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Hundeyoukai Kurzgeschichten

Shiros (Ent-) Scheidung
von

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Yuri: Teil 1

Vielen Dank an alle meine Kommentarschreiber!

Als ich vor zwei Jahren begann, Hundeyoukai ( fast) unter sich hochzuladen, habe ich zum einen nicht ahnen können, dass daraus eine ganze Saga wird, zum zweiten, dass sie so vielen gefällt!

Als kleines Dankeschön für nun über zweitausend Komentare zu dieser Saga kommt hier eine Kurzgeschichte aus Yuris Jugend, von dem ihr ja relativ wenig erfahren habt.

Die Geschichte seiner Eltern wird all denen ein wenig bekannt vorkommen, die Tensaigas endgültige Bestimmung von Sesshoumaru-sama und mir gelesen haben.
 

Viel Spaß beim Lesen!
 

Yuri
 

Der junge Youkai betrat das Zimmer des Herrn des Hauses mit einer ehrerbietigen Verneigung, ehe er sich niederkniete, auch zu höflich, seine Verwunderung zu zeigen, dass seine Mutter anwesend war.

„Du hast nun ein Alter erreicht, Yuri, in dem du das Recht hast, mehr über deine Vergangenheit und deinen Vater zu erfahren.“ Der Hausherr nickte leicht: „Komm, mein Enkel, komm, meine Tochter. Gehen wir zu dem Grab.“

Yuri war ein wenig überrascht. Er wusste von seinem Vater nur, dass dieser gestorben war, ehe er geboren wurde. Allerdings war ihm auch klar, dass seine Mutter nicht unehrenhaft gehandelt hatte, da sein Großvater sie wieder aufgenommen hatte, ihn erziehen ließ. Heute war allerdings ein wichtiger Tag für ihn, wurde er nun doch alt genug, ein Schwert führen zu dürfen. Sein Großvater, Takemi-sama, war der Eigentümer der Ländereien um das Mido-Gebirge. Aber nie zuvor hatte er mit ihm über seinen Vater geredet. Auch Mutter war diesem Thema stets ausgewichen - so ausgewichen, dass er nie gewagt hatte, darauf zu bestehen. Aber da war immer noch ein Punkt, der an ihm nagte. Warum nur hatten sie ihm einen Namen gegeben, vermutlich auf Vaters Wunsch gegeben, den normalerweise ein Mädchen trug? Nicht, dass es jemand gewagt hätte, ihn damit zu verspotten, aber auch so nervte es.
 

Eine gute Stunde später standen die drei vor einem Grab, über dem große Steinplatten ein Dach bildeten. Yuri war ein wenig überrascht, ohne das zu zeigen. Das war eindeutig das Grab eines mächtigen Youkai und auch, wenn sein Großvater über Ländereien gebot - das war gewiss jemand stärkerer gewesen. Aber er schwieg. Großvater hatte gesagt, er würde alles erklärt bekommen und er war zu streng erzogen worden, um die Unhöflichkeit zu besitzen, ihm vorzugreifen.

Takemi sah seitwärts: „Ich glaube, du solltest zunächst Yuri die Geschichte von dir und Inuyasha erzählen, Akaru.“

Inuyasha hatte sein Vater also geheißen? Nun, Yuri wusste, dass er auch ein Hundeyoukai gewesen war. So war der Name nicht überraschend. Aber er blickte ebenfalls zu seiner Mutter.

Akaru lächelte ein wenig traurig, als sie auf das Grab sah:

„Ich war ein junges Mädchen, Yuri. Um meine Ausbildung zu vervollkommnen und auch damit ich einen Gefährten finden würde, sandte mich Takemi-sama an den Hof des Fürsten der westlichen Gebiete, des Inu no Taishou. Dieser war gerade verstorben und der älteste von den beiden Söhnen hatte das Erbe angetreten. Ich wurde dem Haushalt des jüngeren zugeteilt. Ich….nun, der Prinz war so alt wie ich und wir…wir fanden Gefallen aneinander. Er hieß Inuyasha.“

Yuri war selbstbeherrscht genug, seine Mutter nicht anzustarren, aber er musste sich dazu zwingen. Sein Vater war ein Hundeprinz gewesen? Aus der mächtigen Familie des Westclans? Warum war sie nicht dort geblieben? Aber er schwieg.

So fuhr Akaru fort: „Inuyasha war sicher, dass sein Bruder einer Ehe mit mir zustimmen würde. Aber dieser war nicht da, oft unterwegs, um überall seinen Erbanspruch durchzusetzen. Und so….und so fand unsere Hochzeit ohne Zustimmung statt, heimlich, um mich nicht dem Gerede auszusetzen. Inuyasha wollte den Inu no Taishou bitten, wenn er zurückkäme. Und dann passierte es. Als der Fürst zurückkehrte, war alles plötzlich anders. Inuyasha begann, sich zu verändern. Nein, er veränderte sich fast sofort. Er wurde völlig anders. Er redete von Macht, davon, dass das Erbe ihm zustünde, ja, er forderte seinen älteren Bruder heraus. Der Inu no Taishou reagierte sehr mäßig, versuchte zu beruhigen. Und, das konnte jeder sehen, er machte sich große Sorgen um seinen Bruder. Auch ich tat es. Mit mir wollte er ebenfalls nichts mehr zu tun haben. Es war fast, als sei Inuyasha von etwas besessen. Nur drei Tage darauf gelang es Inuyasha, dem Fürsten das Schwert zu stehlen. Dieses Schwert durfte immer nur der Herr der Hunde tragen, nur er war mächtig genug dafür. Der Fürst rief alle zusammen, und sagte, er werde sich auf die Suche nach seinem kleinen Bruder machen. Und er sei überzeugt, dass das Höllenschwert ihn in Besitz genommen habe. Ich hoffte, er würde es schaffen, Inuyasha zu finden, ihm das Schwert wegzunehmen, so dass er wieder zur Vernunft käme. Aber es war noch schlimmer. Als der Inu no Taishou nach Tagen zurückkehrte, trug er auf dem Rücken wieder das Höllenschwert. Und er trug seinen toten Bruder. Inuyasha hatte ihn überfallen, ihn töten wollen.“

Yuri presste die Lippen zusammen. Das war Hochverrat am Fürsten, Verrat am Herrn der Hunde. Was war dann geschehen?

„Der Inu no Taishou war…“ Akaru suchte das passende Wort: „Bestürzt, ja, verzweifelt. Sein eigener Bruder hatte ihn verraten. Und Verräter bekommen kein Grab. Aber er sagte, dass es das Schwert gewesen war, nicht sein Bruder. Und so begrub er ihn hier. Zwar außerhalb der westlichen Länder, aber auf einem Platz, von wo aus man einen weiten Blick über das Fürstentum hat. – Ich war ebenfalls verzweifelt. Niemand wusste, dass wir Gefährten gewesen waren. Und ich wusste, dass ich schwanger war. Was sollte ich tun? Die Familie eines Verräters stirbt gewöhnlich mit ihm, und auch, wenn der Inu no Taishou seinem Bruder vergeben hatte, sähe das vielleicht anders aus, wüsste er, dass dieser einen Sohn bekam. So floh ich zu meinem Vater. Und als du geboren wurdest, gaben wir dir den Namen Yuri, den oft Mädchen erhalten. Wir hofften, auf diese Art dich zu schützen, dass der Fürst nie nachfragen würde, wer der Vater sei.“

Jetzt war das geklärt. Er hatte sich schon oft gefragt, warum sie ihm ausgerechnet diesen Namen gegeben hatten. Und noch etwas anderes war deutlich. Ihm war schon einige Zeit klar, dass sein Youki, seine Macht, offensichtlich höher war, als bei der restlichen Familie. Das war kein Wunder, wenn man bedachte, dass er das Blut des Westclans in sich trug. Er sah zu seinem Großvater: „Wünscht Ihr, dass ich Vater rächen soll, Takemi-sama?“

„Es gibt keinen Grund, mein Enkel. Dein Vater war ein Verräter, wenn auch nicht freiwillig. Und der Herr der Hunde tat, was er tun musste. Dieses Grab hier….wenn er deinen Vater den Raben vorgeworfen hätte, wäre es auch sein Recht gewesen. Das weißt du. Nein. Du bist alt genug, um zu wissen, was Recht und Unrecht ist. Du bist mein Enkel und mein Erbe. Aber falls der Sohn des Inu no Taishou, Sesshoumaru, ohne eigenen Erben stirbt, ist das westliche Fürstentum dein.“

„Sesshoumaru?“

„Er ist ein wenig jünger als du“, erwiderte Akaru.

Takemi fuhr fort: „In jedem Fall steht dir der Titel eines Prinzen zu, denn dein Vater war einer.“

Yuri nickte leicht. Das interessierte ihn weniger, als die Tatsache, dass er endlich wusste, aus welcher Familie er väterlicherseits stammte. Aber er erkannte auch, warum sie es ihm nun erst sagten. Früher hätte er es kaum verstanden, dass er seinen Vater nicht rächen sollte, ja, nicht dürfte.

„Und, mein Enkel, da du nun alt genug bist, ein Schwert zu führen, werde ich dich künftig auch in die Dinge einweisen, die du als Herr dieser Ländereien wissen musst. Du wirst mich ab sofort stets begleiten.

„Wie Ihr befehlt, Takemi-sama.“

Der Herr der Ländereien nickte leicht. Er hatte seinen Enkel streng erziehen lassen, Wert auf Ehrgefühl und Loyalität gelegt, schon aus reinem Selbstschutz. Ihm war klar gewesen, wie stark und mächtig Yuri eines Tages sein würde. Und sein Enkel hatte ihn auch nicht enttäuscht. Er müsste sich schwer irren, wenn Yuri nicht eines Tages einer der mächtigsten Youkai ganz Japans sein würde. „Gut. Und jetzt kehren wir in das Mido-Gebirge zurück. Heute Abend ist eine Feier zu deinen Ehren, da du nun alt genug bist, ein Schwert zu führen, in den Krieg zu ziehen.“ Und er wäre alt genug, sich den weiblichen Wesen zuzuwenden. Takemi hatte bereits eine Youkai ausgesucht, die seinen Enkel diesbezüglich ausbilden sollte, wie es üblich war.

Ohne weiteres Wort kehrte die Familie zum Schloss zurück. Yuri wäre stark genug gewesen, ein Dimensionsportal zu erschaffen, aber weder sein Großvater noch seine Mutter konnten dies. Und er war zu jung, um zu wissen wie man andere mitnehmen konnte.
 

Nur kurze Zeit darauf starb Akaru und Yuri schloss sich noch enger an Takemi an, begleitete seinen Großvater auf Schritt und Tritt, lernte die Ländereien kennen, die Bergwerke im Mido-Gebirge, die von Menschen bewirtschaftet wurden und den Reichtum der Familie schufen. Takemi war zwar im Verhältnis zu seinem Enkel nicht stark, aber er war stets mächtig genug gewesen, die Menschen seiner Ländereien zu beschützen. Dafür zahlten sie ihm Abgaben, erkannten ihn die menschlichen Grundherren als höherrangig an.
 

Takemi blickte seitwärts: „Ich sah gestern, wie Hasuko aus deinem Zimmer kam, mein Junge.“

„Habe ich damit einen Fehler gemacht, Takemi-sama? Verzeiht.“ Er wollte seinem Großvater wirklich nicht in die Quere kommen.

„Nein, das meinte ich nicht. Ich stelle nur fest, dass du …sagen wir, die Abwechslung liebst.“

Yuri zuckte ein wenig die Schultern: „Fast jede weibliche Youkai im Schloss macht mir Avancen. Warum soll ich die Angebote ablehnen?“

„Das ist wahr.“ Takemi dachte kurz nach. Sollte er Yuri sagen, dass die meisten hofften, er würde sie zu seiner Gefährtin machen? Er war der Erbe des Hauses, war stark und sah gewiss in den Augen weiblicher Youkai gut aus. Natürlich würden sie es versuchen. Und er schien auch nicht so roh oder ungeschickt zu sein, dass sie sich gegenseitig vor ihm warnten. Nein. Sollte sich der Junge nur die Hörner abstoßen, ehe er eine Gefährtin bekam. Takemi machte sich schon länger Gedanken, wen er als Gefährtin für seinen Enkel wollte, aber ihm fiel niemand ein, der stark oder würdig genug gewesen wäre. Immerhin floss in Yuri das Blut des Westclans. Und die einzige weibliche Hundeyoukai, die da seines Wissens in Frage kam, Shiro-hime vom Südclan, war mit Sesshoumaru verlobt. So fuhr er fort: „Wir kommen nun bald zu dem Dorf, das ich erwähnte.“

„Sie verweigern Euch den Tribut.“

„Ja. Das ist erstaunlich. Die Mine dort gibt genügend Eisenerz her und meine Forderungen waren nie sonderlich hoch.“

„Überdies müssen sie mit Eurem Besuch rechnen. Könnte es eine Falle sein?“

„Daran dachte ich auch. Aber Menschen?“

Yuri nickte leicht. Ken Mensch sollte so dumm sein, einen Youkai zu provozieren. Es sei denn, dahinter steckte ein Plan. „Ein anderer Youkai?“

„Möglich. Wir werden sehen.“
 

Das Dorf lag in einem weiten Tal. Eine breite Strasse führte zu dem Berg dahinter. Halden rechts und links verrieten, dass dort Abraum und Eisenerz getrennt wurden. Hütten standen dort. Yuri erkannte ein Loch im Berg, wohl der Eingang zur Mine. Höflich hielt er sich einen Schritt hinter seinem Großvater.

Takemi blieb stehen, betrachtete das Dorf. Dort waren sie entdeckt worden und Menschen kamen aus den Hütten, schrieen, andere eilten von den Halden, kamen aus dem Bergwerk.

„Takemi, nehme ich an?“

Dieser bemerkte den fremden Youkai, der sich kurz vor dem Dorf aufgebaut hatte: „Und wie lautet dein Name?“

„Ich bin der neue Herr der Gegend.“

Yuri holte etwas zu laut Luft. Sein Großvater blieb gelassen: „Du hast also den Menschen hier gesagt, sie sollen mir keinen Tribut mehr zahlen?“

„Ja. Ein so altersschwacher Youkai wie du ist kein würdiger Herr mehr für diese Gegend.“

„In der Tat, glaubst du.“

„Und da du keinen Erben hast, kann man nach dem Recht die Jagd auf dich eröffnen.“

„Wer sagt, dass ich keinen Erben habe?“

„Komm, das weiß doch jeder. Kämpfen wir. Und wenn ich gewinne, gehört mir das alles rechtmäßig.“

Takemi war klar, dass der Unbekannte Recht hatte. Er war stärker als er. Aber dennoch hatte der Fremde einen tödlichen Fehler begangen: „Ich nehme die Herausforderung an. Aber nicht ich werde mit dir kämpfen, sondern mein Enkel.“

„Dein Enkel?“ Jetzt erst beachtete der Fremde Yuri, den er bislang für einen Diener gehalten hatte. Da Takemi schwarze Haare hatte und Yuri weiße, hatte er auf keine Verwandtschaft geschlossen. Überdies hatte er nie etwas von einem Sohn oder Enkel gehört.

Yuri trat neben seinen Großvater: „Darf ich ihn töten, Takemi-sama?“ Er musterte den Gegner.

„Natürlich. Er hat mich herausgefordert.“

Der Youkai lachte ein wenig: „So jung? Du riskierst deinen Erben, Takemi? Wie dumm. Nun, dann werde ich erst ihn erledigen, dann dich.“

„Kaum.“ Yuri ging ihm langsam entgegen: „Du hast keine Ahnung, was ich kann.“

„Dein Youki ist nicht sonderlich beachtlich, Junge.“

„Hast du schon einmal etwas davon gehört, dass man es unterdrücken kann?“ Yuri blieb stehen, die Hand am Schwert.

„Natürlich. Aber das können nur äußerst starke…“ Der Fremde brach ab, zog seine Waffe: „Das werden wir gleich sehen.“

Yuri nahm sein Schwert, schätzte kurz die Entfernung zu dem Dorf ab. Er wollte nicht das Eigentum seines Großvaters beschädigen. Dann ließ er sein Youki aufflammen, mit seiner Klinge verbinden.

„Ach du…“ brachte der Unbekannte heraus. Solch eine Energie in so jungen Jahren war mehr als ungewöhnlich, unglaublich. Und dieser Halbwüchsige schien sich nicht einmal anzustrengen. Wie sollte er diesen Angriff parieren?

Yuri machte nur einen Schwenk mit seinem Schwert. Es ruhte bereits wieder an seiner Hüfte, als seine Energie den Unbekannten buchstäblich verschwinden ließ. Er drehte sich um: „Takemi-sama?“

„Komm, mein Junge. Jetzt reden wir ein bisschen mit diesen Menschen da.“
 

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Das wird für einige kein sehr angenehmes Gespräch werden. Yuri lernt allerdings einiges über Menschen, männliche und weibliche.
 

bye
 

hotep

Yuri: Teil 2

Ja, Yuri hat es mit der Damenwelt. Zumindest, was Youkai betrifft. Dass man bei Menschen manches anders sieht, muss er lernen...
 

Die Dorfbewohner hatten durchaus bemerkt, mit welcher Leichtigkeit der Enkel von Takemi-sama ihren neuernannten Beschützer besiegt hatte. Und sie waren sich im Klaren darüber, dass sie den Tribut verweigert hatten. Beides führte dazu, dass sich die Menschen angstvoll zu Boden warfen, nicht im Zweifel, dass der Herr der Gegend ungehalten sein würde.

Takemi blieb vor den gut zweihundert Menschen stehen: „Ihr habt euren Tribut nicht bezahlt? Auf Aufforderung dieses Schwächlings?“

„Verzeiht, Herr“, brachte einer heraus: „Wir…wir hatten Angst vor ihm.“

Das war Takemi bewusst. Für Menschen war es gewiss schwierig, die Macht eines Youkai einzuschätzen. Soweit er wusste, konnten sie keine dämonische Energie fühlen. Er machte einen Schritt näher zu dem Menschen, der immerhin den Mut aufgebracht hatte, oder den Respekt, zu antworten: „Wieso kam er her?“

„Was…was meint Ihr?“ Der Mann wagte nicht, den Kopf zu heben.

„Sagte er nicht, warum er ausgerechnet in dieses Dorf kam?“

Yuri stellte wieder einmal fest, dass sein Großvater viel Geduld hatte. Aber er hatte ihm schon einmal erklärt, dass verängstigte Menschen keine sinnvollen Angaben machen konnten, selbst, wenn sie es wollten. Und Furcht hatten sie schon, wenn ein Youkai vor ihnen stand, ohne dass sie ihn verärgert hatten. Nun, das ziemte sich auch. Aber das würde er auch berücksichtigen müssen, wäre er einst hier der Gebieter.

Der Mann warf einen unwillkürlichen Blick seitwärts.

Takemi verstand: „Ach, du warst das? Der Dorfvorsteher?“ Und da instinktiv die anderen von dem wegrutschten: „Du hast ihn eingeladen?“ Er ging auf den Unglücklichen zu.

Wie dumm war dieser Mensch eigentlich? Yuri war ein wenig verwundert. Eigentlich hatte er erwartet, dass sein Großvater das Dorf zerstören würde, die Menschen töten würde, oder ihm den Befehl dazu geben würde. Stattdessen schien er nur den Dorfvorsteher zur Rechenschaft ziehen zu wollen. Aber nach einem Moment des Nachdenkens wurde es dem jungen Youkai klar. Ein zerstörtes Dorf beherbergte keine Menschen. Und ohne Menschen keine Mine, also, keine Einnahmen. Großvater ging immer nüchtern nach wirtschaftlichen Erwägungen vor.
 

Takemi konnte wittern, dass der Mann vor ihm Todesangst hatte.

„Herr...ich...ich dachte…ich meine…ich...ich...“ Was sollte er sagen. Das gesamte Dorf wusste, dass er den auswärtigen Youkai geholt hatte, um dem Tribut an Takemi loszuwerden. Der Fremde hatte ihnen versprochen, sie künftig von Abgaben zu befreien. Zwar waren alle damit einverstanden gewesen, aber nun war ihm klar, dass das niemand mehr zugeben würde. Alle würden hoffen, dass sich der Zorn des Gebieters auf ihn beschränken würde.

„Hast du Familie?“

Der Dorfvorsteher zögerte. Der Youkai vor ihm war der wahre Herr der Gegend. Und den Tribut zu verweigern, das forderte Strafe. Sollte sich die Abrechnung auch auf seine Familie erstrecken? Das war zwar allgemein üblich, aber er wollte dies verhindern.

Das war wiederum auch den anderen Menschen klar. Diese dagegen wollten nur zu gern, dass sich die Rache auf einen Menschen, eine Familie beschränken würde. So sagte einer: „Er hat eine Tochter.“

„Gut. Ich will den zurückgehaltenen Tribut unverzüglich geliefert bekommen. Und ich will deine Tochter.“

Ein Mädchen holt erschreckt Atem, sicher die Tochter des Dorfvorstehers. Dieser murmelte: „Monster!“ und hätte sich im gleichen Moment am liebsten die Zunge abgebissen, denn der Youkai stand direkt vor ihm. Er hatte zwar noch immer die Stirn am Boden, aber aus den Augenwinkeln konnte er die Füße sehen.

„Monster?“ wiederholte Takemi und hob etwas die Hand, so dass jeder, der es wagte, aufzublicken, die Klauen sehen konnte. „Ihr verweigert den Tribut, ja, holt mir einen Gegner ins Haus und wenn ich dann in gewisser milder Stimmung weder das Dorf zerstöre, noch euch alle in Stücke reiße, bin ich ein Monster?“

„Verzeiht…“

Einige Dorfbewohner hatten sich bewegt, waren ein Stück zurückgerutscht, zu einem Mädchen, rissen dieses auf: „Herr…das ist Yukiko…“

Yuri konnte wittern, dass das Mädchen in Todesangst war. Sie zitterte am ganzen Körper, als sein Großvater den Schritt zu ihr machte, sie am Arm fasste, mit sich zog.

„Ich erwarte unverzüglich euren Tribut“, wiederholte er nochmals, ehe er das Mädchen mit einem gewissen Schwung zu seinem Enkel schubste. Yukiko stürzte zu Boden, wagte nicht, sich zu bewegen. „Du kannst mit ihr machen, was immer du willst, mein Junge. Wir sehen uns heute Abend.“

„Danke, Takemi-sama“, sagte Yuri unwillkürlich, höflich. Ein Menschenmädchen? Das hatte er noch nie gehabt. Das wäre doch einmal etwas Interessantes. Er bückte sich, packte sie am Arm und zerrte sie hoch. Sie zitterte. Angst vor Strafe wegen des Vergehens ihres Vaters? „Komm.“ Er zog sie mit sich.

Yukiko taumelte mehr, als sie ging, aber sie hatte der Kraft eines Youkai nichts entgegenzusetzen. In ihrer Panik wäre sie gern weggelaufen, gleich, wohin, aber die Hand um ihren Arm war fest. Sie hatte keine Wahl, als mitzugehen, in welches Schicksal auch immer. Aber sie konnte nicht verhindern, dass ihr Tränen über das Gesicht flossen.
 

Das Menschenmädchen wusste nicht, wie lange sie so durch die Gegend gelaufen waren, als sie losgelassen wurde. Sie fiel sofort zu Boden, als sei sie eine Marionette, deren Schnüre durchtrennt wurden, geistig und seelisch vollkommen erschöpft, unfähig, einen anderen Gedanken als schiere Angst zu fassen. Würde dieser Youkai sie jetzt fressen? Töten? Ganz bestimmt wartete etwas Unaussprechliches auf sie.

Yuri setzte sich einige Meter entfernt unter einen Baum und wartete. Er war gewohnt, dass die Youkai-Frauen auf ihn zukamen, versuchten, sich ihm angenehm zu machen, ihn zu verführen. Als sich das Menschenmädchen nicht erhob, nicht zu ihm kam, war er etwas verwundert. Erst jetzt prüfte er die Luft, konnte ihre Todesangst wittern. Was hatte sie denn? Dann fiel ihm ein, dass sein Großvater gesagt hatte, er könnte mit ihr machen, was er wolle. Nahm sie etwa an, er wolle sie umbringen? Warum hätte er sie denn dann hier auf diese Lichtung befördern sollen? Falls er sie hätte töten wollen, hätte er es vor der gesamten Dorfbevölkerung getan. Und sofort. War sie zu dumm, um das zu wissen? Oder…nun, das war möglich. Hatte sie noch nie einen Youkai getroffen? Zumindest keinen von seinem Rang? Er wusste, dass einfache Youkai Menschen überfielen. Davor beschützte sein Großvater zwar die Dörfer in seinen Ländereien, aber sie konnte davon gehört haben. In jedem Fall musste sie sich beruhigen. Der Angstgeruch war geradezu abstoßend: „Wenn ich dich töten wollte, wärst du bereits tot.“

Es dauere einige Sekunden, ehe dieser Satz von Yukiko verstanden wurde. Er wollte sie nicht töten? Nicht fressen? Unwillkürlich atmete sie etwas erleichtert auf. Aber was wollte er dann? Sie war sich nicht sicher, ob da nicht etwas kam, dass sie lieber hätte sterben mögen.

Yuri betrachtete sie. Sie zitterte noch immer, lag auf dem Boden, ohne sich zu rühren. Ganz offenkundig war sein neuer Besitz schreckhaft. Er schloss die Augen. Dann würde er eben warten, bis sie sich beruhigt hatte.

Das Mädchen wagte es, den Kopf zu drehen. Der junge Youkai hielt nach wie vor Abstand zu ihr, war nicht zu ihr gekommen, das beruhigte sie schon etwas. Jetzt hatte er die Augen geschlossen. War er etwa eingeschlafen? Das war ihre Chance. Möglichst leise stand sie auf, lief in den Wald. Sie hatte kein Ziel, wollte nur irgendwohin, weg von diesem Monster, dem sie ausgeliefert wäre.

Yuri hörte, dass sie aufstand, und nahm an, sie würde zu ihm kommen, ihm Avancen machen, wie er es von Youkai kannte. Als er mitbekam, dass sie davonlief, war er mit einem Satz auf den Beinen. Es war kein Problem, sie einzuholen und das Menschenmädchen rannte buchstäblich in ihn hinein.

„Was soll das denn?“ erkundigte er sich. Sie verhielt sich wirklich eigentümlich.

Yukiko fiel auf die Knie, fast zu Tode erschreckt. Sie hatte ihn nicht einmal kommen gesehen: „Bitte…nicht wehtun…“ brachte sie heraus.

„Wenn ich es wollte, hätte ich es schon getan.“

Zum zweiten Mal dieser Satz. Und so schnell, wie er bei ihr gewesen war….wie schnell waren Youkai?

Yuri betrachtete ihren gesenkten Kopf, ihren Rücken. Irgendwie waren Menschen wohl ganz anders als Youkai, viel schreckhafter und vor allem viel dümmer. „Wolltest du etwa nach Hause? Deine Nachbarn haben dich uns ausgeliefert, um die Strafe vom Dorf abzuhalten. Glaubst du, sie würden dich wieder aufnehmen?“

Yukiko schüttelte den Kopf. Nein, das würden sie sicher nicht. Eher würden sie sie fesseln und zu den Youkai zurückschicken.

Immerhin war ihr das klar. „Komm mit.“

Was blieb ihr schon anderes übrig? Sie musste froh sein, dass er sie nicht für ihren Fluchtversuch bestraft hatte.

Yuri setzte sich wieder unter den Baum. Immerhin schien sie sich ein wenig beruhigt zu haben. Sie ließ sich ein Stück entfernt nieder, starrte zu Boden. Sie hatte Angst vor ihm. Gut. Menschen fürchteten Youkai und so sollte es auch sein. Aber was sie da hatte, ging doch über den gewöhnlichen Respekt einem mächtigeren Wesen gegenüber hinaus. Sie hatte wohl zunächst tatsächlich angenommen, dass er sie umbringen wollte, und jetzt, dass er sie bestrafen würde. Wäre sie eine Youkai, hätte er es auch getan. Aber etwas in ihm sträubte sich dagegen, ein Wesen zu traktieren, das ihm vollkommen ausgeliefert war.

Yukiko beruhigte sich langsam. Der junge Youkai hatte sie wieder eingefangen, aber nicht bestraft, machte auch keine Anstalten, näher zu ihr zu kommen. Waren Youkai vielleicht anders, als sie es gehört hatte? Manche zumindest? Oder spielte er mit ihr, wie eine Katze mit der Maus?

„Es war dumm von deinem Vater, diesen Youkai zu rufen“, sagte Yuri nachdenklich: „Er muss doch gewusst haben, dass sich Großvater das nicht bieten lässt. Und dass der andere im Zweifel mehr Tribut gefordert hätte.“

Wollte er darauf eine Antwort? So meinte sie vorsichtig: „Ich kenne mich da nicht aus...Herr.“ Sie hatte noch nie jemanden so angesprochen, aber das war gewiss die richtige Anrede. Wenn sein Großvater der Youkai war, der die Gegend beherrschte, war dieser Junge oder eher junge Mann bestimmt ein Prinz.

„Weißt du, warum ihr den Tribut zahlt?“

„Nein.“ Nun, Vater hatte ihr gesagt, das sei, weil die Youkai sonst das Dorf zerstören würden, aber das konnte sie ihm doch unmöglich erzählen. Immerhin schien er sich mit ihr unterhalten zu wollen.

„Ist dir nie aufgefallen, dass weder einfache Youkai noch menschliche Banditen in eurer Gegend sind?“

Das stimmte. Beides. Das Dorf war nie überfallen worden und sie hatte es ebenso wenig bemerkt. Sollte das heißen, dass der Tribut eine Art Schutzzahlung war? Sie fragte nach.

„Natürlich.“ Yuri war erstaunt. „Habt ihr das etwa vergessen? Der Vertrag wurde geschlossen, als das Dorf gegründet wurde, vor gut dreihundert Jahren.“

„Daran erinnert sich doch kein Mensch mehr.“

Das mochte sogar stimmen. Diese Wesen lebten ja nur so kurze Zeit. Wie viele Generationen waren es wohl in diesen dreihundert Jahren gewesen? „Dann muss man euch dran erinnern. - Komm näher zu mir, Yukiko, heißt du?“

„Ja, Herr.“ Ihre Angst wuchs wieder. Was hatte er vor? Aber sie musste gehorchen. Er hatte schon gezeigt, wie stark und schnell er war. Und sie wagte nicht, das Risiko einzugehen, dass er sie doch noch bestrafen würde. Die Strafe eines Youkai wäre gewiss entsetzlich. So krabbelte sie näher, blieb neben ihm knien.

Immerhin gehorchte sie trotz ihrer Furcht. Warum nur war sie noch immer so, ja, schüchtern? Er hatte ihr doch gesagt, dass er sie nicht töten würde, sogar versucht, sich wie ein Menschenmann zu verhalten. Ihm kam plötzlich eine eigenartige Idee: „Hättest du auch solche Angst, wenn ich kein Youkai wäre?“

„Verzeiht mir“, bat sie hastig. Das war bestimmt unhöflich gewesen. Aber sie hatte nun einmal solche Angst. Dann meinte sie ehrlich: „Ich…ich denke schon.“ Und da sie bemerkte, wie eindeutig Erstaunen über sein Gesicht huschte: „Ich…Ihr…Ihr seid ein Mann.“

Yuri war erheitert, ohne das freilich zu zeigen. Das war eine erfrischende kalte Dusche für ihn. Die Youkai liefen ihm hinterher und ein Menschenmädchen sagte, es hatte Angst, nicht, weil er ein Youkai, sondern weil er ein männliches Wesen war? Was dachte sie denn, was da käme? Das wurde interessant: „Weiter.“

„Und ich bin ein Mädchen.“

„Dessen bin ich mir bewusst.“ Tatsächlich, sie wurde verlegen, ja, rot. Was hatte sie denn nur? Konnten Menschen Tatsachen nicht hinnehmen?

Yukiko zögerte. Aber er schien ihr zuhören zu wollen. Vielleicht konnte er bis zu einem gewissen Grad ihre Furcht verstehen. Sie hatte da mal etwas gehört: „Es…ich fürchte, Ihr könntet mich, nun, zu Eurem Vergnügen benutzen.“

„Benutzen.“ Menschen hatten da wohl seltsame Vorstellungen. Oder lief das bei denen ganz anders ab als bei Youkai? „Nun, bislang hat sich noch niemand bei mir beschwert. Aber trotz deiner seltsamen Einfälle – ich bin kein Mensch. Und ich handele anders als deinesgleichen.“

„Natürlich, Herr.“ Er hatte sie noch nicht einmal angefasst. Vielleicht machte sie sich ganz umsonst Sorgen.

„Gut. Dann komm. Wir gehen ins Schloss.“ Es würde gewiss nicht allzu lange dauern, bis sie ihre überflüssige Angst verloren hätte, wenn er sich weiterhin Mühe gab, sie zu beruhigen. Das war einmal etwas ganz anderes. Diesmal würde er sich bemühen müssen, sie zu verführen. Das konnte ein kleines, charmantes Spiel werden.
 

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Yuri hat noch einiges über Menschen und vor allem deren weibliche Vertreter zu lernen.
 

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hotep

Yuri Teil 3

Das Menschenmädchen betrachtete ein wenig erstaunt das Youkaischloss. Irgendwie sah das nicht anders aus, als sie sich Menschenschlösser vorgestellt hatte. Nun gut, die Wachen, die sich am Portal vor ihrem Herrn verneigten, waren Youkai, aber der Baustil war gewiss kein anderer. Sie bemühte sich jedoch, eng an dem jungen Youkai zu bleiben. Er war hier der Enkel des Besitzers und solange er Anspruch auf sie erhob, würde es kein anderer tun. Er war bislang nicht grausam oder auch nur streng zu ihr gewesen und sie wagte zu hoffen, dass ihr weiteres Leben erträglich sein würde.

Als sie den mittleren Hof erreichten, blieb Yuri kurz stehen.

Er hörte, wie Yukiko hinter ihm nach Atem rang: „Vater!“

Der Dorfvorsteher war an ein Gerüst gebunden worden, offensichtlich geschlagen worden. Nun kniete er erschöpft dort, soweit es die Fesseln zuließen. Auf seinem zerrissenen Rücken sammelten sich Fliegen.

Ohne weiter nachzudenken, eilte Yukiko hin, verscheuchte die Tiere: „Vater!“

Der wandte mühsam den Kopf: „Du lebst!“ brachte er hervor. Er hatte sich alle grausamen Schicksale ausgemalt, die ein Youkai einem jungen Mädchen wie ihr antun könnte. Aber sie sah unverletzt aus: „Ist...ist alles in Ordnung?“

„Mir ist nichts passiert.“ Sie zuckte ein wenig zusammen, als sie spürte, dass jemand hinter ihr war. Nicht im Zweifel, wer sich so schnell und lautlos nähern konnte, warf sie sich schon im Umdrehen auf die Knie: „Oh, bitte, Herr, holt ihn hier weg, bitte!“

Yuri bekam das Gefühl, dass sie keine Ahnung von ordnungsgemäßem Verhalten gegenüber einem Prinzen hatte. Musste er ihr denn alles begreiflich machen? Aber sie war sein Besitz, er war also für sie verantwortlich. So erklärte er nur sachlich: „Du hast nicht das Recht, dich von mir zu entfernen. Und du hast kein Recht zu dieser Bitte.“

„Verschont sie, Herr“, bat der Dorfvorsteher, der das nur als Drohung empfinden konnte.

Yukiko merkte nun erst, dass sie wohl einen Fehler begangen hatte. So neigte sie den Kopf zum Boden: „Ich flehe Euch an, Herr, bitte….Ich tue alles, was Ihr wollt, aber bitte, holt ihn hier weg.“

Sowohl ihrem Vater als auch Yuri war klar, dass sie sowieso alles tun müsste, was der Youkaiprinz wollte. Aber der letztere verstand, was sie damit ausdrücken wollte. Da er selbst Loyalität gegenüber seiner Familie als äußerst wichtig empfand, war er in gewisser Hinsicht angetan, dass Yukiko gegenüber ihrem Vater so ergeben war. „Ich werde mit Takemi-sama sprechen“, versprach er daher: „Akiko!“

Eine weibliche Youkai eilte heran: „Yuri-sama?“

„Dieses Menschenmädchen soll baden und sich umziehen. Dann bringe sie in mein Zimmer. - Und Akiko, du würdest gut daran tun, sie wie eine lebende Puppe zu behandeln. Ich will keinen Fleck an ihr finden.“

„Wie Ihr befehlt, Prinz.“ Akiko wusste sich den Hinweis zu deuten: „Komm.“

„Danke, Herr“, brachte Yukiko hervor. Wenn er mit seinem Großvater sprechen würde, käme ihr Vater doch bestimmt hier weg, würde vielleicht verarztet werden. Aber sie wusste, dass weiterer, auch nur scheinbarer, Ungehorsam arge Folgen haben mochte. So erhob sie sich und ging mit der Youkai.

Yuri wandte sich ab. Der Dorfvorsteher wusste nicht, was er sagen oder auch nur denken sollte. Seine Tochter sollte in das Zimmer des Hundeprinzen? Aber natürlich war sie dafür von Anfang an bestimmt gewesen. Und sie war nicht bestraft worden für ihre vorwitzige Bitte. Dieser junge Youkai schien sie nicht niederträchtig zu behandeln. Und dass er wegen ihm nun mit Takemi-sama reden wollte…Etwas wie Hoffnung stieg in ihm auf.
 

„Zieh dich aus“, sagte Akiko, als die beiden das Badehaus erreicht hatten, vor einem großen Zuber mit warmem Wasser standen. „Mach schon.“

„Ja.“ Yukiko gehorchte. Aber ihre Angst war ein wenig geschwunden. Auch, wenn der Prinz ein Youkai war, so schien er doch nett zu sein. Vorsichtig stieg sie in das Wasser.

Akiko musterte sie rasch. Sie war ein wenig überrascht, dass Yuri-sama ein Menschenmädchen mitgebracht hatte, aber natürlich war das seine Sache. Jede unverheiratete Youkai im Schloss wäre allerdings nur zu glücklich gewesen, mit diesem Menschen tauschen zu dürfen. Aber die Anweisung war klar gewesen. Gleich, was sie empfand, sie musste den Befehl ausführen. Yuri-sama wäre gewiss nicht erfreut, würde seinem neuen Spielzeug wegen ihr ein Schaden zugefügt werden. So nahm sie eine Bürste, ließ sich neben dem Zuber nieder, um das Haar des Menschenmädchens zu glätten.

Yukiko atmete tief durch. Eine Youkai, die ihr Haar bürstete….wenn ihr das zuvor jemand gesagt hätte, hätte sie das nie geglaubt. „Akiko-sama“, begann sie vorsichtig. Immerhin war das eine Youkai: „Was…was soll ich tun, wenn ich bei dem Prinzen bin?“

Die Angesprochene ertappte sich bei dem Gedanken, diesem dummen Gör irgendetwas zu erzählen, dass Yuri sie töten würde. Aber sie ließ es lieber bleiben. Was, wenn die es noch schaffen würde, dem Prinzen zu sagen, dass das ihr, Akikos, Rat gewesen war? Ihr Neid ging nicht so weit, dass sie Selbstmord begehen wollte. So meinte sie: „Alles, was er will.“

„Ja.“ Das war es nicht gewesen, was sie gemeint hatte. Aber sie konnte doch unmöglich weiter nachfragen.

„Steh auf.“

Yukiko gehorchte, fühlte ein Handtuch um sich, und stieg aus dem Zuber. Fast irritiert stellte sie fest, dass noch eine Youkai hereingekommen war, mit einem roten, bodenlangen Kimono. Akiko trocknete sie ab, dann wurde das Menschenmädchen in den Kimono gehüllt, ohne dass sie es wagte, eine Bewegung zu machen.
 

Die neue Dienerin wurde in eine größere Räumlichkeit geführt und mehr oder weniger in ein Eck geschubst. Als die Tür zu war sah sich Yukiko vorsichtig um. Der Bereich war vollkommen leer, bis auf Matten, die an der gegenüberliegenden Wand lagen. Das war also das Zimmer eines Prinzen? Sie hätte es sich prunkvoller vorgestellt. Was sollte sie nur tun? Weglaufen war sicher ein Ding der Unmöglichkeit. Ihr vergeblicher Versuch im Wald hatte ihr das nur zu deutlich gemacht. Aber sie spürte wieder, wie die Angst in ihr aufstieg. Ob er wirklich mit seinem Großvater geredet hatte? Was er nun von ihr wollte? Ob es wehtun würde? Ob er sie danach umbringen würde? Ihre Zukunft sah im Augenblick nicht sonderlich erbaulich aus.

