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Blutsgeschwister

von

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Zum rasenden Klatscher

Juni 1979
 

Der kleine Ort Ottery St. Catchpole lag im Südwesten von England. Auf Grund der Sicherheitsvorkehrungen waren sie außerhalb des Dorfes gelandet. Mundungus hatte ursprünglich nicht vorgehabt zu apparieren, aber nachdem er den ganzen Nachmittag damit verbracht hatte sämtliche Taschen nach Resten von Flohpulver zu durchsuchen, war ihnen keine andere Wahl geblieben.

Die Gegend war geprägt durch viele kleinere Felder der unterschiedlichsten Art. Weizen, Gerste und in der Ferne konnte Hannah ein paar Maisfelder ausmachen.

Wenige kleine Baumgruppen unterbrachen die langen brachliegenden Felder.

Es dauerte nicht lange bis sie das Dorf erreichten.

Hannah war noch nie zu vor hier gewesen. Ottery St. Catchpole war eines jener Dörfer in dessen Umgebung sich eine Menge Hexen und Zauberer angesiedelt hatten.

Ähnlich wie in Godrics Hallow, doch beide Orte ähnelten einander nicht.

Hannah konnte sich grob daran erinnern, dass Fabian berichtet hatte seine Schwester würde mit ihrer Familie hier leben.

Augenblicklich fragte sich sich, ob sie das Haus der Weasleys bereits passiert hatte. Mundungus ging recht zielstrebig und sie hatte Mühe ihm zu folgen.

Sie passierten einen kleinen Supermarkt und eine hölzerne Brücke unter der ein kleiner Bach entlang lief. In der Sommerhitze war er nahezu gänzlich ausgetrocknet.

Hinter der nächsten Kreuzung versperrte ein kaputtes Postauto den Weg in eine kleine Gasse.

Mundungus drängte sich ungeschickt an dem Auto vorbei.

Hannah folgte ihm in die düstere Sackgasse, die von einstöckigen Holzhäusern flankiert wurde.

In die Holzwand des einen Hauses war ein Wasserhahn eingelassen. Dung blieb vor ihm stehen. Er war völlig rostig. Der Hahn war mit Kalk und kupferfarbenen Spuren besprenkelt.

„Der funktioniert sicher nicht, Dung.“, bemerkte Hannah, als sie neben ihm stehen blieb.

Mundungus schmunzelte und zog sich die Krempe seines Schlapphutes tief in die Augen.

„Es ist wirklich verrückt, dass es dir nach all den Jahren noch immer gelingt Zauberei zu vergessen.“

Er tippte dreimal mit der Spitze seines Zauberstabes gegen den Hahn, bevor er an ihm zog, als wäre er eine Türklinke.

Und tatsächlich materialisierten sich ein Türrahmen in der dunkelgrünen Holzwand. Binnen Sekunden öffnete sich eine Tür und gewährte Einlass in den Schankraum.

„Die Dame?“, Dung machte eine merkwürdig Gestik mit seinem Hut und gab ihr zu bedeuten, dass sie eintreten sollte. Hannah tat wie ihr geheißen.

Der Pub „Zum rasenden Klatscher“ war bunt. Nichts an ihm war vergleichbar mit den dunklen Nischen im „Brocken“ oder dem „Tropfenden Kessel“.

Hannah sah sich um und erwischte sich augenblicklich dabei, dass sie mit offenem Mund da stand. Die vielen Reize, die auf sie einprasselten, waren unfassbar.

Der Schankraum war groß und hatte hohe Decken. Die Wände waren plakatiert mit tausenden von Quidditchplakaten.

Hier und da hatte man ein Trikot oder einen Schal aufgehangen.

Die Fenster waren rußverschmiert. Kein Tageslicht fiel durch sie hinein, doch es war auch nicht notwendig, denn die grellen Farben der Plakate erleuchtenden den Raum in einem undurchdringbarem magischen Licht.

Baumkronen wuchsen aus den oberen Wänden. Hannah bemerkte, dass kleine Vögel durch die Luft schwirrten. Eine durchsichtige magische Barrikade hielt sie von einer Flucht ab.

Bei genauerem hinsehen erkannte sie, um was für Vögel es sich handelte.

„Schnatzer!“, entfuhr es ihr.

Sie konnte sich noch bestens daran erinnern, dass Dung und sie in den Osterferien, so einiges auf sich genommen hatten, um einige dieser Vögel in die Finger zu bekommen.

Es war nicht einfach gewesen in die Schutzgebiete einzudringen. Und noch schwieriger die flinken Kolibri ähnlichen Vögel mit den rubinroten Augen zu fangen.

„Hier hin hast du sie verkauft!“

Dung nickte strahlend. „Bomben-Geschäft, Mädel! Das sach isch dir...“

Auf der Theke, die mit riesigen Girlanden verziert war, stand eine Glasglocke. Gummibärchen ähnliche Süßigkeiten in Form von Schnatzen flatterten durch das Glas. Ein lautes Geräusch ließ sie zusammenzucken.

Erschreckt bemerkte sie, was das Geräusch verursachte. Drei schwere Klatscher hingen in Ketten von den Wänden und grenzten den Durchgang zur Theke ab.

Einer der Kellner hatte so eben mit einem Schläger den Weg frei gemacht. Der Kellner befestigte den Schläger wieder an seinem Gürtel, so als wäre er ein ganz normaler Bestandteil seiner Arbeitskleidung. Dabei ignorierte er völlig, dass einer der gefesselten Klatscher ein riesiges Loch in die Holzwand geschlagen hatte.

„Diebstahlschutz.“, murrte Dung, der ihrem Blick gefolgt war. „Geiziger alter Bastard.“, fluchte er abwesend, während der Kellner in der riesigen Goldkassete nach dem Wechselgeld kramte.

Hannah wollte gerade fragen, wenn Dung meinte, als Cliff Cutteridge auf sie zu steuerte.

Er trug das neueste Trikot der „Caerphilly Catapults“. Sein blondes kinnlanges Haar stand in alle Himmelsrichtungen ab und er grinste vom Einem Ohr bis zum Anderen.

„Dung, mein alter Freund!“, begrüßte er ihn und schlug Dung kameradschaftlich auf die Schulter.

„Oh, du hast sie mitgebracht.“, fügte er hinzu. Er machte eine nahezu lächerliche Bewegung mit seinem grün-rot gestreiften Spitzhut. „Willkommen im rasenden Klatscher.“

Durch sein breites Grinsen blitzten seine Hasen ähnlichen Zähne hervor. Er machte einladende Handbewegung hinein in den großen Schrankraum.

