sie einen Moment verwirrt an.

Es war seltsam mit anzusehen, sie sich die Gottheiten miteinander unterhielten, obwohl sie gleichzeitig mit einer Stimme sprachen. Es klang, als würden sie sich selbst widersprechen, doch es war Moto, der Fynn Hoffnung machte.

Jedenfalls sah dieser ihn an, während die anderen drei Elemente den Feuergott ansahen.

„Ja… er hat sie mal verloren… da hab ich sie eingepackt.“

Moto wandte sich den anderen zu.

„Es ist ein Teil von einem Drachen. In jeder Schuppe eines Drachen ist Leben. Wir können es als Opfer annehmen.“

Die Götter sahen sich gegenseitig an… dann nickten sie.

Fynns Herz tat einen Sprung. Er hielt ihnen den Lehmdrachen mit Xankirs Schuppe entgegen und als Ardhi ihn ihm abgenommen hatte, watete er zum Erddrachen ans Ufer und harrte gespannt der Dinge, die da kommen sollten. Er lehnte sich gegen seinen geschuppten Freund. Dessen Herz schlug genauso schnell wie sein eigenes, das konnte er deutlich spüren.

Ardhi legte das Lehmopfer ins Wasser, wo es unterging.

Dann reichten sich die Elemente die Hände und senkten die Köpfe.

Der Lehmdrache begann unter Wasser zu leuchten. Dann verschwand das Licht wieder.

Die Elemente traten zurück, Maji verschwand im Wasser. Plötzlich erhoben sich die Wassermassen und nahmen die Gestalt eines Drachen an. Schuppen wurden erkennbar, Hörner und Klauen bildeten sich.

Der Drache öffnete seine katzengleichen Augen und blickte sich um, als wäre er aus einem langen Schlaf erwacht.

Fynn und Xankir rannten ins Wasser und auf ihn zu.

„Rorax!“, der Menschenjunge fiel dem wiedergeborenen Freund um den Hals und all die Verzweiflung und Trostlosigkeit der letzten Tage lösten sich in Tränen auf.
 

Das Shona-Ritual hatte Rorax wieder zurückgebracht.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Krio
2007-05-18T10:28:48+00:00 18.05.2007 12:28
jaaaaaaaaa *jubel* es hat geklappt XD rorax is wieda da, jetzt schnell weiterlesen *.*


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