Yuri betrat sein Zimmer und bemerkte sofort, wie ihre Panik wieder anstieg. Warum nur war sie nicht zu beruhigen? Das konnte schwieriger werden, als er angenommen hatte. Er ließ sich auf die Matten nieder, sah zu ihr. Sie hatte sich höflich vorgeneigt, zitterte aber schon wieder. So sagte er: „Dein Vater ist auf dem Weg nach Hause.“

Yukiko richtete sich erleichtert auf: „Oh, ich danke Euch vielmals!“ Er war doch nett. Vielleicht würde er ihr nichts tun?

„Jetzt bist du dran.“ Sie verstand so deutlich nicht, dass er fortfuhr: „Du hast gesagt, du würdest tun, was ich will.“

„J..ja.“ Jetzt musste sie eben den Preis bezahlen.

„Komm her.“ Er konnte wittern, wie ihre Angst anstieg. Aber sie gehorchte, kniete neben ihm wieder nieder. „Und jetzt gib mir einen Kuss.“

Yukiko zögerte kurz, dann neigte sie sich rasch vorwärts, gab ihm einen Kuss auf die Wange, ehe sie sich wieder zurückzog.

Yuri war erheitert. Wusste sie es nicht anders? „Das meinte ich nicht.“ Er drehte sich ein wenig: „Und du hast noch immer Angst.“

Sie sah zu Boden. Was sollte sie dazu sagen? War das jetzt richtig oder falsch gewesen?

Der Hundeprinz atmete durch. Da musste er von vorne anfangen. Anscheinend hatte sie keine Ahnung, was er eigentlich von ihr erwartete. Jetzt fiel ihm ein, dass vornehme Youkaimädchen keine Vorkenntnis vom Ablauf einer Hochzeitsnacht, von ehelichen Pflichten bekamen, um sie nicht auf dumme Ideen zu bringen. War das bei Menschen etwa auch der Fall? Hm. „Hast du Hunger?“

Sie nickte: „Und Durst.“

Er wandte den Kopf: „Wache!“ Und da sofort ein Youkai die Tür öffnete: „Bring etwas zu essen und zu trinken für sie.“

„Yuri-sama, wir haben so etwas nicht im Schloss….Ich werde es unverzüglich besorgen.“ Der Blick des Prinzen war eindeutig gewesen.

Yukiko holte erleichtert Luft. Sie würde etwas bekommen. Und bislang schien er ihre Fehler nicht so eng zu sehen, falls sie welche gemacht hatte. Plötzlich kam ihr ein eigenartiger Gedanke. Im Wald hatte sie angenommen, er könne mit ihr Katz und Maus spielen. Aber nun hatte sie einen vollkommen anderen: spielte er mit ihr Mensch und Katze? Er versuchte, sie zu beruhigen, sie zu versorgen, so, wie es ein Mensch mit einem neuen Haustier machte, um es zutraulich zu bekommen. Sie hob etwas den Kopf, um sein Gesicht zu sehen. Die grünen Augen musterten sie ohne erkennbare Regung und ihr wurde plötzlich bewusst, dass sie Recht hatte. Er nahm sie nicht als ebenbürtiges Wesen wahr. Nun, das war sie wohl auch nicht. Sie hatte ja gesehen, wie leicht er den anderen Youkai getötet hatte, wie schnell er war.
 

Yuri betrachtete sie nachdenklich. Menschen waren schon sonderbare Geschöpfe. Schwach wie sie waren, war es nicht verwunderlich, dass sie Angst vor Youkai hatten, sich unter deren Schutz stellten. Und doch gab es da andere Verhaltensweisen. Sie hatte versucht, ihren Vater zu beschützen, obwohl jeder einigermaßen Denkende mit einer Strafe für sich gerechnet hätte, die der ihres Vaters mindestens entsprochen hätte. Aber sie hatte wohl nicht einmal daran gedacht. Ihr Vater schon, das war ihm klar. Im Schloss gab es nur wenige Menschen, und die waren alle männlich. War da etwa ein Unterschied zwischen weiblichen und männlichen Menschen? Die im Schloss waren ihm immer eher wie einfache Ochsen vorgekommen. Sie arbeiteten, taten was befohlen wurde und zeigten deutlichen Respekte dem Herrn gegenüber. Waren weibliche Menschen anders? Wenn ja, würde es nett sein, herauszufinden, inwiefern. Er nahm an, dass sein Großvater ihm das Menschenmädchen nicht ohne gewissen Grund überlassen hatte. Takemi-sama hatte schließlich schon erwähnt, dass Menschen eigenartige Geschöpfe seien. Irgendwie weckte Yukiko in ihm ein gewisses Beschützergefühl, das weder Menschenmänner, geschweige denn Youkai in ihm hervorgerufen hatten. Wie eigenartig Menschenfrauen wohl waren? Ängstlich und kühn, furchtsam und furchtlos zugleich, treu gegen ihre Familie und doch neugierig auf anderes…Und das alles in einem hübschen Gefäß. Das war wirklich viel interessanter, als alles, was ihm seine bisherigen Erfahrungen gebracht hatten. Stärke und Schwäche in Einem zu finden…

„Hast du immer noch Angst?“ Eigentlich war diese Frage überflüssig, er konnte es riechen.

„Ja, aber nur ein wenig. Ich...Ihr seid nett zu mir.“ Was sollte sie schon sagen? Ich fürchte, Ihr werdet Eure Meinung ändern? Mir wehtun? Mich töten?

„Du gehörst mir und ich pflege mein Eigentum.“ Gewisse Arroganz lag in seiner Stimme, ihm selbst vollkommen unbewusst.

„Danke.“ Irgendwie klang das trotz allem beruhigend.

Wirklich, dachte Yuri, sie war amüsant. Das würde ein netter Zeitvertreib werden. Sein Ehrgeiz, sein Jagdinstinkt war geweckt worden.
 

Yukiko eilte in das Zimmer des Prinzen zurück. Sie hatte zuviel Zeit im Badehaus verbracht. Die Sonne ging unter und gewiss würde Yuri-sama bald in seine Räumlichkeiten kommen, wie jeden Tag. Seit vier Tagen lebte sie nun in seinem Zimmer. Er verschwand mit Sonnenaufgang und kam mit Beginn der Dunkelheit. Sie blieb allein zurück, auch, wenn sie zweimal am Tag zu essen, zu trinken bekam, aufgefordert wurde, ins Bad zu gehen. Wenn er kam, wechselte er einige Worte mit ihr, ehe er sie schlafen schickte. Sie hatte schon gelernt, dass Youkai nicht schlafen mussten. Dennoch hatte er sich gestern zum ersten Mal neben sie gelegt, einen Arm um sie. Und sie gab zu, es war angenehm gewesen Sie hatte sich beschützt gefühlt.
 

Das Menschenmädchen zuckte zusammen, als sich etwas fest um sie legte, sie gegen die Wand geschleudert wurde. Erschreckt erkannte sie Akiko und eine andere junge Youkai vor sich.

„Was machst du?“ fauchte Akiko.

„Was…“ Yukiko war völlig verwirrt: „Ich...ich bin spät dran, verzeiht...“

„Dass meinen wir nicht, “ sagte die andere Youkai: „Was tust du bei Yuri-sama? Welches Vergnügen bereitest du ihm, dass er dich noch immer bei sich hat? Niemand von uns hat mehr als eine Nacht bei ihm verbracht. Was machst du?“

„Nichts...ich weiß nicht, was ihr meint...“ Irgendwie hatte Yukiko gerade das Gefühl in Schwierigkeiten zu stecken.

„Ach ja?“ Akiko presste das Menschenmädchen gegen die Wand, fuhr mit den Krallen ihr Gesicht nach. Ein Riss entstand, Blut trat aus.

Yukiko zuckte zusammen: „Bitte…ich weiß nicht, was ihr von mir wollt…“

„Tanzt du vor ihm?“ fragte die andere Youkai: „Wie küsst du ihn?“

Das Menschenmädchen beschloss, dass sie in wirklichen Problemen steckte. Waren diese Youkai etwa eifersüchtig? Sie brachte hervor: „Ich...ich tue gar nichts!“

„Was für eine kleine Lügnerin.“ Akiko gab sie nicht frei: „Mal sehen, wie lange du still bist, wenn ich dich mit meinen Klauen ein wenig bearbeite.“

„Verletze sie nicht zu sehr, sonst merkt der Prinz etwas“, warnte die andere Youkai: „Aber dennoch, Mensch: was tust du, um ihn zu verführen, zu bezaubern?“

„Nichts!“ beteuerte Yukiko, völlig der Wahrheit gemäß: „Bitte, ich kenne mich doch mit Youkai nicht aus.“

„Vielleicht deswegen? Sag schon, was tut er mir dir?“

„Ich kann euch sagen, was ich mit euch beiden tun werde.“

Die eiskalte Stimme hinter sich bewog die beiden Youkai, Yukiko loszulassen. Der gleichzeitige Anstieg des Youki ließ sie sich nur noch flach auf den Boden werfen, demütig um Gnade bittend. Das Menschenmädchen konnte die Energie so nicht fühlen, aber sie sank trotzdem auf die Bretter, erschöpft von dem Schrecken, aber auch aus Höflichkeit gegen ihren Herrn. Yuri und der Schlossherr waren herangekommen.

„Yukiko, geh sofort in mein Zimmer.“

Sie gehorchte nur zu gern. Immerhin hatte sie dort die ganzen letzten Tage Sicherheit gefunden.

Die beiden Youkaimädchen wagten nicht aufzublicken. Die Höhe des Youki vor ihnen zeigte nur zu deutlich, was der Prinz über ihr Verhalten dachte. Und ihnen war klar, dass sie eigentlich so gut wie tot waren.

„Ich bitte um Gnade...ich… ich hätte ihr nie etwas getan…“ brachte Akiko hervor: „Yuri-sama, ich wollte doch nur lernen…“

„Ich habe zu dir gesagt, dass ich nicht auch nur einen blauen Fleck an ihr sehen möchte. Und sie blutet.“ Das war eine sachliche Feststellung: „Du solltest wissen, ihr beide solltet es wissen, dass ich Wert auf mein Eigentum lege. Wer es beschädigt, stirbt.“

„Yuri-sama!“ war alles, was die beiden noch herausbrachten.

„Sie sind nützlich, mein Junge.“ Der Hausherr machte einen Schritt näher: „Aber da die beiden sehr...hm…sagen wir, heiß zu sein scheinen, können sie es mir gern beweisen.“

Yuri nickte nur. Wenn sein Großvater diesen Wunsch hegte, würde er ihm selbstverständlich nicht in die Quere kommen. So wandte er sich ab und ging.

Takemi musterte die beiden Dienerinnen, die sich nicht zu rühren wagten. „Ihr wisst, dass ich euch den Tod erspart habe. Ich denke mal, ihr habe eine Nacht lang Zeit, mir eure Dankbarkeit zu beweisen.“ Er ging und die beiden schlossen sich ihm notgedrungen an.
 

Yuri betrat sein Zimmer. Vermutlich war das Menschenmädchen wieder in Panik. Und das, wo sie sich schon deutlich beruhigt hatte. Zu seiner Verwunderung schien sie relativ gelassen, verneigte sich höflich. Er ließ sich neben ihr nieder: „Alles in Ordnung?“

„Ja, danke, Herr. Ihr kamt zurecht.“ Sie zögerte einen Moment: „Ich...ich glaube, die beiden dachten…“

„Sie waren eifersüchtig, ja.“ Warum hatte sie nun weniger Angst als zuvor? Immerhin hatten zwei Youkai sie überfallen. Menschenmädchen! Das war wirklich ein äußerst rätselhaftes und amüsantes Volk.

„Ja.“ Yukiko senkte den Kopf. Er war nett, er beschützte sie. „Darf...darf ich Euch eine Frage stellen?“

„Ich höre.“

„Die beiden meinten, nie hätte jemand mehr als eine Nacht bei Euch verbracht. Warum?“ Hastig ergänzte sie: „Bitte, bestraft mich nicht!“

Yuri konnte nicht anders. Er starrte sie an. Wie verschieden waren Menschen von Youkai? Oder war das nur, weil sie wirklich nichts darüber erfahren hatte? Langsam sagte er: „Spielzeug.“

„Das...das bin ich für Euch auch, nicht wahr? Zumal ich ein Wesen bin, das längst nicht an Eure Macht heranreicht.“

„Ja.“ Ein Youkaiprinz würde nie lügen.

„Was würdet Ihr tun, wenn ich…“ Irgendwie war der Satz nicht richtig angefangen. „Ich bin Euer Spielzeug, Herr. Wollt Ihr mich zerbrechen?“

„Nein. Das hätte ich schon getan.“

Warum nur hatte sie diesen Satz erwartet? „Dann…dann werdet Ihr mich beschützen?“

„Ja. Solange du am Leben bleibst.“ Er nahm ihre Hand. Sie zuckte zwar zusammen, ließ ihn aber gewähren. Und nicht aus Angst.
 

Er hatte ihr seinen Schutz versprochen, außerdem war sie sein Besitz. Und so würde er sein Wort halten. Aber Yuri nahm sich vor, sich mehr um diese äußerst rätselhaften Wesen zu kümmern, sie zu erforschen. Im Verhältnis zu weiblichen Youkai waren sie einfach etwas anderes. Schwäche und Stärke in einem. Und er wusste, dass das etwas war, was er suchen würde.
 

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...und eines Tages auch finden wird...

Aber das war schon eine ganz andere Geschichte.
 

bye
 

hotep

Akamaru Teil 1

Da euch Yuris Jugenderfahrungen gefallen haben, kommt hier die Reise von Akamaru, auf der er sein Erbe kennenlernen sollte, Land und Menschen.
 

Der junge, vornehm gekleidete Mann, der über die Berge wanderte, schien sich keiner Gefahr bewusst zu sein. Er mochte sechzehn Jahre zählen. Jemand, der ihn sah, hätte wohl vermutet, dass er sich durch seine Rüstung und sein Schwert so sicher fühlte. Erst beim genaueren Hinsehen hätte ein Mensch die Ursache für die Ruhe erkannt. Das rote, lange Haar reichte bis zur Taille hinab, die Ohren waren zu spitz für einen Menschen, die Hände endeten in Klauen. Und auch solche grünen Zeichnungen im Gesicht konnten keinem Menschen gehören. Das war ein Youkai aus adeligem Hause.

Akamaru, der Prinz aus dem südlichen Hundeclan, hatte von seinem Vater, Fürst Uramaru, die Erlaubnis zu dieser Reise bekommen, wie es die Tradition verlangte. Dies hier waren die weiten Länder des Südens, über die sein Vater der wahre Herr war. Und die einst ihm gehören würden. Wie jeder Erbprinz war auch er mit seiner Geburt diesem Land geweiht worden. Nun sollte er das Empfinden dafür bekommen, für die Magie, die unsichtbaren Bande, die ihn daran fesselten. Shiro, seine Zwillingsschwester, hatte ihn dabei, zum Leidwesen der Geschwister, nicht begleiten dürfen. Sie war verlobt mit dem Herrn der westlichen Länder, und auch, wenn dieser sie zurückgewiesen hatte, so war ihr Schicksal doch an seines gebunden. Das südliche Fürstentum durfte sie nichts mehr angehen.

Akamaru wusste, dass seine Schwester hart trainierte, um die Schande dieser Zurückweisung mit Blut abwaschen zu können. Dies war eigentlich auch sein Ziel, aber deswegen durfte er nie vergessen, dass dies hier sein Land war, oder besser, er hier einst der Herr und der Schützer sein würde.

Er blieb stehen, als er die Berghöhe erreichte. Vor ihm lag ein breites Hochtal. Am Westhang erhob sich ein Schloss mit Holztürmen und hölzernen Mauern, umgeben von Obstbäumen und Feldern. Auf dem Tiefpunkt floss ein kleines Gewässer dem Talausgang zu. Zwischen den Feldern und dem Flüsschen lag Brachland. Kein Mensch schien es zu bearbeiten. Seltsam, dachte der Youkai. Er konnte spüren, wie fruchtbar der Boden dort war. Sein Blick wanderte weiter, zu einem Dorf auf der steilen Ostseite. Er erkannte Menschen, die sich auf dem abschüssigen Boden abmühten Felder zu bestellen. Das war doch Unsinn. Gut, es waren Menschen und er wusste, dass diese den ganzen Tag mit gebückten Rücken auf den Feldern waren. Aber nicht einmal Menschen sollten so dumm sein, ihre Felder auf einem steilen, steinernen Abhang zu errichten, wenn nur auf der anderen Seite des Flusses ein fruchtbarer, ebener Boden war.

Sein Vater hatte ihm gesagt, dass er auf dieser Reise viel lernen würde. Das war eine eindeutige, eine seltsame Frage, und der Hundeyoukaiprinz beschloss, sich die Antwort zu holen.
 

Die Menschen in dem kleinen, armseligen Dorf waren nur alte Leute und Kinder. Die ersten, die ihn sahen, schrieen auf: „Youkai!“ und rissen die Kinder weg, in die Hütten. Akamaru hätte fast den Kopf geschüttelt. Wenn er das Dorf hätte zerstören wollen, würden ihnen diese Bretterhütten keinerlei Schutz gewähren. Aber er wollte ja eine Frage stellen.

Die Menschen auf den Feldern waren aufmerksam geworden, richteten sich auf. Als sie bemerkten, wer da gemächlich zu ihnen emporstieg, warfen sie sich flach auf den Boden. Ein Youkai, noch dazu in solcher Kleidung…

„Verschont uns, Herr!“ bat der Dorfvorsteher: „Wir...wir bitten um Entschuldigung, wenn wir Euren Zorn erregt haben…Bitte, verschont unser armseliges Dorf!“

Der Erbprinz des südlichen Fürstentums war es gewohnt, dass sich Youkai oder Menschen vor ihm niederwarfen. Aber er war etwas verwundert. Warum nahmen diese Menschen an, sie hätten seinen Zorn erregt? Und warum bettelten sie um ihr Leben? Ihnen müsste doch klar sein, dass, wenn er sie hätte tot sehen wollen, sie das bereits wären. Und dass ihn auch solches Flehen davon nicht abhalten würde. Youkai taten, was sie tun wollten. So sagte er: „Ich habe eine Frage.“

„Ja, Herr“, stammelte der Dorfvorsteher in den Boden. Immerhin. Solange ein Youkai mit einem sprach, tötete er nicht.

„Richte dich etwas auf!“ befahl Akamaru unwillig: „Ich möchte die Antwort nicht in der Erde suchen.“

„Ja, Herr.“ Der Angesprochene gehorchte sofort. Die anderen wagten nicht, sich zu rühren.

„Warum bebaut ihr hier diesen steinigen Hang? Dort, jenseits des Flusses ist das Ackerland doch viel besser.“

Der Dorfvorsteher starrte gegen jede Sitte dem Fremden ins Gesicht. Dieser war halbwüchsig, ein junger, aber sicher hochrangiger, und damit starker Youkai. Was sollte diese Frage? Seit wann beschäftigten sich Youkai mit Ackerbau? Aber natürlich ziemte sich eine prompte Antwort. So senkte er hastig wieder den Kopf: „Das ist uns auch bekannt, Herr. Aber das Land jenseits des Flusses gehört zum Schloss. Und der Herr dort erlaubt uns nicht, auf seinem Grund unsere Felder anzulegen. Wenn wir nicht verhungern wollen, müssen wir eben zusehen, was hier der Boden hergibt.“

„Unter Menschen, hörte ich, kann man Land pachten.“

„Ja, Herr. Aber auch das lässt er nicht zu.“ Das wurde ja immer merkwürdiger. Seit wann verstanden Youkai etwas von menschlichen Gesetzen.

Akamaru drehte sich um, betrachtete die vielleicht zehn armseligen Hütten unter sich, die fruchtbaren Felder am Westhang um das Schloss: „Wie viele Menschen leben in eurem Dorf?“

„Gegen sechzig, Herr.“

„Und in dem Schloss?“

„Der Schlossherr und seine Familie und seine Diener und die Samurai…Das werden so fünfzig sein.“ Der Dorfvorsteher gab es auf, sich über die Fragen zu wundern.

„Einhundertundzehn Menschen, also. Das Tal ist weit und fruchtbar genug, euch alle zu ernähren.“

„Aber, verzeiht, wenn ich widerspreche…“ Der Mann brach hastig ab, da sich der Youkaiprinz zu ihm umwandte:

„Menschliche Streitigkeiten interessieren mich nicht im Mindesten. Und auch nicht menschliches Recht. Das Tal kann euch alle ernähren. – Was geschieht, wenn ihr Felder dort auf dem Brachland anlegt?“

„Der Schlossherr kommt mit seinen Samurai. Und wenn wir nicht schnell genug über die Brücke sind, werden sie uns töten.“

„Diesmal nicht.“ Akamaru fand diese menschlichen Gesetze einfach ungerecht: „Tut es. Und ich werde euch schützen.“

„Herr….“

„Ich weiß, was du sagen willst. Nur heute, nicht wahr? Nein. Ich verspreche euch, diesem Dorf und diesem Tal meinen Schutz. Ihr habt das Wort eines Prinzen der Hundeyoukai.“

Der Dorfvorsteher wusste nicht so genau, was dieses Wort wert sei, aber er nahm an, wenn sie sich nicht fügten, würden sie eben von dem Youkai getötet. Vielleicht würde er sie auch beschützen. Youkai lebten doch viel länger als Menschen. So sagte er nur: „Darf ich...darf ich Euren Namen wissen, edler Herr?“

„Akamaru.“

„Wir...wir werden gehorchen, Akamaru-sama.“
 

So begannen kurz darauf die Dorfbewohner auf dem Brachland jenseits des Flusses Felder zu vermessen, anzuzeichnen. Der Dorfvorsteher kniete neben Akamaru nieder, der zwischen den Bauern und dem Schloss stand: „Herr…“

„Ja. Sie haben es bemerkt.“ Der Hundeprinz legte unwillkürlich die Hand an sein Schwert. Ein menschlicher Schlossherr und fünfzig Samurai bedeuteten keine Anstrengung für ihn. Aber er wollte eigentlich keinen Kampf. „Sie kommen.“

Die Dorfbewohner hörten erschreckt das Arbeiten auf, drängten sich zusammen. Aber niemand wagte zurück über die Brücke zu fliehen. Das hätte sicher den Youkai verärgert. Sie befanden sich zwischen zwei Mühlsteinen und konnten nur beten, dass das gut für sie ausgehen würde.

Der Schlossherr ritt auf einem Pferd heran. Als er den fremden Bewaffneten sah, blieb er halten: „Haben sie dich etwa zu ihrem Schutz angeheuert, Junge? Du musst ein Narr sein. Sie können dich weder bezahlen, noch bist du fünfzig meiner Samurai gewachsen.“

„Du bist der Narr.“ Akamaru klang kalt: „Und du musst blind sein, dass du nicht siehst, wer vor dir steht. Steig ab. Ich habe keine Lust, zu dir aufzusehen.“

„Ergreift ihn!“ brachte der Schlossherr noch hervor, als er schon eine Hand am Knöchel spürte, vom Pferd flog. Im nächsten Moment schrieen einige Samurai auf, dann stand der Unbekannte wieder wie vorher.

Der Schlossherr richtete sich mühsam zum Sitzen auf. So schnell, so stark…und der Mistkerl hatte fünf seiner Leute in einer einzigen Bewegung getötet. Jetzt erst erkannte er die Merkmale: „Youkai!“ keuchte er auf: „Was...was willst du?“

„Zunächst einmal sprichst du mich an, wie es sich gehört, Mensch!“

Der Schlossherr erkannte, wie in den grünen Augen etwas Rotes aufleuchtete, und beschloss, dass die Lage riskant wurde. So kniete er sich hin: „Was wollt Ihr, Herr?“

„Diese Bauern …das Land hier ist fruchtbar und es kann das gesamte Dorf ernähren. Du benötigst es nicht. Lass sie hier arbeiten.“

„Was gehen denn einen Youkai menschliche Bauern an?“

„Dies ist mein Land. Und alles, was darauf lebt, gehört mir.“

„Nun gut“, dachte Akamaru: „Damit greife ich ein wenig der Zeit voraus.“ Aber das ging die Menschen nichts an. Und Vater hörte es ja nicht.

„Und mache keinen Fehler. Ich habe diesem Dorf, diesem Tal, meinen Schutz versprochen. Das werde ich halten. Ich werde einen Youkai abstellen, der dich beobachtet. Hältst du dich nicht an meinen Befehl, wird es dir Leid tun.“

„Aber…“

Der Youkaiprinz hob ein wenig die Hand: „Ich sage nichts zweimal.“

„Ich habe verstanden.“

„Gut.“ Er drehte sich zu den Bauern um, die ihn mit einer seltsamen Mischung aus Furcht und Dankbarkeit ansahen: „Und ihr erweist euch des Landes würdig, vernachlässigt es nicht.“

„Ja, Akamaru-sama“, beteuerte der Dorfvorsteher: „Was immer Ihr wünscht…“

Die Menschen sahen alle schweigend dem Hundeyoukai hinterher. Niemand zweifelte an der Wahrheit seiner Worte. Das musste der Gebieter des Landes sein, denn so eigentümlich hatte sich noch nie ein anderer Youkai verhalten. Und niemand bezweifelte, dass er sofort wieder auftauchen würde, gäbe es hier erneut Schwierigkeiten.
 

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Im nächsten Kapitel lernt der junge Prinz etwas über Menschen.....
 

bye
 

hotep

Akamaru Teil 2

Ja, der gute Akamaru interessiert sich schon in der Jugend mehr für Ackerbau und Wissenschaften...
 

Teil 2
 

Der junge Hundeyoukaiprinz wanderte durch das südliche Fürstentum, näherte sich langsam dem Meer. Er konnte es in der Ferne schon wittern. Dort endete die Herrschaft seines Vaters, endete das Land, dem er bei seiner Geburt geweiht worden war. Die Landschaft hier war fruchtbar, grüne Anhöhen und Wälder dehnten sich dem Meer entgegen. Er blieb auf einem Hügel stehen.

Zu seinen Füssen öffnete sich ein Tal. Menschen drängten sich dort auf einer Wiese, unter einem großen Baum. Er betrachtete die Aufregung. Das musste ein ganzes Dorf sein. Aber weit und breit war keine menschliche Ansiedlung zu erkennen. Und was taten sie da? War das ein seltsames Ritual? In der Mitte der Ansammlung erkannte er mehrere Männer. Zwei hielten einen Sack fest, in dem etwas zappelte. Tiere, wohl. Der Wind kam aus der anderen Richtung, so dass er sich mit dem Wittern ein wenig schwer tat. Was machten die da nur? Vater hatte ihm ja gesagt, auf dieser Reise würde er viel lernen. Lernen über Menschen war sicher auch ganz interessant. Im Schloss gab es nur wenige.

Zwei andere Männer hatten die ganze Zeit ein Mädchen festgehalten, das offenbar im Mittelpunkt dieser Zeremonie stand. Nun packten auch andere zu, als sie versuchte, sich loszureißen. Sie steckten sie in den Sack, so dass nur noch ihr Kopf herausschaute, banden ihn zu. Sie begann zu schreien. Ohne sich dadurch stören zu lassen, reichten andere Menschen ein Seil zu. Männer warfen es um einen Ast an dem Baum, zogen den Sack mit dem zappelnden, schreienden Mädchen dort hinauf.

Irgendwie sah das nach einem Opfer aus. Aber warum und für wen? Für ihn wohl kaum. Das interessierte ihn. So ging er den Hügel hinunter.

Obwohl die Aufmerksamkeit der Menschen auf den Baum und das Mädchen gerichtet war, entdeckte ihn eine Frau.

„Youkai!“

Der Warnruf genügte, um alle Menschen Hals über Kopf davonstürmen zu lassen. Akamaru hätte sie mühelos einholen können, aber das Mädchen konnte seine Frage doch sicher auch beantworten. Als er nun näher heran war, verriet ihm seine Nase, was da noch in dem Sack war. Und warum sie wohl so schrie. Ratten.

Hunde und Ratten waren seit undenklichen Zeiten nicht gerade Freunde. Ohne weiter nachzudenken hob er die Hand, zerriss den Sack. Die Ratten fielen hinunter, rannten sofort weg. Das Menschenmädchen stürzte ebenfalls auf den Boden.

Sie hatte aufgehört zu schreien, da die hungrigen Ratten sie nicht mehr bissen, aber sie wusste nicht, ob sich ihre Lage wirklich verbessert hatte. Die Ratten waren nur weggelaufen, weil sie ein stärkeres Raubtier erkannt hatten. Und trotz ihrer Panik hatte sie den Ruf „Youkai“ gehört. Jetzt lag sie hier auf der Erde, zu Füssen eines Dämons. Wollte der sie nun fressen?

Akamaru betrachtete sie. An den Beinen hatte sie Bissspuren, Blut lief hinunter Ganz offenkundig hatten die Menschen sie umbringen wollen. Warum? Ihr Geruch war abstoßend, nach Angst, Schweiß, Blut. Sie wagte nicht, sich zu bewegen. Hatte sie Angst vor ihm? Bevor er sich mit ihr unterhalten wollte, müsste sie in jedem Fall anders riechen. Er bückte sich.

Das Mädchen spürte, wie sich Klauen um ihre Handgelenke legten. Das war zuviel. Diesmal verlor sie das Bewusstsein.

Akamaru merkte, wie ihr Körper schlaff wurde. Was war denn nun passiert? Aber er schwang sie sich über die Schulter, erschuf ein Dimensionsportal. Kurz darauf war er am Meeresstrand und warf seine Last ins Wasser.

Dadurch erwachte das Mädchen. Keuchend, verwirrt, richtete sie sich im flachen Wasser auf, ehe ihr das Geschehene einfiel. Angstvoll blickte sie sich um. Es beruhigte sie kein bisschen, dass der junge Youkai am Strand stand, keine drei Meter neben ihr.

„Wasch das Blut ab!“ befahl er knapp

Sie gehorchte zitternd. Wollte er, dass sie sich wusch, damit sie besser schmeckte?

Akamaru prüfte die Luft. Jetzt roch sie deutlich besser, aber sie hatte wohl noch immer Angst. Angst vor ihm, nahm er an. Menschen fürchteten Youkai. So gehörte es sich. Aber wenn sie in Panik war, würde sie ihm kaum seine Frage beantworten können. Daher sagte er: „Ich habe nicht die Absicht dich zu töten.“

Das Mädchen atmete etwas auf. Das war immerhin die erste gute Nachricht dieses ganzen schrecklichen Tages. Aber ganz sicher musste sie darauf antworten. „Danke, Herr“, brachte sie hervor. Sie betrachtete ihn vorsichtig. Das war bestimmt die richtige Anrede. Er war jung, aber er trug Waffen und so teure Kleidung. Das war ganz zweifellos jemand, der selbst unter den Youkai Rang und Namen hatte. Sie richtete sich auf, kam aus dem Meer. Das Wasser war kalt, und auch, wenn sie sich vor dem Grund fürchtete, warum er sie mitgenommen hatte – es würde bestimmt nichts helfen, das hinauszuzögern.

Akamaru wandte sich ab und ging. Er war sicher, dass ihm seine Neuerwerbung folgen würde. Wohin hätte sie auch sollen.
 

Am Rand eines Wäldchens blieb er stehen, setzte sich nachlässig auf einen Stein, der dort lag. Das Mädchen verstand das richtig als Aufforderung und kniete etwas abseits nieder.

„Wie heißt du?“

„Moriko, Herr.“ Wieder atmete sie auf. Wenn er sie hätte fressen wollen, hätte er doch nicht nach ihrem Namen gefragt.

„Die Menschen wollten dich töten. Warum?“

„Ich…ich habe mich noch nicht bedankt, dass Ihr mich da weggeholt habt, Herr.“

„Antworte!“

„Ich…sie sagen, ich sei eine böse Hexe. Sie hatten Angst, ich würde sie verhexen, wenn sie mich selbst töten würden. Und so wollten sie, dass dies die...die...“ Sie brachte das Wort nicht heraus. Allein die Erinnerung genügte, dass ihre Stimme versagte, ihr Tränen in die Augen traten.

„Ratten tun?“ ergänzte Akamaru: „Aber ich spüre bei dir keine Magie.“

„Ich kann ja auch nicht zaubern.“ Sie konnte kaum sprechen, aber sie fürchtete sich vor dem was kommen würde, würde sie nicht antworten. Immerhin schien der Youkai nur reden zu wollen. Nun, noch.

„Wie kamen sie denn dann darauf?“

„Der Brunnen trocknete aus, die Tiere wurden krank. Es …es war eine schlimme Not im Dorf. Jemand sagte dann, es sei meine Schuld.“ Warum fragte er dies alles?

Was war denn das für ein Unsinn? Wenn ein Brunnen austrocknete, hatte es eben zu wenig Regen gegeben. Waren Menschen so dumm? Verstanden sie nichts von den elementarsten Zusammenhängen? So etwas sollte doch nicht vorkommen, dass sie einfach, ohne Grund jemand beschuldigten. Nun gut, Menschen hatten zumeist ja wohl nicht die geringste Ahnung von Magie. Hm. Wenn er schon ein Exemplar dieser eigenartigen Spezies da hatte, könnte er sie ein bisschen genauer kennen lernen. Er sah zu ihr, bemerkte, wie sie zitterte, die Arme fest um sich geschlungen hatte. Aber sie hatte doch keine Angst mehr? Nun, zumindest nicht soviel wie zuvor. Dann begriff er. Ihr Kleid war nass vom Meerwasser. Vermutlich war ihr kalt. Sie fror. So nannte man das, wenn er sich richtig erinnerte. Er erhob sich. Da sie sofort folgsam ebenfalls aufstehen wollte, winkte er ab: „Bleib.“ Er trat zu den Bäumen, suchte einige trockene Äste. Immerhin wusste er, wie man ein Feuer macht. Er legte die Äste vor sie, hob die Hand.

Moriko hatte durchaus dankbar begriffen, dass er ein Feuer machen wollte, sah jetzt irritiert hin. Wie sollte das so gehen? Aber sie zuckte zusammen, als aus seiner Hand etwas wie helles Licht drang, auf die trockenen Äste fiel, die sich sofort entzündeten. „Danke!“ sagte sie dennoch. Es war sehr freundlich, dass er bemerkt hatte, wie kalt ihr war. Waren Youkai doch nicht grausame, böse Wesen?

„Zieh dein Kleid aus.“ Er konnte ihre sofortige Panik wittern und fragte irritiert: „Was ist? Dein Kleid ist nass.“

„Ja, Herr…“ Sie war rot geworden. Aber sie konnte sich dieser Anweisung nicht widersetzen. Nicht das Mädchen gegenüber einem Mann, nicht der Mensch gegenüber einem Youkai. Sie zitterte nur noch mehr, als sie den Gürtel öffnete, den Stoff abstreifte. Was hatte er bloß jetzt vor? Sie versuchte, sich mit den Haaren, mit den Armen zu bedecken.

„Was hast du?“

Wusste er es etwa wirklich nicht? „Ich…ich schäme mich.“

„Was bedeutet das?“

Wie sollte sie das erklären? Und wieso fragte er so seltsam? „Es ist mir unangenehm, unbekleidet vor Euch zu sitzen.“

„Tatsächlich?“ Akamaru dachte kurz nach: „Ich habe einmal gehört, dass Menschen Schamgefühl besitzen. Aber das ist seltsam.“ Er sprach mehr zu sich selbst: „Menschen kommen doch auch unbekleidet zur Welt.“

Das stimmte. Aber Moriko wunderte sich ein wenig, dass sich ein Youkai anscheinend Gedanken über die Menschen machte. Sie hatte immer gehört, diese Lebewesen würden Menschen fressen, grausam, böse sein. Aber er wirkte sowieso eher wie ein Mensch. Vielleicht gab es da andere Sorten? Immerhin beachtete er sie nicht mehr, setzte sich wieder auf den Stein. Sie atmete ein wenig auf. Er wollte wohl nichts von ihr, hatte sie wirklich nur aufgefordert, sich auszuziehen, damit ihr wärmer würde. Vorsichtig sagte sie: „Ich möchte nicht unhöflich sein, Herr….Was habt Ihr mit mir vor?“ Sie korrigierte sich hastig: „Wie kann ich Euch dienen?“

Gute Frage, dachte Akamaru, der noch keinen Gedanken daran verschwendet hatte. Hier lassen wäre vermutlich ihr Todesurteil, in ihr Heimatdorf zurückschicken konnte er sie auch nicht. Das wäre das Gleiche. In das Schloss seines Vaters mitnehmen? Seine Zwillingsschwester könnte ein Mädchen mehr sicher auch in Dienst nehmen. Aber sein Vater war nicht sonderlich menschenfreundlich - nun, er würde für Moriko gewiss eine Verwendung in seinem Bett finden. Aber irgendwie war das auch nicht das Wahre. Zum ersten Mal in seinem Leben fühlte sich Akamaru für jemand voll verantwortlich. „Ich reise durch das südliche Fürstentum. Du wirst mich ein Stück begleiten. Später werde ich dich in ein Dorf bringen, dem ich meinen Schutz versprochen habe. Dort kannst du bleiben. Und auf dieser Reise will ich, dass du mir erklärst, wie Menschen sind.“

Was sollte sie schon tun, als zu antworten: „Ja, Herr.“ Immerhin klang das nicht unzumutbar. Sie war nur ein wenig überrascht: er reiste durch das südliche Fürstentum? Das war kein Begriff, den sie kannte. Gab es etwa bei den Youkai auch Fürsten?
 

Einige Tage später blieb der Hundeprinz auf einem Berg stehen, nickte zu einer Felswand hinter sich: „Dort ist eine Quelle, Moriko.“

Das Menschenmädchen ging hin, ließ sich nieder. Sie war noch immer froh, dass der Youkai anscheinend nur von ihr erklärt haben wollte, was die Menschen so taten, wie sie in ihren Dörfern lebten. Sie wunderte sich darüber, aber im Vergleich zu dem, wie die Leute aus ihrem eigenen Dorf sie behandelt hatten, war das mehr als freundlich. Seine Fragen überraschten sie manchmal allerdings schon. Er wollte wissen, was ein Bauer dachte, wenn er Erde in der Hand hatte? Konnten Menschen die Fruchtbarkeit des Bodens fühlen? Wie bekamen Menschen Kinder? Und warum manchmal so viele, mehr, als sie ernähren konnten? Wie standen Menschen zu ihren Haustieren? Aber er fragte nur, tadelte sie nicht, schlug sie nicht. Und er sorgte dafür, dass sie genug zu essen bekam, suchte anscheinend auch Quellen für sie. Sie trank durstig, ehe sie sich einen Platz im Gras zurechtschob und einschlief.

Moriko erwachte, als es merklich kühler wurde, zumindest kam es ihr so vor. Sie sah auf und bemerkte mit gewissem Erschrecken, dass der junge Youkai sich verneigte. Wer kam da? Sie erblickte einen älteren Mann, auch einen Youkai, in Rüstung und bewaffnet auf ihren Herrn zukommend.

„Mein Herr und Vater“, sagte Akamaru höflich.

„Deine Reise hat dich nun an das andere Ende meines Fürstentums gebracht. Lernst du viel?“ Er blickte zu Moriko, ergänzte mit gewissem Amüsement: „Nun, wie ich sehe, vertreibst du dir nebenbei nett die Zeit. Sie würde mir auch gefallen.“

Akamaru wusste, dass er gehorchen müsste, würde Fürst Uramaru Moriko direkt fordern und antwortete behutsam: „Ich bemühe mich stets Eurem Vorbild zu folgen, mein Herr und Vater.“

„Sieht ganz so aus. Wenn ich bedenke, dass du noch vor vierzehn Tagen gemeint hast, du hast keinen Bedarf an Menschenmädchen! – Gut. Was hast du sonst noch gelernt? Kennst du nun die Magie des Landes?“

„Ja, Herr Vater. Es ist einfacher, sie direkt zu erleben, als nur von ihr zu hören. Ich war auf dem flachen Land, am Meer und in den Bergen.“

„Dann gebe ich dir noch zwei Wochen, ehe du zurückkehrst. Du hast noch viel zu lernen. Und im Kampf musst du auch besser werden. Ich will meine Rache.“

„Gewiss, Herr Vater.“ Der Prinz der südlichen Länder atmete unmerklich auf, als sein Vater verschwunden war. Er hatte Moriko seinen Schutz versprochen - aber gegen Fürst Uramaru wäre es unmöglich gewesen. So blickte er zu dem Menschenmädchen, das ihn ein wenig erschreckt anschaute. „Mein Herr und Vater ist gegangen.“

Moriko war aus zwei Gründen bestürzt. Der fremde Youkai hatte etwas von: „mein Fürstentum“ gesagt, war also ein Fürst unter den Youkai? Und ihr Herr war also ein Prinz, der Erbprinz? Und außerdem: „Er...er meinte…ich…“

„Ja. Er mag weibliche Wesen, gleich welcher Rasse.“ Mehr wollte er nicht sagen, durfte er nicht sagen. Fürst Uramaru war streng zu seinen Zwillingskindern und es fiel Akamaru schwer genug, die hochgesteckten Erwartungen seines Vaters zu erfüllen. Da er es allerdings tat, duldete dieser auch Zeitvertreibe wie Gedichte schreiben und Flöte spielen. Akamaru hatte ihm erklärt, dabei seinen Kopf fürs Lernen frei zu bekommen. Fürst Uramaru hatte ihm zwar stattdessen ein Mädchen zur Entspannung empfohlen, aber keinerlei Einwände sonst erhoben, geschweige denn, es verboten. Aber so war es kein Wunder, dass sein Vater angenommen hatte, er halte sich Moriko zu seinem Vergnügen.