Ein Grölen und lautes Gelächter unterbrach das allgemeine Gemurmel. Bierkrüge wurden scheppernd an einander geschlagen.

Hinter Cliff´s Rücken brannte ein riesiges magisches Feuer. Einige Männer saßen auf Stühlen und dreibeinigen Schemmeln direkt da vor. Ähnlich wie bei einer Flohpulverreise flackerte es grün auf. Doch in seinem Inneren wurde ein Bild übermittelt. Hannah näherte sich und erkannte, dass es sich um ein Quidditchspiel handelte. Augenblicklich erinnerte es sie an den Fernseher der Muggel.

„Ballycastle Bats gegen Pride of Portee.“, kommentierte Cliff. Man konnte seiner Stimme entnehmen, dass es das Spiel nicht für sonderlich wichtig empfand. Vermutlich weil seine Lieblingsmannschaft nicht spielte. Offenbar hatten die Pride of Portee gerade ein Tor erzielt, was das überwiegend männliche Publikum dazu brachte zu jubeln und einander zu zuprosten.

„Wette gefällig?“, fragte er dennoch an Dung gewandt und deutete auf eine Tafel, die rechts neben dem Feuer angebracht war. Mundungus machte eine abwehrende Handbewegung.

„Lass mal, Cliff.“, brummte er und zog seine Pfeife.

Cliff maß Hannah mit einem flüchtigen Blick, als wäre sie dafür verantwortlich, dass Dung nicht auf seinen Vorschlag einging. Dann führte er sie weiter.

Vor einer großen gläsernen Vitrine blieb er stehen. Im Inneren befand sich ein blitzblank polierter Besen. Hannah kannte das Modell nicht.

„Original signiert von Dai Llewellyn.“, berichtete Cliff stolz. Hannah sah die geschwungene Schrift auf dem Besenstiel. Hatte jedoch keine Ahnung von wem Cliff sprach.

Sie musste so ahnungslos drein gesehen haben, dass Dung sich verschmitzt grinsend zu ihr hinunter beugte.

„Llewellyn war Spieler bei den Catapults. Ist ziemlich riskant geflogen. Vorn paar Jahren....hat ihn glaube ich eine Chimäre gefressen.“, erklärte er im Flüsterton.

Hannah überkam eine Woge der Dankbarkeit für seine Diskretion. Sie hatte keine Lust vor Cliff Cutteridge wie ein ahnungsloser Trottel da zu stehen.

Cliff kam währenddessen vor einem Tisch am Fenster zum Stehen. Er fuhr einmal mit der Hand über den Tisch und wischte ein paar übrig gebliebene Krümmel auf den Boden.

Hannah überraschte es nicht mehr sonderlich, dass die Stühle aus Besen bestanden, die einen halben Meter in der Luft schwebten.

„Ziemlich voll hier seit der Neueröffnung letzte Woche – musste noch mehr Tische aufstellen und habe die Karte erweitert.“, prahlte Cliff. Er reichte ihnen eine knallrote Getränkekarte.

Noch bevor Hannah Zeit hatte sie zu lesen schnipste Cliff mit den Fingern. Ein junger blonder Kellner eilte herbei. Hannah fiel auf, dass er ein dunkelblaues Auge hatte und einen ziemlich gehetzten Eindruck machte. Sicher hatte ihn ein Klatscher erwischt.

Cliff schenkte der Verletzung seines Mitarbeiters keinerlei Beachtung.

„Drei umgekippte Catapults für meine Freunde.“, kommandierte er an den Jungen gewandt.

„Den müsst ihr probieren! Meine neueste Erfindung.“

Binnen Sekunden kehrte der Kellner zurück und servierte ihnen drei Drinks. Statt Schirmchen, wie es bei den Muggeln übrig waren, steckte ein Holzstab mit einem Klatscher an der Spitze, in den Gläsern. Hannah kam nicht um hin beeindruckt zu sein.

Cliff stieß mit ihnen an und eilte davon, um einen Streit drei Tische weiter zu schlichten. An dem drei bullige Zauberer eine Art Glücksspiel spielten.

Mundungus Blick folgte ihm und er begutachtete das Spiel mit unverhohlenem Interesse.

„Kein Wunder, dass der eine Lizenz bekommen hat.“, grummelte er abwesend. „Krumme Geschäfte macht Cliff nur Nachts. Bin mir ziemlich sicher, dass das Ministerium nicht weiß, was der so alles treibt.“

„Es ist fantastisch.“, urteilte Hannah, die noch immer völlig Erschlagen von den ganzen Eindrücken war. Sie grinste ihn breit an.

Mundungus grinste ziemlich zufrieden zurück.

„Freut mich, dass es dir gefällt, Kleines.“, antwortete er und entzündete seine Pfeife.

Er paffte ein paar Mal an ihr und pustete große runde Ringe hervor.

„Hier warst du also...als ich auf Ebonys Geburtstag war.“ Sie wählte ihre Worte mit bedacht und mied es bewusst Sirius Namen auszusprechen. Sein Mund öffnete sich knapp.

„Du meinst, als du bei Black warst, Mädel.“, flüsterte er. Sein Ausdruck verhärtete sich.

Ihre Lieder flatterten und sie senkte den Blick.

Sie hatte ihm gesagt, dass sie sich heute mit Sirius treffen würde, um Hochzeitsangelegenheit zu besprechen. Er hatte es hingenommen. Absolut unkommentiert.

Hatte das Thema gewechselt, wie er es immer tat, wenn diese Spannung zwischen ihnen entstand.

Was sie ihm nicht gesagt hatte war, das sie gestern Nachmittag Koordinaten auf ihrer Uhr entdeckt hatte.

In einem Anflug von Panik, hatte sie bemerkt, dass Regulus gewähltes Treffen nahe an dem Zeitpunkt lag, an dem sie mit Sirius verabredet war. Doch dann war ihr aufgefallen, dass es ihr durch aus gelegen kam. Denn so musste sie Dung nicht berichteten, dass sie sich erneut im geheimen mit einem Todesser treffen würde. Sie würde sich einfach beeilen müssen.

Das schlechte Gewissen brodelte in ihrem Inneren. Aber sie hatte sich nichts zur Schulden kommen lassen. Schweigen war schließlich keine Lüge.

