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Badetag in Ankh-Morpork

von

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Sehr geehrte r Sergeant Colon ,

wir möchten Sie anlässlich der feierlichen Einweihung

unseres Schwimmbades in der Bodenbienenstraße

herzlich zum ersten allgemeinen Schwimmtag einladen.

Um passende Kleidung wird gebeten.

Hochachtungsvoll

Ihre Starkimarm-Eisenhelm-Comp.
 

»Was hältst du davon, Nobby?«

»Keine Ahnung, Fred. Hab auch so’n Ding.«

»Sieht mir verdammt noch mal sehr offiziell aus. Mit Siegel und allem. Sogar das Wappen ist drauf.«

»Braucht man also offizielle Schwimmkleidung?«

»So lange sie dir passt, bestimmt. Mensch, Nobby, ich bin das letzte Mal richtig geschwommen, als ich mit zwölf am >Wer durchschwimmt am schnellsten den Ankh< Wettbewerb teilgenommen hab…« Der Blick des Sergeants verlor sich in sentimentaler Erinnerung an längst vergangene Zeitalter.

»Den Ankh durchschwimmen?«

»Klar. Wir hatten am nächsten Tag alle blaue Flecken.«

»Wer hat gewonnen?«

»Ed Wilson. Klein, leicht, immer schon ein schneller Läufer. Aber ich denke, das hatte er nicht verdient, denn er ist ja nicht wirklich geschwommen, über die Kruste laufen, das hätte jeder gekonnt.«

»Und du bist geschwommen?«

»Nachdem die Oberfläche unter mir nachgegeben hatte, schon.«

Langsam patrouillierten die beiden weiter und machten die Straße zu einem sicheren Ort. Mehr oder weniger.
 

***
 

»Dem Kleinen würde es ganz sicher gefallen, Sam.«

Mumm seufzte. Er saß in seinem Lieblingssessel mit dem Brief in der Hand, während Sybil versuchte, dem kleinen Sam Brei einzuflößen.

»Außerdem werden alle da sein, Schatz.«

»Eben!«

Warum diskutierte er eigentlich noch? Seine Frau hatte sich entschieden, und er hatte keine Chance. Wenigstens war es keine politische Cocktailparty, er würde also nicht die dumme Uniform oder Strumpfhosen tragen müssen. Und wenn diese adligen Windbeutel aufdringlich wurden… Unfälle passierten beim Schwimmen schnell! Es fiel bestimmt nicht auf, wenn ein oder zwei ganz plötzlich ertranken.
 

***
 

Vetinari lächelte still in sich hinein, während Drumknott einige Akten ordnete. Zwerge, die ein Schwimmbad eröffnen? Das könnte ein wirklich interessanter Tag werden…
 

***
 

Die Eröffnung fand wirklich am denkbar schlechtesten Tag statt. Mumm hatte am Abend vorher die Nachricht bekommen, dass Glen „Kopf ab“ von Clyde schon wieder im letzten Moment aus der Falle entwischt war, die die Wache ihm gestellt hatte. Jetzt lief ein verrückter Halsabschneider frei durch seine Straßen!

Natürlich bestand ein Großteil der Bürger Ankh-Morporks aus verrückten Halsabschneidern, aber dieser war adelig.

Na gut, alle Adeligen waren Halsabschneider und Verrückte, aber… der hier begnügte sich nicht mit dem Hals, er wollte gleich den ganzen Kopf.

Außerdem liebte er das Risiko. Er brachte sich selbst in die heikelsten Situationen, lief jedes Mal Gefahr, der Wache in die Finger zu geraten. Ein überheblicher, aufgeblasener Schwachkopf. Zumindest hatte die das Wache gedacht, bevor sie feststellen musste, dass er auch jedes Mal gewann.
 

Gerade gingen die Eröffnungszeremonien zu Ende. Die beiden Eigentümer der Schwimmhalle –Zwerge, aber Mumm hatte schon verrücktere Dinge erlebt – durchschnitten das rote Band am Eingang („schnitten“ war nicht ganz das richtige Wort, verbesserte er sich, da sie große schimmernde Äxte benutzten…)

Am Rande seines Wahrnehmungsfelds wurde der Kommandeur sich eines Gesprächs zwischen Vetinari und einem weiteren Zwerg vom Personal bewusst.