Das Mädchen starrte ihn an. Sie hatte durchaus verstanden, auf was der Vater angespielt hatte und war froh, dass ihr Herr sie weder ausgeliefert hatte, noch je eine Andeutung gemacht hatte, sie selbst auf seinem Lager zu wollen. Und hatte der Ältere nicht erwähnt, sein Sohn habe keinen Bedarf an Menschenmädchen? Gab es da auch Unterschiede, je nach Youkai? Waren diese ebenso einzigartige Persönlichkeiten, wie Menschen? Waren Menschen und Youkai gar nicht so unterschiedlich, wenngleich Dämonen natürlich viel stärker und mächtiger waren?

„Schlaf, Moriko.“

„Ja, Herr.“ Sie legte sich nieder.
 

Moriko war wieder einmal sehr verwundert. Noch nie in den fast zehn Tagen, die sie nun mit einem Youkai unterwegs war, waren sie in ein Menschendorf gegangen. Nie zuvor hatten sich die Dorfbewohner ehrerbietig zu Boden geworfen, war der Dorfvorsteher herangeeilt, ebenfalls auf die Knie gefallen: „Herr…falls wir etwas falsch gemacht haben…“

„Lass. - Hier. Das ist Moriko. Sie wurde geopfert, aber ich habe keinerlei Verwendung für sie. In eurem Dorf sind zwei weitere Hände gewiss nicht unnütz.“

„Nein, natürlich nicht….Herr.“ Was sollte er schon sagen.

„Gut. - Das Feld sieht gepflegt aus.“ Akamaru nickte zufrieden: „Moriko, bleib hier in diesem Dorf.“

„Ja, Herr.“ War das das Dorf, dem er seinen Schutz zugesagt hatte? Und so, wie er das gesagt hatte, würden die Dorfbewohner annehmen, dass sie ihm geopfert worden wäre. Es war freundlich von ihm, sie so zu schützen, nicht zu erwähnen, dass sie für eine Hexe gehalten worden war.

Der Dorfvorsteher stutzte ein wenig. Aber da der Youkai sich bereits abwandte, meinte er hastig: „Wie Ihr befehlt, Akamaru-sama.“

Moriko wartete, ehe ihr Herr sich entfernt hatte: „Akamaru? Ist das sein Name?“

„Ja.“ Der Dorfvorsteher schloss daraus, dass sie wirklich nicht die Geliebte des Youkai gewesen war: „Er ist…er ist der wahre Herr der Gegend.“ Und eine weitere Frau im Dorf war gewiss nützlich, ganz zu schweigen davon, dass man den Herrn nicht verärgern sollte: „Dann komm.“

Moriko blickte dem Youkai nach, als er den Berghang emporstieg. Er war wirklich nett zu ihr gewesen. Nein, Youkai waren keine Monster.

Sie sah ihn niemals wieder.
 

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Das nächste Kapitel führt Akamaru zurück nach Hause. Und ihr erfahrt, dass es weder er noch seine Schwester besonders leicht mit ihrem Vater hatten...
 

bye
 

hotep

Akamaru: Teil 3

Fürst Uramaru hat seinen einzigen Sohn sicher nicht aus Zuneigung besucht. Das dürfte für ihn ein Fremdwort sein. Bei seinen Erziehungsmethoden war es kein Wunder, dass sich seine Kinder so eng aneinanderanschlossen....
 

Der Hundeprinz näherte sich nach seiner Reise durch das Fürstentum seines Vaters langsam wieder dem heimatlichen Schloss. Er hatte in den vergangenen Wochen die Magie des Landes kennen gelernt, auch dessen Geografie. Die Tage mit dem Menschenmädchen hatten ihn gelehrt, diese seltsamen Wesen besser zu verstehen, ihren oft verzweifelten Kampf gegen Hunger, Krankheiten und auch andere Menschen. Er hatte sich vorgenommen besser für sie zu sorgen. Immerhin lebten sie auf den Ländern seines Vaters, die einst ihm gehören würden. Seine Zwillingsschwester würde ihn dabei gewiss unterstützen. Shiro waren Menschen zwar zumeist gleich, aber sie verachtete sie nicht, wie es andere Youkai taten, soweit er gehört hatte. Dieses Menschenmädchen hatte ihm erzählt, dass Menschen Youkai auch deswegen fürchteten, weil sie Dörfer überfielen, Menschen jagten. Er selbst hätte keinerlei Sinn darin gesehen, etwas zu jagen, was er nicht essen würde. Aber anscheinend nutzten einfache Youkai Menschendörfer als Nahrungsquelle. Auch menschliche Banditen taten sich an den Vorräten gütlich, die sie nicht erarbeitet hatten. Das war nicht in Ordnung, beschloss Akamaru. Man sollte die Dörfer besser schützen, zumindest, solange sie gehorsam waren, Tribut zollten.
 

Akamaru hatte nicht sonderlich auf seine Umgebung geachtet. Kaum ein Youkai wäre dumm genug, sich an ihn zu wagen, es sei denn, er würde Selbstmord begehen wollen, eine unter Dämonen unübliche Todesart. So blieb er ein wenig erstaunt stehen, als jemand auf ihn zustürmte. Auf den zweiten Blick erkannte er, dass es ein Trupp Menschen war, bewaffnet. Ihr Geruch allein war eine Beleidigung. Die Tatsache, dass sie Schwerter in den Händen hatten, ihn wohl für ein brauchbares Opfer hielten, die nächste. Er hob ein wenig die Hand, als sein Youki aufflammte. Die zehn Räuber waren tot, ehe sie begriffen hatten, dass sie keinen Menschen überfallen hatten.

In Gedanken machte er sich wieder auf den Heimweg. Wenn solche Männer ein unbewaffnetes Dorf überfielen, blieb den Bauern nicht viel übrig, als wegzulaufen. Die menschlichen Grundherren versuchten sicher, ihre Leute zu schützen, schon um Steuern zu erhalten, aber das genügte offenkundig nicht. Er würde mit nee-chan darüber reden.
 

Im Schloss seines Vaters angekommen, spürte er das Youki seiner Zwillingsschwester. Und er fühlte ihr Leid. Was war geschehen? Natürlich müsste er sich zunächst bei seinem Vater melden, aber als er in Richtung der Halle ging, konnte er auch wahrnehmen, dass Shiro dort war. Hatte sie Ärger mit Vater? Der Fürst war sehr streng und bestrafte seine Kinder oft genug für Kleinigkeiten.

Als Akamaru die Halle betrat, bemerkte er sofort seine Schwester, die vor dem Sitz des Fürsten kniete, widerstandslos die Ohrfeige über sich ergehen ließ. Und das war gewiss nicht die erste gewesen, das verriet ihr Gesicht. Wie überaus erniedrigend, so vor allen geschlagen zu werden. Die ersten Diener hatten ihn entdeckt, verneigten sich hastig etwas.

„Du bist einfach nichtsnutzig, Shiro! Sesshoumaru wusste schon, warum er eine schwache, dämliche Youkai, wie dich zurückwies!“ Erneut schlug der Fürst zu, diesmal mit der Faust.

Im nächsten Moment stand Akamaru neben seiner Schwester, der ein dünner Streifen Blut aus dem Mund rann, verneigte sich, der Höflichkeit zuliebe: „Mein Herr und Vater!“

„Wie schön, dass du wieder da bist, mein Sohn. – Du kannst mir gleich über deine Reise berichten. Ich werde nur meine Tochter noch etwas schlagen.“

„Eure Tochter mögt Ihr schlagen“, sagte Akamaru, der Shiro schützen wollte: „Aber meine Schwester nicht!“ Die Unlogik in seinem Satz war ihm nicht einmal bewusst.

Fürst Uramaru sah erstaunt auf. Als er dem Blick seines Sohnes begegnete, stutzte er. Man schickte den Erben auf eine Reise durch die Länder, damit dieser die Magie des Landes annahm, stärker wurde, erwachsener wurde. Und genau das war geschehen. Natürlich war er selbst noch immer viel mächtiger als seine Kinder, aber dies hier war das erste Mal, dass Akamaru ihm wirklichen Widerstand entgegensetzte. Und er konnte an den Mienen der Youkai im Raum sehen, dass diese das durchaus schätzten. Der Fürst zog eine rasche Schlussfolgerung. Er wollte nicht seinen Erben umbringen, aber auch nicht das Gesicht verlieren.

So sagte er: „Es ehrt dich, dass du deine Schwester schützen willst. Aber mein ist das Recht des Urteils, nicht wahr? Und Shiro hat es geschafft, gegen Yakin zu verlieren. Verliert sie gegen Yakin, würde sie erst recht gegen Sesshoumaru verlieren. Und das darf unter keinen Umständen passieren. Die Beleidigungen, die er uns zugefügt hat, können nur mit Blut abgewaschen werden.“

Akamaru ließ sich auf die Knie nieder, wieder um Haltung bemüht. Natürlich hatte sein Vater das Recht der Strafe und er selbst war zu weit gegangen. Niemand widersprach einem Fürsten. Immerhin hatte der Herr der südlichen Gebiete ihm den Grund genannt. Shiro hatte gegen Yakin verloren? Das war nicht weiter verwunderlich. Yakin galt als einer der besten Schwertmeister aller Youkai, stark und geschickt. Allein durch seine Erfahrung und sein stärkeres Youki hatte er alle Vorteile gegen eine weibliche, noch jugendliche Youkai, mochte sie auch so stark sein wie seine Zwillingsschwester. Und sie dafür so zu bestrafen…Aber es war Vaters Recht. „Ja, mein Herr und Vater.“

„Du hast mir widersprochen.“

Akamaru wusste, was folgen würde, und sagte, wie es von ihm erwartet wurde: „Ich bitte um meine Strafe.“

„Sieben. Im Hof.“

Shiro sah fast erschreckt zu ihrem Bruder. Die Ohrfeigen ihres Vaters waren schmerzhaft und so vor aller Augen ungemein peinlich gewesen, aber das nun war die härteste Buße, die Fürst Uramaru gegen seinen Sohn verhängte.

Akamaru ließ sich nichts anmerken, sondern neigte gehorsam den Kopf.

„Du siehst zu, Shiro!“

Dieser Befehl bedeutete auch für sie eine erneute Bestrafung. Es würde sie fast ebenso schmerzen wie ihren Zwillingsbruder. Aber die beiden verneigten sich nur, ehe sie aufstanden und hinaus auf den Hof gingen.

„Es tut mir leid“, sagte Shiro leise, als sie nebeneinander waren.

„Nee-chan, es ist keine Schande gegen Yakin zu verlieren. In einigen Jahren wirst du gewinnen. Auch Vater sollte das wissen.“

„Es ist sein Recht.“

„Er hat die Macht und das Recht. Aber auf dieser Reise habe ich gelernt, dass man auch wissen muss, wie man beides einsetzt. Ich werde dir später darüber berichten.“ Er blieb stehen, legte mit Hilfe seiner Schwester Rüstung und Schwert ab, zog sich die Oberbekleidung aus. Einige Youkai kamen um zuzusehen. Er würde sich keine Schwäche leisten dürfen.

Shiro blieb stehen, während Akamaru einige Schritte in die Mitte des Hofes machte, sich dort mit leicht gespreizten Beinen hinstellte, die Hände an die Oberschenkel legte. Ein Diener kam heran, eine Gerte in der Hand.

„Vergebt mir, Prinz“, sagte er leise. Es war seine Pflicht, solche Bestrafungen durchzuführen, aber deswegen vergaß er nicht, dass früher oder später Akamaru sein Fürst sein würde.

„Mach nur.“ Der Youkaiprinz sah geradeaus. Die Schmerzen waren nicht unerträglich und seine Selbstheilungskräfte waren groß genug, die Striemen rasch abheilen zu lassen. Was diese Strafe so hart machte, war die Tatsache, dass er nicht zucken durfte, geschweige denn einen Laut von sich geben, wollte er sich nicht blamieren. Und hinzu kam das Gefühl der ungeheuren Demütigung, so vor aller Augen gepeitscht zu werden. Aber immerhin war nee-chan nicht mehr geschlagen worden.
 

Fürst Uramaru sparte es sich, zuzusehen. Er war sicher, dass sein Befehl befolgt würde. Die unerwartete Reaktion seines Sohnes hatte ihn etwas irritiert. Akamaru hatte auf dieser Reise offenkundig dazu gelernt. Das war zum einen schön, zum zweiten hatte war es natürlich nicht sehr angenehm, wenn er ihm widersprach. Nun, er hatte seine Schwester schützen wollen. Das war eine der beiden besorgniserregenden Eigenschaften, die beide Kinder hatten. Das Bedürfnis andere schützen zu wollen, vor allem sich gegenseitig, aber auch dieses Ehrgefühl. Sie waren natürlich viel schwächer als er, aber das musste er im Auge behalten. Wann wären sie stark genug, sich gegen ihn zu wenden? Oder zumindest, seine Pläne zu untergraben, der mächtigste aller Youkai zu werden? Nun, zunächst einmal mussten sie trainieren, um Sesshoumaru und seinen Bastardbruder auszuschalten. Dann würde der Westen ihm gehören und zwar vollkommen legal. Niemand würde etwas sagen können, würde Shiro Sesshoumaru töten. Hätte er das selbst übernommen, hätte es vielleicht böse Zungen geben können. Ein guter Ruf war wichtig, um Verbündete zu halten, Macht auszuüben. Und dann….ja. und dann war zumindest Shiro vollkommen überflüssig. Kein Youkai mit Stolz würde je eine zurückgewiesene Braut zur Gefährtin nehmen. Er müsste einen Plan machen, wie sie, natürlich rein zufällig, bei dieser Racheaktion umkommen würde. Akamaru war sein Erbe, den konnte er noch brauchen, zumindest, solange er keinen anderen besaß. All seine Frauen hatten da bislang nichts mehr zustandegebracht. Hatte er endlich einen anderen Sohn, würde er diesen diesmal selbst von Anfang an erziehen. Bei den Zwillingen hatte die Mutter offenbar die ersten Jahre dieses vollkommen überflüssige Ehrgefühl eingebracht.
 

Als die Geschwister unter sich waren, sagte Shiro: „Du meintest, du hast auf dieser Reise viel gelernt. Vater erwähnte da etwas von einem Menschenmädchen.“ Sie war zu diszipliniert, um Neugier in ihre Frage zu legen.

„Er hat gewiss angenommen, sie sei meine Geliebte.“ Akamaru lehnte sich ein wenig vorsichtig in die weichen Kissen. Seine Verletzungen heilten zwar, aber noch schmerzte es.

„Ja.“

„Ich ließ mir von ihr erzählen, wie Menschen leben, nee-chan. Ich kann mir nicht vorstellen, ein so schwächliches Mädchen im Arm zu halten. Man müsste ja dauernd aufpassen, ihr nichts zu brechen. Aber ich beginne lieber vorn.“ Er berichtete und schloss: „Diese Wesen können sich selbst nicht schützen. Nicht gegen menschliche Räuber und schon gar nicht gegen Youkai.“

„Das willst du übernehmen?“

„Ich hoffe, du wirst mir helfen.“

„Ich bin mir nicht sicher, ob Vater das erlaubt. Er wünscht nicht, dass ich das Schloss verlasse.“

„Ich werde ihm sagen, dass der Kampf gegen Youkai und Menschen dich besser trainieren wird als die Übungen hier im Schloss.“

Shiro nickte leicht. Seit Sesshoumarus Weigerung, sie zur Gefährtin zu nehmen, behandelte ihr Vater sie nicht gerade gut, ja, verächtlich. Ein weiterer Punkt, der ihren Zorn auf den nunmehrigen Herrn der westlichen Gebiete gesteigert hatte. Was auch immer sie für Wünsche hatte, es wurde verboten. Für jedes kleine Versagen wurde sie bereits bestraft. Sie durfte nur noch trainieren, und sie nutzte die harten Stunden, um ihre Wut unter Kontrolle zu bekommen. Ihr jüngerer Bruder hatte als Erbe doch eher das Ohr des Vaters. Und ihr war nichts mehr geblieben, als die Zuneigung ihres Zwillings.
 

Fürst Uramaru erteilte die Erlaubnis. Er begriff zwar nicht, warum sein Sohn der Meinung war, Menschendörfer beschützen zu sollen, aber da er dafür den Tribut einstreichen konnte, sah er keinen Grund, das zu untersagen. Und was Shiro betraf…nun, sie würde die Kampfpraxis benötigen, damit sie gegen Sesshoumaru bestehen konnte, da hatte Akamaru recht.

So waren die Länder des südlichen Fürstentums die, die am wenigsten unter den Wirren der Epoche der Kriegerischen Staaten zu leiden hatten. Die Abgaben und Opfer der Menschen dafür füllten die Schatzkammer des Fürsten.
 

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So, das war es hier erst einmal. Falls mir zu Akamaru und Shiro noch etwas einfällt, werde ich es dem sagen, der hier so nett war, zu komentieren.
 

Schönes neues Jahr!
 

bye
 

hotep

Shiros Prüfung Teil 1

Nach dem Bruch der Verlobung durch Sesshoumaru waren die Folgen für die Hundeyoukai-Prinzessin gravierend. Und aus ihrer Liebe wurde Hass....
 

1. Teil:
 

Der Fürst der südlichen Gebiete musterte das Mädchen, das sich langsam näherte, höflich vor ihm niederkniete, den Kopf senkte. Seine Tochter hatte die gleichen, langen roten Haare wie ihr Zwillingsbruder. Aber dennoch: sie war ein Mädchen, nichts als ein Mädchen. Und statt Geld in seine Kasse zu bringen, weil er sie teuer an einen Ehemann verkauft hätte, hatte Sesshoumaru es für nötig befunden, sie zurückzuweisen. Shiro war folglich nichts wert, eine Schande für die Familie. Aber Fürst Uramaru wusste nur zu gut, dass er nicht allzu offen gegen sie vorgehen konnte. Die Zwillinge hingen sehr aneinander und er würde sich wirkliche Probleme mit Akamaru einhandeln. Dieser war sein einziger Sohn, sein einziger Erbe und er konnte und wollte den nicht töten.

„Shiro, Akamaru sagte mir, dass er menschliche Ansiedlungen schützen wolle und du dabei mitmachen solltest. Ist das auch deine Meinung?“

Die Youkai-Prinzessin wusste nicht so genau, was sie darauf antworten sollte. Seit dem Bruch der Verlobung behandelte sie ihr Vater alles andere als gut, zwang sie zu gnadenlosem Training, damit sie Sesshoumaru töten könnte, die Schande für die Familie mit Blut abwaschen könnte. Alle anderen Wünsche, die sie hatte, wurden verboten oder sie gar bestraft. So meinte sie behutsam: „Es war mein Bruder, der mich darauf aufmerksam machte, ich könne auf diese Art Kampferfahrung sammeln, stärker werden.“

„Da hat er Recht. Aber du hast gegen den letzten Schwertmeister verloren.“

Sie senkte den Kopf tiefer. Also würde er ihr nicht erlauben, das Schloss zu verlassen? „Dessen bin ich mir bewusst, mein Herr und Vater.“

„Ich werde dir eine Aufgabe stellen. Bewältigst du diese Prüfung, kannst du mit Akamaru gehen, und schließlich gegen Sesshoumaru kämpfen. Bestehst du allerdings nicht, bist du tot. Ich kann und werde es nicht dulden, dass du Schwäche zeigst, die Familienehre weiterhin beschmutzt, wie du es mit deinem Leben hier schon tust. Eine zurückgewiesene Braut.“ Er spuckte das Wort förmlich aus: „Du bist es nicht einmal wert, Selbstmord begehen zu dürfen. - Gehe zur Insel von Yunagi. Dort liegt das Schloss des Schwertmeisters Ryo. Er wird dir deine Aufgabe sagen.“

Shiro schwieg. Ihr war nur zu bewusst, dass das nicht einfach werden würde. Sie hatte von der Insel Yunagi gehört. Dort war es unmöglich, Youki einzusetzen. Aber lieber tot, als weiterhin ein Leben in Schande. So neigte sie sich vor, um ihren Gehorsam anzuzeigen.

„Du darfst dich noch von deinem Bruder verabschieden.“

„Ich danke Euch, mein Herr und Vater“, erwiderte die wohlerzogene Prinzessin, ehe sie aufstand.
 

Akamaru schüttelte ein wenig den Kopf, als seine ältere Schwester ihm von ihrer Prüfung berichtete: „Das ist sehr gefährlich, nee-chan. Auf der Insel Yunagi kann man kein Youki einsetzen. Und ich hörte, Ryo hat dort eine Kampfschule.“

„Es wäre unziemlich, dem Befehl unseres Vaters nicht zu gehorchen.“

„Natürlich. Aber ich würde gern mit dir gehen.“

„Das wird er nicht erlauben. Es soll eine Prüfung für mich sein.“ Shiro sah zu Boden: „Ich bin ja die Schande der Familie.“ Und das war allein Sesshoumarus Schuld.

„Dafür wird Sesshoumaru bezahlen, dich zurückzuweisen, das verspreche ich dir.“ Akamaru legte den Arm um seine Zwillingsschwester: „Er weiß nicht, was ihm entgeht. - Geh, nee-chan, bestehe die Prüfung. Meine Wünsche begleiten dich.“

„Ich danke dir.“ Für einen Moment drückte sie sich an ihn: „Ich möchte nicht so sterben.“

„Das ist eine gute Sache.“ Er gab sie frei: „Sei vorsichtig.“

„Das verspreche ich dir.“ Sie ging.
 

Shiro erreichte die Küste mit Hilfe eines Dimensionsportals in wenigen Sekunden. Sie trug nun Rüstung und Schwert. Ihre langen, roten Haare wehten im Wind, der über das Meer strich. Sie erkannte die Insel Yunagi vor sich, spürte die Magie, die von dieser ausging. Näher heran hatte sie nicht kommen können. Etwas dort verwehrte es, Youki einzusetzen. Sie würde auf dieser Insel nicht mehr Fähigkeiten besitzen als ein gewöhnlicher Mensch. Auf der dem Land zugewandten Seite entdeckte sie ein Schloss. Dort musste der Schwertmeister Ryo leben, wohl auch seine Kampfschule sein. Es schien von einem Wassergraben umgeben zu sein, der vom Meer abgeleitet war.

Dort hatte man sie ebenfalls entdeckt, schloss sie, als sie sah, dass ein Boot in Richtung auf den Strand kam. Ein Mann ruderte, in Rüstung. Aber sie hätte nicht sagen können, ob er ein Youkai oder ein Mensch sei. Die Magie der Insel Yunagi verhinderte nur zu gut, dass man dämonische Energie einsetzen konnte. Erst, als er keine zehn Meter mehr von der Küste entfernt war, spürte sie Youki. Sie ging ihm entgegen.

„Shiro-hime, nehme ich an?“ rief er hinüber.

„Ja.“

„Meister Ryo erwartet Euch.“ Er steuerte gegen die heftigen Wellen: „Ich muss Euch bitten, durch das Wasser zu kommen.“

Sie dachte kurz nach, überprüfte ihre Möglichkeit, hier noch Youki einsetzen zu können. Doch, sie hätte es schaffen können, zu dem Boot zu springen. Aber ihr langjähriges Training warnte sie davor, zu rasch zu zeigen, was sie konnte. Falls man sie bei der Prüfung unterschätzen würde, wäre es nur in ihrem Sinn. Sie vergaß nicht, dass ihr Vater gemeint hatte, das würde lebensgefährlich werden. So ging sie in das Wasser, das ihr bis zur Hüfte reichte, schwang sich in das Boot.

„Danke“, sagte sie.

Er begann zurück zu rudern.

Shiro musterte die Insel. Er schien ihr weder seinen Namen sagen zu wollen, noch reden zu wollen. Nun gut. Youkai redeten auch nicht, sie handelten. Aber sie gab zu, dass es ihr lieb gewesen wäre, etwas über diese Prüfung zu erfahren. Andererseits würde Meister Ryo ihr gewiss alles darüber erzählen.

Der Youkai am Ruder betrachtete seinen Passagier, so weit er konnte, ohne unhöflich zu erscheinen. Noch war sie ein Prüfling, noch hatte sie nicht verloren. Allerdings nahm er doch an, dass es einem Mädchen, sei es auch eine Prinzessin, nicht gelingen würde, dieses Examen zu bestehen. Meister Ryo hatte angedeutet, dass er spezielle Anweisungen erhalten hatte.
 

Das Boot landete an einem Steg unterhalb des Schlosses. Shiro sprang an Land, sah sich rasch um. Sie hatte recht gehabt. Ein Graben aus Meerwasser sicherte das Herrenhaus. Unwillkürlich versuchte sie die Tiefe zu schätzen. Sie konnte den Grund nicht entdecken, bemerkte allerdings einige kleinere Seeschlangen darin.

„Darf ich bitten, Shiro-hime?“

Sie wandte sich um, folgte dem Youkai zu der Brücke, die durch ein großes, zweiflügeliges Portal in das Schloss führte. Auf dem Hof war ein Kampfplatz eingerichtet worden, wo Youkai und Menschen trainierten. Auf den ersten Blick bemerkte sie, dass alles hier Männer waren, die ihre Kämpfe unterbrachen, sie anstarrten. Für einen Augenblick war sie überrascht, dass die Paarungen durchaus auch aus beiden Arten bestanden, ehe sie begriff. Auf dieser Insel war es den Youkai nicht möglich, Youki einzusetzen. Sie mochten noch immer stärker, schneller als Menschen sein, aber nicht zuviel, als dass ein erfahrener, menschlicher Kämpfer nicht gegen einen Youkai-Lehrling bestehen könnte. Das musste sie beachten, wenn sie geprüft wurde. Sie durfte Menschen nicht unterschätzen.

Als sie dem Boten weiter folgte, fühlte sie sich unangenehm. Noch nie in ihrem ganzen Leben hatten andere Wesen es gewagt, sie so anzustarren. Und irgendetwas in diesen Blicken dieser Männer machte sie fluchtbereit, ja, jagte ihr gewisse Furcht ein. Ärgerlich über sich selbst verdrängte sie dieses Gefühl. Was sollte das? Sie würde sich doch nicht schon von Blicken nervös machen lassen?
 

Auf der dem Tor gegenüberliegenden Seite des großen Hofes befand sich eine Treppe, die empor zu einem Aussichtsturm führte. Der Bote stieg hinauf und sie folgte ihm. Oben erkannte sie einen Youkai mittleren Alters, im Unterschied zu den anderen hier nicht in Rüstung. Sein langes Gewand flatterte im Wind, als er ihr entgegensah. Das musste der Herr dieser Kampfschule, Meister Ryo, sein.

So neigte sie höflich den Kopf, als sie bei ihm war.

„Willkommen, Shiro. - Danke, du kannst gehen.“ Und da der Bote sofort gehorchte: „Dein Vater, Fürst Uramaru, hat mich beauftragt, dich zu prüfen. Hat er dir gesagt, um was es sich handelt?“

„Mein Herr und Vater erwähnte nur, dass auf Versagen der Tod stehe.“ Ihre Stimme klang ruhig.

„Früher oder später, ja. - Komm.“ Er wandte sich um, ging zu der Brüstung: „Dies ist die Insel Yunagi. Wie du gewiss bereits bemerkt hast, ist es hier unmöglich, Youki einzusetzen. Du hast gegenwärtig kaum andere Fähigkeiten als ein sterblicher Mensch. Deine Aufgabe lautet nun: wenn ich die Prüfung beginne, sollst du versuchen, quer über diese Insel zu gelangen. Siehst du dort am Horizont den weißen Berg?“ Er blickte sie nicht an.

„Ja, Meister Ryo.“

„Dort auf der Bergspitze ist der einzige Ort auf dieser Insel, an dem du deine Energien voll nutzen kannst. Gelangst du dorthin, kannst du ein Dimensionsportal erschaffen, das dich an den Strand zurückbringen wird. Und du hast diese Prüfung bestanden. – Den Versuch, das Boot an dich zu bringen, kannst du dir sparen. Mago, der dich herbrachte, wird es zurück zur Küste rudern. Sobald er dich dort sieht, wird er zu mir zurückkehren, um mir zu sagen, dass du bestanden hast.“ Zum ersten Mal wandte Ryo den Kopf, musterte die Youkai-Prinzessin: „Hast du das verstanden?“

„Ich habe zugehört.“

Eine interessante Antwort, dachte der Schwertmeister unwillkürlich. Dieses Mädchen war ruhig, selbstsicher. Nun gut. Fürst Uramaru hatte gemeint, dass es nicht einfach sein würde, sie daran zu hindern, die Prüfung zu bestehen. „Hast du noch eine Frage?“

„Der Weg durch die Insel…Es gibt sicher Hindernisse. Sagt Ihr mir etwas darüber, Meister Ryo?“

„Nein. Der Sinn von Hindernissen liegt in der Überraschung.“

„Natürlich, verzeiht.“

Sehr höflich, ergänzte Ryo in Gedanken: sicher streng gehalten. Umso erstaunlicher war es, dass sie Rüstung und Schwert trug, dazu von einer Art, die sicher ein Meister angefertigt hatte. Sie musste recht talentiert im Kampf sein. Aber das allein würde sie nicht retten. „Shiro, auch, wenn du manchmal denken wirst, diese Prüfung sei zu hart, ungerecht: ich handele nicht unehrenhaft. Besiegst du die Hindernisse, gelangst du zu dem Berg, hast du bestanden. Und eines möchte ich dir, wie allen meinen Prüflingen, auf den Weg mitgeben: andere zu besiegen, erfordert Kraft. Sich selbst zu besiegen, erfordert Stärke.“

Die Hundeprinzessin verneigte sich höflich: „Ich danke Euch, Meister Ryo.“

„Gut. Dann komm mit zu der Treppe.“

Sie blieb neben ihm stehen. Unten standen nun verteilt über den Hof gewiss vierzig Männer, Menschen und Youkai, blickten hinauf. Das große Tor war noch offen. Auf der anderen Seite entdeckte Shiro nun eine Treppe, die zur Mauer empor leitete, dazu dreistufige Treppen sowie zwei Türen rechter Hand, die in das Schloss führten.

Ryo sah sie an: „Dann geh. Gleich, welche Zeit du benötigen wirst: in dem Moment, in dem du zurück am Strand bist, hast du bestanden. Und deine Prüfung beginnt jetzt.“

Die Youkai-Prinzessin sparte sich eine Verabschiedung, stieg die Treppen hinunter. Ihr fiel auf, dass die Männer sie wieder alle anstarrten, mit diesem seltsamen, hungrigen Blick. Unbewusst hatte sie ebenfalls registriert, dass sich einige scheinbar zufällig vor das Tor begaben. Die erste Falle, dachte sie jäh. Wenn ihr nicht etwas Gutes einfiel, würde sie bereits diesen Schlosshof nicht lebend verlassen. Oder schon lebend, begriff sie plötzlich. Aber wenn sie daran dachte, was diese Männer wohl dann mit ihr tun würden, wäre der Tod gewiss vorzuziehen. Immer mehr wanderten scheinbar von ungefähr zwischen sie und das Tor. Ihr musste etwas einfallen, und das rasch. So ging sie am Fuß der Treppe nach rechts, wo eine andere mit nur drei Stufen zum Eingang des Schlosses empor führte, setzte sich dort nieder. Der Weg durch das Tor war ihr versperrt und sie brauchte schleunigst eine andere Idee. Zunächst allerdings würde sie die Krieger in Sicherheit wiegen, sich als Opfer anbieten müssen.

Ein groß gewachsener Youkai baute sich vor ihr auf, während sie ihren Schwertgürtel betastete. „Ich will dich“, sagte er. „Du bist sogar hübscher, als es uns versprochen wurde.“

„Das tut mir leid“, antwortete Shiro sachlich zum ersten Teil seines Satzes, während ihr Blick rasch hin- und herhuschte.

„Leid? Willst du mich beleidigen?“

„Ja.“ Ihre Hände fassten die Stufen neben ihr. Man hätte das als Angst interpretieren können, aber wer das tat, kannte Shiro nicht. Im nächsten Moment stützte sie sich ab, ihr Körper streckte sich. Und ihre Füße trafen den Youkai vor die Brust. Während er zurücktaumelte, zu Boden ging, landete sie, rannte los. Unwillkürlich versuchten die Kampfschüler zwischen sie und das Tor zu gelangen. Das war die Chance, auf die sie gehofft hatte. Sie eilte weiter, bog jedoch nicht in Richtung auf das Tor ab. Sich durch vierzig Männer den Weg freizukämpfen wäre unmöglich. So hastete sie die andere Treppe empor, zur Mauer des Schlosses. Ohne jedes Zögern setzte sie darüber, in den Wassergraben.

„Verdammt, sie kann schwimmen“, hörte sie noch jemanden schreien, ehe sie in das eiskalte Meerwasser stürzte.

Mit beiden Armen rudernd, kam sie wieder nach oben. Sie konnte durchaus schwimmen, leider nur in ihrer wahren Form, als schwarzer Hund. Aber es musste eben auch so gehen, auch, wenn ihre Rüstung, ihre voll gesogene Kleidung sie nach unten ziehen wollten. Vor allem durfte sie sich hier nicht länger aufhalten als nötig. Zum einen hatte sie hier giftige Seeschlangen entdeckt, die ihr im Moment gefährlich werden konnten, zum zweiten würden die Krieger sicher zum Tor hinausrennen, um das Schloss, und nur zu bald hier sein. So paddelte sie hastig, in ihren Augen lachhaft und würdelos, ans Ufer, zog sich dort keuchend empor. Der ersten Falle war sie wohl entkommen, aber sie hatte keine Zeit, sich auf ihren Lorbeeren auszuruhen. So stand sie auf, drückte rasch das Wasser aus den Ärmeln, aus ihrem langen Haar, ehe sie in Richtung auf den Wald zu rennen begann.
 

Noch standen die Bäume hier nur dürftig, die Krieger würden sie sehen. Aber dort hinten wurde der Wald dichter, würde ihr helfen. Sie hörte Schreie hinter sich. Die ersten Krieger mussten schon um das Schloss herumgelaufen sein. Gegen vierzig Mann hatte sie gezählt. Und das waren ziemlich viele für ein einzelnes Mädchen. Sie hörte, dass die Rufe hinter ihr in der gleichen Entfernung blieben, aber das tröstete sie kaum. Diese Krieger kannten mit Sicherheit die Insel wie ihre Westentasche, sie wussten überdies, wohin sie wollte. Dazu würde eine entschlossene Gruppe jeden Einzelkämpfer auf die Dauer besiegen. Irgendwann würde sie müde werden, ja, ohne Youki sogar wie ein Mensch schlafen müssen. Sie hatte nur einen Vorteil, analysierte sie sachlich: ihr Wissen, dass sie um ihr Leben lief. Sie spürte jetzt schon, wie Stoffe durch ihren Körper jagten, ihn zur Höchstleistung trieben. Sicher, wenn die Krieger sie fingen, würden sie sie nicht sofort töten. Aber es würde sich für sie kaum mehr zu leben lohnen. Jetzt hatte sie die Blicke der Männer verstanden, begriffen, worin die Belohnung für diese liegen würde. Und ein unwillkürlicher Schauer überlief sie, als sie bedachte, dass ihr Vater davon gewusst hatte. Aber es war sein Recht. Schuld war allein Sesshoumaru.
 

Shiro lief weiter, ignorierte, dass ihre Beine schwer wurden, das seltsame Stechen in den Lungen. Sie wagte nicht einmal, den Kopf zu wenden, um zu sehen, wie groß ihr Vorsprung noch wäre, um so kostbare Sekundenbruchteile zu sparen, verließ sich nur auf ihre Ohren. Dann, endlich, erreichte sie das Unterholz des dichteren Waldes und riskierte es, sich umzusehen. Der erste Verfolger war gut vierhundert Schritte hinter ihr, die anderen weiter entfernt. Sie lief langsamer weiter, bemühte sich darum, hinter Büschen, Baumstämmen zu bleiben, möglichst lautlos zu sein. Da sie nicht mehr so verzweifelt hetzte, kam sie etwas zu Atem. Auch ohne Youki war ihr Körper durch die gnadenlose Ausbildung trainiert genug, solch ein Wettrennen zu überstehen. Vorsichtig lauschte sie auf die Rufe hinter sich. Die Krieger hatten wohl den Waldrand erreicht, vergeudeten aber Zeit damit, nach Verstecken zu suchen. Aber ganz eindeutig durchsuchten sie systematisch den Wald. Früher oder später würden sie sie in die Enge treiben. Und dann würde sie kämpfen müssen. Nun gut. Schließlich war sie eine Prinzessin der Hundeyoukai, zum Kampf geboren. Wer auch immer sich ihr stellen würde, könnte sein Testament machen.
 

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Auf der Insel von Yunagi warten jedoch noch andere Gefahren, als sie bislang erkennen kann.
 

Wer so nett ist, mir einen Kommentar zu hinterlassen, erhält, wie gewohnt, eine ENS, wenn ich sehe, dass das nächste Kapitel freigeschaltet ist.
 

bye
 

hotep

Shiros Prüfung Teil 2

Freut mich, dass ihr Verständnis für Shiros Verbitterung bekommt, die sie gegen Sesshoumaru als Verursacher lenkt. Noch glaubt sie an ihren Vater.
 

Shiro: 2. Teil
 

Die Hundeyoukai-Prinzessin blieb stehen, lauschte, witterte. Wo waren ihre Verfolger? Sie war nun fast zwei Stunden gelaufen, gerannt. Und sie spürte nur zu deutlich, dass sie eine Pause brauchte. Zwar war ihr Körper durch die Kampfschule, die sie absolviert hatte, austrainiert, aber ihre Ausbildung war zu gut gewesen, als dass sie nicht die andere Gefahr gekannt hätte. Auf der Insel Yunagi war es unmöglich Youki einzusetzen. Und so würde sie früher oder später wie ein jämmerlicher Mensch essen müssen, schlafen müssen, oder sie konnte gleich aufgeben.

Sie nahm nichts von ihren Verfolgern wahr, aber das tröstete sie kaum. Diese würden Zeit damit vergeuden, nach Verstecken zu suchen. Aber wenn sie die Insel systematisch durchkämmten oder einfach auch nur eine Kette vor den Berg legten, der ihr Ziel war, würden sie sie fassen. Wie groß war die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich schlicht auf ihre Fährte setzten? Sie dachte nach, versuchte, sich an alle Arten Youkai zu erinnern, die sie auf dem Schlosshof gesehen hatte. Menschen würden ihr diesbezüglich nicht gefährlich werden können. Hundeyoukai war keiner dabei gewesen, da war sie sicher. Aber dieweil ihr Leben auf dem Spiel stand, wäre es gewiss besser, vorsichtig zu sein. Sie sah empor. Die Bäume standen hier dicht. Gewöhnlich wäre es ihr mit einem Satz gelungen, auf einen Ast zu springen, von dort aus weiter. Ohne Youki musste sie klettern, zunächst auf einen Baum, dann behutsam auf einen anderen. So würde sie keine Spur mehr hinterlassen. Falls doch jemand sie wittern wollte, wäre es auf diese Art für denjenigen schwieriger. Allerdings kam sie so nur langsam voran. Überdies war es gefährlich. Falls sie stürzte, die Äste falsch einschätzte, gerade bei der Kletterei von Baum zu Baum, würde sie sich verletzen. Und das hätte äußerst fatale Folgen. Zum dritten machte es sie müde. Als sie die Krone eines alten Baumes erreicht hatte, blieb sie auf einer Astgabel sitzen. Sie brauchte eine Pause.