Einen winzigen Moment hatte sie vergessen, dass er sie beobachtete. Dung schob auf dem Tisch seine Hand auf die ihre und verschränkte seine Finger in ihren.

Noch immer hatte sie ihn nicht auf seine Worte angesprochen. Ihre Knie wurden wacklig und sie hatte Mühe sich auf dem unbequemen Besen zu halten, denn er schwebte in einer Höhe, in der ihre Füße, den Boden nicht berührten.

„Hannah...“, presste er gezwungen hervor „...ist schon okay.“

Sein rostrotes Haar fiel ihm verwegen in die dunkelbraunen Augen.

Hannah nickte wacker. Mehr schlecht als recht. Unruhig rutschte sie auf dem Besen hin und her, um eine möglichst bequeme Position zu finden, als ihr etwas einfiel.

„Hier bist du auch die restlichen Shootings Stars losgeworden?“

Mundungus grinste belustigt und zuckte mit den Schultern.

„Logisch!“, entgegnete er. Sichtbar zufrieden mit sich. „Ich sach ja Bombengeschäfte....“ er reckte das Kinn in Richtung Cliff.

„Und was ist dabei raus gesprungen?“, forschte sie neugierig.

Dung wurde rot.

Unruhig rieb er sich über die Schläfe. „Na, weißte...“, stammelte er und verhaspelte sich nahe zu sofort. Sein Blick fiel auf den Nachbartisch an dem die Männer noch immer mit ihren Glücksspielen beschäftigt waren. Es waren keine weiteren Erklärungen mehr notwendig.

„Es war schließlich Neueröffnung und....“

Hannah stöhnte laut auf. Sie konnte nicht vermeiden ihn finster anzustarren. Besonders da sie in den letzten Tagen meist von trockenen Nudeln und Dosensuppen gelebt hatten.

Dung schob ihr versöhnlich den Drink unter die Nase.

Hannah nahm einen großen Schluck. Der Cocktail schmeckte ziemlich süß. Nach einer Mischung aus Orange und Grapefruit. Der Alkohol war kaum heraus zu schmecken.

Trotzdem trieb er ihr die Hitze ins Gesicht.

„Sei nicht böse, Mädel!“ Abwehrend hob er die Hände. „Du weißt, ich bin nicht jut in so was.“, gestand er ehrlich und blickte sie aus seinen dunklen braunen Augen reumütig an.

Sie konnte nicht anders als zu schmunzeln. Rasch warf sie einen flüchtigen Blick hinüber zu dem Tisch mit den Männern, die immer noch sehr vertieft in ihr Spiel wirkten.

„Aber in so was bist du gut?“, fragte sie und nickte hinüber. Dung legte den Kopf schief und grinste sie mit einem schrägen Lächeln an.

„Ziemlich!“, entgegnete er halbherzig.

Hannah kletterte ungeschickt von ihrem Besenstiel herunter und strich sich den Rock glatt. Mit einem bestimmten Zug leerte sie ihr Cocktailglas.

„Worauf wartest du dann noch?“, fragte sie grinsend.

Etwas verwirrt, aber doch freudig überrascht folgte er ihr. „Noch Platz?“, fragte er als sie an den Tisch traten.

„Ah, Fletcher!“, begrüßte ihn ein Zauberer mittleren Alters. Hannah war es inzwischen gewöhnt , dass Dung Gott und die Welt kannte.

Der Zauberer hatte ein hageres Gesicht, dunkles schütteres Haar und im Gegensatz zu seiner sehr verlebten Erscheinung trug er recht schicke Kleidung. Der Kragen seines Umhangs war hochgestellt und weiße lange Handschuhe bedeckten seine Finger.

Ruppig trat er den freien Stuhl ein Stück zur Seite.

Mundungus nahm Platz und zog Hannah auf seinen Schoß.

„Neue Runde, neues Glück.“, erklärte der unbekannte Zauberer, dabei warf er seinen beiden bulligen Spießgesellen einen harschen Blick zu.

„Wie viel setzt du, Fletcher?“ Dung kramte in den tiefen seiner Umhangtaschen und knallte mehrere Sickel auf den Tisch.

Das Spiel war nicht schwer. Es erinnerte Hannah an das Hütchenspiel der Muggel. Nur das statt einem Ball ein Schnatz unter drei braunen Lederbechern versteckt war.

Der Zauberer machte sich nicht die Mühe, die Becher mit den Händen zu verschieben, um sein Gegenüber zu verwirren. Stattdessen nutzte er dafür einen Schwebezauber.

Hannah musste sich anerkennend eingestehen, dass es einer der geschicktesten Zauber dieser Art war, den sie jemals gesehen hatte.

Nicht einmal Lily, die ein Genie in Zauberkunst war, konnte Gegenstände in einer solchen Geschwindigkeit durch die Luft fliegen lassen.

Mundungus entschied sich nach einigem Abwegen für den rechten Becher.

Tatsächlich hatte er Glück.

Den von etwas Anderem konnte man hier nicht sprechen. Unmöglich hätte er den richtigen Becher beobachten können. Es gab keine Strategie dahinter.

Dung kassierte den doppelten Einsatz und setzte erneut auf eine neue Runde. Cliff sorgte durchgehend dafür, dass ihre Getränke sich nicht leerten.

Er war durch und durch ein Geschäftsmann.

Hannah erschrak beim ersten Mal als die Männer hinter ihr – vor dem magischen Feuer lauthals zu brüllen anfingen.

„Weg da!“ „Aus dem Bild!“ „Verzieh dich!“

Tatsächlich schien dies im rasenden Klatscher eine normale Situation zu sein. Immer dann wenn ein neuer Gast mittels Flohpulver anreiste hatten die Gäste vor dem Feuer Grund lauthals in wüste Beschimpfungen einzufallen.

Denn die Anreise durch das Feuer unterbrach den Blick auf das dort laufende Quidditchspiel für einen Moment.

Sie kam nicht drum herum diesen fantastischen Ort zu schätzen, den Cliff geschaffen hatte. Es kam nicht oft vor, dass Menschen ihrer Art beisammen saßen und die Zeit genossen.

All seine wunderbaren Erfindungen und die ausgelassene Atmosphäre waren schon etwas besonderes.

Mundungus war völlig in seinem Element. Hannah war froh darum. Der Rausch der Cocktails pulsierte in ihrem Kopf. Sie wusste, dass es bereits längst Zeit war zu gehen.