»Ihr könnt WAS nicht?«

»Ich kann nicht schwimmen. Überrascht sie das so, Herr Goldfinderssohn? Ich bin in Ankh-Morpork aufgewachsen.«

»Wir haben auch ein Nichtschwimmerbecken… äh…«
 

***
 

Er oder ich, dachte Mumm. Verdammt. Er stand mit Vetinari vor der letzten freien Umkleidekabine.

»Was jetzt, Euer Gnaden?« fragte Seine Lordschaft und schenkte ihm ein humorloses Lächeln. Einen Moment lang stellte sich Mumm vergnügt vor, wie er sich die Kabine einfach schnappte und der Patrizier vor allen anderen die Hosen runterlassen musste.

»Nach Euch« grummelte er, nahm seine Tasche und suchte nach einer Ecke zum Umziehen.
 

***
 

Der kleine Sam planschte fröhlich herum, während Mumm krampfhaft versuchte, nicht in Richtung des Sprudelpools zu sehen. Natürlich hatten die Zwerge auch Zauberer eingeladen. Es war für das eigene (menschliche oder auch zwergische) Leben von Vorteil, Zauberer einzuladen. Aber wenn Mumm etwas noch mehr hassen konnte als Zauberer, so waren es Zauberer, die nur mit Badehosen bekleidet waren. Der Anblick hatte schon mindestens zwei unschuldigen (?) Bürgern fast das Leben gekostet.

Einer von ihnen quakte jetzt und fühlte sich in der Schwimmhalle pudelwohl.

Um weitere Unfälle dieser Art zu vermeiden, hatte das Hallenpersonal das entsprechende Becken mit großen Papierbögen als Sichtschutz abgeschirmt.
 

***
 

»Ponder?« fragte der Erzkanzler hinter dem Wandschirm.

»Ja, Erzkanzler?«

»Wer macht eigentlich die ganzen Blasen?«

Eine kurze Stille folgte.

»Ich weiß es nicht, Erzkanzler. Vielleicht benutzen sie einen Blasebalg.«

»Quak, quak, du kriegst mich nicht, Johnny!« steuerte der Quästor bei und beobachtete fasziniert die Blasen des Sprudelbads. Getrocknete Froschpillen schienen im Wasser an Wirkung einzubüßen.

Der Dekan entschloss sich, der Sache "auf den Grund" (im wahrsten Sinne des Wortes) zu gehen. Die anderen Zauberer im Sprudelpool fühlten sich seltsamerweise an einen tonnenschweren Meeressäuger erinnert, als er laut prustend wieder die Wasseroberfläche erreichte.

»Kleine Löcher!« sprudelte er.

»Wie bitte?«

»Da unten sind lauter kleine Löcher!« wiederholte er, nach Luft ringend.

»Mach dich nicht lächerlich, Dekan. Wären da Löcher, würde das ganze Wasser ja rauslaufen.«

»Es stimmt aber wirklich! Die Blasen kommen aus Löchern, schaut doch selbst nach, wenn ihr mir nicht glaubt!«

Die nächsten Minuten herrschte ungewöhnliche Stille, gelegentlich unterbrochen von plötzlichem Prusten und Schnaufen, da alle Zauberer, von Misstrauen gebeutelt, im Pool tauchten. Obwohl es wahrscheinlicher ist, dass der Quästor beim Tauchen nach dem Kontinent Klatsch suchte.

»Da muss Magie dahinter stecken!« rief der Erzkanzler schließlich, außer Atem, erstaunt aus.

»Aber das ist unmöglich, das sind Zwerge, keine Magier!« wiedersprach Ponder Stibbons. »Wir hätten es gemerkt, wenn sie hier gezaubert hätten.«

»Hätten wir das?« fragten die anderen überrascht. Stibbons seufzte.

»Gehen wir der Sache nach, ja?«
 

***
 

»Euer Gnaden? Eine Botschaft für Euch.«

Der Zwerg drückte ihm einen Umschlag in die Hand, dann verschwand er schleunigst. Einen Moment lang fragte sich Mumm verwirrt, wie er ihn, schwimmend, mit einer Hand den kleinen Sam haltend, lesen sollte.

Ein paar Sekunden später saßen beide auf dem Beckenrand und der Kommandeur faltete mit nassen Händen den Brief auf. Er sah eine schwungvolle, verschnörkelte Handschrift.
 

Lieber Herzog,

Wie ich sehe, amüsieren Sie und Ihre Freunde sich prächtig.

Ich bin sicher, Sie machen Ihren kleinen Sohn noch zum

Meisterschwimmer.