Wenn man hungrig oder müde war, machte man Fehler, das hatte ihr einmal ein menschlicher Kampflehrer gesagt, und hinzugefügt: sie könne das sicher nicht verstehen, als so mächtige Youkai. Aber falls er die Wahl hätte, würde er lieber schlafen als essen. Daran sollte sie sich halten, denn er hatte gewiss gewusst, von was er sprach. Ein wenig sehnsüchtig betrachtete sie die Früchte, die hier in allen Bäumen hingen, aber Schlaf war wohl wichtiger. So versuchte sie, sich so hinzusetzen, dass sie nicht fallen konnte, schloss die Augen. Ihre Nase würde sie warnen, falls sich Verfolger nähern würden.
 

Shiro erwachte nach nur einer Stunde, aber sie fühlte sich deutlich ausgeruht. Seltsam. So also fühlten sich Menschen nach Schlaf. Allerdings hatte sie einen trockenen Mund. War es das, was man Durst nannte? Sie war bislang an keinem Bach vorbeigekommen, fiel ihr nun auf. Wasser gab es in dem Meer, das diese Insel umgab, genug, aber sie hatte einmal gehört, dass Menschen im Meer verdurstet waren. Anscheinend konnten solche Wesen das nicht trinken. Und sie wollte lieber nicht ausprobieren, ob das auch für Youkai galt, die im Moment kein Youki einsetzen konnten.

Sie witterte sorgfältig. Ein ganzes Stück entfernt konnte sie Personen ausmachen, Youkai. Sie näherten sich also. Es wurde Zeit, dass sie hier wieder verschwand. Am besten, abermals auf dem Boden. Hoffentlich hatten sie so ihre Spur bereits verloren, falls sie sie wittern wollten. Im gleichen Moment stieg Feuchtigkeit in ihre Nase. Wasser. Und es roch angenehm. So sah sie sich um. Kurz über ihr war eindeutig klares Wasser. Sie stieg empor. Hier wuchs auf dem Baum eine andere Pflanze. Und in dieser hatte sich wohl Tau oder Regenwasser gesammelt. In jedem Fall war es Wasser, und, wenn sie ihrer Nase trauen durfte, trinkbares Wasser. Erleichtert setzte sie sich dorthin. Das war nicht allzu viel, aber sie hatte keine Ahnung, wie viel Wasser sie in dieser Form, ohne Youki, benötigen würde. So neigte sie den Kopf, schnupperte vorsichtig noch einmal, ehe sie den Mund in die Flüssigkeit steckte, trank. Als sie die Pflanze leer gesaugt hatte, richtete sie sich auf. Mit einem letzten Blick auf die verlockenden Früchte ließ sie sich von der Astgabel gleiten, kletterte hinunter.

Der Berg, der ihr als Ziel angegeben worden war, befand sich am Nordende der Insel. Dorthin musste sie. Und auch, wenn sie die Gefahr sah, dass ihre Verfolger einfach ihr den Weg abschneiden würden, so hatte sie keine Wahl, als es zu versuchen. So machte sie sich vorsichtig auf den Weg durch das dichte Unterholz, bemüht, möglichst leise zu gehen.
 

Die Youkai-Prinzessin blieb stehen. Vor ihr floss ein kleiner Bach nach Westen, Richtung Meer. In ihrer Ausbildung hatte man sie gelehrt, einem solchen Bach zu folgen, wenn sie in der Wildnis sei. Sie sollte zum Meer gehen, dann die Küstenlinie entlang laufen, um dann zu ihrem Ziel zu gelangen. So war die Anweisung. Sie wollte schon abbiegen, als ihr einfiel, dass das sicher auch Schwertmeister Ryo wusste, also auch ihre Verfolger. Sie würden unter Umständen genau die Küstenlinie absuchen. Die Folgerung daraus war einfach. Sie durfte das eben nicht tun. Und sie war eine Youkai, konnte als solche genau die Himmelsrichtungen bestimmen, nach Norden gehen. Gewiss wäre es durch den dichten Wald mühsamer, aber sicherer. Und sie konnte es sich nicht leisten, ein Risiko einzugehen. So sprang sie über den Bach – und erstarrte. Eine Ahnung eines Geruchs war aus dem Wasser gedrungen. Sie drehte sich um, witterte erneut. Tatsächlich. Ein widerlich süßlicher Duft drang aus dem Bach. Das Wasser trug irgendetwas mit sich, eine Droge, ein Gift. Ja, ein Gift. Sie prüfte noch einmal die Luft. Es war nichts Tödliches, da war sie sicher, aber sie hatte Glück gehabt, oben im Baum klares Regenwasser gefunden und getrunken zu haben. Oder auch nichts von den Früchten gegessen zu haben, denn es war gut möglich, dass das gesamte Wasser der Insel vergiftet war, damit auch alles, was hier wuchs. Leider dürfte sie dann auch weiterhin nichts essen. Aber das war eben nicht zu ändern. Und so verschwendete sie keinen weiteren Gedanken mehr daran.
 

„Meister Ryo?“ Der Youkai trat zu dem Herrn der Insel: „Wie Ihr befohlen habt, haben sich die Sucher geteilt. Darf ich fragen, warum Ihr dies wolltet? Ihr selbst habt gesagt, dass dieses Mädchen gewiss nicht weiß, dass wir unsere Nahrungsmittel vom Land beschaffen müssen, selbst das Wasser. Sie wird inzwischen schon Hunger, Durst bekommen haben. Und ein Youkai, der das nicht gewohnt ist, wird nicht lange auf Trinken oder Essen warten.“

„Möglich. Vielleicht liegt sie irgendwo schon, müde durch das Gift von Yunagi.“ Ryo sah zu dem Berg am Horizont: „Aber Fürst Uramaru sagte mir, seine Tochter sei sehr fähig. An ihrer Stelle würde ich sorgfältig prüfen, was ich in einem fremden Gebiet esse oder trinke. Und sie ist eine Hundeyoukai. Ihre Nase dürfte sie warnen. Darum habe ich auch die anderen Sucher an die Küste geschickt. In jeder Ausbildung wird den Schülern beigebracht, an was man sich in der Wildnis halten soll. Sie wird einem Bach zum Meer folgen, da es zumeist einfacher ist, den Strand entlangzugehen. Es sei denn, es gäbe eine Steilküste. Aber dies ist hier ja nicht der Fall.“

„Ihr glaubt, dass sie sich zuvor über die Insel informiert hat?“

„Vermutlich. Aber auch wenn dies nicht der Fall sein sollte…nun, wir werden sehen. Du kannst jetzt auch gehen. Du bist der beste meiner Schüler, Seimei. An dir sollte sie nicht vorbeikommen. Oh, eine Warnung noch. Laut Fürst Uramaru ist seine Tochter besser im Kampf als mancher erfahrene Krieger. Wenn du sie triffst, denk daran, dass sie nichts zu verlieren hat. Töte sie unverzüglich.“

„Wie Ihr wollt, Meister.“ Der Youkai klang ein wenig bedauernd. Er hätte die Prinzessin gern auf seinem Lager gesehen. Aber der Meister hatte mit dem Fürsten über sie geredet. Die Warnung war gewiss nicht unbegründet. So wandte er sich ab und ging.

Der Schwertlehrer ließ seinen Blick über die Insel schweifen. Dort irgendwo war die Hundeprinzessin, waren aber auch seine Männer auf der Suche nach ihr. Noch hatten sie sie nicht gefunden. Hatte sie sich versteckt oder schlug sie sich durch den dichten Wald nach Norden? Oder folgte sie den erlernten Instruktionen und ging an die Küste? Sie war allein, mit einem ungewohnt schwachen Körper und Problemen wie Müdigkeit, Hunger und Durst. Nur mit starkem Willen würde sie das ignorieren können – und auch mit einer guten Nase. Die Prüfung war hart, aber zu schaffen. Selbst für Fürst Uramaru würde er niemals seinen guten Ruf als bester Schwertmeister Japans aufs Spiel setzen. Versagte allerdings die Prinzessin, würde er den Instruktionen des Hundefürsten folgen.
 

Shiro blieb abrupt stehen. Sie hätte nicht sagen können, ob sie etwas gewittert hatte, aber wenn, hätte sie es schlicht überrochen. Der Youkai-Krieger vor ihr schien aus dem Nichts aufgetaucht zu sein. Und er hatte sie bereits gesehen, sein Schwert gezogen. Sie legte die Hand an das ihre, witterte aber noch einmal prüfend. Er schien jedoch allein zu sein. Umso besser. Dann musste sie ihn rasch besiegen, ehe seine Kameraden heran waren.

Bewusst zog sie noch nicht: „Kannst du mir den Weg zu dem weißen Berg sagen?“ sagte sie, bemüht, hilflos zuwirken.

Der Krieger lächelte: „Das ist nun nicht mehr dein Problem, hime.“

Im nächsten Augenblick stand Shiro bereits vor ihm, seine kleine Unaufmerksamkeit ausnutzend, solange er sprach. Mit dem linken Unterarm schlug sie seinen rechten nach außen, lenkte so das Schwert ab, während ihre Linke zu einem Klauenangriff vorschoss. Leider traf sie nicht seine Kehle, da er noch den Kopf senken konnte, aber doch sein Kinn. Er taumelte zurück, fiel. Mit solch einem überraschenden Direktangriff hatte er nicht gerechnet. Shiro setzte sofort nach, um ihre Chance zu nutzen, und merkte rasch, dass sie einen Fehler begangen hatte, ihren Gegner unterschätzt hatte. Sie hätte ihr Schwert ziehen sollen, statt ihn mit den Händen zu attackieren. Aber irgendwie hatte sie trotz allem das Bewusstsein behalten, dass es sich um eine Prüfung handelte - und da brachte man die Prüfer nicht um. Als sie sich daher auf den Krieger warf, bemüht, ihn bewusstlos zu schlagen, sah sie seitwärts seine Klinge auf sich zukommen, von schräg oben. Sie warf sich abseits, so gut es noch ging, zog ihr Knie an. Die Schärfe der Scheide traf sie an der Kniescheibe. Es schmerzte, aber es würde keine ärgere Verletzung ergeben. Sie sprang auf. In Gedanken entschuldigte sie sich bei all den Lehrern der letzten Jahrzehnte, die sie so gnadenlos das Kämpfen gelehrt hatten, sie immer und immer wieder auch im Training verletzt hatte. Nur dadurch würde sie einen ernst gemeinten Kampf auch überstehen, hatte es geheißen. Jetzt begriff sie. Sie war es gewohnt, Verletzungen zu haben, Schmerzen zu ertragen und weiterzukämpfen. Ehe ihr Gegner aufgestanden war, hielt sie bereits ihr Schwert in der Hand. Für einen Moment noch zögerte sie, aber dann nutzte sie ihre Chance.
 

Vorsichtig witterte sie, aber er schien tatsächlich allein gewesen zu sein. Hatten sich ihre Verfolger etwa aufgeteilt? Oder strichen sie nun als auseinander gezogene Kette über die Insel? Oder beides? In jedem Fall sollte sie zusehen, dass sie hier verschwand, ehe den anderen das Fehlen ihres Kameraden auffiel. So schob sie ihr Schwert zurück und ging langsam weiter durch den Wald. Er war hier mit dichtem Unterholz bewachsen und es war mühselig hindurchzugelangen. Ob es nicht doch besser gewesen wäre, zur Küste zu gehen? Aber sie hatte ihre Entscheidung getroffen. Es wurde langsam dunkel, dann müsste sie sich sowieso ein Versteck für die Nacht suchen, wo sie ausruhen konnte.
 

Es begann zu dämmern, als Shiro sich unter dem Rhododendron hervorbewegte. Sie hatte tatsächlich schlafen können und fühlte sich nun ausgeruht. Von ihren Verfolgern fehlte jede Spur, aber sie nahm an, dass auch diese einer Ruhezeit bedurft hatten, da auch andere Youkai keine dämonischen Energien einsetzen konnten, von den Menschen ganz zu schweigen. Diese Insel von Yunagi war schon etwas Eigenartiges. Sie stellte fest, dass sie ein seltsames Gefühl im Bauch hatte, vermutlich dringend Nahrung zu sich nehmen sollte. Aber da sie sicher war, die Früchte dieser Insel waren ebenso giftig wie der Bach, den sie getroffen hatte, verdrängte sie diesen Wunsch. Es war nur eben umso wichtiger, die Prüfung rasch zu beenden, schnellstens zu diesem weißen Berg zu gelangen. So machte sie sich auf den Weg, prüfte aber immer wieder die Luft, in der Hoffnung, in einem weiteren Baum solch eine Wasserpflanze zu finden.
 

Die Sonne stand schon weit oben am Himmel, als Shiro innehielt, da ihr etwas Unangenehmes in die Nase stieg. Sie hatte immer wieder kurze Pausen gemacht, bemüht, ihren Körper zu schonen, da sie keine Ahnung hatte, wie langsam er sich ohne Youki regenerieren würde. Vorsichtig witterte sie. Und der Geruch gefiel ihr nicht sonderlich. Irgendwo dort vor ihr lag ein totes Tier. Bislang hatte sie keines wahrgenommen oder getroffen und war eigentlich schon davon ausgegangen, dass hier keine Tiere leben würden. Eine voreilige Annahme, wie sie sich selbst nun eingestand. Aber das änderte nichts. Sie wollte nach Norden zu dem Berg, sie wollte diese Prüfung überstehen, um endlich gegen Sesshoumaru kämpfen zu können, ihn töten zu können. Dieser Mistkerl war Schuld, dass ihr Vater sie verachtete, alle Welt in ihr nur eine zurückgewiesene Braut sah, ein erbärmliches, schwächliches Wesen, nicht in der Lage, die Ansprüche eines Bräutigams auch nur annähernd zu erfüllen. Nie wieder würde ein anderer Youkai sie heiraten wollen, ihr Leben lang wäre sie auf ihren Vater, später auf Akamaru angewiesen. Eine bedrückende Situation für eine stolze Prinzessin der Hundeyoukai.

Sie ging weiter, bemüht, ihren Zorn, ja, Hass auf den nunmehrigen Fürsten der westlichen Länder zu unterdrücken. Es brachte nichts, sich hier jetzt nicht zu konzentrieren, sondern an die Zukunft zu denken. Die Gegenwart allein war wichtig. Wie wichtig, erfuhr sie nur Minuten später, als sie eine kleine Lichtung erreichte. Sie blieb stehen. Dort lag das Aas, das sie bereits gewittert hatte. Ein anderes Wesen fraß daran, drehte sich aber nun zu ihr um. Sie hatte schon einmal davon gehört.

Ein Yodo-Drache.

Er war eidechsenförmig, aber viel größer und massiger, ohne Schwanz mochte er gut zweieinhalb Meter messen. Nur die spitzen Schnauze und die knopfförmigen Augen erinnerten fast an Säugetiere. Er drehte dem Neuankömmling den Kopf zu, knurrte etwas, ehe er sich abrupt auf die Hinterbeine aufrichtete - eine Drohgeste. Die Hundeprinzessin überlegte hastig. Das war ein Aasfresser, er sollte also nicht sehr aggressiv sein. Aber die Krallen an den Vorderbeinen waren durchaus beeindruckend, und vom Gebiss troff giftiger Speichel. Ein Biss in ihrer momentanen Verfassung wäre riskant, ebenso ein Krallenhieb. Sie zog sich zwei Schritte wieder unter die Bäume zurück. Der Yodo-Drachen knurrte ein wenig, ließ sich aber wieder auf alle viere nieder. Allerdings hielt er ein Auge auf sie, um zu zeigen, dass er nicht zuviel Angst habe, sie sich besser nicht nähern sollte. Shiro wich darum noch drei Schritte zurück. Das Beste würde sein, ihn und seine Lichtung zu umgehen. Sie wollte nicht mit einem Wesen kämpfen, das ihr normalerweise weder gefährlich werden konnte, noch sie wirklich bedrohte.

So wandte sie sich um. Fast automatisch prüfte sie die Luft, soweit das durch den Gestank möglich war. Und sie erstarrte. Menschen, Youkai….sie waren ganz in ihrer Nähe. Die Verfolger hatten sie entweder gefunden oder beim Durchkämmen der Insel eben zufällig aufgespürt. Sie würden in gut zehn Minuten hier sein. Sie drehte sich erneut um, suchte in der anderen Richtung. Auch dort waren Verfolger. War sie schon vollkommen umzingelt? Sie konnte es nicht sagen, da der Aasgeruch zu stark in ihrer Nase war. Aber sie war sicher, dass aus ihrem Rücken jemand kam und von dort, jenseits der Lichtung. Was nun? Sie ging ein wenig seitwärts, lehnte sich gegen einen Baum. Der Yodo-Drachen blickte sofort misstrauisch auf, als sie sich bewegte, aber da sie nicht näher kam, fraß er weiter. Ihr war klar, dass er sie angreifen würde, käme sie in seinen Sicherheitsabstand. Ohne Youki wäre ein Kampf gegen dieses Wesen gewiss riskant, zumal sie sich vor dem Gift hüten musste. Das sollte nicht sein.

Aber was konnte sie tun? Sie war hier zwischen zwei sich nähernden Gruppen, und auch, wenn diese sie noch nicht bemerkt hatten, so würden sie es nur zu bald tun. Vielleicht wussten sie sowieso schon, wo sie war, hatten sie umzingelt, zogen jetzt nur die Schlinge zu.
 

Nein, sie musste hier ausbrechen, sonst war sie erledigt. Gegen so viele Männer könnte sie sich nicht den Weg freikämpfen. Und diese würden nur zu sehr darauf achten, sie nicht zu töten, um… Nein, daran wollte sie gar nicht denken. Das würde nur ihre Konzentration stören.

Sie richtete sich etwas auf. Sie hatte eigentlich nur zwei Möglichkeiten. Hier zu bleiben und abzuwarten – eine völlig unmögliche Haltung für Shiro. Oder sie konnte doch zusehen, dass sie aus der Falle ausbrach. Aber sobald sie einen der Verfolger angriff, würden die anderen den Kampf bemerkten, ihm zu Hilfe kommen. Das wäre auch fatal. Ihr Blick fiel wieder auf den Yodo-Drachen. Falls er auf einen Youkai oder gar Menschen zulief, würde dieser sicher ausweichen. Schade, dass sie sich nicht verwandeln konnte.
 

Der Yodo-Drachen hob den Kopf, blickte in den Wald, ehe er langsam einige Schritte rückwärts machte, auf Shiro zu. Dann jedoch blieb er stehen, drehte den Kopf, sah sie an. Die Hundeprinzessin begriff, dass er ebenfalls festgestellt hatte, dass sich dort Leute näherten. Vermutlich hatte er durchaus schon Schüler der Kampfschule getroffen, wusste vielleicht, wie gefährlich sie sein konnten. In jedem Fall hatte er im Augenblick deutlich das Gefühl, eingekreist zu sein. Wie sie ebenfalls. Aber ihr war klar, dass er als erstes in seiner Angst auf sie losgehen würde – und dass ihr besser sehr schnell etwas sehr Gutes einfallen sollte.
 

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In der Tat. Und nun, Prinzessin?

Das näüchste Kapitel ist auch das letzte dieser Kurzgeschichte.
 

Wer so nett ist, mir einen Kommentar zu hintrelassen, erhält, wie immer, von mit eine Nachricht, wenn ich sehe, dass das neue Kapitel freigeschaltet wurde.
 

bye
 

hotep

Shiros Prüfung Teil 3

Die junge Hundedame steckt in einer Klemme. Aber Shiro wäre nciht Shiro, wenn sie aufgeben würde....
 

Shiros Prüfung: der letzte Teil
 

Die Hundeprinzessin traf ihre Entscheidung. Sie musste die Schlinge aufbrechen, die ihre Verfolger um sie gelegt hatten. Da diese ihr kaum ausweichen würden, es aber bei dem Yodo-Drachen tun würden, musste sie eben den dazu bringen das für sie zu übernehmen. Und dies wiederum bedeutete, dass er vor ihr mehr Furcht bekommen musste, als vor der Gruppe von Männern, die sich dort näherten. Falls sie einen Fehler beging, würde der Yodo-Drachen in seiner Angst auf sie losgehen, aber das musste sie riskieren. Immerhin wäre sie dann vermutlich tot und das war ihr immer noch lieber, als…nein, sie wollte nicht daran denken, was die Schüler der Kampfschule vermutlich mit ihr tun würden. So zog Shiro ihr Schwert. Für einen Augenblick schloss sie die Augen, konzentrierte sich auf das, was sie nun vorhatte.
 

Der Yodo-Drachen war wieder etwas in ihre Richtung zurückgewichen, sicheres Anzeichen dafür, dass der an sich friedliche Aasfresser sie weniger fürchtete, als die Männer dort im dichten Wald. Das musste und würde sie ändern. So fasste sie ihre Waffe fester und rannte auf den Drachen zu, der sich gerade wieder der anderen Bedrohung dort im Wald zugewandt hatte. Ohne jedes Zögern schlug Shiro zu, trennte die Hälfte seines Schwanzes ab. Sie war sicher, dass er wieder nachwachsen würde.
 

Der Yodo-Drachen schrie auf, ehe er entschied, dass dies die direkte Gefahr war, in jäher Panik losrannte, in den Wald. Shiro folgte mit gewissem Bedauern. Aber es war eben notwendig gewesen. Sie konnte vor sich die Verfolger wittern, die anscheinend noch immer systematisch die Gegend durchkämmten. Rufe vor ihr verrieten, dass die ersten Männer dort erkannt hatten, was da an Tonnen Gewicht auf sie zuraste. Sie hielt sich genau hinter dem Yodo-Drachen, so gut sie konnte, um in Deckung zu bleiben Sie hatte nicht gewusst, dass ein so schwerfällig wirkendes Wesen so rasch laufen konnte. Der Sprint zwang sie zu aller Schnelligkeit, die sie ohne Youki aufbringen konnte. Aber sie lief um ihr Leben und da war kein Platz für Selbstmitleid. So ignorierte sie das ihr neue Stechen in der Seite, die schmerzende Lunge, die schwerer werdenden Beine. Sie bemerkte, wie die Youkai und Menschen dort, drei oder vier Personen, hastig zur Seite hechteten, als der Yodo-Drachen auf sie zuraste.

Ehe die Männer erfassten, was los war, konnten sie nur noch die Youkai-Prinzessin an sich vorbeirennen sehen. Sie sprangen empor, nahmen die Verfolgung auf.

Shiro hatte damit gerechnet, aber sie hätte sich gewünscht, einmal Glück zu haben. Ihr blieb im Moment nichts anderes übrig, als dem Yodo-Drachen zu folgen, in der Schneise zu rennen, die er in den Wald schlug. Und sie konnte nur hoffen, dass der nicht stehen blieb, um sich für seinen fehlenden Schwanz bei ihr zu revanchieren. Überdies sollten ihre Kräfte reichen, noch durchzuhalten. Das musste einfach funktionieren. Sie hätte niemandem erklären können, woher sie noch die Kraft schöpfte, immer weiter zu hasten. Ihr Körper schrie ihr zu, dass sie aufhören sollte, eine Pause machen sollte, aber sie wagte es nicht. Sie hatte die Schlinge aufgebrochen, sich noch einmal eine Chance verschafft. Ihre Einzige, wollte sie dieses Todesspiel überleben, diese Prüfung bestehen. Aber irgendwo tief im Inneren schwor sie sich, dass sie sich für jeden Schmerz, für jede Anstrengung hier, bei Sesshoumaru rächen würde. Er musste sterben.

Sie erkannte plötzlich einen etwas schwächeren Bewuchs im Unterholz und wandte sich in diese Richtung. Mit etwas Glück würden ihre Verfolger weiterhin dem Yodo-Drachen folgen. Falls nicht…nun, daran durfte sie nicht denken. Sie war zu müde, zu schwach, sich noch zum Kampf zu stellen, schon gar gegen eine Übermacht. Sie zwang sich mit aller Willenskraft, die sie aufbringen konnte, weiterzukommen, durch Büsche, durch Gestrüpp. Das behinderte ihren Lauf, so wurde sie etwas langsamer, kam ein wenig mehr zu Atem. Vorsichtig lauschte sie hinter sich. Anscheinend hatte sie Glück, folgte ihr niemand direkt. Aber sie musste noch ein Stück weiter, um sich auch nur annähernd in Sicherheit wiegen zu können. Noch fünfhundert Schritte, beschwor sie sich, nur noch fünfhundert.

Nach Ablauf dieser Frist fiel sie einfach vornüber auf das Moos unter einem Baum, keuchend nach Atem ringend, erschöpft, wie noch nie in ihrem Leben. Aber ihre Ausbildung war zu gut gewesen, als dass sie nicht gewusst hätte, dass sie nicht liegen bleiben durfte, wollte sie keine Krämpfe bekommen, keine Probleme mit der Lunge. So raffte sie sich auf, taumelte mehr, als sie ging, weiter, immer Richtung Norden.
 

Shiro hätte niemandem sagen können, wie lange sie brauchte, um einigermaßen wieder bei Atem zu sein. Erst dann suchte sie sich einen guten Platz oben in einem Baum, um sich zu erholen, ihren Körper zu regenerieren. Vorsichtig witterte sie, lauschte sie. Aber anscheinend hatten die Verfolger ihre Spur wieder verloren. Leider wussten sie nun genau, wo sie sich aufhielt, welchen Pfad sie zu dem weißen Berg nehmen musste. Sie war sicher, sie würden versuchen, ihr den Weg zu verlegen, sie wieder in eine Falle zu bekommen. Sie schloss die Augen. Nun, dann gab es nur eine Möglichkeit. Wenn sie sie von Süden, eher Südwesten erwarteten, müsste sie den längeren, den Umweg nehmen, aus dem Osten kommen. Dort war die Wahrscheinlichkeit geringer, dass sie abgefangen werden konnte. Sie witterte noch einmal, ehe sie einschlief.
 

Der Schwertmeister sah von seiner Burg nach Norden. Er hatte die Nachricht bekommen, dass seine Schüler die Hundeprinzessin gefunden hatten, es ihr aber gelungen war, zu entkommen. Er verstand nur den Zusatz in der Botschaft: „benutzte einen Yodo-Drachen“, nicht. Er hatte noch nie gehört, dass man diese Wesen zähmen, reiten konnte. Er war neugierig, was sich dort im Wald tatsächlich abgespielt hatte. Eines war jedenfalls klar: Shiro war gut, das gab er neidlos zu. Und es war eigentlich verwunderlich, dass Fürst Uramaru solche Anweisungen gegeben hatte, sollte sie versagen. Aber schön, es ziemte sich nicht, sich in die Familienangelegenheiten eines Fürsten einzumischen. Dennoch ertappte sich Meister Ryo bei dem Wunsch, dass es die Prinzessin schaffen sollte.
 

Shiro erwachte nach zwei Stunden, das verriet ihr ein Blick zur Sonne. Es war bereits Nachmittag. Noch eine Nacht im Wald wäre zu riskant, zumal die Verfolger nun ihren Aufenthaltsort kannten. Sie musste sich beeilen, den längeren, aber sichereren Weg aus dem Osten nehmen, um nicht abgefangen zu werden. Sie hatte Hunger, Durst, zumindest nahm sie das an, ein zusätzlicher Grund, auf Tempo zu gehen. So ließ sie sich von dem Baum gleiten, machte sich wieder auf den Weg. Sie wusste, dass sie schon recht erschöpft war, aber sie musste es einfach schaffen. Ein wenig sehnsüchtig dachte sie an Akamaru. Sie wünschte sich, ihr Zwillingsbruder wäre dabei, ihr helfen würde, mit ihr zusammen das hier durchstehen. Aber natürlich war es ein Unterschied, ob man eine zurückgewiesene Braut, eine verachtete Tochter war, oder der einzige Erbe des Vaters. Auch dies war ein Punkt, den sie Sesshoumaru auf seine schwarze Liste setzen konnte, der seinen Tod nur umso gewisser machte.
 

Die Sonne war schon weit über den Himmel gewandert, als die Hundeprinzessin durch die Bäume vor ihr etwas Weißes schimmern sah. Erleichtert blieb sie stehen. Das dort war ihr Ziel, der weiße Berg. Ihr erster Impuls war, darauf zuzulaufen, aber dazu war ihre Ausbildung zu gut gewesen. Vorsichtig witterte sie, konnte aber keinen ihrer Verfolger feststellen. Dafür spürte sie dort an, oder eher auf dem Berg Magie. Nicht weiter verwunderlich. Es hatte geheißen, dort sei die einzige Stelle auf der Insel Yunagi, wo sie ihr Youki einsetzen könnte. Sie sah sich um. Irgendwie hoffte sie zwar, dass sie es schon geschafft hätte, kein Hindernis mehr käme, aber ihr war auch klar, dass Meister Ryo und seine Männer schließlich wussten, wohin sie wollte. Ganz bestimmt gäbe es noch eine Schwierigkeit. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass der berühmteste Lehrer weit und breit nicht daran gedacht haben sollte, dass sie einen Umweg nehmen konnte. Noch einmal witterte sie. War da etwas? Jemand? Oder bildete sie es sich nur ein, weil sie schon so müde war? Falls es zu einem Kampf kommen sollte, wäre sie allein aus diesem Grund im Nachteil, schon gar, falls es mehrere Gegner sein würden. Shiro dachte erneut nach. In diesem Fall müsste sie sich aus einem Duell heraushalten, versuchen, mit einer Finte, einem Trick weiter zu dem Berg zu gelangen. Konnte sie erst einmal ihr Youki einsetzen, ein Portal erschaffen, war sie in Sicherheit. Vielleicht machte sie sich auch umsonst Sorgen, war dort niemand.

Sie hoffte es, aber sie war zu kühl, um nicht alle Eventualitäten einberechnen zu können. Und mit Gefühlen wäre ihr nicht geholfen, nicht hier in dieser Prüfung, aber auch nicht in ihrem weiteren Leben. Diesen Luxus würde sie sich nicht mehr leisten können. Keine Empfindungen, keine Träume. So ging sie weiter, bemüht, noch lautloser als gewöhnlich zu sein, angespannt auf jedes Geräusch lauschend.
 

Vor ihr stieg der weiße Berg auf, sie erkannte einen Pfad, der empor führte. Und sie benötigte fast zwei Sekunden, ehe sie begriff, dass dort ein Youkai stand. Sie sprang zurück. Das war einer von Meister Ryos Schülern, und die Tatsache, dass er hier auf sie gewartet hatte, bedeutete, dass er sicher nicht der schlechteste war. Sie legte die Hand an ihr Schwert.

„Wie schön, Prinzessin“, sagte er: „Mein Name ist Seimei, aber Meister Ryo tat mir die Ehre an, mich Tsurugu, die Klinge, zu nennen, denn ich bin der beste Schwertkämpfer der Schule. Und ich bin erfreut, dass ich Euch töten darf.“

„Nun, das werden wir sehen.“ Shiro zog. Das würde sicher nicht einfach werden, müde wie sie war. Aber sie konnte auch keinen Grund erkennen, sich ohne Gegenwehr abschlachten zu lassen. Immerhin wollte Seimei sie töten, das war schon besser als das, was die anderen mit ihr vorgehabt hatten.

Der Meisterschüler betrachtete sie. Wie sie gezogen hatte, wie sie da stand, verriet, dass der Meister recht gehabt hatte. Sie musste eine exzellente Ausbildung genossen haben. Er sollte vergessen, dass sie ein Mädchen war, wie gegen einen Mann kämpfen. So nahm auch er seine Waffe: „Du hast keine Chance gegen mich.“

Sie musterte ihn regungslos. Ihre genaue Taktik musste warten, bis sie ihn besser kennen gelernt hatte. Sie vermutete, dass er der bessere Kämpfer von ihnen beiden sein würde, dazu körperlich stärker, mit Gewichtsvorteil. Zu allem war sie erschöpft durch die Wanderung durch den Wald. Aber sie hatte auch zwei Vorteile, zumindest hoffte sie das. Einer war der, dass sie bei so vielen unterschiedlichen Lehrern trainiert hatte, selbst Menschen. Sie konnte die Schulen des Schwertkampfes wechseln. Wenn Seimei nur bei Meister Ryo gelernt hatte, wäre er vielleicht weniger flexibel. Der zweite Vorteil war noch vager. Sie nahm an, dass er den Kampf in die Länge ziehen würde, um seine eigene Überlegenheit zu zeigen. Er war arrogant, sonst hätte er nie erwähnt, dass er der beste Schwertkämpfer der Schule sei. Vermutlich würde er mit ihr spielen wollen.
 

Seimei hob sein Schwert seitwärts, ehe er mit einem Sprung vorwärts zuschlug. Shiro parierte Stahl auf Stahl, sich gleichzeitig drehend, um so den Druck auf ihre Klinge zu brechen, zu verhindern, dass er seine höhere Kraft einsetzen konnte. Sofort setzte er nach, schlug erneut zu. Sie kam nicht mehr zum nachdenken, musste mit aller Schnelligkeit, die ihr zur Verfügung stand, immer wieder abwehren. Eines war klar: er hatte nicht gelogen, als er sich als Meisterschüler bezeichnete. Nur das half ihr wenig. Ihre Paraden waren manchmal ein bloßes Beiseiteschieben seiner Klinge, aber zu mehr fand sie keine Zeit, da sie stets in Bewegung bleiben musste, um zu verhindern, dass er Kraft gegen Kraft setzen konnte.
 

Seimeis Schwert glitt an dem ihren entlang, als sie wieder sich drehend aus seiner Angriffslinie wich. Diesmal allerdings rutschte der Stahl ab und er stieß vorwärts. Die Spitze seiner Klinge bewegte sich auf ihren Oberschenkel zu. Nur die Tatsache, dass sie schon in der Drehung war, in der Ausweichbewegung, verhinderte, dass sie aufgespießt wurde. So ritzte der Stahl ihre Hose, ihre Haut. Shiro machte einen Satz zurück. Der Schwertkampfschüler betrachtete sie sachlich, setzte aber nicht nach, als sie rasch ihr Knie beugte, um das Ausmaß des Schadens festzustellen. Erleichtert erkannte sie, dass der Muskel unverletzt war. Ohne Youki hätte es sonst schwierig werden können. Ihre Rüstung schützte nur den Oberkörper, ein Grund, warum er gar nicht versucht hatte, darauf zu zielen. Ganz offenkundig wollte er sie verletzen, schwächen, dann töten. Vermutlich durch einen seitlichen Hieb gegen den Hals enthaupten, klassisch, geradezu.

Und sie wusste nun, dass er es schaffen würde. Er war zu schnell, zu ausgeruht, zu stark für sie. Leider. Aber aufgeben stand völlig außer Frage. Sie hob ihr Schwert, suchte den Blick ihres Gegners. Seimei betrachtete sie aufmerksam, aber sie erkannte auch einen gewissen Respekt. Hatte er nicht erwartet, dass sich ein Mädchen so halten konnte? Im gleichen Augenblick fühlte sie etwas Eigenartiges. Sie brauchte einen Moment, um mitzubekommen, was sie da spürte. Youki. Ihre eigene, dämonische Energie, schwach, aber vorhanden. Was war passiert? Aber dann erkannte sie, dass sie bei ihrem letzten Sprung zurück, sich näher zu dem weißen Berg begeben hatte, ja, an dessen Fuß stand. Meister Ryo hatte ihr gesagt, dass sie auf diesem Berg ihr Youki würde einsetzen können. Bedeutete das, je näher man dem Gipfel kam, umso mehr Energie könnte man einsetzen? Dann gab es nur eine Taktik: Sie musste den Kampf an die Hänge des Berges ziehen und darauf achten, stets höher als Seimei zu stehen. Das war ihre einzige Chance.
 

Der Meisterschüler betrachtete die Hundeprinzessin aufmerksam. Er erkannte nur zu deutlich dass sie matt war, erschöpft durch den einsamen Weg durch den dichten Wald, ungewohnt ohne Youki. Die Tatsache, dass sie nichts getrunken, nichts gegessen hatte, hatte sie vor dem schleichenden Gift der Insel Yunagi bewahrt, sie aber zusätzlich ermüdet. Sie konnte unmöglich mehr lange gegen ihn durchhalten, das musste ihr klar sein, so gut ausgebildet, wie sie war. Aber anscheinend wollte sie nicht aufgeben, wollte sich nicht ergeben. Nun gut, dann musste er sie töten. Aber immerhin war ihm nun klar, warum ihr Vater zu Meister Ryo gesagt hatte, sie sei gut. Jemand, der sich so erschöpft noch Minuten gegen ihn, Seimei, hielt, noch dazu als Mädchen, war ihm noch nicht untergekommen. Aber nun würde er nicht mehr auf einen langen Kampf gehen, sondern auf ihren Tod. Er lief auf sie zu.

Shiro wartete ab, ehe sie sich plötzlich umwandte, scheinbar in Panik den Berg hinauf floh, dann erst herumfuhr, um den Hieb zu parieren. Durch ihren unerwarteten Halt war Seimei zu nahe bei ihr für einen gezielten Schlag gegen ihren Hals und sie drückte mit ihrem Unterarm den seinen nach außen. Im gleichen Moment gab sie ihm mit der Linken eine Ohrfeige, ehe sie hastig wieder in den gewöhnlichen Kampfabstand sprang, wieder etwas weiter den Berg hinauf.

„Verdammtes Miststück!“ knurrte der Youkai. Noch nie in seinem Leben war er geschlagen worden, und dann auch noch von einem Mädchen. Das würde sie bereuen. Aber er gab zu, der Trick war nicht schlecht gewesen, um ihn nahe an sich heranzulocken. Jetzt stand sie ein wenig über ihm am weißen Berg. Hoffte sie, dass sie so seinen Gewichtsvorteil ausgleichen konnte, seine größere Körperkraft? Dann musste er ihr zeigen, dass ihr das nichts nützen würde.

Youki. Shiro spürte, wie ihre Energie aus der Quelle ihrer Seele drang. Langsam und nur wenig, aber nach den vergangenen Tagen und Stunden ohne diese tat es gut. Und ihr Körpergefühl sagte ihr, dass sie sich, wenn auch äußerst schleppend, regenerieren würde. Als sie den nächsten Angriff abfing, erkannte sie jedoch, dass er ihr diese Zeit nicht mehr lassen würde. Er war darauf aus, sie nun zu töten.

Shiro wehrte den Schlag ab, wie schon zuvor, sich drehend und weg springend. In der kurzen Atempause, sie sie dadurch gewann, dachte sie hastig nach, aber es gab nur einen Weg. Sie musste ihn töten, so rasch wie möglich. Er war zu gut. Und das bedeutete, sie müsste ihn noch einmal nahe an sich heranlassen, ihm ein Ziel bieten, um gleichzeitig zuschlagen zu können. Sie war niemand, der sich vor Entscheidungen drückte. Als sie den nächsten Angriff abwehren musste, presste sie die Klinge über sich empor, mit aller Kraft, die sie noch aufbringen konnte. Sie setzte alles in diesen Zug. Seimei bemerkte, dass sie einen Fehler gemacht hatte, sich auf den Kampf Körperkraft gegen Körperkraft eingelassen hatte. Er riss sein Schwert empor, um es fast unverzüglich zu stoppen, gegen ihren Hals sausen zu lassen. Shiro hatte damit gerechnet, sprang empor, in den Schlag hinein. Der Hieb prallte gegen ihre Schulterpanzerung, so hart, dass es schmerzte, die Rüstung splitterte. Aber die Hundeprinzessin wusste, dass sie das ignorieren musste. Ihre eigene Hand war schon im Rückwärtsschwung, ihr Schwert traf den Meisterschüler mit der stumpfen Seite am Hals. Dieser taumelte zurück, würgte im unerwarteten Schmerz und dem Luftmangel. Als er begriff, wollt er sein Schwert noch zur Abwehr heben, aber Shiro hatte bereits zugestoßen.

Keuchend blieb sie stehen, sank dann langsam neben dem Toten auf die Knie. Ihre Waffe entglitt der zitternden Hand. Sie war erschöpft, wie nie zuvor in ihrem Leben und sie hoffte, es auch nie wieder sein zu müssen. Sie betrachtete Seimei. Er war ein sehr guter Fechter gewesen, der beste Schüler Ryos. Und doch hatte sie ihn getötet. Also war sie besser. War sie nun fähig, auch Sesshoumaru schlagen, töten zu können? Vielleicht. Aber bis dahin sollte sie noch mehr Kraft und Ausdauer trainieren, um nicht ebenso fertig zu sein.
 

Mühsam griff sie zum Schwert, schob es in die Scheide. Sie hatte es fast geschafft, musste nur noch ein Stück höher auf den Berg. Da sollte sie sich hier nicht sinnlos aufhalten sich womöglich noch finden lassen. Das Aufstehen war beschwerlich, und sie konnte sich nur damit auf den Beinen halten, dass sie sich bewusst machte, dass es keine hundert Meter mehr sein würden. Mit jedem Schritt den Berg hinauf konnte sie auch spüren, wie ihr Youki anstieg, sie Kraft gewann. Vorsichtig horchte sie auf die Laute hinter sich, konnte aber nichts mehr von Verfolgern entdecken. Hatte sie es wirklich geschafft? Nur noch fünfzig Schritte, dachte sie, dann müsste es zu einem Dimensionsportal reichen….noch vierzig…Und dann fühlte sie, wie ihre magische Macht wieder fast vollständig da war. Sie blieb stehen. Nie zuvor war es so mühselig gewesen, ein solches Portal zu erschaffen, aber nur eine Sekunde später war sie am Strand.
 