Jetzt wo Dung betrunken war fiel es ihr leichter sich zu verabschieden. Ohne ihm die völlige Wahrheit zu sagen. Jetzt hatte er etwas zu tun. Saß nicht in der Laube herum und wartete auf ihre Rückkehr. Trotzdem schöpfte sie die Zeit aus, solange es eben ging.

Bevor sie sich von ihm mit einem flüchtigen Kuss – nicht ohne ein paar Pfiffe der umher stehenden betrunkenen Männer zu kassieren – verabschiedete.

Und den Pub verließ.

Die Sonne war längst untergegangen, sodass sie sich entschied es mit der Muggelabwehr nicht ganz so genau zu nehmen und direkt in der Gasse vor dem Pub zu disapperieren.
 

„Du bist zu spät!“, begrüßte Regulus sie zornig. Unruhig trat er von einem Bein aufs andere bis er sich im matschigen Gras festtrat.

Es war ihm sichtlich unbehaglich hier in diesem Waldstück schon wieder auf sie zu treffen. Aber es war seine Idee gewesen! Schon wieder!

Er hatte es einen ganzen Tag ausgehalten bevor er die Instruktionen auf die Uhr gehext hatte. Am liebsten hätte er es noch am Abend der Dinnerparty getan. Stattdessen hatte er einen ganzen Tag ausgeharrt und einen Weiteren, um ihr nicht zu demonstrieren wie sehr er es nötig hatte mit jemandem zu sprechen. Mit ihr zu sprechen.

Wieder hatte er nachgegeben. Und dann war sie auch noch derart unverschämt ihn warten zu lassen.

Sie war keinen Schritt auf ihn zu gegangen. Zumindest hätte sie um Verzeihung bitten können. Und jetzt wo sie da war wirkte ihre Anwesenheit sich wieder toxisch auf ihn aus.

„Tatsächlich?“, entgegnete sie spöttisch. Er blinzelte flüchtig.

„Treib es nicht zu weit, Tyler.“, raunte er kühl. Ihre Augen verengten sich zu gefährlich dünnen Schlitzen. Offenkundig war sie sauer. Wütend stemmte sie die Hände in die Hüften.

„Wenn du es genau wissen willst, war es nicht so einfach weg zu kommen!“, fauchte sie zornig. „Und sonderlich viel Zeit habe ich auch nicht.“, ergänzte sie verdrießlich und warf einen prüfenden Blick auf das Duplikat seiner Armbanduhr.

Seine Kiefermuskeln spannten sich hart an. Am liebsten hätte er sie angeschrien, hätte gewusst was sie den so wichtiges vor hatte, dass sie ihn stehen lassen würde. Doch er wusste, wenn er sie Zwang es ihm zu sagen, dann würde sie gehen. Wie er das hasste! Er hasste sie.

Er hasste es, dass sie die Fäden in der Hand hielt und er auch noch ein unfassbarer Trottel war und sie ihr reichte.

„Aha.“, sagte er tonlos, da ihn das Gefühl überkam er musste irgendwas sagen. Seine Gedanken waren noch immer völlig zusammenhanglos und er hatte Mühe seine Wut zu kontrollieren. „Also?“

Sie runzelte verwirrt die Stirn. „Du hast mich hier her bestellt.“, erinnerte sie ihn an das Offensichtliche.

Sein Kopf dröhnte und er empfand es plötzlich als mühsam mit ihr hier zu sein.

Er hatte den Platz gewählt. Einen Waldrand irgendwo im Nirgendwo.

Zu ihrer beider Sicherheit, um nicht zu riskieren, dass sie in der Zivilisation gesehen wurden. Aber jetzt gerade wünschte er sich, er hätte einen anderen Ort gewählt. Irgendetwas wo es wärmer war und sie etwas zu tun hatten. Selbst eine belanglose Tätigkeit wie Getränke bestellen, machte die Situation mit ihr irgendwie leichter. Es war gut, wenn sie beide etwas zu tun hatten. Etwas normales.

„Black!“, riss Hannah ihn aus seinen Gedanken. Sie wirkte definitiv ungeduldig.

„Du musst Okklumentik lernen.“, erklärte er ihr distanziert. Es war als würde er ihr eine Anweisung geben. Den sein Hirn hatte so eben entschieden, dass es nicht an der Zeit war ihr von dem Vorfall im Keller der Greengrass zu erzählen.

„Was bitte?“, fragte sie perplex und sah ihr fassungslos mit ihren riesigen blauen Augen an. „Ich gehe davon aus, dass du es nicht gelernt hast, wo du doch...“

„Ein Muggel bist?“

„Das ist nicht was ich sagen wollte.“, entgegnete er barsch. „Hast du es gelernt?“

Es gelang ihm nicht jeglichen Hohn aus seiner Stimme zu verbannen. Allein an ihrem Gesichtsausdruck konnte er erkennen, dass sie selbstverständlich keine Okklumentik beherrschte. Und das hieß zweifelsohne, er war ihr überlegen. Etwas, dass er unweigerlich genoss.

Eigentlich hatte er vorgehabt ihr seinen Plan deutlich taktvoller mitzuteilen, aber sie machte ihn einfach unfassbar wütend.

Sie antwortete ihm nicht und zog stattdessen ihre Jeansjacke fester um ihre Taille. Den ganzen Morgen hatte es geregnet und der Sommerwind war noch immer ungewöhnlich frisch.

„Tyler?“, beharrte er nun sichtlich amüsiert auf seine Antwort. Ihr Eingeständnis eines Makels.

Sie biss die Zähne aufeinander und sah ihn widerstrebend an.

„Nein.“, presste sie leise zwischen ihren Lippen hervor. „Ich kann es nicht.“ Regulus gehässiges Grinsen wurde breiter. „Dachte ich mir.“

Ihr Blick verfinsterte sich deutlich.

„Wie kommst du auf die hirnrissige Idee, dass ich meine Zeit investieren möchte, um es zu lernen?“, konterte sie blitzschnell, während sie die Hände vor der Brust verschränkte.

Er hasste sie wirklich.

Als wäre es nicht offensichtlich in welches Dilemma sie das Serum gebracht hätte. Sie wusste, dass ihre Gedanken eine Angriffsfläche boten.

Wenn man sie fand, etwas das immer noch in der hintersten Ecke seines Kopfes eine Möglichkeit war, auch wenn er es sehr bewusst vermied daran zu denken, dann wäre sie ein offenes Buch für jeden Todesser. Beinah jeden!