Wo Sie schon einmal da sind, kann ich Ihnen den Sprung-

turm wärmstens empfehlen.

Hochachtungsvoll

Glen von Clyde
 

Das darf doch nicht wahr sein. So ein Irrer! dachte sich Mumm nach einem Moment der Reglosigkeit. Dieser Größenwahnsinnige war hier! Er würde so einen Brief nicht schreiben, wenn er nicht hier wäre. Sybil sagte immer, er solle seine Arbeit nicht mit nach Hause nehmen, aber er konnte gar nichts dafür. Die Arbeit verfolgte ihn. Bei den Göttern, dieser Verbrecher wollte von ihm festgenommen werden!

Das würde Clyde noch bereuen. Diesmal überschätzte er sich.

Mumm sprang auf, schnappte sich seinen Sohn und rannte mit ihm unter dem Arm los. Er spurtete (oder besser: schlitterte) am Rand des Großen Beckens entlang, auf der Suche nach seinen Leuten.

»Hey Sir!« rief ein Personalzwerg mit Besen in der Hand hinter ihm, »Hier in der Halle wird nicht gerannt!«

»Tut mir Leid,« schrie er zurück, »aber das ist ein Notfaaaarrhhh!« Er rutschte aus und schleuderte die Arme nach oben, um sein Gleichgewicht vielleicht doch noch halten zu können, wobei sein kleiner Sohn jauchzend durch die Luft flog. »Sam!« konnte Mumm noch entgeistert rufen, bevor er selbst, Kopf voran, ins Wasser stürzte.

Einen Moment lang wusste er nicht genau, wo unten und oben war, dann tauchte er hustend wieder auf. Die Augen voll Wasser, versuchte er, sein Kind auszumachen. »Sam!«

»Kommandeur Mumm? Ihr Sohn ist hier.«

Er drehte sich um und sah… Vetinari, der sein Kind hielt. Mumm atmete erleichtert auf.

Zumindest kurz.

»Ich danke Euch, Herr. Der Kleine kann noch nicht schwimmen.«

»Na, da haben wir ja etwas gemeinsam« lächelte Vetinari und kitzelte den kleinen Sam beinahe liebevoll mit dem Finger.

Irgendjemand hatte dem Patrizier einen großen schwarzen Schwimmring besorgt. Seine dürre Gestalt (und ja, unbekleidet sah er noch ausgezehrter aus als sonst) verlor sich regelrecht in dem riesigen Gummiring. Mumm war in ein paar Schwimmzügen bei ihm und nahm sein Kind wieder an sich.

»Laufen Sie lieber vorsichtig, Kommandeur. Ich war selbst erstaunt, als ich festgestellt habe, dass es anscheinend doch einige Leute in dieser Stadt gibt, die wissen, wozu man Seife verwendet.«

»Tut mir Leid, Herr. Aber ich bin in Eile.«

»Ah, wieder auf der Jagd? Ich nehme an, heute hat eine Nixe das Gesetz gebrochen? Oder es stehen illegal geparkte Heuwagen vor dem Ausgangsbereich?«

»Herr.« Mumm hatte keine Zeit, sich zu fragen, ob der Patrizier gerade sarkastisch zu ihm gewesen war. Er musste seine Truppe bereitmachen.

Vetinari sah ihm nach, wie er trotz Kind im Arm mit kräftigen Schwimmbewegungen zum Rand schwamm und aus dem Becken kletterte. Dann brachte sich der Patrizier in eine andere Position, paddelte ein Stück weit und fischte einen nassen Brief aus dem Wasser.
 

***
 

»Äh, Erzkanzler… die Leute gucken…«

»Lass sie gucken, Runen. Haben die denn noch nie Zauberer gesehen?«

Niemand antwortete. Fünf Zauberer schritten, von anderen Badegästen beobachtet, quer durch die große Schwimmhalle. Drei von ihnen hatten Bademäntel übergezogen, die mit all den Pailletten und Taschen eine beunruhigende Ähnlichkeit mit ihren normalen Umhängen aufwiesen. Stibbons hatte mit einem Handtuch getan, was er konnte, sah jetzt aber eher wie ein Ephebianer mit Verstopfung aus.

Ihr Ziel war eine Tür am anderen Ende, über der >Zutritt verboten< stand, was ihr jedoch nicht viel nützte: Das, was sich ihr näherte, war pure Überheblichkeit mit spitzen Hüten.

»Wozu sind diese ganzen Rohre?« fragte einer der >Behüteten<, als sie drinnen im Halbdunkeln standen.

