Wer hoch kommt, kann tief fallen
Kapitel 4
Mir wahr es einfach nicht vergönnt mich effektiv weiterzubilden. Komme ich zu spät, verpasse ich einen Teil des Unterrichts. Komme ich pünktlich verpasse ich den ganzen Unterricht, weil sich irgendetwas Blödsinniges in mein Schicksal einmischt, das mich sofort zum weiblichen Deppen des Jahres krönte.
Nach den feierlichen Rausschmiss meinerseits, hocke ich nun gelangweilt im Flur und hielt nach dieser Eule Ausschau. Die war nämlich - bei meinem Versuch mich aus dieser Konstellation von widersprüchlichen Verstrickungen zu retten - einfach verschwunden. Wortwörtlich. Nach einer sinnvollen Erklärung zu suchen wäre Zeitverschwendung. Für mich hat es einen doppeltunterstrichenen Eintrag in die persönliche schwarze Liste der Oberhexe (Lehrerin) eingebracht.
„Verrückt, verwirrt! Manipuliert!? Silin! Raus mit dir!“ murmelte sie beschwörend vor sich hin, wobei die entstandenen roten Flecken in ihrem Gesicht – die immer dann erscheinen wenn sie hoffnungslos überfordert ist – eine verdächtig grüne Farbe annahmen.
Mit sorgevoller Miene fragte ich mich, wen von uns beiden sie denn letztendlich mit ihrem Gemurmel meinte.
Ich hielt es für klug Stillschweigen zu bewahren und trat mit demonstrativ großen Schritten aus den Klassenraum. Wenigstens der Abgang gelang mir perfekt!
Mein Blick schweifte bedächtig uninteressiert durch die Gegend. Ich wollte es mir vor den vorbeilaufenden Menschen nicht anmerken lassen, dass ich soenbend aus den heiligen Kreisen (Unterricht) verbannt wurde.
Dann kollidiert mein Sehfeld mit einem –ja ich geb’s zu- wahnsinnig gutaussehenden Jungen. Er stand am Ende der Treppe und musterte mich reglos.
Prima! Hab ich ein Furunkel im Gesicht, dass mich heute alle anstarren?
Erst eine bekloppe Eule und nun er.
Ich war wieder drauf und dran zu explodieren, als sich der Kerl bewegte. Gerade auf mich zu. ‚Solche Typen immer ignorieren. Das spart gebrochene Herzen’ versuchte ich mir einzutrichtern. Vergebens. Heute gelang mir nichts. Als würde er meinen Blick mit einer unsichtbaren Klebmasse auf sich heften, konnte ich nicht umhin in anzustarren. Scheiß Eindruck musste das machen.
Jetzt blieb er stehen. Genau vor mir. Bernsteinaugen gegen Unkrautaugen. Mit sehr viel selbstdisziplinierter Kraft zwang ich mich dazu meine Interesse woanders anzuheften. Unglücklicherweise machten meine Augen dabei einen sehr unnatürlichen Bogen.
„Ich will dich ja nicht in deiner Hypnose unterbrechen, aber du stehst vor dem Lehrerzimmer“
Plötzlich war der bannende Moment binnen Sekunden verpufft.
Gut so! Glücklicherweise konnte ich einen Gegenangriff starten. So eine unfreundliche... Ranzboje!
„ Zufälligerweise bin ich des Wissens mächtig, dass sich das Lehrerzimmer im anderen Flügel befindet.“ feixte ich ihm entgegen.
„Sehr witzig, und jetzt lass mich durch!“ rebellierte er. Ich auch.
„Das Lehrerzimmer ist NICHT hinter mir!“ zischte ich ihm entgegen.
„Doch!“
„Nein!“
„Doch!“
„Nein“
„Nein“
„Doch!“ Ich stockte. Ein Grinsen seinerseits. So ein uralter Trick! Er schlich sich an mir vorbei und öffnete die Tür.
„Hier ist nicht das Lehrerzimmer“ kam es monoton.
„ WAS sag ich denn die ganze Zeit!?“ meine Stimme schlug in ein hysterisches Quietschen um. Als ich mich jedoch umdrehte, war der Kerl verschwunden. Auch im Zimmer, dass er geöffnet hatte, war er nicht zu sehen. Aus, weg, entführt. Nicht mal ein Lufthauch! Werd ich denn jetzt vollkommen mall?
Nach einem erneuten Durchschweifen bemerkte ich einen kleinen Handspiegel. Gehörte er ihm? In mir erschien ein Bild eines total verzweifelten Mannes, der ein kleines krummes Ding nicht glätten konnte. Eine Locke.
Ich nahm den Spiegel und schaute hinein. Der Spiegel gab die Wand hinter mir wieder. Weitaus mehr interessanter als diese Tatsache sind die Worte die dran stehen. „Ich führe dich durch den Tag“
Schnell drehte ich mich um. An der realen Wand stand jedoch kein einziges Wort. Nicht mal ne Silbe, ein Buchstabe, ein winziger Klecks! Ich sah erneut in den Spiegel. Nichts. Es ist zum verrückt werden!