Sie drehte sich um. Dort drüben war die Insel Yunagi. Sie hatte es geschafft.

Müde ließ sie sich auf die Knie sinken, spürte plötzlich über die geistige Verbindung, die sie seit Kindheitstagen hatten, ihren Zwillingsbruder. Sie versuchte, ihm mitzuteilen, dass sie in Ordnung war.

Nur wenige Sekunden später erkannte sie schwarze Schuhe vor sich: „Nee-chan!“ Akamaru sah besorgt Blut über ihren Arm rinnen, Blut an ihrer Hose. Und seine große Schwester wirkte vollkommen erschöpft.

„Es ist in Ordnung“, sagte sie: „Ich...ich muss mich nur etwas erholen.“

„Vater wird stolz auf dich sein“, meinte er: „Und ich bin es auch.“

Sie stand mühsam auf, spürte sofort, wie er den Arm um sie legte, sie stützte. Der einzige Halt in ihrem verpfuschten Leben.

„Ohne Youki zu sein ist wohl sehr hart?“ erkundigte er sich.

„Ja.“ Das hätte sie niemandem außer ihrem Zwillingsbruder gegenüber zugegeben. Und gegen niemanden hätte sie sich je gelehnt. Aber ihr war klar, dass der Arm um sich, dieser Halt, alles war, was sie an Zuneigung, an Zärtlichkeit, je erhalten würde. Kein männlicher Youkai von Ehre würde sich mit ihr einlassen. Nie würde sie einen Welpen bekommen. Ihr Leben lang wäre sie auf Akamaru angewiesen. Wenn er der Fürst werden würde, könnte sie wenigstens endlich erneut um die Erlaubnis zum Selbstmord bitten. Und es gab ein Wesen, das daran Schuld trug, an allem Schuld trug: „Aber ich habe gewonnen. – Ich bin sicher, dass ich, wenn ich nur hart genug weiter übe, auch gegen Sesshoumaru siegen kann.“

„Das denke ich auch. Gehen wir nach Hause. Ich bin sicher, nun wird unser Herr und Vater erlauben dass du mit mir die Menschendörfer beschützt.“
 

Im Schloss im Westen sah der Herr nachdenklich an die Wand. Ohne die Frau im teuren Kimono vor sich anzublicken, meinte er: „Darum also.“

„Verzeih, was meinst du, aite?“

„Du hättest es mir früher erzählen sollen.“ Er wandte ihr den Kopf zu: „Ich habe mich von Anfang an gewundert, warum du mir gegenüber feindselig warst. Nun, ich wusste natürlich, dass diese Zurückweisung eine Schande war, dass du mit Recht versuchen würdest, mich zu töten, oder eher, dein Vater. Aber auch später, selbst auf dem Weg zur Insel der Bestien, erschienst du mir sehr pflichtbewusst, aber auch deutlich kälter, als du es bei meinem letzten Besuch im Süden gewesen warst, viel härter gegen dich und andere. Das hat sich zwar gegeben, aber ich wäre an der Ursache interessiert gewesen.“ Meine arme Shiro, dachte er gleichzeitig. Und falls Inuyasha ihren Vater noch nicht getötet hätte, hätte ich das jetzt übernommen. Damals…nun, vielleicht hätte ich es damals nicht vermocht. Oder aber ich hätte zu diesem Zeitpunkt schon Zugriff auf die zweite Youki-Quelle meiner Seele bekommen. Viel früher als jetzt. Ich hätte sie davor bewahren wollen. Und sollen.

„Es handelte sich um eine Familienangelegenheit.“ Mit gewissem Zögern fuhr sie fort: „Ich…es hat einen Zeitpunkt gegeben, an dem ich annahm, es würde dich erfreuen, mich in solchen Lagen zu sehen.“

„Mich würde etwas anderes erfreuen, meine Fürstin.“

Shiro sah zu ihm. Ein etwas langsames Lächeln glitt um ihren Mund. Ihre Erzählung hatte die alte Zeit, ihr Leid wieder aufleben lassen. Aber das war so lange her, soviel war geschehen…. „Ich wage nicht zu hoffen, dass mein Gebieter wünscht, dass ich ihn erfreue.“

„Mein Wunsch, Shiro-ko.“ Er lehnte sich an die Wand zurück, ließ sie nicht aus den Augen, als sie sich nicht einmal mehr verneigte, ehe sie zu ihm kam.
 

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Für die Hundeyoukai-Fans unter euch: ich habe da so eine vage Idee, bei der die Kinder eine Hauptrolle spielen. Das Verhältnis zwischen Arashi und seinem Vater ist ja etwas...angespannt. Mal sehen, was daraus wird.
 

Wer so nett ist, mir einen Kommentar zu hinterlassen, erhält, wie gewohnt, eine Info-Ens, wenn es weiterggeht, sei es bei den Kurzgeschichten oder bei einer neuen Hundeyoukai-Staffel^^.
 

Aber zunächst sind wohl einige Brüdergeschichten dran, und natürlich der neue Krimi.
 

bye
 

hotep

Weihnachten Teil 1

Auf Wunsch von Sasuke_Uchiha ein Weihnachtsspecial zur Hundeyoukai-Saga.

Die Chara-Bilder der beiden Hundekinder stammen aus dem Colowettbewerb, den lizard zu Hundeyoukai in Youkai-Parc veranstaltete.
 

1. Weihnachten Teil 1
 

Kagome warf einen Blick in den Rückspiegel und betrachteten ihre beiden Passagiere. Sie war ein wenig nervös, nun eigentlich schon seit zwei Tagen. Warum nur hatte sie „ja“ gesagt?

Vermutlich, weil sie einfach zu überrascht gewesen war, als ausgerechnet Shiro zu ihr in das Krankenhaus gekommen war, das sie in den westlichen Ländern aufgebaut hatte, und sie gebeten hatte…allein das ein im Zusammenhang mit der stolzen Hundefürstin unmögliches Wort….für ein paar Tage ihre Kinder aufzunehmen.

Seitdem hatte sie verzweifelt überlegt, was sie mit zwei kleinen Hundeyoukai anstellen sollte, die im Zweifel bei Langeweile in der Lage wären, halb Tokio in Schutt und Asche zu legen. Inuyashas Vorschlag: setz sie doch vor den Fernseher, hatte ihr weder weitergeholfen, geschweige denn, zugesagt. Dieser feige Halbhund hatte sich auch noch unverzüglich mit dem Satz, er werde im Schloss dringend erwartet, wieder aus dem Staub gemacht. Und ward seither nicht mehr gesehen.
 

Jetzt saßen die Hundeyoukaizwillinge schweigend hinter ihr im Auto. Sie redeten sowieso nur, wenn sie gefragt wurden und schienen ihr schon fast unheimlich brav. Immerhin war sie nun auf die Idee gekommen, ihnen Weihnachten zu erklären, zu erklären, dass es Menschen gab, die Lichterbäume schmückten, ein Fest der Familie feierten.

Und jetzt war sie unterwegs mit den beiden nach „Rothenburg“, einer künstlichen Stadt, in der deutsche Kultur vorgestellt wurde. Im Sommer gab es Biergärten und jetzt Weihnachtsbäume, ja, einen Weihnachtsmarkt. Fast wie auf Befehl hatte es zu schneien begonnen – und sie war noch nicht lange genug Autofahrerin, um sich sicher zu fühlen. Aber was sollte es.

„Verehrte Tante Kagome…“ begann Seiko, wartete aber höflich ab, ob sie nicht störe.

Sie fühlte sich bei dieser Anrede immer sehr alt, aber sie wusste, dass sie da nicht widersprechen durfte. Die Hundekinder waren dazu erzogen worden, extrem ehrerbietig zu sein. „Ja, Seiko-chan?“

„Du hast uns erzählt, Weihnachten sei ein Fest der Familie, aber unter Christen. Das sind dann keine Japaner?“

„Doch, auch dies ist möglich. Das hat was mit der Religion, dem Glauben zu tun, nicht mit dem Land.“

„Aber es ist wirklich so, dass diese Christen um einen Lichterbaum stehen, wie wir ihn unterwegs schon sahen, und zusammen feiern?“

„Ja. Es ist ein Familienfest.“

„Dann wäre jemand unglücklich, wenn die Familie nicht zusammen ist.“

„Ja. – Wir sind gleich da.“ Sie bog an.

Die wohlerzogene Hundeprinzessin nahm es als Hinweis schweigen zu sollen und sah neugierig aus dem Autofenster, um das Dorf zu erkennen, in das sie ihre angeheiratete Tante bringen wollte: „Oh, onii-chan…!“ Um ein Haar hätte sie in die Hände geklatscht.

Arashi blickte in ihre Richtung: „Ein sehr großer Lichterbaum“, stellte er fest: „Können doch auch einige Menschen fliegen?“ Sonst konnte man doch diese Kerzen nicht so weit oben anbringen.

„Nein. Das war wohl eher die Feuerwehr mit einer Leiter, “ erklärte Kagome: „Bevor wir aussteigen, zieht euch bitte die Anoraks an, die ich euch gekauft habe. Sie sind warm und die Kapuzen verbergen eure Haare und eure spitzen Ohren.“

„Hai, o-ba-sama“, antworteten die Hundezwillinge unverzüglich.

Kagome suchte einen Parkplatz, während sie darüber nachdachte, dass eine derart rigide Erziehung durchaus Vorteile hatte – zumindest, wenn man das ältere Familienmitglied war.
 

Im Weihnachtsdorf selbst war die Beschallung mit Musik, die Gerüche der verschiedensten Getränke und Essen fast zuviel für die empfindlichen Sinne der Hundeyoukai. Aber selbstverständlich hätte sie nie ein Wort gegenüber der verehrten Tante darüber verloren. Sie hatte sich bereit erklärt, sie einige Tage aufzunehmen, ja, bemühte sich, ihnen viel zu zeigen, angefangen vom Tokyo Tower bis zum Fujiyama.

Kagome dachte einen Moment nach, ehe sie meinte: „Ihr werdet ja kaum etwas essen wollen, oder? – Ich stelle mich an diesem Stand an und kaufe mir etwas. – Geht doch inzwischen diese Strasse entlang. In den Geschäften dort findet man allerlei Schmuck für Weihnachten, für die Bäume oder die Wohnzimmer, das ihr euch ansehen könnt. Dann kommt wieder her.“ Sofort drehten sich die Zwillinge um und folgten der Anweisung. Mit den Anoraks und Kapuzen waren sie eindeutig für menschliche Kinder zu halten, dachte Kagome noch zufrieden, ehe sie sich anstellte, um diese europäischen Crepe zu kaufen.
 

„Interessant, onii-chan, “ meinte Seiko, während sie einen Blick auf den riesigen Tannenbaum am Eingang warf: „Es sieht sehr...hübsch aus.“

„Es ist nutzlos. Aber es scheint zumindest den Menschen zu gefallen, “ erwiderte Arashi: „Ob wir unserer verehrten Mutter so etwas mitbringen sollten?“ Ihm war nicht bewusst, dass er damit verraten hatte, selbst einen derartigen Baum hübsch zu finden.

„Ich fürchte, haha-ue würde sich über eine neue Rüstung freuen, aber nicht über einen Tannenbaum“, gab Seiko ehrlich zu: „Aber du hast recht, wir sollten unseren verehrten Eltern etwas mitbringen, wenn sie schon so freundlich waren, uns in die Menschenwelt reisen zu lassen.“

„Ja. – Weißt du eigentlich, warum?“

„Nein. Ich weiß nur, dass unsere verehrte Mutter mit Tante Miyaki telefonierte, mit Tante Myu und anschließend um Audienz bei unserem Herrn und Vater bat. Der verehrte Onkel Inuyasha wurde dann dazu gerufen.“

„Hm…ein Geheimnis.“ Der Hundeprinz dachte nach: „Aber wir werden es erfahren, wenn die Zeit gekommen ist.“

„Natürlich. – Diese Kugeln hängt man auch an den Baum. Aber was ist das? Kleine Holzfiguren? Das wäre vielleicht etwas für Tante Miyaki….Lauter winzige Musikinstrumente….“

„Seiko-chan, wir können nicht Tante Miyaki etwas mitbringen und unseren eigenen Eltern nicht.“

„Das ist wahr. Aber ich werde es Katsumaru sagen. Wenn er einmal ein Geschenk für seine Mutter braucht, kann er die verehrte Tante bitten…“

„Gut. Drehen wir um. Sie wird gewiss schon fertig sein.“ Arashi hätte nicht einmal gegenüber seiner Zwillingsschwester zugegeben, dass seine Ohren schmerzten. Die Musik war einfach auf Menschenohren ausgelegt, nicht auf die von Youkai, zumal Hundeyoukai.
 

Ein wenig überrascht erkannten die Zwillinge, dass sich Kagome mit einer anderen Menschenfrau unterhielt, die einen Kinderwagen schob. Aber die Hundekinder waren zu streng ausgebildet, dass sie sich nicht höflich vor der Unbekannten verneigt hätten.

„Oh, sind das Ihre Kinder?“ fragte die Fremde: „So gut erzogen...und so hübsch.“

„Danke. Äh…das sind mein Neffe und meine Nichte.“ Kagome war froh, dass die Kapuzen verhüllten, dass das zwei kleine Dämonen waren. „Ihr Baby wird ganz sicher auch einmal so.“

„Oh, das hoffe ich. – Danke, Liebling.“ Das galt einem jungen Mann, der herankam und ihr Crepe reichte: „Ich habe wirklich Hunger.“

Seiko schluckte ein wenig, ehe sie beschloss, dass Menschen doch wohl toleranter in ihren Sitten waren, als es zuhause der Fall wäre. Dort hätte sie keinen Fremden ansprechen dürfen. Sie verneigte sich ein wenig vor der Unbekannten.

„Was ist denn, Kleine?“ fragte diese irritiert.

„Darf ich…ich würde mir gern das Baby ansehen….“

„Oh, natürlich.“ Sie schlug ein wenig die Decke zurück und die kleine Hundeprinzessin trat an den Kinderwagen, um den Säugling anzusehen.

„Wie alt bist du denn?“ erkundigte sich die Mutter.

„Zehn. Sie sind Zwillinge, “ warf Kagome rasch ein, um zu verhindern, dass hier Jahrhunderte erwähnt wurden. „Seiko-chan…Arashi-chan...kommt nun. Wir wollen doch noch ein wenig herumgehen. Das hier wird bald alles erleuchtet sein, wenn die Dämmerung einsetzt.“

„Natürlich, o-ba-sama“, erwiderten die Zwillinge höflich.
 

Als sie zurück zum Parkplatz gingen, meinte Seiko: „Diese Lichterbäume sind eine sehr schöne Sache, gerade im Dunkeln. Ob man diesen Effekt zuhause auch erreichen könnte, vielleicht mit Glühwürmchen?“

„Du kannst das ja unserem Herrn und Vater vorschlagen.“ Arashi musste etwas grinsen: „Das Gesicht würde ich gern sehen.“

„Er würde keine Miene verziehen und nur etwas sagen von: du hast eigenartige Ideen für eine Prinzessin der Hundeyoukai, “ gab sie zu: „Und unsere verehrte Mutter müsste zu ihm in Audienz.“

„Oh ja.“ Der Erbprinz der westlichen Länder dachte an den Tag, an dem er im Arbeitszimmer vor seinem Vater gekniet hatte und dieser ihm sein volles Youki geoffenbart hatte. Die Luft im Raum hatte förmlich vibriert. Er wusste nicht, wie streng der Fürst seine Gefährtin bestrafte, aber es gab keinen Grund, Mutter wegen einer menschlichen Sitte in eine solch unangenehme Situation zu bringen. „Natürlich. Vergiss es.“

Kagome seufzte ein wenig: „Dann werde ich es eben Inuyasha vorschlagen und dieser eurem Vater, ja?“

„Oh nein, o-ba-sama!“ Seiko war fast entsetzt: „Ich will doch nicht, dass jemand mit unserem Herrn und Vater Probleme bekommt…“

Sie hatten wirklich Respekt, dachte Kagome. Oder war das eher schon Angst? „Ich kenne ihn schon lange. Und euer Vater ist nicht mehr so, wie er früher war. Ich denke auch nicht, dass er einen solchen Vorschlag von dir ablehnt. Er würde sicher darüber nachdenken.“ Er hatte ihr ja auch nicht den Kopf abgerissen, als sie beschlossen hatte, im Krankenhaus einen Weihnachtsbaum aufzustellen. Sie hatte natürlich nur gesagt, dass das bei Menschen ein Symbol der Hoffnung sei. Sein Kommentar war schlicht gewesen: was du den Kranken tust, ist deine Sache, Kagome. Das hatte sie als Erlaubnis genommen.
 

Als sie ihr Auto erreicht hatten und Kagome ihren Schlüssel suchte, drehte sich Seiko noch einmal zu dem großen Weihnachtsbaum um. Die elektrischen Kerzen in der Dunkelheit leuchteten, wie sie fand, angenehm. Sie erkannte in deren Licht die Familie, deren Baby sie zuvor ansehen durfte. Seit einiger Zeit liebte sie es, sich Welpen oder Menschenkinder anzusehen, auch mit Katsumarus kleinen Schwestern zu spielen.

Sie betrachtete die Familie. Solch einen Kinderwagen hatte Tante Miyaki auch für ihre Zwillinge bekommen. Das war eine wirklich praktische Errungenschaft der Menschen. ..

Ein dunkle Lieferwagen verdeckte ihr die Sicht, aber die Ohren der Hundeprinzessin waren fein genug, Getümmel zu hören, den Aufschrei: „Mein Baby!“ Noch während der Lieferwagen mit quietschenden Reifen losschoss, lief Seiko hinüber. Die Eltern lagen auf dem Boden und rafften sich gerade auf. Der Kinderwagen war umgeworfen – leer.

„Was…was ist passiert?“

„Mein Baby! Sie haben mein Baby entführt!“ schluchzte die Mutter.

Der Vater schüttelte hilflos den Kopf: „Einfach so….“

„Wir müssen die Polizei anrufen“, meinte Kagome, die eigentlich Seiko hatte zurückholen wollen und nun mitbekam, was geschehen war. Arashi stand ebenfalls schon neben ihr.

„Kein Polizei!“ meinte der Mann hastig: „Sie…sie werden sich sicher melden, wegen Lösegeld. Verdammt. Ich wollte doch nur einmal ohne Leibwächter einen Familienausflug machen!“

Kagome traf ihre Entscheidung, von der sie noch später nicht sagen konnte, ob sie vollkommen selbstmörderisch oder brillant gewesen war: „Arashi, Seiko, könnt ihr diesem Lieferwagen folgen?“ Da sie die Hundeyoukaikinder mit dem Blick eines Schachweltmeisters ansahen, den sie gerade gefragt hatte, ob er wisse, wie ein Bauer zieht, fuhr sie eilig fort: „Schon klar. Tut es. Wenn ihr wisst, wohin sie das Baby gebracht haben, kommt ihr wieder her und sagt es uns.“

„Hai, o-ba-sama.“ Die Zwillinge drehten sich um und verschwanden in der Dunkelheit.

„Sie…Sie schicken die Kinder…? Aber das Auto war so schnell…“

„Kinder sind unauffälliger. Und wenn sie uns sagen können, wohin die Entführer gefahren sind, können Sie dann doch die Polizei anrufen. Morgen ist ja Weihnachten und da sollte Ihr Kind bei Ihnen sein.“ Sie legte den Arm um die verstörte Frau: „Es wird bestimmt alles gut.“
 

Zuerst fiel es den Hundezwillingen in der Tat leicht, der Spur des Lieferwagens zu folgen. Als mehr Verkehr aufkam, sie sich einer größeren Stadt näherten, wurde es schwieriger. Sie verloren Zeit, wenn sie unauffällig bleiben wollten, mussten sich auf dem Bürgersteig halten. Seikos Handy, das sie sich für diesen Aufenthalt von ihrer Mutter ausgeliehen hatte, klingelte und sie nahm es eilig, ohne im Lauf innezuhalten.

„Verehrte Tante? Ja, wir sind in einer großen Stadt, aber sie haben noch nicht angehalten. Hier sind lauter einzelne Häuser, keine so hohen, wie in Tokio. Das weiß ich noch nicht, aber das werden wir sicher erfahren.“ Sie legte auf: „Sie möchte, dass wir unverzüglich zurückkommen, wenn wir wissen, wo sie parken.“

Ihr Bruder warf ihr einen raschen Blick zu: „Du willst es nicht?“

„Du weißt doch, wie man sich fühlt, wenn man gefangen ist und auf die Eltern wartet, oder?“ Sie schaltete das Handy aus.

„Eine Befreiungsaktion?“

„Es sind nur Menschen, onii-chan. Und morgen ist Weihnachten.“

Der Hundeprinz wog ab, wie sich ihre Eltern dazu stellen würden – und entschied, dass sie wohl Verständnis dafür hätten. „Gut. – Wohin sind sie jetzt?“ Er machte einen gewaltigen Satz auf die Strasse, dabei vollkommen ignorierend, dass er ein Auto zum Bremsen zwang: „Ah…links!“

Sie bogen in die Strasse ab. Einzelne Villen standen hier in größeren Gärten.

„Eine vornehmere Gegend“, konstatierte Seiko: „Was wollen sie dann nur mit einem Baby?“

„Ich habe nicht die Absicht, sie zu fragen.“ Arashi blieb an einem hohen Metallzaun stehen: „Dort ist das Auto.“

„Dann machst du mit und wir holen das Baby zurück?“

„Ja.“
 

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Das zweite Kapitel erscheint am 24.12.
 

einen schönen vierten Advent
 

bye
 

hotep

Weihnachten Teil 2

Zwei kleine Hundedämonen auf Befreiungsmission...Leichtsinnig oder wissen sie, was sie da tun?
 

2. Weihnachten Teil 2
 

Die Hundeyoukaikinder blieben vor dem gut zwei Meter hohen Gitterzaun der Villa stehen, ein wenig abseits vom Eingangstor, und musterten die Lage. Im Erdgeschoss war es dunkel, aber in einem Raum im ersten Stock brannte Licht.

„Dort sind sie und dort haben sie bestimnmt auch das Baby!“ flüsterte Seiko aufgeregt. „Komm, onii-chan, springen wir über den Zaun.“

„Warte. Dort drüben an der Tür sind zwei Männer, das sind sicher Wachen. Und auch, wenn es nur Menschen sind und sie unbewaffnet sind…Ich kann keine Schwerter erkennen… – wenn sie Alarm schlagen…Bedenke, dass wir sie sicher nicht töten dürfen.“

„Natürlich. – Aber das bedeutet, dass mindestens noch einmal zwei Wächter im Haus sind. Der verehrte Onkel Akamaru hat mir einmal gesagt, dass gewöhnlich mindestens die doppelte Anzahl der sichtbaren Wachen anwesend sein muss.“

Arashi wunderte sich ein wenig, dass ihr Onkel mit seiner zukünftigen Schwiegertochter über derartige Dinge sprach, aber das tat nichts zur Sache. Sie hatte sicher Recht. „Dann werden wir sehr schnell sein müssen. Und lautlos. – Genau wie diese beiden Dobermänner.“

Seiko bemerkte nun erst auch, dass im Garten zwei Hunde standen, die sie anscheinend schon geraume Zeit musterten. „Sie erkennen in uns bestimmt die Hundeyoukai. Also, komm, springen wir über den Zaun!“

Arashi warf einen etwas ungläubigen Blick auf die beiden Dobermänner, die grimmig zu knurren begonnen hatten: „Sie wollen uns tatsächlich angreifen?“ Kein Hund mit einem Funken Selbsterhaltungstrieb wagte sich an einen der mächtigen, entfernten Verwandten. „Übernimmst du die Hunde, Seiko-chan? Ich gehe dort hinüber und übernehme die beiden Wachen.“

Seine Zwillingsschwester hätte einiges dagegen einzuwenden gehabt, aber sie meinte nur: „Dann treffen wir uns an der Tür?“ Immerhin machte er bei dieser Sache mit. Allein wäre es für sie doch schwer geworden.

„Hm….Ich glaube, es wäre besser, das Baby gleich zu holen. Wenn du die Hunde gezähmt hast, spring doch dort auf den Baum. Von da aus kannst du in das Zimmer gucken. Wenn du siehst, dass ich reinkomme, springst du durch das Fenster und holst es.“ So viele Wachen würde es denn dann doch nicht geben. Und immerhin war er ja wohl nicht irgendwer.

„Gut. Dann bis später, onii-chan.“ Seiko sprang über den Zaun, sich bereits in ihre wahre Form verwandelnd. Diese beiden verlausten Kläffer wagten es tatsächlich, ihre Zähne vor einer Hundeyoukai zu entblößen?
 

Arashi lief dagegen ein Stück die Strasse zurück, am Tor und dem Eingang vorbei. Die beiden Wächter saßen rechts und links auf den Stufen vor der Tür. Eine solche Nachlässigkeit hätte sich keiner der Krieger seines Vaters zuschulden kommen lassen dürfen – oder eines anderen Familienmitgliedes. Und beide lasen Zeitung. Waren sie so sicher, dass noch niemand wusste, dass sie ein Baby entführt hatten? Nun gut, einen Ausbruchsversuch ihrer Geisel brauchten sie ja kaum zu befürchten.

Er sprang mühelos über den Zaun und landete unhörbar im Gras, ohne dabei die beiden Wachen aus den Augen zu lassen. Immer wieder hoben sie die Köpfe und blickten zum Tor. Erwarteten sie jemanden? Dann war es umso wichtiger, schnell zu sein. Aber es blieb genügend Zeit, in denen ihre Aufmerksamkeit auf ihre Zeitungen gerichtet war, um sich anzunähern, zumindest, wenn man ein trainierter Youkaiprinz aus gutem Hause war.

Noch aus dem Laufen drehte sich Arashi auf dem linken Fuß. Sein rechtes Beim schwang ausgestreckt herum, traf mit wohldosierter Kraft. Während der Wächter zusammenbrach, stand der Hundeprinz bereits vor dem zweiten, der bei dem unerwarteten Laut seine Zeitung fallengelassen hatte, um in seine Jacke zu greifen. Diese Bewegung kam allerdings nie zum Abschluss, als ihn ein Klauenhieb gegen den Hals ebenfalls ins Land der Träume schickte.

Während Arashi die Tür aufdrückte und lautlos in das Haus trat, dachte er daran, das diese Männer seine Zurückhaltung wohl kaum zu schätzen wissen würden. Sie würden einige Tage ein steifes Genick und sicher auch Schmerzen haben – aber er hätte sie ohne Mühe auch in Stücke reißen können. Damit wäre die verehrte Tante Kagome allerdings bestimmt nicht einverstanden.
 

Oben in der Villa trat ein Mann an das Fenster, eine Tasse Tee in der Hand, und blickte in den nächtlichen Garten, der nur von dem entfernten Licht der Straßenlaternen erhellt wurde. Die beiden ach so scharfen Dobermänner spielten im Garten gerade mit einem weißen Hund, der geradezu riesig war? Es gab doch keine Hunde, die so groß wie ein Pony waren? Und wieso warfen sich diese blöden Köter nun auf den Rücken? Die Umrisse dieses weißen Hundes schienen auch zu verschwimmen….das war doch jetzt ein kleines, weißhaariges Mädchen? Höchstens zehn Jahre alt?

„Na, was starrst du so in den Garten? Bis Herr Tanaki zurück ist, wird sicher noch einige Zeit vergehen.“

„Ja, ich weiß.“ Verständlicherweise nicht bereit, eine Halluzination zuzugeben, drehte sich der Wächter wieder um und setzte sich auf die Couch zu seinem Partner, nur einen flüchtigen Blick auf das Baby werfend, das in einem Kinderbett lag. Das Beruhigungsmittel wirkte immer noch. Und so entging ihm das weißhaarige Mädchen, das auf den Baum vor dem Fenster gesprungen war, und nun mit vor Zorn leuchtenden grünen Augen zu ihnen ins Zimmer blickte.
 

Arashi hatte unterdessen den ersten Stock erreicht, immer wieder auf jedes Geräusch lauschend, vorsichtig witternd.

Er war ein wenig aufgeregt. Eine solche Aktion hatte er noch nie durchgeführt und es beruhigte ihn, das vertraute Youki seiner Zwillingsschwester nun auf gleicher Höhe zu fühlen. Seiko hatte leichtes Spiel mit den Hunden gehabt, wie er es erwartet hatte. Unter einer Tür vor ihm schimmerte Licht hindurch. Dort waren sicher Menschen und das entführte Baby. Wie viele Männer es wohl waren? Bestimmt zwei, nach dem, was Seiko von Onkel Akamaru gelernt hatte, vielleicht mehr. Aber es waren und blieben Menschen. Und im Notfall würde ihm seine Schwester helfen. Im Kampf ausgebildet waren sie ja beide. So öffnete er die Tür und trat ein, in der Hoffnung, die Menschen würden denken, einer ihrer Wächter käme, und etwas zu langsam reagieren.

Mit einem Blick erfasste er die Situation. Das Babybett stand nah am Fenster. Gut, dann konnte sich Seiko das Kleine holen. Auf der Couch, ihm direkt gegenüber, saßen zwei Männer, die ihn sofort bemerkten und fast ungläubig anstarrten. So rasch er konnte, sprang der Hundeprinz auf die beiden los. Es gelang ihm, einen zu Boden zu schlagen, als er auch schon das Geräusch splitternden Glases hörte. Seiko war gekommen.

„Du…verdammter Bengel!“ keuchte der letzte Wächter, bereits ein Messer in der Hand.

Arashi schnaubte verächtlich. Was sollte das denn? Er übte mit seinem verehrten Vater, da würde ihn doch niemals ein Mensch aufhalten.

„Ich habe es, onii-chan“, sagte Seiko.

„Geh. Ich komme gleich.“ Er hörte, dass sie gehorchte. Vermutlich war ihr ebenfalls klar, dass auch der Letzte keinen Alarm schlagen durfte, für den Fall, dass doch noch andere Wächter im Haus waren.

Der Mann starrte fassungslos in die goldfarbenen Augen des Jungen, den er auf zehn Jahre schätzte. Wo war der hergekommen? Und wer war das Mädchen? Und wieso hatten sie das Baby geholt? Das würde massiven Ärger bedeuten…

Aber die Augen dieses Jungen waren so eigenartig, so ohne jedes Gefühl, ja, ohne menschliche Regung….

Das war allerdings sichtlich ein Kind und so griff er doch an, die Rechte mit dem Messer erhoben. Arashi machte einen Schritt auf ihn zu, damit die Distanz verkürzend, und schlug mit dem linken Unterarm gegen das Handgelenk der Angriffshand. In der gleichen, fließenden Bewegung drehte er sich weiter auf dem linken Fuß und sein Ellbogen schlug hart gegen das Kinn des Mannes. Er hörte ein Knacken, ehe der Mann betäubt zusammenbrach. Nun ja. Für einen Menschen war das wohl ein recht kampferfahrener….

Er drehte sich um und folgte Seiko aus dem Fenster.

Als nur zehn Minuten später der Wagen von Herrn Tanaki in den Garten der Villa fuhr, fand er seine Geisel nicht mehr, seine Wachen bewusstlos oder verletzt - und eine Legende.
 

Kagome wurde immer nervöser, die beiden Eltern auch. Aber ihr erneuter Versuch, die Polizei rufen zu sollen, war an der heftigen Ablehnung gescheitert.

Seikos Handy war ausgeschaltet und die Tante hatte den nahe liegenden Verdacht, ihre beiden Schützlinge hätten die Sache in die eigenen Klauen genommen. Hoffentlich ging das gut, hoffentlich passierte dem Baby nichts oder einem der beiden.

Entführer waren doch gewöhnlich bewaffnet und sie war nicht sicher, ob Arashi oder Seiko daran dachten, dass auch Youkai nicht kugelfest waren. Sie verspürte nicht die mindeste Lust, Sesshoumaru oder Shiro beichten zu müssen, dass eines oder beide ihrer Kinder verletzt waren, von Ärgerem ganz zu schweigen. Sie hatte gerade die sonst so kühle Hundeyoukai noch nie so wutentbrannt erlebt, wie an dem Tag, als die Familie die entführten Kinder befreit hatte und Arashi schwer verletzt gewesen war. Auch, wenn es Shiro nicht zeigen wollte oder konnte – sie liebte ihre Welpen.

Eine Bewegung in der Dunkelheit ließ sie herumfahren: „Arashi, Seiko...wisst ihr…ihr habt das Baby?“ Das war kaum ein sinnvoller Satz, aber Kagome fielen in diesem Moment mehrere Felsbrocken vom Herzen.

Seiko kam zu den fassungslosen Eltern: „Bitte“, sagte sie höflich und gab das Kind seiner Mutter, die es hastig an sich riss.

„Wieso habt ihr…?“ begann der Vater.

„Oh, sie haben es uns gegeben“, erklärte Arashi, mit einem raschen Blick zu seiner angeheirateten Tante. Und diese begriff nur zu gut, dass die Übergabe nicht freiwillig erfolgt war.

Seiko ergänzte: „Morgen ist doch Weihnachten….“

„Ja….“ Der Vater riss sich sichtlich zusammen: „Ich…danke euch beiden. Wie kann ich euch belohnen?“

„Kein Geld“, meinte Kagome eilig: „Sie haben das sicher gern getan….“ Wenn sie ihre angeheiratete Verwandtschaft richtig einschätzte, würde eine Geiselbefreiung gegen Bezahlung wie eine Beleidigung wirken.

Der Mann sah sie kurz scharf an, lächelte dann: „Sie wissen wirklich nicht, wer ich bin, oder?“

„Nein, aber das ist ja auch gleich…“

„Ich bin ….“

Er nannte seinen Namen und sie begriff: er war in einer der wohl erfolgreichsten Bands zurzeit. Darum hatten es die Entführer wohl auch auf sein Kind abgesehen gehabt. Sie nickte nur: „Nein, ich habe Sie nicht erkannt. Auf der Bühne wirkt es anders…Kommt jetzt, ihr beiden.“
 

Während die Zwillinge gehorchten und zu ihrs ins Auto stiegen, schüttelte die Frau den Kopf: „Ich bin vollkommen verwirrt…Fahren wir nach Hause, ja?“

„Ja….“

„Was hast du? Es ist doch schön, dass unsere Kleine wieder da ist.“

„Natürlich. Aber ich…ich möchte gern wissen, wer das war.“

„Was meinst du? Die Frau war nett und ohne ihren Neffen und ihre Nichte…“

„Eben. Zwei Kinder, die sie allein losschickt, Entführer zu verfolgen. Und als sie zurückkehrten, hatten sie ihre Kapuzen abgestreift. Hast du nicht die langen Haare gesehen, spitze Ohren, Markierungen im Gesicht? Das waren keine gewöhnlichen Kinder. Solche Beschreibungen kenne ich nur von Mononoke.“

„Tierdämonen? Youkai?“

„Ja. Und ausgerechnet Dämonen brachten uns unser Kind zu Weihnachten zurück…ich sollte ein Lied darüber schreiben…“
 

************************************************
 

Dann achtet mal auf die Texte der japanischen Bands...

Im nächsten und letzten Kapitel bekommen die beiden Hundekinder nach dem Rausch der Befreiung einen leichten Kater - und erfahren, welche Überraschugn auf sie zu Hause wartet.
 

Frohe Weihnachten euch allen!
 

bye
 

hotep

Weihnachten Teil 3

Das letzte Kapitel um den Hundeclan zu Weihnachten.

Der Musiker hat sein Lied noch nicht geschrieben..
 


 

3.
 

Am folgenden Morgen stürzte sich Kagome als erstes auf die Zeitung, den Polizeibericht. Etwas zerknirscht hatten ihr Arashi und Seiko Bericht erstattet. Wie sie fast erwartet hatte, stand nichts von einem Überfall in einem Villenviertel durch zwei Kinder in der Zeitung. Auch ein Gangsterboss der Yakuza hatte wohl seinen Stolz.

„Äh…o-ba-sama….“

Sie drehte sich um. Die Hundekinder standen hinter ihr, Hand in Hand: „Arashi?“ Denn Seiko hielt den Kopf geneigt.

Der Hundeprinz sah nun ebenfalls zu Boden: „Wäre es dir möglich, nichts über unseren Ungehorsam dir gegenüber bei unseren verehrten Eltern zu erwähnen?“ In der Nacht war den Zwillingen klar geworden, dass ihre Eltern, mochten sie auch womöglich die Befreiung eines Kindes an sich gutheißen, sicher kein Verständnis dafür hatten, dass sie eine klare Anweisung Tante Kagomes nicht befolgt hatten. „Selbstverständlich“, fuhr er eilig fort: „Sind wir uns im Klaren, dass wir aufsässig waren, und bitten dich um eine Strafe.“

Ach du liebe Güte, dachte Kagome, als sie sah, dass sich beide höflich auf die Knie niederließen und zu Boden blickten. Strikte Erziehung in allen Ehren, aber….

„Schon gut“, sagte sie daher: „Das Wichtigste ist, dass das Baby heil bei seinen Eltern ist, und auch euch beiden nichts passiert ist. Falls mich eure Eltern allerdings direkt fragen, werde ich die Wahrheit sagen.“

Die kleinen Hundekinder atmeten sichtbar auf. Natürlich war auch ihnen klar, dass man weder ihren Vater noch ihre Mutter anlügen konnte. Sie erhoben sich unverzüglich wieder, erleichtert, dass die verehrte Tante nicht zornig auf sie war.

Diese beschloss allerdings, heute nichts mit ihnen zu unternehmen, sondern ihnen doch durch Souta Videospiele erklären zu lassen. Da konnten sie bei aller Impulsivität nichts anstellen.
 

Die Abenddämmerung war schon hereingebrochen, als sie zu den beiden ins Wohnzimmer kam: „Ihr spielt noch immer?“

„Ja, verehrte Tante“, antwortete Arashi: „Es…es ist sehr interessant.“

Im nächsten Moment ließen beide die Konsolen fallen und sprangen auf.

Kagome sah es überrascht, ehe sie bei einem Blick aus dem Fenster erkannte, dass ein Youkai im Hof des Higurashi-Schreines erschienen war – ein Bote. Sie stand auf, um ihm entgegenzugehen, gefolgt von den Zwillingen. Sicher war das eine Nachricht aus dem Westen.

Höflich verneigte sich der Hundeyoukai, der Rangfolge entsprechend vor Arashi, Kagome und dann Seiko. Menschliche Miko hin oder her, als Gefährtin der Nummer Zwei der männlichen Rangliste stand sie über der unverheirateten Prinzessin. Und natürlich rangierte Arashi als männliches Familienmitglied über allen weiblichen.

„Du bringst Nachrichten?“ erkundigte sich Kagome.

„Ja. Die Fürstengefährtin lässt dich bitten, Prinzessin Kagome, den Prinzen und die Prinzessin in das Schloss im Westen zu begleiten. Die Vorbereitungen seien abgeschlossen.“

Die Hundezwillinge tauschten einen raschen Blick. Das war ja alles sehr geheimnisvoll. Was Mutter wohl geplant hatte? Immerhin schien das die Ursache gewesen zu sein, warum sie in die Menschenwelt sollten.

„Ah ja“, meinte Kagome ein wenig überrascht: „Ist Inu...ich meine, Prinz Inuyasha auch dort?“

„Ja. Darf ich dich mitnehmen?“

„Natürlich.“ Schließlich konnte sie kein Dimensionsportal erschaffen – im Gegensatz zu den Hundezwillingen.
 

So standen die vier kurz darauf hinter dem Schloss. Der Bote gab Kagome unverzüglich frei und wich zurück. Verblüfft erkannten die drei Neuankömmlinge, dass sich die Familie dort versammelt hatte: Akamaru und Miyaki, bei ihnen Katsumaru, der den Kinderwagen mit seinen Zwillingsschwestern an der Hand hatte, Yuri und Myu, die Akogare traditionell in einem Wickeltuch auf dem Rücken trug. Die Zwillinge verneigten sich höflich.