»Wasserrohre. Es gluckert drinnen.«

»Ich höre auch ein Schaben, Stibbons.«

»Das müsste Ankhwasser für das Schlammbad sein.«

»Ankhwasser?!? Kann man darin baden?«

»Manche Leute denken, dass es sie gesund oder schöner macht.«

Überraschte Stille schloss sich an.

»Arme, verwirrte Seelen…« murmelte schließlich einer der spitzen Schatten.

Sie stiegen eine Treppe hinab und wandten sich dann wieder in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Hier unten zeigte sich, warum ausgerechnet Zwerge das Schwimmbad erbaut hatten: Man brauchte viele kleine, gute Tunnel. Rohre mussten Becken verbinden oder Verbindungen nach draußen schaffen, das ganze System bildete in gewisser Weise die Eingeweide der Schwimmballe.

Weiter vorn sahen die Zauberer Licht.

»Almas! Wie rechteckig es ist!«

»Hat irgendjemand an getrocknete Froschpillen für den alten Knaben gedacht?« Keine Antwort.

»Viiiecher!« Dieses eine Mal hatte der Quästor Recht. Sie hatten die Stelle unter dem Sprudelbad erreicht und da waren wirklich Viecher, hundert, wahrscheinlich mehr. Alle Kobolde. Eine Weile sahen die Zauberer ihnen zu, wie jeder an einem Loch saß, hineinblies, das Loch mit einem Daumen zuhielt, Luft holte und dann weiterblies.

»Sieht ganz so aus, als hätten wir das Rätsel der Blasen gelöst.«

»Soll das etwa heißen, dass ich da oben schwimme, während mir so ein Kobold Blasen in den Hintern pustet?« donnerte Ridcully empört.

»Anscheinend.«

»Unerhört! Wir verlassen sofort dieses Schwimmbad!«

Und so stapften sie wieder zurück.
 

***
 

»Nein, was du nicht sagst!« kicherte Lady Sybil. Nobby grinste nur anzüglich, und Mumm hoffte für ihn, dass er seiner Frau nicht eine seiner schlüpfrigen Geschichten erzählt hatte.

»Und was hat sie dann gemacht?« wollte Sybil wissen, bevor sie Mumm bemerkte. »Hallo Schatz! Schon genug vom Schwimmen?« fragte sie und deutete auf den kleinen Sam.

Nobby, bis jetzt mit dem Rücken zu Mumm, fuhr überrascht herum und machte ein Gesicht, auf dem „Auf frischer Tat ertappt“ in großen roten Lettern geschrieben stand. Mumm blickte ihn anklagend an, obwohl seine Augen dabei tränten (man bedenke, dass Nobby nur mit einer Badehose bekleidet war. Schon ein vollständig angezogener Nobby brachte Leute dazu, schreiend wegzulaufen.)

»Nobby, Fred, auf in den Einsatz. Clyde ist hier.«

»Was, hier im Bad?« Sergeant Colon, auch kein allzu hübscher Anblick in einer engen Badehose, riss entsetzt die Augen auf. Mumm nickte.

»Sybil, du musst den Kleinen nehmen.« Er dachte einen Moment nach und sagte dann, an die beiden Wächter gerichtet: »Ihr bleibt bei ihnen. Haltet eure Augen offen. Verstanden?«

»Wird gemacht, Sir. Sogar die Hühneraugen.« Nobby salutierte. Mumm runzelte die Stirn darüber, sah dann aber, dass einige adelige Damen, gerade aus dem Dampfbad gekommen, sie beobachteten.

»Ich verlasse mich auf euch. Ruft, wenn ihr irgendwas von ihm seht.«

Der Kommandeur drückte seiner Frau den kleinen Sam in die Hand und machte sich auf den Weg, die anderen Wächter zu finden. Nur gut, dass die Zwerge so viele von ihnen eingeladen hatten. Natürlich wusste Mumm, dass sie damit nur das Geld für die Sicherheitsleute sparen wollten...

Aus dem Augenwinkel nahm er eine Bewegung wahr. Clyde stand am gegenüberliegenden Beckenrand und winkte ihm zu. Sofort flammte in Mumm glühender Zorn über diesen überheblichen Mistkerl auf.

»Haltet den Kerl!« schrie er, nahm drei Schritte Anlauf und hechtete ins Wasser. Aber als er wieder auftauchte, stellte er entgeistert fest, dass keiner der Umstehenden sich gerührt hatte. Alle schauten ihn nur irritiert an, während Clyde seelenruhig am Becken hockte und gespannt beobachtete, wie schnell Mumm schwimmen konnte.