Er war sich nicht ganz sicher, ob jemand wie Goyle Legilimentik beherrschte. Jedenfalls würde sie ihn ausliefern, ob sie es wollte oder nicht. Es war unfassbar, dass sie nun einen auf trotzig machte.

„Muss ich dir das tatsächlich erklären?“, fragte er höhnisch. „Es ist offensichtlich.“

„Black, ich kann verstehen, wenn du paranoid wirst, aber ich habe besseres zu tun.“, entgegnete sie genervt.

„Parnoid?“ Er musste sich ernsthaft beherrschen, sie nicht zu packen und gegen den nächsten Baum zudrücken. In der Schockstarre, in die sie sein Wutausbruch während der Zaubertrankstunde gebracht hatte, gefiel es ihm deutlich besser mit ihr zu sprechen.

„Es würde ewig dauern es zu lernen.“, stellte sie reserviert fest. „Und ich habe genug am Hut.“ Wieder warf sie einen Blick auf die Uhr.

„Was den?“, fragte er harsch. Er bemerkte zu spät, dass er den Vorsatz aufgegeben hatte, dass ihn ihr Privatleben nichts anging.

„Dein Terminplan kann unmöglich so voll sein. Ich meine, was tut man mit jemandem wie Fletcher den ganzen Tag? Klauen, trinken und herumlungern?“

Ihre Augen verdüsterten sich schlagartig.

Wenn sie zu vor genervt und zornig gewesen war, dann war sie nun definitiv wütend. Sie beobachtete ihn kurz bevor sie einiges an Entfernung zwischen sie brachte und bestimmt in ihrer Tasche nach ihrem Zauberstab suchte. Er überwand die Distanz zwischen ihnen. Reflexartig griff er nach ihrem Arm und zog ihn gewaltsam von ihrer Jackentasche weg.

„Das tust du nicht, Tyler!“, knurrte er unmissverständlich.

Sie wehrte sich gegen seinen Griff und begann lauthals zu fluchen, erreichte damit aber nur, dass er sie fester packte und an sich zog.

Hannah biss die Zähne zusammen und ließ ihn nicht aus den Augen. Zornig trat sie nach ihm, sodass er ihren Arm umdrehte und auf ihren Rücken schob.

„Du haust nicht einfach ab!“, stellte er recht sachlich fest. „Wir wissen beide das Abhauen deine Spezialität ist, Tyler. Aber ich habe dir schon einmal gesagt, ich bin nicht wie mein Bruder. Mit mir spielst du dieses Spielchen nicht!“

Sein Mund drückte sich über ihre Schulter hinweg nah an ihr Ohr. Es war deutlich zu spüren, dass sich wachsende Panik in ihr breit machte. Ihr Körper zitterte leicht und sie schnappte unregelmäßig nach Luft.

„Also Tyler, entweder lernst du Okklumentik wie die erwachsene Frau, die du vorgibst zu sein oder ich trichter es dir ein.“, erklärte er ihr unmissverständlich die Situation. Sein Tonfall ließ keinen Zweifel an seinen Worten zu.

„Du hast kein Privatrecht auf meine Gedanken.“, widersprach sie schnaufend.

„Auch wenn es bei euch vielleicht so abläuft, dass du immer bekommst was du willst, Regulus.“

Er bebte vor Wut und hatte Mühe ihren gefangenen Arm auf ihrem Rücken zu fixieren, denn immer noch zappelt sie unter seinem Griff.

„Lass das.“, fauchte sie brüsk. „Lass mich los du verdammter Bastard!“ Er konnte nicht anders als Respekt für ihre Kampfkraft zu empfinden.

„Lass das meine Mutter nicht hören, Tyler.“, tadelte er sie kühl. „Sie ist verdammt stolz auf meine tadellose Herkunft.“

Ihre Augen verengten sich zu düsteren Schlitzen. Sie drehte den Kopf über ihre Schulter und sah ihn direkt an. „Deine Mutter kann mich mal, Black.“

Daran gab es nichts zu widersprechen. Meistens konnte sie ihn auch mal. Ihr Gesicht war von den Anstrengungen sich gegen ihn zu wehren deutlich gerötet.

„Was würde deine stolze Reinblutmutter sagen, wenn sie wüsste, dass du dich mit Halbblütern umgibst?“ Unbewusst lockerte er den Griff um ihren Arm.

Sie nutzte die Gelegenheit und entzog sich hastig seiner Berührung. Rasch atmend lehnte sie sich gegen den Stamm der großen Eiche.

Er atmete tief aus. Sie würde gehen. Er wusste es. Wäre er sie, wäre er schon längst verschwunden. Hannah jedoch suchte nicht nach ihrem Zauberstab.

Sie strich sich mit einer raschen Handbewegung die Locken aus dem Gesicht und ließ ihn nicht aus den Augen.

„Kein Mann wird mich jemals wieder dazu zwingen die Kontrolle über meinen Willen aufzugeben. Niemals wieder. Egal, was man mir an tut.“, eröffnete sie ihm zu seiner Überraschung. Er sah sie an und ihre Blicke trafen sich in der Dämmerung.

Augenblicklich fühlte er sich schuldig.

Er dachte an ihre Erinnerung, jene in der sie als kleines Mädchen hinter einer Couch gesessen hatte, während ihr Stiefvater auf ihre Mutter einprügelte. Es war am Grimauldplatz geschehen. Nur wenige Meter von seinem eigenen Zuhause entfernt.

Er hatte es gewusst. Und trotzdem hatte seine Wut über ihre Verspätung und ihre brüske Haltung ihn dazu gebracht sie gewaltsam anzufassen.

Er fühlte sich schlecht.

Ihm war nicht wirklich bewusst gewesen, dass man sich so schlecht fühlen konnte.

Noch immer stand sie da, gegen den Baum gelehnt, damit beschäftigt ihre Atmung zu kontrollieren. Er wusste beim besten Willen nicht, warum sie noch da stand.

„Geh.“, forderte er sie kühl auf.

„Nein.“, antwortete sie tonlos.

„Warum nicht?“, wollte er von ihr wissen. Sie runzelte die Stirn.

Ihr Ausdruck war eine Mischung aus Zorn und Ahnungslosigkeit. Stumm schüttelte sie den Kopf. „Tyler?“, fragte er erneut. Mit dieser bloßen Geste konnte er sich nicht zufrieden geben.