„Äh...hallo, “ sagte Kagome ein wenig ungeschickt: „Wisst ihr, was los ist?“

„Ja.“ Myu lachte über das ganze Gesicht: „Es ist wunderschön geworden, denke ich.“ Ihr Katzenschwanz strich über das Köpfchen ihres Sohnes. „Und dort kommt ja Inuyasha….“

Kagome drehte sich um. Was war hier nur los? Eine Art Weihnachtsüberraschung? Aber wieso? Und die ganze Familie? Aber sie musste nur ein Blick auf ihren heranlaufenden Hanyou werfen, um zu sehen, dass dieser fast platzte: „Hi, Kagome! Es ist einfach toll geworden! – Myu-chan, Sabaku hat ganze Arbeit geleistet.“

Kagome verstand immer weniger. Sabaku war der Elementgeist der Erde, ja. Und Myu gebot über die Elementgeister, auch gut. - Aber was sollte das?

„Oh, das ist schön!“ Die kleine Katzenyoukai war begeistert: „Dann ist alles bereit?“

„Ja. Kommt nur. Es ist schon dunkel genug!“

Akamaru schüttelte ein wenig den Kopf: „Ich glaube, das ist das erste Mal, dass nee-chan eine Art Verschwörung geplant hat. Und selbst meine eigene Gefährtin tut so geheimnisvoll…“ Aber er klang fast neugierig, wenn sich das für einen Youkaifürsten geziemt hätte.

„Auch Myu-chan schweigt wie ein Grab.“ Yuri legte seine Hand auf die Schulter seiner Gefährtin: „Dann werden wir eben Inuyasha folgen.“

„Komm nur, Kagome.“ Der Hanyou nahm ihre Hand: „Es war schwierig, aber jetzt ist es perfekt. – Und, hast du mit den Zwillingen Ärger gehabt?“

„Sie sind äußerst brav“, sagte sie: „Viel braver als gleichaltrige Menschenkinder…“ Das war nicht gelogen. Was war nur los?

„Shiro hatte einen Einfall…“ meinte Inuyasha, als sei damit alles erklärt.
 

Als die Familie um das Schloss bog, erkannten alle in der Abenddämmerung, dass sich auf dem Vorplatz etwas verändert hatte – nie zuvor war dort ein Baum gestanden, ein riesiger Magnolienbaum. Shiro stand vor ihm und nickte, als sie ihre Besucher kommen sah.

Kagome zuckte zusammen, als sie erfasste, dass dieser mitten im Stamm ein Gesicht besaß, dass ihnen entgegensah: „Was...was ist das?“

„Ein sehr alter Magnolienbaumgeist namens Bokuseno“, erklärte Inuyasha: „Als Shiro mit ihrer Idee zu Sesshoumaru kam, wollte der nur zustimmen, wenn es Bokuseno macht. Es war dann gar nicht so einfach, ihn zu überreden. Er meinte, einen so alten Baum sollte man nicht verpflanzen und anderes. Aber als Sabaku, der Erdgeist, ihm versprach, dass er hier genau den gleichen Boden bekommen würde, sagte er zu.“

„Was denn???“ Kagome erkannte, dass die Hundezwillinge den Platz bei ihr verlassen hatten und ihre Mutter höflich begrüßten. Vielleicht sollte sie das auch tun: „Guten Abend, Shiro“, meinte sie: „Das ist alles so geheimnisvoll…“

„Es war doch deine Idee“, gab ihre Schwägerin zurück: „Bleibt hier stehen. Ich bin erfreut, euch alle hier begrüßen zu können.“ Ihre rasche Kopfdrehung ließ vermuten, dass sie jemanden vermisste. Sesshoumaru war noch nicht da. „Haben die Welpen uns Schande gemacht?“

„Nein, das wirklich nicht.“ Kagome war froh über diese Frage. So konnte sie die Wahrheit sagen, ohne die Kinder in Schwierigkeiten zu bringen.

Die Hundefürstin nickte knapp, ehe sie den Kopf neigte – was die anderen Familienmitglieder außer Inuyasha bewog, das Gleiche zu tun. Der Hausherr kam langsam heran. Sesshoumaru warf einen raschen Blick auf seine Kinder, ehe er zu Shiro blickte.

So befahl diese: „Natsumi, Bokuseno, los.“

Im nächsten Moment leuchteten überall auf dem Magnolienbaum kleine Feuer auf. Es war die beste Imitation eines Weihnachtsbaumes, die sich Kagome ohne Strom vorstellen konnte – und ohne Tannenbaum. Natsumi war der Elementgeist des Feuers, das wusste sie. Myu hatte die Elemente wohl losgeschickt, um Inuyasha zu helfen. Aber es war klassisch Hundeclan, dass natürlich mit einem Baumgeist und Elementmagie zu fabrizieren. Hatte Shiro ihr Einfall mit dem Weihnachtsbaum im Krankenhaus so gefallen? Erstaunlich, dass sie die Idee eines Menschen nachahmte…
 

Bokuseno hatte unterdessen beruhigt festgestellt, dass das Feuer ihn nicht brannte, wie es ihm versprochen worden war. Der reine Instinkt warnte einen Baum vor diesem Element. So blickte er lieber in die Runde. Solch fasziniertes Publikum hatte er noch nie gehabt.

Seiko und Arashi starrten ihn ebenso an, wie Katsumaru Die kleine Hundeprinzessin hatte von Begeisterung und freudiger Überraschung sogar in die Hände geklatscht. Auch in den Augen der Frauen lag geradezu Entzücken, soweit sich das von Youkai sagen ließ.

Yuri legte die Hand auf die Schulter seiner Gefährtin. Mit einem Blick auf ihren kleinen Sohn, lächelte er sie an, ehe er etwas zuflüsterte.

Akamaru hatte den Arm um Miyakis Schultern gelegt und schien angestrengt nachzudenken. Nach allem, was der alte Baumgeist über ihm wusste, war der Herr der südlichen Länder gerade dabei, ein Gedicht über einen Lichterbaum aufzubauen.

Kagome starrte ihn fasziniert an, als ob sie noch nie einen Lichterbaum gesehen hatte. Inuyasha trat hinter sie und schlang die Arme um ihre Schultern.

Leise meinte er: „Hast du das erwartet?“

„Nein. Und das war Shiros Idee?“

„Ja. Anscheinend hatte ihr deiner im Krankenhaus so gefallen…..“Er drückte seine Nase gegen ihr Haar, als er leiser hinzufügte: „Aber sieh dir die Welpen an…sie sind alle fasziniert. Das …das gefällt mir.“

„Ja, es ist sehr nett.“ Und das bezog sich auf die Kinder.

Er verstand das richtig: „Möchtest du auch welche haben…?“

Sie wusste, dass sie noch vor drei Tagen bei dieser Frage „Nein“ gesagt hätte. Aber da war das Baby des Musikers und seiner Frau, das Verhalten der Hundezwillinge… „Vielleicht“, murmelte sie errötend: „Wann dachtest du denn...?“

„Na, so zu nächstem Weihnachten.“

Dazu fiel ihr nichts mehr ein.
 

Der alte Baumgeist blickte weiter in die Runde. Sesshoumaru stand einige Schritte hinter seiner Familie und betrachtete ihn mit einem Ausdruck, den Bokuseno noch nie bei ihm gesehen hatte. An was der wohl dachte?

Der Herr der westlichen Länder hatte den freudigen Blick in den Augen seiner Kinder, aller Kinder, gesehen und blickte empor zu dem Lichterbaum. Das hätte Rin auch gefallen, dachte er und spürte wieder den Schmerz über ihren Verlust. Nicht mehr so messerscharf wie vor Jahrhunderten, aber noch immer vermisste er sie.

Um seine Trauer zu verbergen, wich er in den Schatten der Dunkelheit zurück. Sie hatte ihm gezeigt, dass auch er Gefühle hatte – und das letzte, das sie ihm beigebracht hatte, war dieser Schmerz im Herzen.

Er spürte eine zögernde Berührung an der Hand.

Shiro.

Wusste sie, was er fühlte? Sie sah ihn so an…

In diesem Moment drehte sich Seiko um und begegnete seinem Blick. Hastig neigte die kleine Prinzessin den Kopf, aber er war weit davon entfernt, sie wegen der Unhöflichkeit zu tadeln. Sie war sichtbar glücklich über diesen Baum….

Er spürte, wie sich die Finger fester um seine Klaue schlossen und erwiderte den Druck, ließ sich ohne jedes Widerstreben zurück in den Kreis der Familie ziehen, in den Kreis des Lichterbaums.
 

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Ich hoffe, euch hat das kleine Special gefallen.

Als nächstes geht es dann mörderisch weiter mit dem Krimi: Das Heft in der Hand.
 

bye
 

hotep

Arashi Teil 1

Ein kleines Abenteuer um Arashi, der sich durch sein Bemühen seinem Vater alles recht zu machen, in eine Klemme bringt:
 

1.
 

„Oji-sama!“

Der so scharf mit „ehrenwerter Prinz“ angesprochene kleine, weißhaarige Hundejunge erstarrte in seinem Lauf mitten im Wald und wandte sich um. „Merkt Ihr es nicht, Sensei?“

Sein alter Lehrer keuchte heran: „Ihr seid zu schnell, Arashi-sama. Wohin wollt Ihr denn überhaupt? Wieder einmal mir nicht zuhören, mal wieder den Unterricht versäumen?“

„Nein, wirklich nicht, Sensei“, beteuerte Arashi unverzüglich. Wenn sich der alte Griesgram von Shodai bei seinem Herrn und Vater beschweren würde – all seine Mühen und Eifer der letzten Monate, ja des letzten Jahres wären vergeblich Und Vaters Strafe dann….Er musste den Alten überzeugen, dass es äußerst wichtig wäre. Am besten wäre es wohl, erwachsen tun, zu beweisen, dass er wirklich dazu gelernt hatte. Leider war das nur sein Biologielehrer. Und eigentlich waren sie hier auf Pflanzenkundeexkursion: „Spürt Ihr es denn nicht, Sensei? Dort oben am Hang?“

„Nein. Was meint Ihr denn?“ Shodai musterte misstrauisch seinen Schüler, der sich erst nach einem angeblich furchtbaren Streit mit dem Fürsten zur Unterweisung und zum Lernen bekannt hatte. Und dass nur das einen so plötzliche und rasche Wendung im Wesen verursacht hatte, wollte er noch immer nicht glauben. Sicher, Sesshoumaru-sama genoss den Ruf, todbringend zu sein, aber bei seinem einzigen Sohn und Erben würde das gewiss anders aussehen.

Arashi unterdrückte seinen Seufzer, als er erklärte: „Magie, verblassende Magie. Es…es könnte ein Portal sein, das dort geöffnet wurde. Davon müssten wir dann meinem verehrten Herrn und Vater unverzüglich in Kenntnis setzen.“

Shodai wusste, dass er das nicht spüren konnte und sein Schützling eine entsprechende Ausbildung erhalten hatte: „Das können wir heute Abend auch noch tun“, erwiderte er dennoch fast automatisch.

Der Hundejunge blickte unwillkürlich wieder den Hang empor, ehe er bemüht erwachsen und vernünftig wirkend meinte: „Heute Abend, zumal, bis dann jemand vom Schloss herkommt, ist das verschwunden. Bitte, Sensei, lasst mich nachsehen, damit ich meinem verehrten Herrn und Vater berichten kann. Ist dort nichts, werde ich keine Silbe mehr darüber verlieren. Ihr habt mein Wort. Das Wort eines Hundeyoukaiprinzen.“

Der Lehrer dachte kurz, aber umso schärfer, nach. War dort wirklich etwas Verdächtiges, von dem der Fürst dann durch seine Schuld zu spät erfuhr, wäre das nicht besonders förderlich für seine Gesundheit, zumal, wenn Arashi dann ehrlicherweise gegen ihn aussagte. Niemand konnte Sesshoumaru-sama belügen. Andererseits: war dort etwas Verdächtiges und dem Erben des Herrn stieß etwas zu, war sein eigener Lebensfaden auch zu Ende: „Gehen wir gemeinsam.“

„Gut. Kommt.“ Der Hundeprinz ging weiter, so rasch es der Ältere bergauf vermochte. Er spürte jetzt nur zu deutlich vor sich die Magie, die immer schwächer wurde. Und es hatte in der Vergangenheit seiner Familie zuviel Ärger gegeben, als dass er dies nicht hätte untersuchen wollen. Vater würde das hoffentlich positiv bewerten, anerkennen, dass er sich Mühe gab. Immerhin durfte er ja jetzt mit ihm üben, ihn begleiten, wenn er keinen anderweitigen Unterricht hatte. „Kommt, Sensei, rasch. Es verschwindet immer mehr!“

„Ich…ich kann nicht so schnell wie ein junger Youkai“, keuchte Shodai: „Und ich kann nichts spüren.“

„Eine Höhle!“ Der Hundejunge blieb stehen und deutete zwischen den lichten Bäumen voraus empor: „Da muss es sein!“

„Ihr…habt Recht, mein Prinz!“ Auch der Lehrer konnte jetzt etwas fühlen, dass hier so nicht hingehörte. Froh, seinem früher so ungehorsamen Schüler zu Recht vertraut zu haben, fuhr er fort: „Wartet, Arashi-sama….wir...wir müssen uns anschleichen.“

„Nein. Ich werde das allein tun. Aus zwei Gründen.“ Erwachsen tun, ermahnte sich der kleine Hundeprinz: dann vertraut er mir weiter: „Zum einen, wenn jemand kommt, könnt Ihr mich warnen oder falls in der Höhle etwas Gefährliches ist, Hilfe holen. Und, verzeiht, Sensei, aber Ihr habt keine Kampfausbildung wie ich.“

„Das ist wahr.“ Shodai lehnte sich keuchend gegen einen Baum: „Aber seid vorsichtig, oji-sama!“

„Ja“, versprach Arashi etwas leichtfertig, war er doch unbewaffnet, und sprang möglichst leise und sorgfältig witternd zu dem dunkeln Spalt im Berg und blickte hinein. Er spürte, wie sein Herz rascher schlug. Das war doch ein echtes Abenteuer. Schade, dass seine Zwillingsschwester nicht dabei war. Seiko wäre im Zweifel, das hatte er bei dem Abenteuer mit dem entführten Menschenbaby gesehen, eine bessere Rückendeckung gewesen als der alte Shodai, aber das war eben nicht zu ändern. Sie war wieder einmal im Süden bei Katsumaru.
 

Im matten Tageslicht glaubte er etwas Glitzerndes weiter hinten im Spalt zu sehen. Und von dem ging diese Magie aus. Wirklich ein Portal? Aber wer hatte es benutzt? Ihm kam es wie Drachenmagie vor. Der verehrte Onkel Akamaru oder Tante Myu hätten ihm das sicher genauer sagen können, aber sie waren nun einmal nicht hier.

Leise schlich sich der Hundejunge an, bemüht, keine Falle auszulösen.

Es sah eigentlich wie ein goldener Knochen aus – oder ein Griff an einem Deckel. Führte da etwa unter dem Höhlenboden ein Weg weiter? Er bückte sich und berührte vorsichtig das Metall.

Ein Fehler.

Im nächsten Moment lösten sich große Steine aus der Decke, es schien ein Erdbeben zu geben. Noch bevor er sich aufrichten, sich mit den Händen schützen konnte, trafen ihn die Bruchstücke so heftig am Kopf, so dass er das Bewusstsein verlor.
 

Arashi erwachte - und konnte zu seiner gewissen Erleichterung noch Tageslicht wahrnehmen. Um ihn lag allerlei Geröll. So hatte ihn wohl nur ein Stein getroffen, war nicht der gesamte Spalt eingestürzt. Hoffentlich machte sich sein Lehrer jetzt keine Sorgen um ihn. Nicht, dass ihm das nicht eigentlich einerlei gewesen wäre, der alte Shodai war einer seiner griesgrämigsten Lehrer, aber Vater…Ja, Vater. So sprang er auf:

„Sensei, ich bin in Ordnung. Sensei?“

Warum antwortete der nicht? Hatte den etwa auch ein Stein getroffen, der sich außen gelöst hatte? Er rannte aus dem Spalt – und erstarrte. Wo sich zuvor lichter Wald den Hang emporgezogen hatte, war nun ein fast undurchdringlicher Urwald. Und sein Lehrer war nicht zu entdecken. Was jedoch das Ärgste war: er konnte seine eigene Fährte nicht mehr wittern, so sehr er auch schnupperte. Er hatte nicht umsonst die Familiengeschichte gelernt und ihm wurde zu seinem Entsetzen klar, dass sich nicht die Frage stellte, wo er war, sondern: wann.
 

In jäher Panik fuhr der junge Hundeprinz herum und lief zurück in den Spalt. Wie auch immer ihn das Portal hierher befördert hatte, es war seine einzige Hoffnung, wieder zurück zu kehren.

Fast eine halbe Stunde zog er, zerrte, tastete Steine ab und versuchte seine eigene Magie, nur um schließlich mit hängendem Kopf die Höhle zu verlassen.

Langsam ließ er sich davor nieder und zog die Knie an, um sich so selbst zu umarmen, als er in den dichten Urwald vor ihm starrte. Er fühlte sich gar nicht mehr erwachsen oder wichtig, sondern nur wie eben ein kleiner Junge, der sich verlaufen hatte, und wieder nach Hause wollte.
 

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Im nächsten Kapitel klärt sich die Frage des Wann - nur, ob das seine Lage verbessert?
 

bye
 

hotep

Arashi Teil 2

Arashi wusste nicht, wie lange er in stiller Verzweiflung vor der Höhle gesessen hatte, als er sich zusammennahm. Selbstmitleid würde ihm nicht weiterhelfen, ja, war unwürdig eines Hundeprinzen. Er musste nachdenken, denn hier konnte ihm wohl niemand helfen, außer er sich selbst.

Wann war er nur gelandet? In der Zukunft oder in der Vergangenheit? Zukunft würde ja wohl noch gehen. Entweder wäre Vater der Herr oder gar er selbst. Andererseits: wer würde ihm diese Geschichte abkaufen, er sei unfreiwillig durch die Zeit gereist? Ehrlich gesagt, wohl nicht einmal er sich. War er allerdings gar in der Vergangenheit, wurde es kritisch. Er hatte in Geschichte gelernt, dass es immer wieder Kriege zwischen Youkai und Drachen gegeben habe, ja, auch zwischen Youkai untereinander. Wem konnte er dann vertrauen? Niemandem….oder doch.

Soweit er sich entsann, war das Schloss immerhin schon seit Erbauung von Hundeyoukai bewohnt und er war nun einmal einer. Das war der einzige Ort, zu dem er gehen konnte. Womöglich wusste ihm dort jemand zu raten. Und den Weg dorthin kannte er, sei er nun auch durch den dichten Wald verändert. Ein Dimensionsportal würde er allerdings lieber nicht erschaffen. Er war sich nicht sicher, wie genau er zielen konnte – und wer wusste schon, was sonst noch alles los war.

Er stand auf. Das war das Einzige, das ihm einfiel. Und selbst wenn es kein Familienmitglied war, dann würde doch wohl kein Hund einen Welpen umbringen.
 

So ging er los, zunächst sehr vorsichtig witternd. Bei dem Glück, das er heute hatte, wartete jenseits des Abhanges ein ganzes Drachenheer auf ihn – und war gerade im Krieg mit Hundeyoukai. Aber er konnte nur die Tiere und Pflanzen eines gewöhnlichen Waldes wahrnehmen. Überdies wurde es immer schwerer, voranzukommen und er musste einige Male einen Klauenangriff schlagen, um sich einen Weg durch das dichte Unterholz zu suchen. Plötzlich blieb er stehen. Youkai, er spürte es ganz eindeutig. Aber wo waren sie? Er konnte nichts wittern. Kamen sie auf ihn zu, gegen den Wind? Das wäre eine Jagdmethode. In jäher Panik rannte er mit großen Sprüngen weiter.

Auf einer Lichtung blieb er abrupt halten. Jetzt spürte er es noch deutlicher. Das Youki anderer Dämonen.

Und drei kamen gerade vor ihm aus dem Wald. Sie trugen eine fast menschliche Rüstung aus Metall, Kleidung, wie sie auch ein einfacher Adeliger hätte tragen können. Nur ihre langen schwarzen Haare mit den spitzen Ohren verrieten neben den Fangzähnen ihre Un- Menschlichkeit.

Sie starrten den Hundejungen ebenso an wie der sie, ehe einer das Gesicht verzog.

„Welche nette Überraschung, so einsam mitten im Wald. Willkommen bei uns, mein Prinz.“

Prinz? Arashi wurde verunsichert. Wussten sie, wer er war? Hatte er sich doch nicht so weit in der Zeit verirrt, wie er angenommen hatte? Sicher, er kannte einige der Krieger seines Vaters oder seiner Onkel, aber diese hier waren ihm fremd.

Der Anführer bemerkte seine Verwirrung: „Du willst doch nicht behaupten, dass du es nicht bist? Die weißen Haare sind eindeutig…“

„Was….wollt ihr?“ fragte der Hundejunge doch, ohne auf die Frage einzugehen. Tante Kagome hatte gesagt, dass einem in anderen Zeiten keiner glauben würde. War er in einer Vergangenheit oder Zukunft? Hielten ihn diese Youkai etwa für seinen eigenen Sohn? Er wollte doch nur nach Hause…

„Spielen.“

„Spielen?“ Langsam bekam Arashi den Eindruck, es mit einem Vollidioten zu tun zu haben.

In diesem Moment jedoch lief der Anführer auf ihn zu, sehr schnell, zu schnell für ein untrainiertes Dämonenkind.

Aber der junge Hundeprinz wurde seit frühesten Welpentagen in Kämpfen ausgebildet. Mit gewissem Bedauern, unbewaffnet zu sein, sprang er empor und warf sich in einen raschen Purzelbaum, um dem Klauenangriff des Gegners zu entkommen. Während er landete, schlug er seinerseits zu. Tiefe Kratzer zierten prompt den Brustpanzer des Fremden.

„Oh, man sagt nicht zuviel von dir….du bist stark…“ lächelte der allerdings nur.

Man sagt von dir…? Arashi war nur noch mehr verwundert, bemühte sich aber, den Anführer und die anderen beiden nicht aus den Augen zu lassen. Das war entweder ein sehr seltsames Spiel einer Bande Volltrottel – oder sie wollten wirklich etwas von ihm. Und das war im Zweifel nichts Gutes.

Es war sein Fehler, dass er nachdachte. Er bemerkte noch eine Bewegung seitlich, aber da traf ihn der Angriff, hinterließ brennende Wunden auf Gesicht und Schulter. Er wich beiseite. Verdammt, wieso hatte er nicht daran gedacht, dass es mehr als drei sein könnten? Er benötigte durch den ungewohnten Schmerz einen Moment, ehe er erkannte, dass sie zu fünft waren und ihn eingekreist hatten. Er musste hier weg, und das schnell – nur wie?

Da griffen die fünf Fremden ihn an, erfahren in ihrer Taktik, mit der Kraft und Geschwindigkeit von Erwachsenen. Der Hundejunge wurde zu Boden gerissen, das Gesicht in die Erde gedrückt, während er bereits gefesselt wurde.
 

Arashi kam nur langsam wieder zu klarem Bewusstsein. Der Schock, so überfallen worden zu sein, saß für einen Augenblick tief. Dann jedoch erinnerte er sich daran, was mit seinen letzten Entführern passiert war. Das ermutigte ihn. Mühsam hob er den Kopf. Sie hatten seine Hände auf den Rücken gebunden, seine Fußknöchel daran, eine unbequeme, ja, schmerzhafte Haltung.

„Was…was wollt ihr?“

Denn seine Kidnapper saßen neben ihm.

Einer lächelte: „Haben dir deine Eltern nie gesagt, wie wertvoll du bist? Dein Vater wird alles tun, um seinen Erben heil wieder zu bekommen.“

Also, SEIN Vater würde sie umbringen, aber er wusste ja nicht, wen diese Idioten hier für seinen Vater hielten. Einen Großvater? Urgroßvater? Oder gar ihn selbst, weil er doch in der Zukunft war?

„Ehrloses Gesindel!“ fauchte Arashi in jähem Trotz: „Wisst ihr nicht, wie nahe ihr dem Tod seid?“

Die fünf Youkai lachten auf.

„Der Welpe versucht zu beißen, wie unterhaltsam“, kommentierte der Anführer, stand dann jedoch auf: „Dir hat wohl niemand Benimm beigebracht….“

Er trat zu. Der kleine Hundeprinz verbiss sich die Schmerzlaute. Das war nicht so schlimm, sagte er sich – und sein Maßstab war die Nadeltortur, mit der der Youkivampir ihn bearbeitet hatte. Vater hatte den dann getötet, Mutter, seine Onkel….Die Familie.

Endlich hörte der Youkai auf: „Wenn ich dich nicht einstweilen noch lebend bräuchte….“

„Was machen wir? Wer von uns geht als Bote ins Schloss?“ fragte ein anderer.

„Vollidiot! Was glaubst du, was mit dem passiert? Lust auf Selbstmord? Seine Mutter ist schon ein Risiko, aber wenn sein Vater da ist…“

„Ja, aber…“

„Denken. Wir suchen uns jemand anderen, der die Botschaft überbringt. Am besten natürlich ahnungslos. – Nehmt den Bengel. Wir gehen zur Strasse.“

Zwei Krieger packten den hilflosen Arashi, hoben ihn an den Fesseln empor und trugen ihn so. Das war schmerzhaft und demütigend und er dachte mehr als sehnsüchtig an seine Eltern. Mutter, Vater…ob sie je erfahren würden, was aus ihm geworden war? Würden sie ihn vermissen? Oder sich eher glücklich schätzen, den Versager loszuwerden, der sich von einer Bande hergelaufener Youkai entführen ließ? Schon zum zweiten Mal entführen ließ? Er musste sich zwingen, eine gleichmütige Miene beizubehalten, nicht zu verraten, wie weh das tat, körperlich und seelisch. Aber er nahm sich fest vor, seinen Eltern keine Schande zu machen, nun, nicht noch mehr als er es wohl bereits getan hatte. Endlich wurde er zu Boden gelassen.

„Unser Prinzchen hat anscheinend gelernt, wann es schlauer ist, den Mund zu halten“, stellte der Anführer fest: „Wir müssen noch einmal nachdenken. Einen menschlichen Boten zu schicken wäre nur sinnvoll, wenn der Fürst da ist. Seine Gefährtin soll eher dazu neigen, Menschen sofort umzubringen und wir wollen doch, dass unsere Botschaft ankommt.“

Sie diskutieren und Arashi blieb nichts übrig, als das Gesicht seitlich auf den Boden zu legen und seinerseits noch einmal nachzudenken. Für wen auch immer sie ihn hielten, wohl kaum für sich selbst. Mutter mordete doch keine Menschen, nun gut, wohl nur, wenn diese gerade ihre Kinder gefangen hatten, wie Seiko ihm nach dem Zwischenfall in diesem Youkai Parc erzählt hatte. Aber ansonsten hielt sie das für unter ihrer Würde. Schließlich tötete sie auch keine Insekten. Wann war er nur gelandet und welche Gefahren lauerten hier auf ihn? Immerhin hatte dieser Trottel von Entführer etwas gesagt, dass er vorübergehend noch am Leben gelassen werden musste. Also sollte er sich schleunigst etwas einfallen lassen. Nur was? Wieder vermisste er seine Zwillingsschwester schrecklich.
 

„Jämmerlicher Abschaum!“

Diese Feststellung einer ruhigen Stimme in Verbindung mit Youki des höchsten Ranges, ließ Arashi den Kopf drehen. Er konnte nur noch zusehen, wie der große, dunkelhaarige Fremde der plötzlich aufgetaucht war, seine Entführer tötete, ohne dass die auch nur Gelegenheit zur Gegenwehr fanden. Das war ein hochrangiger Hundeyoukai, da war er sicher, aber er hatte ihn nie zuvor gesehen. Immerhin hatte er ihm diese Idioten vom Hals geschafft und löste nun seine Fesseln.

„Danke...“

„Gern geschehen, Prinz Se….Aber du bist ja gar nicht der Prinz!“

Prinz Se..? Arashi rieb sich kurz die schmerzenden Handgelenke, ehe er aufstand. Sollte das Prinz Sesshoumaru heißen? War er in einer Zeit gelandet, in der sein Vater so alt gewesen war wie nun er selbst? Aber wer war der Mann vor ihm? Irgendwie schien er ihm bekannte Züge zu haben.

„Wie heißt du?“

„Arashi…“ Oder hätte er das auch schon nicht beantworten sollen?

„Und wer sind deine Eltern, Arashi?“

Der kleine Hundeprinz dachte an Tante Kagomes Rat, den einzigen, den er je für Zeitreisen erhalten hatte: „Ich…mir wurde verboten das zu sagen.“

„Soso. Und wohin wolltest du?“

„In das Schloss im Westen….“

„Das wäre zu früh, denkst du nicht auch?“

Etwas im Lächeln des Fremden verursachte Arashi einen Schauder, aber er erwiderte nur: „Ich weiß nicht, was Ihr meint…“

„Nun, komm mit mir.“

„Ich…“

„Ich bin Fürst Uramaru.“

Der Hundejunge zuckte aus zwei Gründen zusammen. Fürst...und er hatte ihn angesehen, ja, war aufgestanden. Hastig kniete er sich höfisch nieder und neigte den Kopf. Das war der Herr der südlichen Länder, der Vater seiner eigenen Mutter und Onkel Akamarus. Der zweite Grund, warum er erschrak, war freilich, dass er wusste, dass Fürst Uramaru von Onkel Inuyasha getötet worden war, da er Verrat begangen hatte. Aber war dies hier schon geschehen? Diese Zeitreisen waren einfach schrecklich…

„Höfische Erziehung, in der Tat.“ Noch immer lag etwas wie Erheiterung in der Stimme des Fürsten: „Ich sagte, komm mit mir, Arashi.“

Dieser erhob sich wieder, ohne aufzusehen. Seine strenge Ausbildung verbot ihm, einem Fürsten in das Gesicht zu blicken. Sollte er ihm sagen, dass er sein Enkel war? Immerhin hatte er ihn noch nicht bestraft.

„Weißt du, wer ich bin?“

„Der Herr der südlichen Länder…“

„Gut.“ Er drehte sich um und der Hundeprinz folgte ihm, ohne noch einen Blick auf die Toten zu werfen.
 

Zu seiner gewissen Verwunderung warteten Krieger an der Straße auf den Fürsten, die die Köpfe vor ihrem Herrn neigten. In einem glaubte er Hagane zu erkennen, freilich viel jünger als in seiner Zeit.

„Da war in der Tat Aufschlussreiches zu finden“, meinte Uramaru: „Passt gut auf den Kleinen auf.“ Er wandte sich an einen seiner Männer: „Du gehst unverzüglich in das Schloss zurück zu dem Inu no Taishou und richtest ihm von mir aus, dass ich eine nette, kleine Überraschung gefunden habe, die ihn sicher äußerst interessieren wird. Er möge unverzüglich herkommen.“

Der Bote erschuf eilends ein Portal und verschwand darin.

Der Inu no Taishou? Arashi benötigte einen Moment, um zu erkennen, dass es sich kaum um seinen Vater sondern eher seinen zweiten Großvater handeln musste. Was sollte das nun werden? Was konnte, durfte er sagen? Und warum sollte der herkommen? Da war noch dieses seltsame Lächeln des Herrn der südlichen Länder – und die eigenartige Aussage, es wäre zu früh in das Schloss zu gehen. Was sollte das nur alles?
 

Wenige Minuten später spürte er erneut ein Dimensionsportal und blickte neugierig auf, nur um sich eilig hinzuknien, wie es auch die Krieger taten. Uramaru verneigte sich knapp: „Mein lieber, alter Freund…“

Arashi wagte es etwas aufzusehen und den Neuankömmling zu betrachten. Keinerlei Youki war zu spüren, aber er wusste inzwischen nur zu gut, dass wahrhaft starke Youkai es verbargen. Ein wenig sah er Vater ähnlich und Onkel Inuyasha…natürlich, war er doch beider Vater. Das war also der momentane Herr der westlichen Länder, sein Großvater väterlicherseits.

Dieser beachtete ihn nicht weiter, sondern wandte sich an den anderen Fürsten: „Nun? Was hast du gefunden?“

„Ihn. Er heißt Arashi und ich dachte, dass er dich interessieren würde. Eine Bande nichtsnutziger Youkai hatte ihn entführt, wohl in der Vermutung, dass es sich um deinen Sohn handeln würde.“

Der Inu no Taishou warf einen flüchtigen Blick auf den Hundejungen: „Wegen der weißen Haare, ohne Zweifel.“

„Nun, ich konnte mich nicht entsinnen, dir zu einem zweiten Sohn gratuliert haben zu dürfen….“

Arashi sah, dass der Herr der westlichen Länder etwas erstarrte, ehe er ihn genau musterte und blickte eilig wieder zu Boden, bemerkte dann dunkle Schuhe direkt vor sich.

„Sieh mich an, Junge.“ Und da der Kleine gehorchte, jedoch höflich nur die Schleife um die Taille betrachtete: „Nein, sieh mir ins Gesicht.“

Der Hundeprinz befolgte die Anweisung. Bernstein traf auf Bernstein, als sie sich in die Augen sahen und Arashi spürte erschreckt, wie das Youki seines Gegenübers jäh aufflammte, sofort aber wieder erlosch.

„Du weißt, was ich meine...?“ erkundigte sich Uramaru, dem das ebenfalls nicht entgangen war.

„Ein aufschlussreiches Zusammentreffen. Komm mit mir, Arashi.“

Während sich der Junge erhob, mehr als verwundert, was das alles hier werden sollte, meinte der Fürst des Südens:

„Ich freue mich immer, dir einen Gefallen tun zu können.“

Der Herr der Hunde nickte nur: „Dann reise nach Hause und vergiss das hier.“

„Wie du willst.“

„Kannst du ein Portal erschaffen, Arashi?“

Der Hundejunge antwortete unverzüglich: „Ja, oyakata-sama.“ Denn als Großvater durfte er ihn doch nicht ansprechen, ohne zu verraten, dass er aus einer anderen Zeit stammte. Und das sollte er doch laut Tante Kagome nicht, die sicher die meiste Erfahrung darin hatte, durch die Zeit zu reisen.

„Gut erzogen. Komm.“

Da der Herr der Hunde ein Portal erschuf, schloss sich ihm Arashi eilends an.
 

So standen die beiden nur kurz darauf vor dem Schloss. Der kleine Hundeprinz erkannte es, war es doch seine Heimat. Allerdings hielten sich hier deutlich mehr Krieger auf, als zuhause, ja, ein ganzes Heer. Herrschte gerade Krieg zwischen den Youkai und den Drachen? Dann konnte er sich vermutlich glücklich schätzen nicht bei den Drachen gelandet zu sein….

Aber er folgte dem Inu no Taishou in die Vorhalle, wo er eine junge Frau mit langen weißen Haaren, die sie etwas empor gesteckt hatte, stehen sah. Um ihre Schultern lag eine weiße Boa – und er erkannte seine Großmutter, die er allerdings nur einmal erblickt hatte. Sie und Mutter verstanden sich wohl nicht besonders, auch, wenn sie es mit gewohnter Selbstbeherrschung und Kühle verborgen hatten.

Sie betrachtete ihn kurz – und erstarrte fast unmerklich, ehe sie höflich den Kopf neigte: „Ich bin ein wenig überrascht, Euch zu einem zweiten Sohn gratulieren zu dürfen…“ Das klang allerdings eisig.

„Kommt in mein Arbeitszimmer!“ befahl der Herr der Hunde nur knapp, ehe er weiterging.

Arashi folgte ihm eilig, schon, weil er sich unter dem frostigen Blick der Fürstengefährtin unwohl fühlte. Was hatte sie denn nur gegen ihn? Aber dann begriff er: hatte der Inu no Taishou einen zweiten vollblütigen Sohn, wäre sein Vater, ihr Sohn, nicht mehr der alleinige Erbe, hätte Konkurrenz. Und womöglich war dieser momentan jünger als er nun war…In was für eine Lage war er nur geraten?

Aber er war zu gut erzogen, um sich nicht eilig im Arbeitszimmer des Fürsten niederzuknien, als dieser zu seinem Platz ging, sich allerdings nicht setzte. Zu seiner gewissen Verwunderung blieb auch seine Großmutter stehen – Mutter kniete stets vor ihrem Gefährten nieder. War sie hochrangiger als Mutter? Das konnte er sich eigentlich nicht vorstellen. Aber dann fiel ihm ein, dass Katsumaru einmal erwähnt hatte, die Sitten im Süden seien früher viel strenger gewesen als nun unter Onkel Akamaru. Fürst Uramaru musste seine Kinder noch strikter gehalten haben als Mutter und Onkel und ihn, Seiko und Katsumaru…

„Sein Name ist Arashi“, erklärte der Inu no Taishou sachlich: „Sagt Euch das etwas, meine Teure?“

„Natürlich nicht. Woher sollte ich den Namen Eures Sohnes kennen?“ erwiderte seine Gefährtin.

„Er kann nicht mein Sohn sein. Mein Bruder ist allerdings tot. Und jetzt erklärt mir einmal, wer die einzige Hundeyoukai mit weißen Haaren ist, die noch als Elternteil in Betracht kommt.“
 

**********************
 

Der Ehesegen im Hause Hund hängt wohl gerade etwas schief.

Arashi sollte sich gut überlegen, was er sagt oder auch nicht sagt.
 

bye
 

hotep

Arashi Teil 3

Arashi wird wohl mit der Wahrheit herausrücken müssen, um nicht noch mehr Probleme zu schaffen....
 

3.
 

Arashi blickte höflich zu Boden, aber er holte tief Atem, als er begriff, was der Inu no Taishou da gerade gesagt hatte. Es ging um etwas Persönliches zwischen den beiden? Aber warum…?

Im nächsten Moment sah er das Kleid neben sich, spürte einen festen Griff in sein Haar, so dass er aufblicken musste. Er sah in die Augen, die denen des Herrn der Hunde ähnlich waren. Waren sie miteinander verwandt, so, wie auch er seine Cousine eines Tages heiraten sollte?

Sie gab ihn frei und wandte sich wieder an den Fürsten: „Ich bewundere Euren Gerechtigkeitssinn“, sagte sie einfach: „Denn so mancher Mann hätte bei einem solch scheinbar unwiderlegbaren Beweis bereits ohne Anhörung geurteilt. Ich besitze allerdings nur einen, mir sehr teuren, Sohn. Und diesen Jungen habe ich nie zuvor gesehen. Ich würde Euch empfehlen ihn nach seinen Eltern zu fragen. Obwohl Ihr das sicher bereits getan habt. Schweigt er? Nun, es gibt immer Mittel und Wege ihn zum Reden zu bringen.“
 

Arashi verstand, dass er soeben eine eheliche Auseinandersetzung anhörte – und dass sie gerade irgendwie versuchte, ihre Schwierigkeiten auf ihn abzuwälzen. Aber warum hörte in der scheinbar kühlen Stimme der Fürstengefährtin etwas wie Sorge?

Dann jedoch begriff er plötzlich: anscheinend hielt ihn der Fürst für den lebenden Beweis dafür, dass seine Gefährtin fremdgegangen war. In diesem Fall hatte er das Recht, sie zumindest zu verstoßen und in den einsamsten Winkel des Westens zu verbannen oder eher zu töten. Und ihren Sohn würde das gleiche Schicksal treffen, da ja der Verdacht bestand, dass auch er nicht der Sohn des Inu no Taishou war.

Das aber bedeutete, dass er schuld daran wäre, wenn seine Großmutter und sein Vater starben, ganz abgesehen davon, dass er selbst dann nie geboren werden würde.

Andererseits durfte er doch seine Eltern nicht angeben, hatte Tante Kagome geraten. Und überdies durfte er doch nicht ungefragt einen Fürsten ansprechen…das war sehr unhöflich und würde Strafe nach sich ziehen.

Was sollte er nur tun?

Jetzt verstand er auch den seltsamen Satz Fürst Uramarus, er würde zu früh in das Schloss zurückkehren. Anscheinend war der ebenso davon ausgegangen, dass er der heimliche Sohn der Fürstin sei und sich während der Anwesenheit des Herrn in den Wäldern verbergen sollte, erst nach dessen Abreise wieder heimgehen durfte.

In jäher Panik warf sich der kleine Hundeprinz flach zu Boden: „Ihr…sie ist nicht meine Mutter, oyakata-sama….“ Er presste die Stirn auf die Bretter. Bekam er jetzt eine Strafe? Immerhin hatte er ungefragt geredet.

„Auch, wenn er beklagenswert schlecht erzogen ist“, erklärte die Fürstengefährtin sachlich: „Hat er doch Recht. Ersteres könnt Ihr durchaus als Indiz nehmen, dass er nicht mein Sohn ist.“

„Wer sind deine Eltern, Arashi?“ fragte der Inu no Taishou, ohne darauf einzugehen.