»So haltet ihn doch!« versuchte er es noch einmal. Vielleicht hätte jemand reagiert, wenn Clyde weggerannt wäre, aber der Kerl saß einfach nur da!

Und als Mumm nur noch ein paar Meter von ihm entfernt war, stand er einfach auf, griff sich ein Handtuch und verschwand in der Tür zum Dampfbad hinter ihm.

Der Kommandeur zog sich aus dem Wasser, war in zwei Schritten bei der Tür und stand dann mitten in dem Komplex aus warmen Nebelschwaden und Türen, der sich im Seitenflügel des Bades befand. Hier hielten sich hauptsächlich Zwerge auf, warum auch immer. Wahrscheinlich gingen sie hier nicht so leicht unter.

»Habt ihr hier gerade jemanden langgehen sehen?«

»Äh, äh...« machte der Zwerg überrascht.

»Schnell jetzt! Groß, dunkle Haare!«

Der Zwerg brachte kein Wort über die Lippen, deutete aber in eine Richtung. Mumm beeilte sich, fragte hier und dort einen Zwerg, aber die Dampfbäder waren das reinste Labyrinth. Es kam ihm vor, als wäre er schon mehrmals im Kreis geschickt worden.

»Habt ihr hier jemanden gesehen? Wo ist er hingegangen? Schnell, wo ist der große Kerl, der hier gerade vorbei ist?«

»Äh, vor kaum zwei Sekunden da lang. Du bist Kommandeur Mumm, nicht?«

Er antwortete nicht, sondern rannte zu der Ecke, hinter der er gerade den Zipfel eines weißen Handtuchs verschwinden sehen hatte. Ein Schild mit der Aufschrift >Zum Bad< deutete in die entsprechende Richtung.

»Jetzt hab ich dich!« brüllte er, bog um die Ecke und riss die große Gestalt mit sich zu Boden.

»Äh... ja, Herr, das hast du. Denke ich.« Mumm blickte in das ehrliche Gesicht von Hauptmann Karotte.

»Oh, du bist’s. Tut mir Leid, ich hab dich für jemand anderen gehalten.«

»Du hattest es sehr eilig, Herr.«

»Ich bin hinter Clyde her.«

»Glen von Clyde?«

»Ja.«

»Er ist hier?«

»Wenn ich es doch sage!« Beide hatten sich aufgerappelt, Karotte rückte gerade sein Handtuch zurecht. »Trommel jeden Wächter zusammen, den du finden kannst, Hauptmann.«

»Angua wird uns nicht helfen können. Das Chlor im Wasser macht die Gerüche zunichte.«

»Ich verlasse mich auf dich.«
 

***
 

Zehn Minuten später durchkämmten kleine Teams aus Wächtern systematisch das Schwimmbad. Zwanzig Minuten später stand ein schwitzender Fred Colon händeringend vor dem Kommandeur.

»Keine Spur von ihm, Herr.«

»Das kann nicht sein. Er ist hier im Bad. Er kann nirgendwo raus, denn die Ausgänge werden bewacht. Und wir haben jede Kammer des Dampfbads durchsuchen lassen. Er kann nicht fort. Er kann sich nicht verstecken. Zum Teufel, Fred, wo ist er?«

Der Erzkanzler kam vorbeigeschlendert.

»Immer noch nicht gefunden, Mumm? Wenn ich dir irgendwie helfen kann, brauchst du es nur zu sagen.«

»Keine Magie in meiner Wache, Erzkanzler. Aber danke. Du könntest die Augen offen halten.«

»Das tue ich immer.«

»Du weißt, was ich meine.«

Ridcully nickte. »Wenn ich dir einen Tipp geben darf, Herr Mumm: Halt dich vom Sprudelbad fern. Da blasen dir Kobolde in den Hintern.«
 

***
 

Die anderen Badegäste zeigten sich von der Verfolgungsjagd unbeeindruckt und ließen sich nicht stören. Wobei man hier nicht in dem Sinne von einer >Verfolgungsjagd< sprechen konnte, denn niemand lief weg. Mumm streifte schnellen Schrittes durch das ganze Bad, immer hin und her. Er sah einem eingesperrten Tier sehr ähnlich und fühlte sich auch so. Sein Gesichtsausdruck deutete auf einen Jaguar hin, dem man auf den Schwanz getreten war.