Sie zuckte frustriert mit den Schultern.

„Keine Ahnung.“, informierte sie ihn knapp.

Und dann tat sie schon wieder etwas, womit er nicht gerechnet hatte. Sie wandte ihm den Rücken zu. Etwas, was er nach seinem Wutausbruch, niemals getan hätte.

War sie einfach nur dumm?

Zielstrebig stapfte sie in den Wald hinein, als sie die ersten Bäume passiert hatte, drehte sie sich um.

„Kommst du?“, fragte sie schlicht.

„Wohin?“

„Ich habe keine Lust hier herumzustehen. Ein kleiner Spaziergang kann nicht schaden.“

Verdattert sah er sie an. Offenkundig war ihr auch aufgefallen, dass sie besser mit einander umgehen konnten, wenn sie etwas belangloses zu tun hatten. Selbst wenn es nur Gehen war.

„Black?“, fragte sie erneut. Ihre Stimme war schon wieder voller Ungeduld.

Sie war wahnsinnig geworden. Dies war völlig absurd. Es war einfach wahnsinnig.

„Ja...“, stammelte er und ohne das er seinen Beinen einen Befehl gab, setzte er sich in Bewegung und folgte ihr.
 

Sie ging keinen bestimmten Pfad entlang. Es gab in der unmittelbaren Umgebung auch keinen. Sie marschierte einfach los. Immer tiefer in den Wald hinein.

Grob trat sie die Wurzeln und Sträucher auf dem Boden zur Seite. Versuchte mehrfach festen Halt auf dem Boden zu finden.

Der Waldboden war vom Regen sehr matschig und uneben. Es war eine dumme Idee gewesen, zu ihm zu kommen. Für diese Streitereien hatte sie Dung in dieser Spelunke sitzen lassen, noch lange bevor es Zeit war zu Sirius aufzubrechen. Sie war wirklich eine dumme gedankenlose Gans, sagte sie sich. Unsanft biss sie sich auf die Unterlippe.

Zu gleich hatte seine Aufforderung zu gehen, sie völlig aus dem Konzept gebracht. Sie wusste selbst nicht warum sie geblieben war. Es wäre die perfekte Gelegenheit gewesen diese seltsame Verbindung zwischen ihnen endgültig und ein für alle mal aufzulösen.

Und sie hatte sie einfach verstreichen lassen.

Vielleicht weil sie einfach nicht hatte aufgeben wollen. Vielleicht weil sie einfach nicht wollte, dass er ihr sagte, was sie zu tun und zu lassen hatte.

Sie kletterte über eine besonders massive Wurzel. In der Ferne konnte sie eine Lichtung ausmachen. Zielstrebig steuerte sie auf den Punkt hin, an dem die Baumkronen sich lichteten. Die Sonne tänzelte auf dem Boden und spiegelte sich in einem winzigen See wieder, der ihre Strahlen reflektierte. Sie blinzelte, da der Anblick der Sonne ihre Augen einer gewissen Anstrengung aussetzte. Sie hörte wie Regulus hinter ihr stehen blieb. Sein langer Schatten warf sich über ihrem Rücken hinweg auf den grasbewachsenen Boden.

Den ganzen Weg über hatte sie sich nicht umsehen müssen, um sich zu versichern, dass er noch da war. Es waren nicht einmal die Geräusche, die er machte, denn sie musste ihm zugestehen, dass er sich größtenteils geräuschlos durch den Wald und das Gestrüpp bewegte. Es war seine Präsens, die sie deutlich in ihrer Gegenwart spürte.

„Es gibt Dinge in meinem Kopf...die andere Menschen gefährden würden...“, hörte sie sich tatsächlich sagen. Sie konnte nicht genau benennen, warum sie das Thema wieder aufgriff.

Irgendetwas in ihr hatte anscheinend das Bedürfnis es ihm zu erklären.

„Es ist nicht so, dass ich dir nicht vertraue....aber ich kann niemanden gefährden den ich liebe. In dem ich jemandem Informationen gebe, der in direkter Reihe vor dem Feind sitzt.“

Sie atmete tief ein.

„Tust du das?“, fragte er tonlos.

„Was?“, fragte sie verwirrt. Noch immer machte sie keine Anstalten zu ihm zu sehen und betrachtete die ruhige Oberfläche des Sees.

„Vertraust du mir?“

Sie zuckte kurz zusammen und nickte dann, als ihr auffiel, dass er ihre Gestik nicht sehen konnte, da er hinter ihr stand, versuchte sie die passenden Worte zu finden.

Für etwas, dass sie selbst nicht erklären konnte.

„Ich denke, dass tue ich...“, flüsterte sie schließlich.

Zögernd ließ er sich neben ihr auf dem Boden im Gras nieder. Er streckte die Beine von sich und begann ungezielt Grashalme abzuzupfen. Hannah hörte wie er langsam und schwer atmete.

„Wieso?“, erkundigte er sich letztendlich.

Ratlos zuckte sie mit den Schultern.

„Ich weiß nicht.“, antwortete sie leise.

„Dein Lieblingssatz heute?“, wollte er von ihr wissen. Sie blickte ihn an und bemerkte, dass er mittlerweile, deutlich amüsiert wirkte. Sie grinste ihm zu und nickte.

„Ich will nicht einfach alles sehen, was in deinem Kopf ist, Tyler.“, versuchte er es nun deutlich ruhiger zu erklären. Es war ihm anzusehen, dass er immer noch Mühe hatte sich zu beherrschen. Auch ihm fiel es sichtlich schwer die passenden Worte zu finden.

„Es ist ein Schutz.“, fuhr er betont sachlich fort. „Okklumentik würde uns beide schützen.“

„Auf meiner Seite ist es nicht üblich in die Gedanken der Anderen einzudringen.“, erwiderte sie mit erhobenem Kopf. Er schnaubte ungläubig, was sie dazu veranlasste ihn grimmig anzusehen. Abwehrend hob er die Hände.

„Tyler, dass glaubst du doch selbst nicht.“

„Doch!“, entgegnete sie und kam sich dabei fast ein wenig naiv vor.

„Selbst wenn deine Seite zu nobel ist, um auf solche Methoden zurück zugreifen....“, begann er seine Argumentation. Der Hohn schwang unüberhörbar in seiner Stimme mit.