„Ich...ich darf es doch nicht sagen, oyakata-sama!“

„Also stirbst du lieber.“

Ihr Götter, dachte der Hundeprinz. Was sollte er jetzt nur machen? Das war keine Drohung gewesen - nur eine Tatsachenfeststellung. Sein Vater hatte da scheinbar einiges von seinem eigenen. Und chichi-ue sagte nichts zwei Mal. Es half wohl nichts: „Nein, oyakata-sama….“ brachte er hervor: „Ich…bitte…nur Euch allein.“

„Gut. – Ihr könnt gehen.“

Dies galt seiner Gefährtin, die auch unverzüglich gehorchte, ohne ihre gewisse Erleichterung zu zeigen.

„Nun? – Du darfst dich hinknien.“

Der kleine Hundeprinz befolgte den Befehl und blickte zu Boden: „Darf ich auch…darf ich erklären?“

„Ich will die Namen.“

„Der Name meines Vaters ist Sesshoumaru.“

Im nächsten Moment fühlte Arashi das Youki des Inu no Taishou aufwallen. Noch ehe er bewusst denken konnte: so stark wie Vater, flog er schon durch die Luft, prallte rücklings gegen einen Holzpfosten. Es tat weh, aber er kniete eilig wieder nieder und senkte den Kopf: „Gnade, ich bitte Euch“, würgte er hastig hervor: „Es mag Euch unglaublich erscheinen, aber….Ihr müsst doch wittern, dass ich die Wahrheit sage!“ Wenn sein Großvater ihm nicht glaubte, würde er ihn umbringen, das war klar.

Dieser stand noch immer scheinbar gelassen an seinem Platz, aber die kaum mehr verborgene Energie verriet noch immer seinen Zorn über die unverfrorene Lüge. Seine Stimme war jedoch ruhig: „Dann solltest du eine sehr gute Erklärung haben.“

Die Fürstengefährtin hatte ja den Gerechtigkeitssinn erwähnt: „Ja, oyakata-sama. – Ich…ich war mit meinem Lehrer bei einem Ausflug…“ Er berichtete von der Höhle, dem seltsamen Portal – und dass er erkannte, dass er in der Vergangenheit gelandet war, von den Youkai, die ihn gefangen genommen hatten und dass Fürst Uramaru ihn gerettet hatte: „Darum…darum sehe ich ja auch Vater...ich meine Euch so ähnlich…“ schloss er, besorgt, was nun geschehen würde.

Der Inu no Taishou hatte schweigend zugehört, allerdings sein Youki wieder in sich zurückgezogen: „Der Name deiner Mutter?“

„Shiro, oyakata-sama.“ Nein, als Großvater durfte er ihn sicher nicht ansprechen, nicht, ehe es erlaubt worden war.

„Wessen Tochter ist sie?“

„Fürst Uramarus.“ Arashi wagte kaum zu atmen. Glaubte er ihm? Wenn nicht, hätte er ein sehr kurzes Leben gehabt.
 

Die Tür wurde abrupt geöffnet und der Inu no Taishou blickte unwillig auf. Aus den Augenwinkeln erkannte der junge Hundeprinz einen Krieger, der sich tief verneigte.

„Ich bitte um Vergebung, oyakata-sama, ob dieser Störung, aber Ihr befahlt unverzüglich verständigt zu werden, wenn die Spione zurück sind.“

„Ich komme“, erwiderte der Fürst nur, ehe er sich an seinen unglücklichen kleinen Besuch wandte: „Du bleibst hier und rührst dich nicht vom Fleck!“

Als ob er weggelaufen wäre, dachte Arashi unwillkürlich. Irgendwo dort draußen war ein Drachenheer, dazu noch ein weiteres aus Youkai direkt vor der Tür, die auf Befehl sicher alle auf ihn losgehen würden. Nirgendwo war es sicherer als im Arbeitszimmer seines Großvaters, der ihn allerdings immerhin für den Bastard seiner Gefährtin gehalten hatte und ihn womöglich umbringen wollte. Wo war man denn als kleiner Hundejunge in dieser Welt oder dieser Zeit überhaupt sicher?

Alle schienen sich gegen ihn verschworen zu haben. Er wurde gefangen, terrorisiert, geschlagen, mit dem Tode bedroht - und das alles mehrfach in wenigen Stunden. Überdies hatte er gute Aussichten, demnächst von seinem eigenen Großvater getötet zu werden. Das konnte unmöglich noch schlimmer werden. Dabei wollte er doch nur zurück zu seinen Eltern. Mutter würde sich bestimmt Sorgen um ihn gemacht haben, ihn in den Arm nehmen, Seiko…

Er wollte doch nur nach Hause.

Er versank in trüben Gedanken und gewissem Selbstmitleid, als er jemanden fast lautlos hereinkommen hörte und etwas den Kopf hob. Kehrte der Inu no Taishou zurück? Aber die Witterung war anders…

„Du bist also der jämmerliche Bastard meines verehrten Vaters“, sagte eine kindliche Stimme verächtlich.

Unglücklicherweise war Arashi durch seine Abenteuer der letzten Stunden, seine Verwirrtheit und die Todesgefahr am Ende seiner Nervenkraft, so sehr ihm auch stets perfekte Selbstkontrolle gepredigt worden war. Er sprang auf und stand mit einem Satz vor dem etwas Jüngeren mit weißen Haaren. Wie kam dieser hergelaufene Hundesohn dazu, ihn jämmerlich zu nennen? Wo er sich doch so viel Mühe gegeben hatte, seinen Vater zufrieden zu stellen, ja, sogar inzwischen mit ihm üben durfte? Dieser arrogante, schlecht erzogene Mistkerl wusste wohl nicht, mit wem er es zu tun hatte! Ohne weiter nachzudenken gab er seinem Gegenüber eine Ohrfeige. Der andere Junge war zu verblüfft, auch nur einen Versuch zu machen, die Hand abzufangen.

Arashi zischte gleichzeitig: „Ich bin der Erbprinz der westlichen Länder!“

In den bernsteinfarbenen Augen vor ihm flackerte etwas auf, das ihm bekannt schien, und reine Mordlust verriet. Der Hundejunge hob den rechten Arm waagerecht, nur Zeigefinger und Mittelfinder ausgestreckt: „Gewesen“, sagte er nur, während sein Youki anstieg.
 

„Geh, Sesshoumaru!“ Der Inu no Taishou hatte soeben sein Arbeitszimmer betreten und die Energie seines Sohnes erkannt.

Der Prinz entspannte sich sofort und verneigte sich: „Ja, chichi-ue.“ Er verließ den Raum ohne sich noch einmal umzudrehen.

Arashi war auf die Knie gefallen. Zum einen gebot das natürlich die Höflichkeit vor dem Fürsten, aber….

Ja, aber. Ohne das gewohnte Fell an der Schulter war er nicht auf den Gedanken gekommen, dies sei in dieser Zeit der Erbprinz, nein, schlimmer, sein eigener Vater! Er hatte soeben in schon menschlich anmutender Unüberlegtheit sein Familienoberhaupt geschlagen! Der würde ihm das nie verzeihen! Selbst, wenn er nach Hause könnte…oh ihr Götter, was würde chichi-ue nur dann jetzt mit ihm machen?

Seine Großmutter musste ihren Sohn sofort von dem Zwischenfall mit dem unbekannten Jungen in Kenntnis gesetzt haben und mit gewisser Neugier hatte der ihn ansehen wollen, zumal, da der Fürst den Raum verlassen hatte. Warum nur hatte er nicht nachgedacht, dass dies eine andere Zeit war und wer hier schon ein Hundeprinz sein konnte? Warum nur hatte er sich so von seinen Gefühlen übermannen lassen…Hatte er zuvor wirklich gedacht, seine Lage könne nicht schlimmer werden?

„Du bist aufgestanden“, unterbrach die sachliche Bemerkung des Inu no Taishou die panischen Gedanken des Jungen.

Arashi senkte den Kopf noch tiefer: „Ich bitte um meine Strafe, oyakata-sama.“

„Fürst Uramaru erwartet diesen Satz von seinen Kindern. Ich nicht. Shiro, sagtest du, ist deine Mutter. - Zeige mir diese Höhle.“

„Ja, oyakata-sama.“ Der Hundejunge erhob sich eilig, froh, wenigstens angehört worden zu sein. Er wusste ja selbst, dass das unglaublich klang. Warum nur musste er so ein Pech haben? Und immerhin schien der Fürst nicht mitbekommen zu haben, dass er seinen Sohn geschlagen hatte, seinen eigenen Vater! Er wusste eigentlich nicht, was noch ärger werden konnte, aber das wollte er lieber nicht überlegen. Immer, wenn er hier in Selbstmitleid verfiel, dachte, es könnte nicht mehr schlimmer kommen, wurde es das.
 

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Im nächsten und letzten Kapitel erfahrt ihr,wie diese ganze missliche Geschichte ausgegangen ist. So oder so dürfte unser kleiner Hundeprinz eine Menge gelernt haben...
 

bye
 

hotep

Arashi Teil 4

Der arme Welpe schiebt Panik und schwebt in Todesängsten - zu Recht?
 

4.
 

Arashi wollte schon eilfertig zur Tür, um hinauszugehen, seinem Großvater die Höhle zu zeigen, als ihn die Stimme des Hundefürsten stoppte:

„Warte. - Kannst du ein Portal dorthin erschaffen?“

„Nein, oyakata-sama. Nur…“ Mehr war nicht gefragt gewesen.

„Nur?“

„Nur zu dem Ort, an dem Fürst Uramaru mit mir auf Euch wartete.“

Der Inu no Taishou warf ihm einen forschenden Blick zu, nickte aber.

Arashi begriff, dass er vorangehen sollte, eine gewisse Sicherheitsmaßnahme des Fürsten, falls er fliehen wollte. Als ob er das vorgehabt hätte. Es war offensichtlich Krieg zwischen den Youkai und den Drachen. Und was die letzteren zu einem Hundejungen mit weißen Haaren sagen würden, der ihnen in die Hände lief, konnte er sich langsam vorstellen. Was für eine schreckliche Welt. Ohne weiteres Wort öffnete er ein Portal und befand sich fast augenblicklich an der gewünschten Stelle. Nur eine Sekunde später erschien auch sein Großvater.

Da ihn dieser anblickte, folgte er dem stummen Befehl und ging in den Wald. Als er die Stelle erreichte, wo die toten Youkai lagen, die ihn überfallen hatten, fiel das erste Wort.

„Du?“

„Fürst Uramaru, oyakata-sama.“ Eigentlich hätte er das doch wissen müssen? Oder war das schon wieder eine Überprüfung?

„Weiter.“

Der kleine Hundeprinz gehorchte. Seltsamerweise fühlte er sich in Gegenwart des Inu no Taishou eigentlich recht sicher. Der hatte ihn zwar gegen einen Pfosten befördert, ja, daran gedacht ihn umzubringen, aber dennoch hatte er etwas an sich, das vertrauenserweckend wirkte. Nun ja, es war sein Großvater, aber das war Fürst Uramaru auch und der hatte bei weitem nicht diese Souveränität ausgestrahlt, die irgendwie Schutz versprach. Allerdings machte sich Arashi keine Illusionen darüber, was passieren würde, glaubte ihm der Hundefürst bei der Höhle nicht.

Jetzt fand er seine eigene Spur und konnte ihr rascher folgen. Zugleich war er etwas erleichtert, denn das konnte der Inu no Taishou sicher auch wittern. Und würde ihm doch jetzt wohl Glauben schenken. Allerdings wäre es sehr unhöflich gewesen danach zu fragen und so beeilte sich der Hundeprinz nur den Hang hinauf zu gelangen.

„Warte.“

Die Stimme seines Großvaters ließ ihn vor der Höhle innehalten. Er bemerkte, dass dieser auf den Boden deutete. Was war da? Er konnte nichts sehen, nichts wittern….

Erst dann begriff er, dass das wohl eine stumme Aufforderung gewesen war, sich hinzuknien und gehorchte eilig. Vaters Erziehung musste mindestens so streng gewesen sein wie die seine. Und Mutters wohl noch mehr.

Eigentlich sollte er seinen Eltern dankbar sein, dass sie das schon mal entschärft hatten, dachte er plötzlich. Im Verhältnis zu ihren Kindertagen, die von Drill und Drachenkriegen geprägt waren, hatte er es wohl wirklich gut getroffen. Er neigte den Kopf und wagte nicht mehr auch nur einen Muskel zu bewegen. Falls es keinen Weg zurück gab, wäre er in dieser Zeit auf das Wohlwollen des Inu no Taishou angewiesen. Alles, was er dafür tun konnte, war, einen guten Eindruck zu machen, zeigen, dass er perfekt erzogen war, Selbstbeherrschung und Disziplin kannte.

Denn, wenn er sich recht entsann, würde doch wohl sein Vater niemanden töten, der unter dem Schutz seines eigenen stand. Und langsam war ihm bewusst geworden, dass der Hundeprinz ihn zuvor für die Ohrfeige oder vor allem um des Erbes willen hatte umbringen wollen. Seine Mutter hatte ihm sicher von dem unerwünschten Nebenbuhler berichtet. Und da es für sie keine Möglichkeit gab, den zweiten Sohn zu morden, ohne selbst zu sterben, hatte sie wohl ihrem Sohn dies angeraten. Als einziger überlebender Erbe konnte er vor der Todesstrafe sicher sein.
 

Er konnte riechen, dass der Hundefürst langsam die Höhle betrat, traute sich aber nicht aufzublicken.

Der Inu no Taishou blieb fast zehn Minuten in der Dunkelheit, ehe er zurückkehrte. „Arashi.“

Der kleine Prinz war unwillkürlich glücklich mit Namen angesprochen zu werden. Das bedeutete doch wohl, dass er ihm glaubte? „Oyakata-sama…“ flüsterte er freudig, ohne jedoch zu wagen, sich zu bewegen.

„Du bist der Sohn von Sesshoumaru und Shiro, sagst du.“

„Es ist die Wahrheit“, beteuerte der Hundejunge sofort.

„Du wolltest von hier in das Schloss im Westen, in der Hoffnung, ein Familienmitglied zu treffen?“

„Ja.“

„Und Fürst Uramaru traf dich rein zufällig.“

Arashi konnte den Unterton nicht deuten, meinte jedoch ehrlich: „Ich denke, diese ….Youkai, die mich überfallen hatten, haben seine Aufmerksamkeit erregt.“

„Das war das erste Mal, dass du ihn gesehen hast?“

„Ja, oyakata-sama.“ Seine Verwunderung über die scheinbar sinnlosen Fragen klang in seinem Satz. Aber er bemühte sich um Ruhe, darum, nicht aufzusehen. Er wollte doch ein braver Hundeprinz sein…

„Verstehst du wirklich nicht? So jung bist du doch auch nicht mehr.“

Der Kleine wartete, dass der Fürst weitersprechen würde, ehe er begriff, dass er etwas dazu sagen sollte. Wollte der Inu no Taishou überprüfen, wie klug er sei? „Ich…ich habe verstanden, dass Ihr mich zunächst für den Sohn Eurer Fürstengefährtin gehalten habt. Fürst Uramaru scheint das ebenfalls angenommen zu haben. Zuerst nannte er mich „Prinz Se…“, ehe er wohl erkannte, dass ich es nicht bin.“

„In der Tat. Ein Junge in der Hand von Räubern wäre ihm gewöhnlich vollkommen gleichgültig gewesen. Nur, weil er durch deinen Blutgeruch erkannte, dass es sich um einen Hundejungen handelte, ging er das überprüfen. Und nur, weil er dich für Sesshoumaru hielt und er mich durch dessen Rettung verpflichten könnte, half er dir. Dann vermutete er in dir …nun, einen Bastard. Und er nutzte unverzüglich diese Gelegenheit.“

„Ich bitte um Vergebung….“ Was meinte er nur?

„Wärst du es, würde ich sie und Sesshoumaru töten. Dich natürlich auch. Und der Weg für meinen teuren Schwager als meinem Nachfolger wäre frei. Aber ich glaube deine Geschichte. Du warst hier, das bezeugt deine Witterung – und dort in der Höhle befindet sich ein uraltes Portal. Drachenmagie. Du musst es unbeabsichtigt aktiviert haben. Und man kann ein derartiges Portal nur einmal durchschreiten.“

Arashi spürte, wie eine eiskalte Angst durch seine Adern strömte, und er blickte verzweifelt zu dem vor ihm Stehenden auf. Zum Teufel mit der höfischen Etikette: „Dann….dann kann ich nie mehr nach Hause?“ Er brachte es kaum hervor.

Der Inu no Taishou betrachtete den offenkundig vollkommen niedergeschmetterten Welpen vor sich. Sein Naturell ließ ihn nicht ungerührt und er meinte: „Es sieht nicht gut aus, nein. Nach allem, was ich weiß, gibt es nur eine einzige Möglichkeit – wenn du mutig und stark genug bist.“

„Das bin ich, oyakata-sama!“ schwor Arashi. Alles, nur wieder nach Hause! Zu Mutter, zu Vater…. Er würde jede erdenkliche Strafe schweigend auf sich nehmen: für die Ohrfeige zuvor, für seinen Ausflug in die Höhle, den er doch nur gut gemeint hatte…. Und er würde sich nie wieder über seine Ausbildung auch nur in Gedanken beschweren.

„Bei den Eltern möchte ich es glauben. Auch das ist ein Grund, warum ich nicht annehme, dass dich jemand zu mir schickte, um diese unglaubhafte Geschichte zu erzählen. Kaum irgendwer weiß um diese Verlobung.“ Für einen Moment zögerte er, ehe er fortfuhr: „Hat dein Vater viele Frauen?“

„Nein….Meine verehrte Mutter ist die einzige Youkai, die chichi-ue je würdigte.“ Das mit der Drachenkönigin sollte er wohl besser nicht erzählen, kämpften doch hier Youkai gegen Drachen. Oder doch, damit sein Großvater Hoffnung hatte? Ach, was war das für eine schwierige Lage! Aber er sollte sich wohl wirklich an Tante Kagomes Rat halten und so wenig wie möglich sagen. Immerhin war sie die Einzige, die regelmäßig zwischen zwei Zeiten gereist war. Und auch seine Eltern achteten sie.

„Du schätzt deine Eltern sehr.“ Das klang fast ein wenig amüsiert. Eigentlich war es eigenartig, dass zwei derart kühl erscheinende Youkai einen solch ungestümen, nur durch strenge Erziehung gebändigten, Sohn zeugen würden. Arashi, Sturm, war in der Tat ein passender Name. Nun, Sesshoumaru schien seine Pflicht gegenüber der Familie erfüllt und die Blutlinie weitergegeben zu haben. Das bedeutete für ihn selbst, dass er keinen zweiten, vollblütigen Sohn mehr haben musste, und seiner Gefährtin - und sich selbst - ein wenig …Abstand lassen konnte.

„Ja, oyakata-sama.“

„Nun gut, dann werden wir versuchen, ob du zu ihnen zurück kannst, Arashi. Komm.“ Der Hundejunge folgte seinem Großvater in die dunkle Höhle. Nur ein winziger Hauch der Magie lag noch darin. Der Inu no Taishou trat zu einer Stelle: „Hier ist das Portal. Ich werde es aufmachen, das müsste möglich sein, denn ich ging dort nie hindurch. In dem Moment, in dem sich das Tor öffnet, springst du hinein. Wenn du nicht schnell genug bist, wird sich das Portal wieder schließen – und nie mehr öffnen lassen. Selbst, wenn du hindurchgelangst… ich weiß nicht, ob du dann wirklich zurück in deiner Zeit bist.“

Arashi presste unwillkürlich kurz die Zähne zusammen, sagte aber tapfer: „Bitte, versucht es.“

Zu seiner Überraschung spürte er kurz die Hand des Hundefürsten auf seinem Kopf: „Ich werde an dich denken, wenn wir in wenigen Tagen gegen die Drachen ziehen, denn mancher Krieger wird nicht so mutig wie du sein. – Achte genau auf das Portal. Sobald du die Schwärze siehst, spring.“

„Ja.“ Arashi schluckte, ehe er aus übervollem Herzen gegen die Etikette hinzufügte: „Ojii-sama….“ Verehrter Großvater.

Der Inu no Taishou warf ihm einen seltsamen Blick zu, den er nicht deuten konnte, aber schwieg dazu und bückte sich nur, um sein Youki auf das Portal zu richten.

Der junge Prinz ließ die Hand des Hundefürsten nicht aus den Augen, als er darum das seltsame bläuliche Leuchten erkannte, das er auch in der Höhle in seiner Zeit gesehen hatte, als sich das Tor geöffnet hatte. Im nächsten Moment bemerkte er eine schwarze Stelle, die sich rasch vergrößerte – das Portal. Ohne weiter nachzudenken gehorchte er seiner Anweisung und sprang hinein. Etwas traf seinen Kopf schmerzlich, ehe alles um ihn in Dunkelheit und Stille verschwand.
 

„Oji-sama….Arashi-sama…nun wacht doch endlich auf, ich bitte Euch!“

Nur langsam drang die flehende Stimme in Arashis Bewusstsein. Das war doch...? Er öffnete die Augen. Tatsächlich. Das war Shodai, sein Biologielehrer. Dann war er zurück!

„Oh, endlich. Ich fürchtete schon…Die Höhle ist eingestürzt, Arashi-sama, und hat Euch unter sich begraben.“

Die Höhle? Mühsam richtete sich der Hundeprinz auf. Tatsächlich. Der gesamte Spalt war zugeschüttet und er lag auf der Wiese davor. „Wie…Habt Ihr mich herausgeholt?“

„Ja. Das war nicht einfach. Immer wieder rutschte Geröll nach, als ich nach Euch grub. Aber Ihr scheint nicht verletzt zu sein, bis auf die Kratzer im Gesicht und an der Schulter.“

Da hatten ihn diese ehrlosen Youkai verletzt, als sie ihn überfallen hatten. Oder hatte er das nur geträumt? War er durch den Steinschlag betäubt worden und hatte sich diese seltsame Zeitreise nur eingebildet? Oder hatte er in Wahrheit seine Großväter getroffen?

Ein wenig beschwerlich erhob er sich. Was auch immer in dieser Höhle gewesen war, lag nun tief begraben. Eine Möglichkeit zu erfahren, ob er je in der Vergangenheit gewesen war, wäre wohl seine Großmutter zu befragen. Aber das würde in Anbetracht der Tatsache, dass es sich um eine für sie äußerst peinliche Situation gehandelt hatte, sicher ohne Antwort bleiben. Überdies schien seine Oma niemand zu sein, der besonders freundlich war…

Und die andere, noch unpassendere, Möglichkeit wäre, Vater zu fragen, ob er ihm eine Ohrfeige gegeben hatte. Nein, das wäre wohl auch äußerst unklug, wenn es nicht passiert war oder chichi-ue es auch nur vergessen hatte.

„Ich bin in Ordnung, Sensei“, sagte er automatisch. Als er bemerkte, wie sehr sein Lehrer aufatmete, fügte er mit etwas schlechtem Gewissen hinzu: „Ich danke Euch, dass Ihr mich da herausgeholt habt.“

Shodai nickte nur, da er nicht erwähnen wollte, dass er sich schon vor dem Fürsten hatte knien sehen, um zu beichten, dass dessen Erbe tödlich verunglückt wäre. Vermutlich die letzten Worte in dieser Welt…. „Konntet Ihr noch etwas feststellen, ehe die Höhle einstürzte?“

„Es war ein Portal aus Drachenmagie. Sehr alt. Ich werde meinem verehrten Herrn und Vater davon berichten.“

„Ja, tut das, aber…“ Natürlich, das war bestimmt wichtig.
 

So baten Lehrer und Schüler bald bei dem Herrn der westlichen Länder um Audienz, die ihnen überraschend schnell bewilligt wurde.

Arashi berichtete sachlich von dem Drachenportal, das ihn angelockt hatte, wie es ausgesehen hatte – und, dass dann die Höhle eingestürzt war: „Sensei Shodai half mir, wieder herauszukommen“, schloss er. Hoffentlich hatte Vater vergessen…oder noch besser, war es nur ein Traum gewesen…

„Du bist verletzt.“

„Es ist schon verheilt.“ Sah man die Kratzer etwa noch so deutlich? Er hatte gedacht, sie seien schon gut abgeheilt. Hoffentlich hielt ihn chichi-ue jetzt nicht für einen Schwächling.

Aber dieser erhob sich: „Zeige mir die Höhle.“

„Ja, verehrter Vater.“ Aber der kleine Hundeprinz hatte plötzlich das Gefühl, als ob sich etwas wiederhole.

Nur wenig später standen Sesshoumaru und Arashi vor dem verschütteten Spalt. In Erinnerung daran, was sein Großvater in seinem Traum von ihm gefordert hatte, kniete sich der Hundejunge nieder und senkte den Kopf.

Sein Vater betrachtete minutenlang den Spalt, ehe er sagte: „Was würdest du tun, Arashi?“

Dieser wusste, dass sich das darauf bezog, wenn er der Herr wäre – das war ein Teil seiner Ausbildung als Erbprinz: „Ich würde Königin Sora bitten, einen Drachenschamanen herzusenden, um die Sache zu untersuchen und ebenso die verehrte Tante Myu. Das Portal wurde aktiviert, ehe ich es fand. Also könnte jemand hindurchgelangt sein.“ Das Schweigen schien zu bedeuten, dass er Recht hatte.

Sesshoumaru senkte den Blick zu ihm: „Was geschah, während Shodai dich suchte?“

Arashi schluckte: „Ich…ich träumte.“

„Was?“

Nun, es half wohl nichts, wollte er sich keine Strafe einhandeln, aber das war eigentlich genau die Lage, in die er nicht hatte kommen wollen. Heute war eindeutig nicht sein Tag. Man konnte chichi-ue nicht anlügen. So berichtete der Kleine möglichst genau – mit Ausnahme einer einzigen Situation. Schließlich konnte er doch unmöglich seinem verehrten Vater erzählen, dass er davon träumte, ihm eine Ohrfeige zu geben.

Für einen Moment herrschte Schweigen, ehe Sesshoumaru nüchtern feststellte: „Du hast mich geschlagen.“

Arashi konnte nicht anders – sein Kopf fuhr ruckartig in die Höhe, um seinem Vater in das Gesicht zu sehen. Er wusste….aber wieso...? Dann war es doch wirklich die Vergangenheit gewesen? Warum hatte er dann noch keine Strafe erhalten? Oder kam das jetzt?

„Du bist der Einzige, der das unternahm und noch lebt.“

Noch.

Der kleine Hundejunge senkte in jäher Furcht sein Haupt und sah zu Boden. Er dachte daran, dass er sich geschworen hatte, jede Strafe auf sich zu nehmen, käme er nur wieder nach Hause. Aber das sah jetzt so aus, als ob ihn zwar nicht sein Großvater, aber dann doch sein eigener Vater töten würde. Er entsann sich plötzlich der Worte seiner Mutter: „Ich bin jederzeit bereit zu sterben, wenn ich einen Fehler begehe.“ Mühsam nahm sich der Prinz zusammen, in Erinnerung daran, aber vor allem an eine Hand, die sich anerkennend auf seinen Kopf gelegt hatte. Der Inu no Taishou hatte ihn für mutig gehalten – vielleicht sollte er es wirklich sein, auch seinem Vater zeigen, dass er nicht nur der jämmerliche, unfähige Versager war, der von einer Klemme in die andere geriet, dass er dazugelernt hatte. So stand er gegen die höfische Sitte auf und sah Sesshoumaru in die Augen:

„Ich habe nur eine einzige Bitte, chichi-ue.“

„Gnade?“

Arashi zuckte unter der Spur Verächtlichkeit wie unter einem Schlag zusammen: „Ich bitte um die Ehre mit dem Schwert in der Hand sterben zu dürfen.“ Täuschte er sich oder trat gewisse Anerkennung in die goldenen Augen? Aber dann wurde ihm eiskalt, denn um den Mund seines Gegenübers huschte ein Lächeln. Und nicht nur Jaken hatte gesagt, wen Sesshoumaru-sama anlächle, sollte seinen Grabstein schon bereit haben.

Im nächsten Moment stand sein Vater vor ihm und schlug zu. Der Schlag eines Daiyoukai hatte es in sich und der Hundeprinz flog durch die Luft, prallte hart auf den Boden.

„Jetzt ist es ausgeglichen“, stellte der Herr der westlichen Länder sachlich fest. Lange hatte er darüber gegrübelt, wer der unbekannte, unverschämte Junge gewesen war, zumal seine beiden Eltern nie mehr eine Silbe über diesen Zwischenfall verloren hatten, und so hatte er schließlich angenommen, er habe seltsamerweise geträumt. Und den Vorfall schließlich vergessen. Während Arashis Bericht war ihm bewusst geworden, dass es wohl tatsächlich passiert war – in dieser Zeit und in der Vergangenheit. Wäre sein Sohn jetzt zu feig gewesen, die Folgen seiner Handlung auf sich zu nehmen, wäre die Strafe härter ausgefallen. Aber dieser schien tatsächlich geglaubt zu haben, er wolle ihn dafür töten – und wäre dazu bereit gewesen. Vielleicht sollte er sich noch mehr um ihn kümmern. Er schien dazugelernt zu haben, in der Tat: „Komm, mein Sohn.“ Er verwandelte sich bereits in seine wahre Gestalt – eine Einladung zu einem nie zuvor gespielten Welpenspiel.
 

Arashi holte erleichtert tief Atem, während er zu dem verschütteten Spalt blickte., sich bereits selbst verwandelnd. Er hatte ein seltsames, warmes Gefühl, als er an seinen Großvater dachte. Jetzt wusste er noch jemanden, außer seinem Vater, dem er nacheifern konnte.

Danke, ojii-sama.
 

*********************************
 

Das war es mal wieder von der Hundefamilie. Wenn mir wieder etwas einfällt, werde ich es euch sagen.
 

An dieser Stelle kommt nächsten Freitag eine kleine AU-Geschichte aus der Moderne, in der sich die Halbbrüder auf beiden Seiten des Gesetzes bewegen: Gefahr ist sein Geschäft. Und natürlich läuft Verworrene Pfade: Schatten weiter.
 

Ich würde mich freuen, euch wieder als Leser begrüssen zu dürfen.
 

bye
 

hotep

Myu-chan will nicht gerettet werden

Ein Geburtstagswunsch von cute-neko.

Ich hoffe, es gefällt dir. Und alles Gute zum Geburtstag.
 

Myuchan
 

Die junge Katzenyoukai, die durch das Hügelland am Fuße des Mido-Gebirges streifte, wirkte fröhlich, ja, verspielt. In ihrer Familie nannte man sie Myu-chan – außerhalb dieser nur Myu-sama und das nicht ohne Grund. So freundlich und kinderlieb Myu auch war – in ihr lag eine Magie verborgen, die sie dazu befähigte, die Elemente selbst zu beherrschen. Hinzu kam eine durchaus mächtige Verwandtschaft, war sie doch ein Wesen, das den Herrn des Mondes und der Zeit mit onii-sama, verehrter großer Bruder, anreden durfte. Durch ihre Heirat mit Prinz Yuri war sie zusätzlich Mitglied des Hundeclans geworden und jeder von den anderen Familienmitgliedern wäre fähig, sie zu beschützen – in dem unwahrscheinlichen Fall, dass das nötig wäre.

Myu wusste das, aber eigentlich war ihr das gleich. Für sie zählte ihr Gefährte. Yuri-sama. Er war für sie der Mittelpunkt ihrer Welt. Sie vergaß nie, dass sie der so mächtige Hundeprinz auf ein Podest gestellt hatte, dass er sie praktisch anbetete – und sie würde eher sonst etwas tun, als von diesem Podest herunterzufallen und ihn zu enttäuschen. Nein. Sie würde alles auf sich nehmen, um sich seiner so hohen Wertschätzung auch Wert zu erweisen.
 

Eine Flötenmelodie ließ sie aufhorchen. Das war so schön…so spielte sonst nur Miyaki, die Fürstingefährtin der südlichen Länder. Sie lief hinüber. Nun ja, der Spieler war nicht gerade hübsch, aber er spielte so voller Hingabe…

Der Youkai brach ab, als er sie sah: „Oh…ein Kätzchen.“

Sie war ein wenig überrascht, dass er sie nicht erkannte. Unter den Ländern der Bannkreise, zumal hier im Midogebirge, das Yuri-sama unterstand, wusste eigentlich jeder, wer sie war. Aber sie meinte höflich: „Du spielst wunderschön.“

„Ja, danke. Das ist ein Lied, das bezaubern soll.“ Er musterte sie: „Du bist so jung und doch schon verheiratet?“

„Ja, wie du siehst…“ Denn das konnte man an ihrem Kimono ablesen: „Ich habe dich hier noch nie gesehen.“

„Das liegt daran, dass ich lange schlief. Sehr lange.“

„Oh, dann hast du dich sicher regenerieren müssen. Das tut mir Leid.“

„Du bist...nett.“ Naiv, unterschlug er besser. Die großen Augen dieser Katzenyoukai sahen ihn so an…Und ihr Youki war kaum erwähnenswert. Sie wäre eine nette Beute.

„Wen willst du denn anlocken?“

„Kinder, vor allem von Menschen, aber auch erwachsene Menschen.“ Er spielte wieder.

Kinder? Myu bekam ein eigenartiges Gefühl. Sie hatte ihn nie zuvor gesehen, aber jeder Youkai in den Ländern unter dem Bannkreis hielt sich doch an die Regeln? Jeder Mensch und jeder Drache? „Was tust du denn mit den Kindern?“ erkundigte sie sich.

„Ich sammele sie.“ Er pfiff weiter. Sie schien jetzt schon nicht mehr in der Lage zu sein sich seinen Flötentönen zu entziehen. Und sie würde ein wunderbares Teil seiner Sammlung ergeben.

Myu setzte sich. Dieses Lied klang so betörend, so einladend….Aber es war für Kinder bestimmt? Nein, Irgendetwas stimmte hier nicht, da war sie plötzlich sicher. Was sollte das für ein Lied sein, das so müde machte, selbst sie, obwohl sie eine, wenn auch schwache, Youkai war? Andererseits: wer sollte es wagen, gegen die Regeln zu verstoßen? Der hätte nicht nur den Hundeclan sondern auch Drachen und alle Youkai auf dem Hals? Niemand hier wollte mehr Krieg, dazu war der lang andauernde Frieden zu angenehm, zu ruhig. Und, was hatte er gesagt, er sammele Kinder? Sie führte selbst ein Waisenhaus, aber das klang hier irgendwie anders. Sie beschloss, einmal nachzusehen. Hatte er auch eines, wäre ja alles gut und sie könnten sich miteinander absprechen. Yuri-sama würde ihm gewiss auch helfen, wenn sie ihn darum bat.

„Magst du mit mir gehen?“ erkundigte sich der Youkai, während er aufstand und weiterspielte.

Wortlos erhob sich die kleine Katze, wie er zufrieden feststellte. Kein Mensch konnte sich dem Bann entziehen und anscheinend eine so schwache Youkai auch nicht.

Myu wäre empört gewesen diesen Gedankengang zu kennen, aber sie lief einfach mit. Er schien ein guter Flötenspieler zu sein, in der Tat, und Musikanten waren doch nette Leute, wenn sie da an Fürst Akamaru und Miyaki dachte. Weder Sesshoumaru-sama noch Shiro spielten ja, aber das waren auch die kriegerischsten Mitglieder der gesamten Familie.
 

Er führte sie zu einem steil und felsig abfallenden Hang, wo sich eine Höhle öffnete: „Komm nur, Kätzchen.“

„Sind da die Kinder?“ erkundigte sie sich.

Er war ein wenig überrascht. Kein Mensch wäre hier noch in der Lage gewesen zu sprechen, dazu bannte der Zauber sie zu sehr, aber nun gut, das war ja immerhin auch eine Youkai. Zum Glück hatte er auch dafür Vorsorge getroffen: „Ja, komm, ich zeige sie dir.“

Sie folgte ihm in die Höhle, um entsetzt nach Luft zu schnappen. Das war ein Gefängnis. In der Dunkelheit erkannte sie hinter einem Gitter Menschen, Männer, Frauen und Kinder. Der fremde Youkai öffnete die Tür der Sperre: „Komm nur, Kätzchen….“ Sie gehorchte zu seinem Vergnügen.

Die armen Kinder. Ihr Schwanz wurde buschig vor Zorn, aber sie nahm sich zusammen. Wenn ihre eigene Magie hier in der Höhle ausbrach, würde sie alle Menschen darin umbringen. Nein, das war nicht nötig. Sie fuhr herum, als er die Tür schloss.

Er lächelte: „Was für ein schönes Exemplar. Du wirst mir viel einbringen.“

Er ging.

„Einbringen?“ wiederholte Myu verwirrt, ehe sie sich umdrehte – und bemerkte, dass die Menschen sich angstvoll zurückgezogen hatten. Natürlich, sie erkannten in ihr eine Youkai, wenn wohl auch nicht, wen: „Guten Tag“, meinte sie daher höflich: „Ich bin Myu, die Gefährtin von Yuri-sama. Was ist denn hier los?“

Ein Mann kam heran: „Eine Youkai hier? – Und dieser…Dämon hat dich auch gefangen?“

„Ach nein, nicht richtig, weißt du. Er sagte, er habe hier Kinder und ich habe doch ein Waisenhaus….“

Das klang nicht so, als ob sie sie fressen wollte. Zudem waren die Menschen unter den Bannkreisen durchaus gewohnt auch Youkai zu treffen und von ihnen regiert zu werden. Der Mann nickte daher: „Er hat uns gefangen und will uns verkaufen.“

„Verkaufen? Wer sollte denn so verrückt sein und Menschen kaufen?“

„Andere Youkai, um…nun, zur Nahrung.“ Er wollte vor den Kindern nicht mehr sagen.

„Er sagte, er habe lange geschlafen. Womöglich weiß er gar nicht, was er hier tut.“ Myu hörte von draußen die Flötenmusik: „Er spielt dauernd?“

„Ja. Er hält so Menschen in seinem Bann. Ich bin der einzige, der einigermaßen dagegen ankommt. Die anderen könnten gar nicht mit dir reden. Mein Name ist Hitachi, Myu-sama.“

Sie sah sich um. Tatsächlich wirkten die Frauen, die meisten Männer und vor allem die Kinder wie betäubt. Sie standen zwar da, reagierten auch, als sie sie anblickte, aber zu mehr, gar zu einem Ausbruchsversuch waren sie nicht fähig. Die armen Kinder essen zu wollen! Die armen Menschen! Das war doch wirklich das Allerletzte. Wenn Yuri-sama das erfuhr! Oder gar Sesshoumaru-.sama, der ihnen doch allen als Herr der Hunde Schutz versprochen hatte. Nein, dieser Flötenspieler war niemand, an den sie noch einen Gedanken verschwenden sollte. Der war schon so gut wie tot.
 

Trotz der Betäubung spürten die Menschen eine Veränderung in der Höhle und wichen hastig von der Wand zurück.

Hitachi schrie dagegen fast auf: „Die Höhle stürzt ein!“

Myu fuhr herum, bereits bereit ihre Elementmagie einzusetzen, um die Menschen hier zu schützen, ehe sie die große, dunkle Gestalt erkannte, die buchstäblich aus der Wand trat: „Oh, Sabaku,“ begrüßte sie den Elementgeist der Erde: „Du hast die Leute hier ein wenig erschreckt.“

„Das tut mir Leid, Myu-sama“, sagte der und richtete sich bis zur Decke auf: „Wir bekamen jedoch mit, dass du hier bist, und so wollte ich nach dir sehen. – Hast du Schwierigkeiten, Herrin?“

„Nein, danke. Das ist aber nett von dir, Sabaku.“

Hitachi stöhnte gedanklich auf: was war das denn für ein Monster? Auch ein Youkai? Und diese Katze saß hier mit ihnen fest, betrachtete das aber nicht als Schwierigkeit?

Myu fuhr jedoch langsam fort: „Du könntest mir allerdings einen Gefallen tun, wenn du magst.“

„Du bist die Herrin“, erwiderte der Elementgeist prompt höflich.

„Kannst du Yuri-sama sagen, wo ich bin, und das mich ein flötenspielender Youkai mit einigen Menschen hier eingesperrt hat?“

„Selbstverständlich.“

„Und….wäre es dir möglich, die Kinder hier mitzunehmen, ohne dass es der Flötenspieler bemerkt?“

„Ja. Wohin sollen sie?“

„Zunächst nur in mein Waisenhaus, ja?“ Sie sah fragend zu Hitachi.

Als ob er etwas dagegen hätte. Auch seine beiden Kinder waren hier gefangen. „Wie es Euch beliebt, Myu-sama, “ erwiderte er daher höflich. Was war denn das für eine Youkai?