Man hatte dem Raubtier einen Hamster hineingeworfen, er konnte ihn riechen und wusste, dass er da war, aber das Vieh war nirgends zu finden.

Er fühlte sich veräppelt.

Und das machte ihn wütend.

»Kommandeur! Kommandeur!« Colon schwabbelte armrudernd auf ihn zu (von >rennen< konnte man beim Sergeant ja nicht mehr sprechen...) »Wir haben die Umkleiden vergessen!«

»Was für Umkleiden?«

»Clyde könnte sich in den Umkleiden versteckt halten.«

Mumm starrte. Unwahrscheinlich, ja, weil man an Sicherheitspersonal vorbei musste und von denen hatte ihn keiner gesehen. Heimlich in die Umkleiden zu kommen war so gut wie unmöglich, aber immerhin besser zu bewerkstelligen als sich einfach in Luft aufzulösen.

»Also los, Fred.«
 

***
 

»Was ist mit den Schließfächern?«

»Mach dich nicht lächerlich. Da würde er nicht mal reinpassen, wenn man ihn in kleine Stücke zersägen würde.« Mumm stieß eine Kabinentür auf. »Auch nichts. Das war die letzte hier, jetzt bleiben nur noch die Frauenumkleiden.«

Betretenes Schweigen herrschte in der kleinen Gruppe um den Kommandeur.

Ȁh... da sollen wir doch nicht wirklich rein, oder? Es sind Frauenumkleiden.<

»Ja, Herr. Wenn nun nicht er drin ist, sondern, äh...« Alle wurden rot.

»Schon gut, ich verstehe. Holt Angua.«

»Aber Kommandeur Mumm!« ließ sich Karottes Stimme von weiter hinten vernehmen.

»Was ist, wenn er nun drin ist? Laut Vorschrift sollen Wächter einen gefährlichen Verbrecher nicht allein festnehmen. Es könnte gefährlich werden.«

»Für Angua? Meinst du das wirklich?«

Schließlich wurde ein Kompromiss gefunden. Angua ging voraus und der Rest der Wächter folgte ihr mit dem Versprechen, nicht hinzusehen, wenn sie etwas Unanständiges sahen. Das war zumindest der Plan, aber sobald sich die Tür zur Umkleide öffnete, erhob sich ein vielstimmiges Gekreische, das das ganze Bad erzittern ließ. Die Wächter machten auf der Stelle kehrt und rannten um ihr Leben. Sie sahen sich sogar gezwungen, in den Pool zu springen, um dem Regen aus Kämmen, Schuhen und Kosmetikartikeln zu entgehen.

»Das war wohl nichts!« meinte Karotte, als sie wieder aufgetaucht waren.

»Zumindest wissen wir, dass er da nicht drin ist.«

»Woher willst du das wissen, Herr?«

»Denkst du, sie sind mit ihm anders umgegangen?«

Aber Nobby meinte: »Vielleicht hat er einen Rock getragen.«

»Das halte ich für mehr als unwahrscheinlich, Nobby.«

»Oder er versteckt sich mit den Kobolden im Sprudelbad.«

»Was für Kobolde?«

»Hast du nicht gehört? Man sagt, dass sich im Sprudelbad Kobolde verstecken und wenn man reingeht, stellen sie perverse Dinge mit einem an.«

»Was das wohl für Dinge sein mögen...« mischte sich plötzlich eine fremde Stimme ins Gespräch ein. Lord Vetinari glitt in seinem schwarzen Schwimmring langsam vorüber. »Aber erstaunlicherweise habe ich etwas Ähnliches gehört. Außerdem wurde mir gesagt, dass der Sprungturm ganz formidabel sei. Hast du den schon mal in Augenschein genommen, Mumm?«

»Nein, Herr«, antwortete dieser, während in seinem Kopf diverse Dinge hektisch mit Signalfahnen wedelten. Lord Vetinari schwamm nicht einfach so vorbei und fing ohne jeden Grund ein Gespräch über Sprungtürme an. Sprungturm. Clyde hatte in seinem Brief den...

Da war er. Es gab dort keine Versteckmöglichkeit, aber der Kerl würde ganz sicher da sein, Mumm wusste das.

»Ich gehe sofort hin!« schrie er, war schon aufgesprungen und rannte in die entsprechende Richtung.

Vetinari erlaubte sich ein zufriedenes Lächeln.
 