Es war unfassbar wie wahnsinnig schnell seine Launen wechseln konnten. „...selbst wenn du Recht haben solltest, dann ist es nur eine Frage der Zeit bis du wieder mit meiner Seite konfrontiert bist.“

In seinem Gesicht konnte sie keine Gefühlsregung erkennen. Er maß sie mit einem beinah desinteressierten Blick. Ihr lief ein eisiger Schauer über den Rücken.

„An wen denkst du dabei?“, fragte sie trotzig.

„Weißt du, ich mach nämlich normalerweise nicht jeden Tag mit Todessern Ausflüge, Black.“

Er überhörte ihren bissigen Kommentar gekonnt.

„Das ist irrelevant.“, antwortete er schlicht.

„Ist es nicht.“

Er schnaubte laut und drehte den Kopf weg, um sie nicht länger anzusehen. Hannah bemerkte, dass sich seine Hände in der Erde gruben und er sie zu Fäusten geballt hatte.

„Doch ist es.“, beharrte er zornig.

„Nein....für mich ist es das nicht. Wenn du etwas weißt....“ Regulus unterbrach sie recht unwirsch. „Verflucht bei Grindelwald! Natürlich weiß ich etwas, Tyler. Ich werde jeden Tag mit Informationen konfrontiert, die dich einen verfluchten Scheißdreck angehen.“

„Genau wie dich meine Gedanken!“, fauchte sie zornig.

Sie war kurz davor aufzustehen und kommentarlos zu gehen. Es war ohnehin schon recht spät. Und vermutlich würde sie zu spät, zu ihrem Treffen mit Sirius kommen.

Er verzog das Gesicht zu einer angespannten Grimasse und presste seinen Kiefer hart zusammen.

„Wir könnten es austricksen.“, sagte er zögernd.

„Was austricksen?“, erkundigte sie sich.

„Unsere Gedanken, Tyler.“, antwortete er als wäre es selbstverständlich, was er meinte.

„Ich verstehe nicht.“, gab sie widerwillig zu.

„Na, dass ist ja nichts neues.“, kommentierte er kühl.

Sie spürte den Zorn erneut in sich hochkochen. Er war ein Arschloch. Sie hasste seine herablassende Art. Sie hasste ihn.

„Ein unbrechbarer Schwur.“, schlug er vor als sie nicht antwortete. Hannah hörte, dass seine Stimme zitterte. Er bemühte seine Unsicherheit sichtlich zu verbergen.

„Wenn wir einander schwören, nichts zu verraten, was wir in den Gedanken des Anderen gesehen haben, dann kann niemand diese Information aus uns herausholen.“, führte er seinen Plan aus. „Es ist ein Trick. Und dann wäre es nicht schlimm, wenn ich dir Okklumentik beibringen würde, auch wenn ich es dann nicht mehr nötig wäre. Aber du könntest auch die Gedanken schützen, die nichts mit mir zu tun haben.“

Erwartungsvoll sah er sie an.

Bevor sie Zeit hatte seine Worte auf sich wirken zu lassen zog sich ein krampfhafter Schmerz durch ihre Hand. Sie verzog das Gesicht zu einer Grimasse. Der Blutsschwur! Er bestrafte sie für diesen Gedanken.

„Wenn es so furchtbar ist mit mir hier zu sein, warum bist du dann überhaupt hier?“, fuhr er sie barsch an. Es war deutlich, dass er ihre Mimik auf sich bezog.

„Nein, das ist es nicht....“, begann sie, doch der Schmerz durchfuhr sie wie ein Stromschlag. Sie drückte ihre Fingerknöchel in die Innenseite ihrer Handfläche. Es half nichts Druck auszuüben. Ruckartig schob sie die Hand auf die Wiese, um zumindest das Gras auf ihrer Handfläche zu spüren. Panik durchströmte sie.

In den letzten Monaten hatte sie sich so an den Schmerz gewöhnt. Er war oft da. Ihr ständiger Begleiter, wenn sie mit Sirius stritt oder sich emotional zu sehr von ihren Freunden distanzierte. Doch gerade jetzt übermannte er sie.

Als würde sich der Blutsschwur dagegen wehren, dass sie auch nur über einen anderen magischen Schwur nachdachte.

„Tyler!“ Regulus klang besorgt. „Was hast du? Hast du Schmerzen?“ Seine stechend grauen Augen fixierten ihre Hand und noch bevor sie reagieren konnte, griff er nach ihr und drehte sie um. Wieder war er einen Schritt schneller als sie.

Und das Einzige woran sie denken konnte, war wie sehr sie ihn dafür hasste.

Ihr zuckende Hand begann unter der Berührung seiner Finger zu zittern.

Mit Adleraugen studierte er ihre eiternde Narbe.

„Tyler, was hast du getan?“, fragte er, doch er wartete keine Antwort ab. Stattdessen schob ihr ihre Hand höher und beäugte sie näher.

„Das ist ein Blutsschwur, oder?“

Hannah drehte den Kopf weg. Sie sog tief nach Luft.

„Woher weißt du das?“ Ihre Stimme klang rau und die Worte verließen ihre Lippen schwerfällig.

Seine Fingerspitzen zogen in gerader Linie direkt über ihre Narbe.

„Siehst du die schwarzen Linien?“, erkundigte er sich ruhig, als würde er mit ihr über eine Hausaufgabe sprechen. Sie beugte sich vor und erkannte tatsächlich dünne schwarze Linien im Inneren des Schnittes. Die Linien pulsierten unruhig und erinnerten sie an Adern.

Es war irritierend, dass ihr dies in den letzten Monaten nicht aufgefallen war. Wahrscheinlich weil sie es nach Möglichkeit vermied die Narbe anzusehen.

„Du siehst sie also?“, fragte er kühl. Hannah nickte stumm. Regulus ließ ihre Hand los.

„Wem hast du etwas geschworen?“, wollte er wissen.

Sie antwortete nicht.

„Tyler!“ Er war wütend. Sie sah es daran, dass sein Gesicht langsam rot wurde. Sein Kiefer verspannte sich hart und er maß sie mit einem finsteren Blick.

„Wenn du so dumm warst, jemand etwas per Blut zu schwören und dich nicht einmal daran hältst, dann antworte wenigstens.“, forderte er sie grimmig auf.

Sie schwieg beharrlich, auch wenn sie spürte, dass er neben ihr deutlich unruhig wurde. Wahrscheinlich musste er sich beherrschen nicht wieder auszurasten.