So drehte sie sich um: „Kinder, das ist Sabaku. Er ist groß, aber nett, und wird euch hier wegbringen, zunächst einmal in das Haus, das ich für Kinder führe. Dort wartet ihr einfach auf eure Eltern. – Geht mit ihm!“

Zur Verwunderung selbst der verzauberten Menschen erschien hinter Sabaku ein Tunnel in der Höhlenwand, den dieser entlangschritt, ein eigenartiges Leuchten um sich verbreitend. Die Kinder folgten ihm verwirrt, nicht nur durch den Bann, aber da Hitachi ihnen winkte, gehorchten sie. Nur Sekunden nach dem letzten schloss sich die Höhlenwand wieder. Einige Mütter protestierten nun matt, aber Myu winkte ab.

„Ihr braucht keine Angst zu haben. Sabaku ist der Geist der Erde. Sie werden ungesehen unterirdisch bis zum Schloss und meinem Waisenhaus kommen. Dort können sie erst einmal essen und trinken und schlafen. Auch der Zauberbann müsste dann weg sein.“

„Der Geist der Erde,“ wiederholte Hitachi: „Elementgeister…ja, man hört, dass es sie gibt, dass auch die Bannkreise um die Länder aus Elementmagie bestehen, aber so etwas zu sehen ist schon etwas anderes.“

„Man gewöhnt sich daran“, erklärte Myu hilfsbereit: „Sie sind alle sehr nett.“

Ihm dämmerte plötzlich etwas anderes: „Ihr seid die Gefährtin von Prinz Yuri?“

„Ja.“

„Also auch ein Mitglied der Hundefamilie? Aber Ihr seht anders aus….“

„Ich bin eine Katzenyoukai.“ Sie bemerkte, dass sich die Menschen bis auf Hitachi wieder setzten. Anscheinend waren sie nur aufgestanden, weil der unbekannte Youkai hierher gekommen war. „Ich bin froh, dass die Kinder hier heraus sind. Das ist so gemein…“

„Äh, ja, danke, Myu-sama. “ Das ziemte sich sicher. Aber es stellte sich eine Frage: „Warum seid Ihr nicht mit ihnen gegangen?“

„Ach nein. Sabaku wird Yuri-sama ja sagen, wo ich bin.“

Hitachi schwieg lieber.
 

Nur kurz darauf hörte der Flötenspieler mit seiner Musik auf. Myu erkannte dass die Helligkeit von draußen abgenommen hatte und es wohl Nacht wurde: „Spielt er nie nachts?“

„Nein.“ Hitachi trat zu ihr an das Gitter: „Ich weiß nicht, ob er dann schläft oder jagt…“

„Der Mond ist sicher schon aufgegangen….“

„Stimmt.“

Sowohl Myu als auch Hitachi fuhren herum, die anderen Gefangenen hoben immerhin die Köpfe und starrten den schwarzhaarigen jungen Mann in der vornehmen Kleidung an, der sich plötzlich mitten unter ihnen befand.

„Onii-sama!“ Myu strahlte auf, ehe sie sich dem Neuankömmling in die Arme warf.

Großer Bruder? Dann war das auch ein Youkai, wohl gar ein Fürst? Hitachi verneigte sich lieber höflich.

„Oh, Myu-chan, in welche Probleme hast du dich denn diesmal wieder gebracht?“

„In gar keine“, protestierte sie prompt und gab ihn frei: „Dieser Flötenspieler sagte zu mir, er habe Kinder, die er sammele…das musste ich mir doch ansehen.“

„Hier sind aber keine Kinder.“

„Sie waren hier, aber der Erdgeist nahm sie mit sich.“

„Weil du es wolltest.“

„Ja.“

„Und du bist lieber hier geblieben? Willst du nicht nach Hause? Komm schon, Myu-chan, ich bringe dich.“

„Ach nein, onii-sama. Ich bat Sabaku, Yuri-sama auszurichten, wo ich bin. Ich sollte wirklich hier auf ihn warten.“

„Du willst nicht gerettet werden?“

Sie senkte verlegen den Kopf: „Tsuki-sama, du weißt doch, wie er ist…wie der gesamte Hundeclan ist…“

Um den Mund ihres selbsternannten älteren Bruders zuckte ein Lächeln, ehe er gestand: „Ja, schon klar. Stur und stolz. Also willst du auf ihn warten?“

„Du könntest doch aber sicher die Frauen…die Menschenfrauen hier herausholen?“

„Es sind ein bisschen viele, Myu-chan, und auch ein Gott hat gewisse Grenzen. Nun gut, ich versuche es.“

Ein Gott? Hitachi schluckte ebenso wie die anderen Menschen, deren Betäubung sich nach Ende der Musik langsam lichtete. Wen kannte diese kleine Youkai denn so alles? Und – wie hatte sie ihn genannt? Tsuki-sama? Das war der Herr des Mondes und der Zeit…kein Wunder, dass er erst nach Einbruch der Nacht hier aufgetaucht war.

Er schien sich in Licht zu verwandeln, einzelne Strahlen, die jede der erschrockenen Frauen umfassten, die sich wiederum selbst aufzulösen schienen. Nur Sekunden später waren nur noch Myu und die Männer in der Höhle.

„Wo...wo bringt er sie hin?“ fragte einer.

„Zu den Kindern“, meinte Myu hörbar erstaunt: „Die werden sich freuen, ihre Mütter wieder zu sehen.“

„Du…Ihr habt unsere Frauen und Kinder gerettet ohne selbst zu fliehen. Das war sehr großherzig von Euch.“ Einer der Männer verneigte sich.

„Oh, gern geschehen. Wisst ihr, ich denke, Yuri-sama wird kommen. Er kommt immer, um mich zu retten. Und dann wird er auch euch befreien.“

„Das ist Euer Gefährte? Ja, ich erinnere mich. Prinz Yuri vom Hundeclan...man sagt, die Ländereien um das Mido-Gebirge seien die seinen.“

„Ja, seit Jahrhunderten.“ Myu drehte sich etwas um alle ansehen zu können: „Und ich bin sicher, dass er nicht erfreut ist, wenn jemand Menschen entführt.“

Und vor allem seine Gefährtin, aber dazu schwiegen die Männer lieber. Die Fähigkeiten und Bekanntschaften, die diese kleine, so zierliche Youkai in der letzten Stunde gezeigt hatte, dienten nicht dazu, ihr auch nur im Ansatz widersprechen zu wollen.
 

Yuri war Myus Spur ohne Probleme gefolgt, zumal er wusste, wo sie sich aufhielt. Durch einen Flötenspieler entführt? Diese Nachricht, die ihm Sabaku gebracht hatte, war dazu geeignet gewesen, ihn zornig zu machen. Myu-chan….wer seine Hände an sie legte, war schon so gut wie tot. Und hinzu kam, dass dieser Verrückte es auch noch gewagt hatte, sich an Menschen seines Territoriums zu vergreifen, sie zu entführen. Sicher, Myu-chan würde auf sie aufpassen, aber dennoch…

Wer auch immer das getan hatte – es wäre lebensverlängernd für ihn gewesen nur bei der Musik zu bleiben.

Der Hundeprinz blieb stehen und suchte die Gerüche des nächtlichen Berglandes. Dies war sein Gebiet, hier war er geboren und kannte jeden Fußbreit davon. Täuschte er sich oder lag da eine Witterung in der Luft, die er nicht kannte? Nun, es war sowieso die Richtung, in der die Höhle mit den Verschleppten lag und so machte er sich wieder auf den Weg, ein wenig rascher als zuvor.
 

Auf einer Bergwiese blieb er stehen, als er vor sich eine große Gestalt erblickte, die er nie zuvor gesehen hatte. Seine Augen waren gut genug um selbst im matten Licht der Sterne zu erkennen, dass dieser eine Flöte im Gürtel trug – und ein Schwert.

Der Flötenspieler erkannte, dass der Besucher ein sehr starker Youkai sein musste und verneigte sich höflich: „Oh, Kundschaft?“

„Kundschaft?“ War der kein Verbrecher sondern schlicht wahnsinnig?

„Ich habe einige Menschen gefangen, die ich Euch gern verkaufen würde. Und etwas ganz Spezielles, eine junge Katzenyoukai….“ Er brach erschreckt ab, denn das volle Youki seines Gegenübers flammte auf.

„Du wagst es, mir meine eigene Gefährtin verkaufen zu wollen? Meine Menschen?“ Yuri knurrte es, ehe er zog.

Der andere Youkai folgte hastig diesem Beispiel, nicht mehr so ganz sicher, ob es wirklich eine gute Idee gewesen war, genau diesem Mann ein Kaufangebot unterbreiten zu wollen.

„Du hast anscheinend weder eine Ahnung, wo du dich befindest, noch welche Gesetze du soeben übertreten hast.“

„Ich habe lange geschlafen….“ Das klang schon fast wie eine Entschuldigung, als der Flötenspieler seine Klinge hob.

„Und du wirst noch länger schlafen.“ Mit einem Satz war der Hundeprinz bei ihm und schlug zu.

Mit einem raschen Hieb nach links unten reinigte er die Klinge seines Schwertes vom Blut ehe er sie zurückschob. Ja, doch, davon hatte er gehört. Früher einmal gab es wenige dieser Art, die mit Musik Menschen einfingen, um sie entweder selbst zu fressen oder an andere Youkai zu verkaufen. Aber dieser Kerl musste wirklich lange geschlafen haben, wenn er nicht mitbekommen hatte, was sich in den letzten Jahrhunderten hier so alles verändert hatte. Jetzt sollte er allerdings zusehen, dass er seine kleine Katze aus der Patsche holte.

Er machte sich wieder auf den Weg.
 

Nur wenige Minuten später erreichte er die Höhle. In der Tat. Myu und Menschen, das verriet ihm seine Nase, noch ehe er hineinging.

„Yuri-sama!“

Die Begeisterung in der Stimme seiner kleinen Katze freute ihn – und er nahm die hastigen Verbeugungen der Menschen zur Kenntnis, als er ohne Mühe das Schloss aufbrach.

Sie verneigte sich ebenfalls eilig, auch, wen sie ihm am liebsten in die Arme gefallen wäre. Nicht vor Menschen, dazu kannte sie ihn doch zu gut: „Ich freue mich, dass du hergekommen bist.“

„Nun, nachdem du Sabaku mit dieser Nachricht schicktest, hast du doch nicht angenommen, dass ich im Schloss bleibe.“

Sie schüttelte fast vergnügt den Kopf, ehe sie auf die Männer deutete: „Ihre Kinder und ihre Frauen sind schon im Waisenhaus. Ich denke, wenn sie sie da abholen, könnten sie nach Hause…“

„Ja, natürlich.“ Ihm war bewusst, dass es keiner wagen würde ohne seine Erlaubnis die Höhle zu verlassen: „Dann geht.“ Als sie allein waren, meinte er: „Es war sehr nett, Myu-chan.“

„Was?“

Aber er lächelte und sie wusste, dass er wusste, dass sie auf ihn gewartet hatte. Ihre eigene Magie hätte sie befähigt hier auszubrechen.

Er fuhr fort: „Wenn ich mich recht entsinne liegt hier in der Gegend ein Wasserfall, den man den Wasserfall der Morgenröte nennt. Wenn die Sonne aufgeht, spiegelt sie sich in seinem Wasser. Gehen wir dort hin?“

„Oh ja, gern. Da war ich noch nie.“ Sie nahm seine Hand und er führte sie aus der Höhle.
 

Eine Stunde langsamen Spazierganges später erreichten die beiden den kleinen Talkessel, in den sich der Bach stürzte. Selbst im matten Sternenlicht glitzerte das fallende Wasser auf der gegenüberliegenden Seite.

Yuri blieb mit Myu auf der Wiese neben dem kleinen See stehen und ließ sie die selbst jetzt tanzenden Lichter betrachten, während er hinter sie trat und die Arme um sie legte. So meinte sie: „Das ist hier wirklich wunderschön…“ Sie ließ ihren Katzenschwanz zu Boden hängen, um sich an ihn lehnen zu können. „Warst du hier schon einmal...ich meine, mit einer Frau?“ Sicher, sein Leben vor ihrer Ehe ging sie nichts an, aber ihre Frage hatte einen bestimmten Grund.

Yuri lächelte unwillkürlich, ehe er meinte: „Ja, mit meiner Mutter.“

„Oh.“ Zufrieden schmiegte sie sich weiter an ihn und spürte prompt, wie er sie fester an seine Rüstung drückte. So meinte sie: „Bis die Morgensonne auf den Wasserfall scheint haben wir doch noch etwas Zeit, Yuri-sama…“

„Soll ich dem entnehmen, dass du eine angenehme Wartezeit planst?“ flüsterte er in eines ihrer Katzenöhrchen, das prompt zu zucken begann.

„Ja, daran dachte ich.“ Mit einem Lächeln drehte sie sich in seinen Armen um und sah zu ihm auf: „Natürlich nur, wenn mein Herr und Gebieter nicht andere Pläne hat…“

„Dein Herr und Gebieter plante genau das, als er dich herbrachte…“

Er fasste sie fester und neigte sich über sie.

Der Halbmond am Nachthimmel fand das einen ausgezeichneten Zeitpunkt, sein Gesicht mit einer dunklen Wolke zu verhüllen.

Shiros (Ent-) Scheidung

Auf Wunsch von saufziege. Ich hoffe, es gefällt dir...
 

Die rothaarige Frau in dem doppellagigen Kimono erstarrte in der Bewegung, als sie den Bach vor sich sah. Für Menschen mochte es nur ein kleines Hindernis sein, für sie war es eine scharfe Grenze. Dort endete das westliche Fürstentum, dort war der Bannkreis, der die Länder der Menschen trennte. Ging sie nur noch zehn Schritte weiter, war sie nicht mehr nur eine unbotmäßige Fürstin, die ohne Erlaubnis ihres Gefährten das Schloss verlassen hatte und bestraft gehörte, sie war eine ehrlose Verräterin.

Nie wieder dürfte sie zurückkommen, ihren Kindern würde verboten werden, sie zu besuchen, ja, nur ihren Namen auszusprechen. So war es und das war ihr klar.

Daher zögerte sie. Ihre Welpen. Arashi, Seiko...Sie konnte sich nur damit trösten, dass Arashi bei seinem Vater als Thronfolger erzogen und Seiko bei ihrem Zwillingsbruder als Schwiegertochter gut aufgehoben werden würde.

Warum nur hatte es so weit kommen müssen?

War sie es wirklich ihrem Stolz derart schuldig?

Sie missachtete die Entscheidung ihres Gefährten, war bereit, ihre Kinder zu verlieren, ehrlos irgendwo in den menschlichen Bergen in der Einsamkeit ihr restliches Leben zu fristen....

Wie hatte es nur so weit kommen können?

Wann hatte es begonnen?
 

Eigentlich vor drei Tagen erst, die ihr mittlerweile endlos schienen.

Ein Hundedämon aus dem Süden war zum Herrn der Hunde gekommen, um seinen Amtsantritt bekannt zu geben, weder etwas Ungewöhnliches noch etwas Bedrohliches. Da er unverheiratet war, hatte er seine Tochter mitgebracht, ein Mädchen namens Minako. Nach Menschenjahren hätte man sie auf sechzehn oder siebzehn schätzen können.

Hätte sie selbst da schon die Gefahr ahnen sollen?

Wenn sie es sich nun überlegte, hatte sich Minako tief mit einem Lächeln vor Sesshoumaru verneigt, gerade noch genug vor ihr selbst, um nicht unhöflich zu erscheinen. Später, als sie durch den Raum gegangen war, um, wie es ihre Pflicht als Fürstengefährtin war, die Gäste zu begrüßen, hatte sie Flüstern gehört, Takeshi habe seine Tochter nur mitgebracht um eine gute Partie hier am Hofe des Inu no Taishou zu finden.

Auch das hatte sie nicht beunruhigt. Schließlich gab es wenig weibliche Hundedämonen, viel weniger als männliche und darum waren sie auf dem Heiratsmarkt entsprechend wertvoll. Warum sollte ein Vater nicht versuchen, seine Tochter gut und teuer zu verheiraten.

Takeshi hatte Sesshoumaru in ein Gespräch verwickelt - auch dies nicht ungewöhnlich bei Neulingen, die noch nicht wussten, dass der Fürst dies nicht gern sah. Er hatte es allerdings rasch bemerkt und nur um Audienz für den nächsten Tag gebeten. Auch dies entsprach der gewöhnlichen Form, wollten die kleinen Lords doch wissen, wie sie vorgehen sollten. Das Gleiche würde Takeshi auch noch bei ihrem Zwillingsbruder Akamaru wiederholen, der im Süden der zuständige Fürst war. Aber die strikte Rangordnung der Hunde gebot, zuerst die Nummer Eins aufzusuchen.
 

Nein, an diesem Abend war sie noch vollkommen ahnungslos gewesen, auch, wenn sie durchaus bemerkt hatte, dass Minako Aufsehen erregt hatte. Sie war, das musste sie selbst bitter zugeben, eine Schönheit. Und sie war nur halb so alt wie sie....
 

Am folgenden Tag erst hatte sie gestutzt, als sie bei einem mittäglichen Spaziergang in dem Teil des Parks, der der fürstlichen Familie vorbehalten war, auf Minako gestoßen war. Diesmal war ihr erneut aufgefallen, dass sich das Mädchen gerade noch am Rande der Höflichkeit benahm. Allerdings war sie diszipliniert genug gewesen, die sicher nur höfisch Unerfahrene zu fragen: „Dein Vater ist wohl noch beschäftigt?“

„Ja, er verhandelt mit Sesshoumaru-sama.“

„Darum hast du dich verlaufen.“

„Was meint Ihr?“

„Dies ist der Privatgarten. Nur Mitglieder der Fürstenfamilie dürfen sich hier aufhalten,“ hatte Shiro erklärt.

„Was macht Euch so sicher, dass ich es nicht bald sein werde?“ Aber sie hatte sich verneigt und war gegangen.
 

War es das, was Takeshi als gute Ehe anstrebte? Eine Verbindung mit Arashi?

Shiro wusste, dass sie nur an diese Möglichkeit gedacht hatte. Nun, da konnte er lange hoffen. Arashi war bereits mit seiner Cousine verlobt, aus dem Südclan, und ehe diese Verbindung nicht geschlossen war, könnte selbst sein Vater ihm keine Nebenfrau versprechen, ohne Akamaru und letztlich auch sie zu brüskieren. Selbstverständlich standen einem Fürsten oder Prinzen auch mehrere Frauen zu, aber eine gewisse Reihenfolge des Ranges, der Geburt musste, sollte doch beachtet werden.
 

Wieder machte sie einen Schritt auf die unsichtbare Grenze zu.
 

Und dann der Schock am folgenden Nachmittag.

Sie hatte gehört, dass Sesshoumaru sich zum Bad zurückgezogen hatte – und, wie immer, nicht gestört werden wolle. Darum wurde dies in der Regel auch im gesamten Schloss bekannt gegeben, hatte er in jüngeren Jahren doch durchaus Leute getötet, die sich hineingewagt hatten. Nichts lag ihr auch ferner.

Sie hatte ihr Trainingsgewand angezogen, um einige Übungen auf dem nun schattigen Platz durchzuführen. Noch immer mochte sie nicht ohne Schwertkampf und die dazugehörigen Bewegungen leben.

Als sie über den Hof ging, erstarrte sie förmlich zur Salzsäule. Aus dem Badehaus kam Minako, und selbst auf diese Distanz war die Witterung zu erkennen, die an ihr hing, ihrem Gesicht, ihren Händen, ja, ihrem gesamten Körper.

Mit einem breiten Grinsen ging das Mädchen zu seinem Vater, der abseits stand, ehe er die Fürstin bemerkte und sich andeutungsweise verneigte, ein triumphierendes Lächeln auf dem Gesicht, das Shiro nur zu gut verstand. Langsam, ohne sich anmerken zu lassen, dass sie im Augenblick lieber ein Schwert in der Brust hätte, denn das würde weniger schmerzen, ging sie näher.

Leise sagte er: „Mir will scheinen, Minako hat gewonnen, Shiro-sama. Eine neue Fürstengefährtin wird gewiss etwas Aufsehen erregen, zumal bei Eurem verehrten Bruder, aber letztlich wird Akamaru-sama nichts tun können.“

Ja, das wusste sie nur zu gut. Und sie war auch vollkommen sicher, dass ihr Sesshoumaru die Ehre eines Selbstmordes verweigern würde, wenn er Minako zu seiner neuen Hauptfrau machte – und sie selbst sie damit achten, ja, ihr gehorchen musste.

Warum nur?

Sie hatte ihm doch seinen Erben gegeben...
 

Erneut machte sie einen Schritt auf die Grenze zu.
 

Warum hatte er diese kleine...nein, das sagte eine Fürstin nicht.. auserwählt? Wollte er mehr Söhne, die ihr Izanagi-sama verweigert hatte? Warum hatte er nichts zu ihr gesagt, oh, nicht einmal erwähnt, dass er eine andere in Erwägung ziehen würde?

Warum nur hatte er nichts zu ihr gesagt?

Sicher, es war sein Recht, eine andere Frau zu nehmen, das wusste sie, auch Konkubinen, aber die Art und Weise, nach all den Jahrhunderten, in denen sie so mühsam gelernt hatte ihm zu vertrauen....
 

Und jetzt?

Ihr Stolz oder ihre Welpen? Ohne Erlaubnis durfte sie sich nicht umbringen, würde ebenso in Unehre fallen.

Warum hatte er nur nichts gesagt....warum sie einfach schweigend aus seinem Leben ausgeschlossen? Was hatte sie nur falsch gemacht? War sie ihm schlicht zu alt geworden? Sie wusste es nicht genau, aber die Männer hätten da einen gewissen Geschmack, hatte ihre Ausbilderin ihr gesagt. Wollte er doch einen anderen Sohn, der mehr Geschick als Arashi bewies? Wollte er....

Es war letztlich alles gleich. Er hatte sich entschieden und sie hatte den Beweis in die Nase bekommen. Das war alles, was noch wichtig war.
 

Und die Grenze dort.
 

Jenseits lag die Einsamkeit, die Unehre, das Leben ohne ihre Welpen. Und letztlich auch ohne ihn. Ginge sie zurück, würde sie für den Rest ihres Lebens ihren Stolz schlucken und den bitteren Wein der Niederlage trinken müssen. Würde sie das vermögen? Nicht mehr mit ihm zu leben, nur noch für ihn? Demut gegenüber diesem kleinen Nichts zeigen? Wie weit konnte ihre Selbstbeherrschung reichen?

In diesem Moment spürte sie hinter sich eine Bewegung. Ohne sich umzudrehen wusste sie, wer lautlos einige Meter hinter ihr aufgetaucht war.

Sie war eine Närrin gewesen anzunehmen ihm entkommen zu können.
 

Der Herr der westlichen Länder war nach dem entspannenden Bad in sein Arbeitszimmer zurückgekehrt. Endlich war er diesen Takeshi losgeworden. Dessen Redetalent mochte enorm sein, seine Angebote interessant, aber er ging ihm damit ziemlich auf die Nerven.

So befahl er Jaken, Shiro zu holen. Seit Tagen waren sie nicht mehr zu einem ruhigen Beisammensein gekommen und er verspürte keine Lust bis heute Nacht zu warten um eine vernünftige Unterhaltung führen zu können.

Mit gewisser Überraschung, ja Verärgerung vernahm er daher die Nachricht seines etwas verzweifelten Sekretärs, seine Gefährtin sei nicht aufzufinden, ihre Zofe würde sie suchen.

Fast zwanzig Minuten später musste diese sich flach vor dem Fürsten auf den Boden werfen und gestehen, dass Shiro-sama anscheinend ohne Erlaubnis oder Begleitung das Schloss verlassen habe.
 

Unwahrscheinlich, dachte er prompt, ehe er in jäher Besorgnis fragte: „Prinz Arashi und Prinzessin Seiko..?“

„Sind im Unterricht, oyakata-sama,“ stammelte Tamiko in den Boden: „Und Shiro-sama ist ohne Rüstung oder Schwert fort. Beides liegt in ihrem Zimmer. Sie muss sich allein umgezogen haben.“

Shiro? Diese so streng erzogene Youkaiprinzessin, die noch im Schlaf die Etikette beherrschte? Deren Selbstkontrolle nur in seinen Armen zerbrach? Unwahrscheinlich. Unmöglich. Etwas war vorgefallen, etwas Schwerwiegendes. So erhob er sich mit undurchdringlichem Gesicht. Sowohl Jaken als auch die alte Tamiko zuckten unwillkürlich zusammen, rechneten mit einem Schlag oder Ärgerem. Schließlich sah das Ganze so aus, als ob es die Fürstin gewagt hatte, ihrem Gefährten davonzulaufen. Das wäre ein Skandal sondergleichen. Sie atmeten auf, als er nur an ihnen vorbei schritt.
 

Nur eine Minute später stand er vor dem Schloss und suchte die magischen Linien seines Landes mit dem er seit seiner Geburt verbunden war. Das so vertraute Youki war leicht zu finden, aber ihn irritierte, wie nahe sie sich an der Grenze befand, fast schon an den Bannkreisen zu den Menschen. So machte er, dass er hinterher kam.

„Shiro.“

Sie drehte sich nicht um, verneigte sich nicht - erstaunlich bei ihr.

So fuhr er fort: „Wohin willst du?“

„Fort.“

„Dir ist bewusst, was das bedeuten würde, wenn du dieses Fürstentum ohne meine Erlaubnis verlässt?“

„Würdest du mir einen ehrenhaften Tod gestatten?“ fragte sie dagegen.

„Ich wüsste keinen Grund, warum ich dir das gestatten sollte.“

Da fuhr sie herum, sichtlich enttäuscht und verletzt, trotz all ihrer gewöhnlichen Selbstbeherrschung: „Du hast es mir nicht gesagt!“

Sesshoumaru bekam das undeutliche Gefühl, dass sie aneinander vorbeiredeten. Er kannte sie, wenn sie in diesem Zustand war – dann hatte sie sich in der Regel in den Kopf gesetzt, er hätte sie wieder verraten. Die tiefen seelischen Narben dieser Zeit verblassten nur äußerst langsam. Nur, warum heute und jetzt? Seit geraumer Zeit war doch alles in Ordnung gewesen...?

So meinte er: „Ich denke, du solltest mir sagen, was ich dir hätte sagen sollen.“

Shiro spie den Namen förmlich aus: „Minako!“

„Takeshis Tochter?“ Jetzt verstand er gar nichts mehr.

„Ich vermute, es war angenehm mit ihr gemeinsam im Bad.“

„Wer hat das behauptet?“ Eine derart miese, kleine Intrige - und sie fiel auch noch darauf herein? So unklug war sie doch gewöhnlich nicht.

„Meine Nase. - Du kannst nicht leugnen, dass sie, als sie aus dem Badehaus kam, in dem du dich ebenfalls aufhieltest, am gesamten Körper deine Witterung hatte.“

Er verengte die Augen zu einem mörderischen Blick, den sie seit Jahrhunderten nicht mehr gesehen hatte. Instinktiv senkte sie den Kopf. Er war der Herr der Hunde, ihr Fürst und ihr Gefährte – und sie hatte in keinster Weise das Recht ihn so anzufahren.

Takeshi! Der Mistkerl war fällig! Sesshoumaru musste sich zwingen nicht auf der Stelle zum Schloss zurückzukehren, um den in handliche Stücke zu zerlegen. Wenn er dies tat und Shiro hier allein ließ – wer konnte sagen, auf welche nächste Idee sie kommen würde.

So trat er näher, sah sofort, wie sie sich anspannte, und erklärte langsam: „Ich habe mein Bad in meinem ganzen Leben nur mit dir geteilt. - Eine fast perfekte Intrige. Takeshi kommt aus dem Süden und kennt dich gut genug, um zu wissen wie du auf eine derartige Provokation reagierst. Er hat Minako hineingeschickt, um sich mit meiner getragenen Kleidung einzureiben.Hätte ich dich nicht soeben zu mir befohlen und erfahren, dass du weg bist – diese Flucht wäre nie wieder rückgängig zu machen. Was hat sonst noch an....Beweisen vorgelegen?“

Er würde nie lügen, das wusste sie, und so atmete sie etwas auf, ehe sie von den kleinen Andeutungen Minakos berichtete, es dabei allerdings nach all den durchgestandenen Emotionen nicht wagte in sein Gesicht zu sehen, unabhängig von höfischen Sitten.
 

Lange Finger unter ihrem Kinn zwangen sie den Kopf zu heben und ihn anzusehen.

„Keine andere,“ sagte er leise, ehe er sich zu ihr neigte.

Shiro versuchte unwillkürlich noch an seinen Lippen ihm ihren Mund zu verweigern, aber dann gab sie nach und entspannte sich in seinem Arm.

Er spürte es und machte weiter.Nach all den langen Jahren wusste er nur zu gut, wie er aus ihrer Kühle Hitze schuf und bald verschmolzen rotes und weißes Haar im grünen Gras.
 

„Keine andere,“ wiederholte er, ehe er sie von seiner Last befreite.

Ja, dachte Shiro in unendlicher Erleichterung. Keine andere. Und kein anderer. Niemand anders konnte ihnen das geben,was sie sich so mühsam über die Jahrhunderte hinweg erkämpft hatten. Als sie aufblickte, war er schon wieder angezogen, wie auch immer er das so rasch anstellte, und wandte ihr in vertrauter Haltung den Rücken zu. Sie erhob sich.

Als sie fertig hinter ihm trat, meinte er: „Gehen wir.“

„Ja.“

Zu ihrer Überraschung fasste er zum ersten Mal ihre Hand, um sie an seine Seite zu ziehen, ehe sie gemeinsam nebeneinander durch das Dimensionsportal schritten.
 

Im Schloss war selbstverständlich bemerkt worden, dass etwas nicht stimmte. Der Fürst war allein so plötzlich verschwunden, es gab Gerüchte, dass Shiro ebenfalls allein verschwunden sei – war sie ihm etwa davongelaufen? Dieser Skandal verbreitete sich in Windeseile.

So unauffällig wie möglich blieben viele Dämonen und Menschen daher vor dem Schoss stehen – neugierig, ob es Sesshoumaru-sama geschafft hatte seine unbotmäßige Gefährtin einzufangen und zu einer gewiss scharfen Strafe herzubringen oder ob ihr gar die Flucht gelungen war.
 

Umso größer war die Überraschung, als beide gemeinsam nebeneinander erschienen, zum ersten Mal Hand in Hand.

Ohne auf die erstaunten Gesichter zu achten, meinte der Hausherr nur: „Hier scheint niemand etwas zu tun zu haben. - Takeshi. Gute Reise.“

„Wie meint Ihr das?“ brachte der unter dem eisigen Blick Sesshoumarus mühsam hervor.

Die Stimme klang ebenso frostig: „Sei froh, dass ich damit nur meine: kehre unverzüglich in dein Schloss zurück. Du gehörst zu Akamaru. Ansonsten wärst du bereits auf der Reise in die Unterwelt. - Allerdings werde ich so frei sein, meinem Schwager gewisse Dinge zu berichten. Sei sicher, er wird kaum erfreut sein.“ Noch vor wenigen Jahrhunderten wäre Takeshi schon nicht mehr zu einer derartigen Frage gekommen. Aber inzwischen wusste er selbst nur zu gut, dass auch die Furcht vor einer Strafe bereits eine war.

Oh je, dachte Takeshi, der nicht wusste, ob er sich wirklich darüber freuen sollte. In der Hundefamilie war einer so schlimm wie der andere, wenn es um ihre Frauen ging. Sein kleiner Trick war danebengegangen, und so Hand in Hand wie die beiden vor ihm standen, würde eine derartige Intrige auch nie gelingen. Auf die Bestrafung, die sich Akamaru-sama für die Boshaftigkeit gegen seine verehrte ältere Schwester ausdenken würde, konnte er jedenfalls warten. Hoffentlich würde es Minako nicht treffen... „Komm,“ sagte er daher nur zu seiner Tochter, ehe er sich höfisch verneigte. Diese tat es ebenso, sichtlich verwirrt, ehe sie sich ihm anschloss.
 

Sesshoumaru gab die Hand seiner Gefährtin nun erst frei, ehe er laut äußerte: „Du darfst dich zurückziehen, Shiro. Und mich heute Abend erwarten.“

Sie war froh nicht rot werden zu können. So vor allen hatte er das noch nie gesagt. Aber ihr war klar, dass er ihr noch einmal versichern wollte, diesmal vor Zeugen, dass es nie eine andere geben würde. So verneigte sie sich dankbar zeremoniell und verschwand.

Närrin, dachte er. Als ob ein Mann, der dich zur Gefährtin hat, eine andere auch nur ansehen würde....
 

***
 

bye
 

hotep



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Von:  Teilchenzoo
2010-10-03T05:47:45+00:00 03.10.2010 07:47
Hui^^ ... wie schön romantisch, erst so tragisch und dann ... so ein Happy End.
Aber typisch Shiro. Ein böser Verdacht, etwas überzogene Konsequenzen, die sie daraus zieht (ich meine, die logischere wäre ja gewesen, dass er sich einfach nur eine Konkubine nimmt, schon um Rang und Verdienst der Damen gemäß der Etikette zu achten), dann unüberlegtes Handeln statt rückversichern (wäre sie bei ihrem Gespräch mit ihm ruhig geblieben, hätte sie hinterher immer noch abhauen können), und dann natürlich die konsequenteste und extremste Problemlösung von allen wählen. Mal ehrlich, diese Dame hat einen Hang zum Melodramatischen ;). Von wegen kühl und berechnend.
Aber so kennen und lieben wir sie ja.

Takeshi kann sich sicher auf etwas gefasst machen. Minako auch, aber da der Fürst gerecht ist, wird sie schon nicht die Hauaptleidtragende sein, sondern nur ihre Lektion bekommen. Auch wenn sie wirklich wie ein gemeines Biest wirkt.

Jaja, der kühle Fürst würde für Shiro all seine Zurückhaltung und Würde aufgeben, und lockert sie bereitwillig, um sie seiner Zuneigung zu versichern. So hab ich ihn gern^^.

Danke für diese zauberhafte kleine Geschichte.

Lg neko
Von:  Cistus
2010-08-23T15:28:57+00:00 23.08.2010 17:28
Mit so einem Titel kannst du einen glatt in Panik versetzen! Er ließ schon das schlimmste ahnen, obwohl ich nicht glauben konnte das es wirklich zu so einem Schritt kommt. Shiro und ihr Talent sich selber irre zu machen in dem sie sich einredet das Sesshoumaru sie sitzen lässt. Man könnte es ja schon als menschliche Marotte bezeichnen.

Der Lord und seine Tochter haben sich da auf ein sehr gewagtes Spiel eingelassen. Das hätte für beide tötlich enden können. Gut das Akamaru gewarnt wird, denn ich traue den beiden zu das sie es dort noch einmal versucht hätten und wer weiß wie Myaki reagiert hätte. Sie ist emotional in dieser beziehung auch kein unbeschriebenes Blatt, obwohl ich denke das Akamaru ihr mehr seine Zuneigung zeigt wie unser geschätzter Eisberg. Auf jeden Falle eine tolle Geschichte.

mfg
Cistus
Von:  ayakoshino
2010-08-23T07:19:25+00:00 23.08.2010 09:19
Das ist sooo schön gewesen! Total romantisch! Das beweist mal wieder das Sesshomaru seine Shiro nie verlassen würde und sie ihm nur mehr vertrauen muss. Nach dieser vergangenheit zwar nicht so leicht aber trotzdem!^^ Ich fand es auch wirklich toll wie die beiden Hand in Hand im Schloss wieder uafgetauch sind, so hat er noch mal allen bewiesen das sie zu ihm gehört!
Alles in allem eine wirklich sehr schöne, romantische und gefühlvolle Kurzgeschichte, ist dir wirklich super gelungen!
lg ayako
Von:  Minerva_Noctua
2010-08-20T10:12:53+00:00 20.08.2010 12:12
Hallo!
Danke für die ENS!

Das war ein Zuckerstück von einer Geschichte^^.
Also solche kleinen Kapitel dürfte es öfter geben*fg*
Diesem Fürstenpaar fehlt es nicht an Nervenkitzel in ihrem Liebesleben.
Zwei nette Chaoten haben sich da gefunden.
Eine Frage: Hätte Sesshoumaru sich nicht über die Witterung von Minako an seiner Kleidung wundern müssen?

Liebe Grüße,

Minerva
Von:  Haruko-sama
2010-08-19T15:29:37+00:00 19.08.2010 17:29
Zum Glück hat sich am Ende alles aufgeklärt, als Shiro ans Badehaus und Minakos Geruch dachte, hätte ich Sesshomaru treten können.
Aber er weiß wenigstens, was er an seiner Frau hat.
Nur, wenn Takeshi feststellt, in Sachen Frauen ist ein Mitglied der Hundefamilie so schlimm wie das andere, scheint er die Tour nicht zum ersten Mal durchzuziehen.
Na, Hauptsache, Shiro und Sesshomaru haben sich wieder vertragen und Akamaru denkt sich was nettes aus.
Eine niedliche Geschichte ist es auf jeden Fall, für das Paar relativ romantisch, allerdings ohne unpassenden Kitsch. Gefiel mir.

LG, Haruko
Von: abgemeldet
2010-08-19T08:34:01+00:00 19.08.2010 10:34
HI danke für deine Ens hat mich wahnsinnig gefreut, oh meine Güte bei denen wirds auch nie langweilig, gut das Sessy so ein guter Schlussfolgerer ist^^ Das hätte echt böse enden können. ^^°

24
Von:  kiji-chan
2010-08-18T19:24:59+00:00 18.08.2010 21:24
<3 hab ich je erwähnt, ich stehe auf solchen Kitsch?

Gerade bei den zweien kommt es wie eine Wende in der Beziehung vor. Als ob sie seit dem Ereigniss eine neue Dimension ihrer Beziehung entdecken würden.

Und! was sehr wichtig ist, die Heldin in der Liebesgeschichte ist keine naive, dumme ****, wie du sie in 90% der Shôjo Mangas findest. Inteligente Helden, gute Geschichtsverwickelung und -entwickelung und die richtige Portion Kitsch machen eine gute Gute-Nacht-Geschichte daraus. ^^
Jetzt wird das Kiji mit einem Lächeln auf den Lippen einschlafen und von ihrem Katerchen träumen (und von anderen Bishies, wie Sesshô)

Gute Nacht, schlaf schön und schreib brav weiter.


ncha!
Kiji
p.s.
Hab ich schon erwähnt, dass ich die Geschichte mag? Du solltest dich mal an einem reinen Lovestory-Oneshot versuchen. Oder etwas länger als nur ein Oneshot.
Von:  Winifred
2010-08-18T17:30:13+00:00 18.08.2010 19:30
wow, total süß und romantisch. einfach toll geworden.
sess' letzter gedanke war gut xDD die beiden sind schon ein tolles paar^^

aber andererseits: schon richtig mies was takeshi abziehn wollte. richtig hinterhältig. und shiro hats natürlich sofort geschluckt, empfindlich wie sie in der richtung ist. wenigstens happy end^^

lg
Fred
Von:  Lizard
2010-08-18T14:37:04+00:00 18.08.2010 16:37
Hui, das ist mal wieder typisch Shiro... ein kleiner Verdacht (zugebenermaßen ein sehr böser und überzeugender) und schon erwartet sie das Schlimmste... Und zieht sofort harte Konsequenzen!

Dieser intrigante Fürst hat sich vor Ausführung seiner überaus gemeinen Idee offensichtlich bestens über Shiros Verhalten informiert (vielleicht hatte er ja was von HY-'Rosenkrieg'-Episode mitbekommen/erzählt bekommen).
Was für ein Glück, dass Sesshoumaru so schnell reagiert hat, den intriganten Plan verhindert und seine Beziehung zu seiner Frau noch einmal (auuch öffentlich) gefestigt hat.

Irgendwie finde ich es allerdings traurig, dass Shiro so viele Jahrhunderte brauchte, um ihrem Mann völlig vertrauen zu können. Aus diesem Grund wäre ich nicht gerne mit Sesshoumaru verheiratet. Und deswegen ist es meines Erachtens auch kein Wunder, dass Sesshoumaru sonst kaum enge Vertraute hat (die einzige, die ihm sonst noch bedingungslos vertraut hat, war Rin, aber die hatte eben auch ein völlig anderes Gemüt als Shiro!^^)

Nettes kleines Chap über Shiro+Sesshoumaru und deren (manchmal echt sehr komplizierte!) Beziehung zueinander.
Von:  Lyndis
2010-08-18T08:47:21+00:00 18.08.2010 10:47
ist das süß XD
das is echt zu knuffig, besonders der letzte satz^^
der perfekte abschluss^^
sehr emotional und dennoch dei rationalität^^ des bekommt auch nciht jeder hin^^
sehr gelungen^^


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