***
 

Auf dem Sprungturm stand niemand. Einige Leute standen oder lagen in der Nähe, Glen von Clyde war nicht unter ihnen. Sollte Mumm sich getäuscht haben? Aber eine Stimme flüsterte in ihm: Du hast dich nicht getäuscht, und das weißt du.

Mumm kletterte die nassen Sprossen hinauf, um von oben einen besseren Überblick zu bekommen. Ein junges Pärchen lag in Liegestühlen nahe beim Turm. Große Topfpflanzen standen vor den Fenstern, die Tageslicht durch ihre beschlagenen Scheiben hereinließen. Dahinter konnte man sich zur Not verbergen, aber das war auch der erste Ort, an dem die Wächter gesucht hatten. Im Becken schwammen drei Personen.

»Angst vorm Springen, Kommandeur?« fragte Clyde hinter ihm und gab ihm einen Stoß. Mumm schrie und ruderte mit den Armen, fiel aber (wie sollte es auch anders sein?) trotzdem ins Wasser.

»Hallo und auf Wiedersehen, Dummkopf« grinste der Verbrecher selbstgefällig, als es hinter ihm leise klickte.

»Fragt sich nur, wer hier dumm ist« meinte Hauptmann Karotte beiläufig und schloss die zweite Handschelle.
 

***
 

»Es tut mir wirklich leid, Herr Mumm, dass du deinen Badetag heute gar nicht genießen konntest...« Einer der Schwimmhallenbesitzer stand vor Mumm.

»Hast du gewusst, dass von Clyde eine Einladung bekommen hat?«

»Nun, er ist adelig, und da...«

»Ihr habt einen verdammten Massenmörder hierher eingeladen!«

»Du musst wissen...«

Mumm winkte ab. »Es war ein anstrengender Tag für uns alle. Voller sonderbarer Ereignisse.«

»Hast du schon die sonderbare Geschichte von der Frau im Sprudelpool gehört?« mischte sich ein blasser Junge ein, der in der Nähe herumlungerte und schamlos alles belauscht hatte. »Eine Frau wurde schwanger, während sie da drin geschwommen ist. Und als das Kind zur Welt kam, war es ganz klein und grün. Kobolde verstecken sich im Sprudelbad.«

Der Zwerg sah ihn wütend an. »Das ist eine Lüge!«

»Ist es nicht! Es ist einer Freundin der Kusine zweiten Grades eines entfernten Bekannten von mir passiert.«

»Das Schwimmbad ist erst heute eröffnet worden, Mann!«

»Und?«

»Die Frau hatte gar keine Zeit, schwanger zu sein!«

»Trotzdem.«

So entstehen also urbane Legenden, dachte Mumm bei sich.

»Ich gehe jetzt und liefere Herr von Clyde in seiner hübschen Kellersuite bei Wasser und Brot ab, wenn du erlaubst, Herr Eisenhelm« sagte Mumm und deutete auf den triefend nassen Mann neben sich.

»Ha! Ja, und der Kerl sollte dir noch dankbar sein, so, wie du ihn vorhin gerettet hast...«

»Es ist eben keine gute Idee, mit Handschellen gefesselt vom Sprungturm zu springen, um vor seiner gerechten Strafe zu fliehen.«

Glen von Clyde grummelte nur und starrte wütend auf die kleinen Pfützen, die sich um ihn herum bildeten.

Bevor sie gingen, schaute Mumm noch einmal in die Halle zurück. Was für ein Tag! Zwerge, die ein Schwimmbad eröffneten, turmspringende Serienmörder und Kobolde, die perverse Dinge im...

Mumm erstarrte.

Drinnen stieg Lord Vetinari gerade mit seinem Sekretär in den Sprudelpool.
 

+++ENDE+++



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Kommentare zu diesem Kapitel (17)
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Von:  MaiRaike
2009-08-29T21:36:16+00:00 29.08.2009 23:36
Jaja. Jetzt wissen wir alle, woher das Gerücht kommt man könne im Whirlpool schwanger werden.

Man KANN darin schwanger werden. Genauso wie im Bett, auf dem Sofa, auf dem Fußboden...
Meistens sind zwei Leute beteiligt.

Die Vorstellung von einem Wettrennen, pardon: schwimmen, auf, ich meine im Ankh war... ein wenige eklig. Aber lustig.

Ich versuche immer noch mir Stibbons in seinem Handtuch vorzustellen...

Nobby... stelle ich mir lieber nicht vor.

Mein Gott. Das Bild kriege ich nie wieder aus meinem Kopf.