Der Schmerz ließ nicht nach und sie faltete die Hände ineinander. Ein eisiger Schauer lief ihr den Rücken herunter als sie es wagte ihn wenigstens wieder anzusehen.

„Sirius.“, antwortete sie nach kurzem Zögern. Sie hob die Schultern unsicher an. „Nicht nur ihm...“, fügte sie kleinlaut hinzu. „...aber ich denke, er ist das Problem.“

Seine Augen verdüsterten sich schlagartig.

„Was hast du geschworen?“, fragte er harsch.

Diesmal zögerte sie nicht mit ihrer Antwort. Jetzt da er es wusste, brachte es ohnehin nichts mehr. „Ewige Freundschaft.“

Regulus stöhnte genervt auf. Er schlug sich mit einer Hand gegen die Schläfe.

Dann schien ihm etwas einzufallen und ein gehässiges Grinsen legte sich auf seine Lippen.

„Du hast gesagt, er wäre immer dein Freund.“, erinnerte er sie.

Sie war nicht ganz sicher, ob er tatsächlich schadenfroh war.

„Manchmal ist es nicht so einfach.“, gestand sie. „Immer ist eine ziemliche lange Sache.“

Sein Grinsen wurde breiter.

„Dann hättest du nicht schwören sollen.“, belehrte er sie zynisch.

„Meinst du, dass weiß ich nicht?“ Hannah konnte nicht vermeiden, dass sie schnippisch klang.

Er zog skeptisch eine Augenbraue hoch und musterte sie prüfend.

„Wissen scheint nicht deine Stärke zu sein, Hannah.“, bemerkte er belustigt.

Sie holte aus und schlug ihm mit voller Wucht gegen den Oberarm. Eine Geste, die sie auch bei James oder einem anderen ihrer Freunde durchgezogen hätte. Sie zuckte zusammen.

Es konnte sich nicht so normal einfühlen. Das war falsch.

Regulus faste sich provokant an den Arm.

„Solche noblen Methoden verwendet also deine Seite!“, erklärte er mit gespielter Entrüstung. „Gut, dass zu wissen. Es wird bei der kommenden Kriegsführung sicher hilfreich sein.“

Sein seidiges schwarzes Haar fiel ihm ins Gesicht und bedeckte seine Augen.

Lässig strich er es bei Seite. Noch immer grinste er und tatsächlich grinste sie zurück.

Regulus stand übergangslos auf und klopfte sich das Gras von der dunklen Hose ab. Er hielt ihr eine Hand hin und Hannah entschied sie zunehmen. Ruckartig zog er sie auf die Beine.

„Also?“

„Was also?“, fragte sie stirnrunzelnd.

„Wenn ich dich aus dem Blutsschwur mit meinem Bruder befreie, bist du dann bereit dem anderen Black einen Eid zu leisten?“

Sie blinzelte rasch.

„Wie willst du, dass bitte bewerkstelligen?“, Sie klang sichtlich überrascht.

„Tyler...“, tadelte er sie. „Schwarze Magie wurde mir mit der Muttermilch eingetrichtert. Im Gegensatz zu meinem Bruder, habe ich mich nicht dagegen gewehrt...“ Ihr Blick verfinsterte sich schlagartig.

„Gut, dass du mich daran erinnerst.“, sagte sie und entzog ihre Hand seiner Berührung. Er stöhnte genervt auf.

„Das was du und mein Bruder da getan haben, ist keine helle Magie. Das ist dir doch klar, oder?“ Sie antwortete nicht und blickte stattdessen hinüber auf den See.

„Meinst du, da leben Wassermenschen drin?“, wechselte sie abrupt das Thema. Er verdrehte die Augen, folgte ihrem Blick aber. Noch immer reflektierte sich das Sonnenlicht auf der Oberfläche des Sees. Das Wasser war ziemlich klar. Man konnte Fische erkennen, die entspannt durch das Wasser glitten und Kreise hinter sich herzogen.

„Nicht überall herrscht Magie.“, kommentierte er tonlos ihre Bemerkung. „Du bist übrigens ausgesprochen schlecht in Gesprächsführung. In meinen Kreisen wäre das definitiv untauglich.“

Hannah bückte sich nach einem Stein und schmiss ihn mit voller Wucht hinüber in den See. Er prallte an der Oberfläche ab und titschte zweimal auf, bevor er hinunter glitt.

„Macht es dir eigentlich Spaß mit ständig vorzuhalten was ich nicht kann?“

Sie musste keine Antwort abwarten. Sein Gesichtsausdruck, mit dem breiten süffisanten Grinsen, sprach Bände.

Arrogant wie er war überging er die Antwort. „Also, Hannah...“, begann er. Und sie nahm bewusst zur Kenntnis, dass er wieder einmal ihren Vornamen verwendete. Sie wusste, dass er es jetzt tat, um sie zu manipulieren. „...schwörst du mir einen Eid? Wie du es mit Sirius getan hast?“ Seine sturmgrauen Augen blitzten genüsslich.

Hannah fasste sich mit der linken Hand an die schwere Armbanduhr. So wie sie es in den letzten Tagen oft getan hatte.

Als ihr etwas einfiel. „Scheiße!“, fluchte sie laut. „Sirius!“ Sie warf einen hastigen Blick auf die Uhr. „Ich komm zu spät.“, stellte sie überflüssiger weise fest und begann zügig nach ihrem Zauberstab zu suchen.

„Du gehst zu ihm?“, fragte Regulus. Seine Stimme klang nun nicht mehr tonlos. Sie nickte zu Bestätigung.

„Trauzeugenzeug für James und Lily.“, erklärte sie abgelenkt. Schließlich wurde sie fündig.

Er taxierte sie indessen mit einem dieser undurchschaubaren Blicken, die sie von ihm inzwischen schon so gut kannte. „Black, ich werde drüber nachdenken, okay?“ Er reagierte kaum auf ihre Antwort. Abwertend hob er eine Hand.

„Geh.“, forderte er sie harsch auf. „Ich will nicht Schuld sein, dass mein liebster Bruder vor Sorge umkommt.“ Er triefte nur so vor Sarkasmus.

Ratlos sah sie ihn an. Nicht sicher, warum er so reagierte. Warum es stets so anstrengend zwischen ihnen sein musste.

„Gut.“, entgegnete sie nach einer Weile. „Bis dann.“

Und noch bevor sie apparierte wurde ihr bewusst, dass es beim nächsten Mal sie sein musste, die den Kontakt suchte. Er würde es nicht wieder tun.



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