... denk ein ein rosa Nashorn!!

Die Fanfic ist wirklich genial. Gelungene Fanfic zu Pratchett.
Mehr davon!
Von:  violet-egg
2009-08-24T20:41:48+00:00 24.08.2009 22:41
Huhu! Die erste Fanfic, die ich hier auf animexx lese, und gleich so eine tolle :D man könnte meinen, die Dialoge stammen aus TPs Feder, die Geschichte ist genauso verrückt wie seine. Den Anfang fand ich übrigens am Besten.
Bitte mehr davon ^^

Das Ei
Von:  abranka
2009-08-10T16:22:28+00:00 10.08.2009 18:22
Deine Geschichte ist wirklich sehr unterhaltsam. Teilweise könnten die Szenen und Dialoge wirklich 1:1 aus einem Scheibenwelt-Roman stammen - da triffst du Terry Pratchetts Stil wirklich zu 100%.
Dann weicht es wieder etwas ab, aber du bist halt eine FF-Autorin und TP. ^.~

Mein persönliches Highlight war übrigens direkt die Eingangsszene. ^.^

Von:  Loettchen1989
2009-08-07T19:25:02+00:00 07.08.2009 21:25
sher sehr schön. ich liebe die scheibenweltromane und diese fanfic dazu ist einfach der mega hammer. am besten fand ich die zauberer, aber die sind sowieso immer meine favoriten *kicher*
wirklich super geschrieben; ich find nichts zu nörgeln
Von:  Nachtwandler
2009-08-03T16:21:35+00:00 03.08.2009 18:21
Geniale Geschichte. Könnte von fast Pratchett sein. Fast.
Ganz klar am besten - Vetinari mit seinem schwarzen Schwimmreifen.
(Und Nobby in Badehose. Uah. 8[)
... aber Angua im B.A.D.?!
Von:  PotionsMistress
2009-01-22T12:23:22+00:00 22.01.2009 13:23
*g* einfach nur genial. ICh liebe die Scheibenwelt.
Von: abgemeldet
2009-01-14T17:15:49+00:00 14.01.2009 18:15
*reinhüpf*
*hystrisch reisch*
*raushüpf*
*zettel da lass*
wahrg super coole storie, ich liebe die scheibenwelt^^
Von:  Tobias
2008-06-22T14:38:05+00:00 22.06.2008 16:38
Ha, sehr gut! Vielen Dank für diese Geschichte!

Ein paar Dinge waren leicht OOC, ein paar leicht kopiert - aber hey, du bist nicht Pterry, und dafür war die Geschichte sehr lesenswert: Der Favo dürfte für sich sprechen.

Liebe Grüße von einem Scheibenweltfan!
Von:  Yumielle
2008-04-17T17:18:44+00:00 17.04.2008 19:18
Hab gesehen, habe dir hierzu ja noch garkeinen Kommentar geschrieben obwohl es voll lang in meinen favos ist. Das hol ich mal nach!

Der erste Dialog zwischen Nobby und Fred fand ich schon zum grinsen. Den Ankh kann man wohl echt nur im laufen überqueren. Der Szenen danach mit Sam sind sehr realistisch geschrieben. Sybil hat eben doch die Pantoffeln an! Dagegen kann selbst Sam Mumm nichts tun ^^

Die Zauberer konnte ich mir sehr sehr schwer nur in Badeklamotten vorstellen. Ich mein ... Zauberer?! Oh mein Gott, ich glaub ich muss erblinden, allein von der Vorstellung. Selbst Nobby ging noch gut, da man ihn ja noch von seiner Frauen-Verkleidungs-Masche kennt. *grinst*

Gefreut hätte es mich, ein bisschen mehr von Angua zu lesen, oder auch Sally. Die beiden, keifend im Bikini? Ohje :D
Das Ende fand ich am besten, mit dem einen Satz von den Legenden. War ja klar, das Vetinari die Koboldpuster mal ausprobieren musste *lacht*

Also vom Inhalt her suuuuuper Story und von deinem Schreibstil her ebenso. Deswegen auch *fav*
Liebe Grüße, Draka


Von:  Calyses
2008-01-31T23:16:43+00:00 01.02.2008 00:16
Authentisch, klassisch Scheibenwelt, gut.
ich fand aber Vetinari ist leicht OoC. Er würde nie in aller Öffentlichkeit zugeben, dass er nicht schwimmen kann. Am besten hast du die Zauberer getroffen.


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