Geschwister Lektion 3: Rashit Teil 1
Nihao!
Ich bin mir sicher, dass ihr mir dieses Kapitel böse nehmt und, bei Gott, dazu habt ihr wohl auch alles Recht der Welt...
Ich heul ja selbst noch jedes Mal, wenn ich es lese v_V°
Zai jian, Ta-chan
08. Kapitel; Geschwister Lektion 3: Rashit Teil 1
Seufzend und völlig erschöpft stiegen die Freunde den Berg hinauf. Wie immer wollten sie trainieren. Seit nun mehr drei Wochen war das Team der Русская Революция gegründet und alles lief einwandfrei. Jedoch schien heute etwas anders zu sein. Ray spürte, dass etwas nicht stimmte. Als er jedoch einen Blick zu seinen fünf Teamkollegen warf, konnte er nur den Kopf schütteln. Über seine eigenen Gedanken und über seine Freunde. Kai diskutierte wieder einmal mit Bryan und Tala, wie sooft, und Ian und Spencer schienen sich mal wieder zu streiten. Also war doch alles wie immer. Worüber machte sich Ray dann solche Sorgen? Mit einem ergebenen Seufzen kletterte er weiter bergauf.
Endlich oben angekommen wollten sie wie immer ihre Kämpfe austragen. Doch dort, direkt vor ihnen, stand ein Fremder. Er war vermummt in einen schwarzen Mantel. Sein Gesicht war nicht zu erkennen, weil die Mütze des Mantels tief in selbiges gezogen war. Die Kälte schien dem Fremden nichts auszumachen. Scheinbar wartend stand er da. Fasziniert betrachtete Ray den anderen. Bis er von Ian aus den Gedanken gerissen wurde.
„He! Hast du eine Ahnung, wer das ist?“, fragte der Kleine.
„Fragen wir ihn doch einfach“, schlug Kai vor.
„He! Wer bist du?!“, schrie Ian zu dem Fremden hinüber.
Dieser ließ nur ein schauriges Lachen ertönen.
„Wenn ihr das herausfinden wollt, müsst ihr mich im Bladen schlagen. Aber da ihr das eh nicht schafft, könnt ihr es auch gleich lassen“, spottete der Vermummte.
Damit war Kais Wunderpunkt getroffen. Niemand spottete über seine Fähigkeiten als Beyblader!
„Gut. Gerne doch, dich schlage ich mit links“, knurrte der Graublauhaarige gefährlich.
Das Grinsen auf dem Gesicht des anderen konnte man nur erahnen. Er zog einen schwarzen Blade aus seiner Manteltasche und machte sich bereit. Kai ebenso. Doch der Kampf war schneller vorbei, als man gucken konnte. Die Blades prallten aufeinander und Kais wurde zu ihm zurück geschleudert und traf ihn genau in den Magen. Stöhnend sank der Russe zusammen.
„Wie? War es das schon? Habt ihr nicht mehr drauf?“, höhnte der Fremde.
Knurrend schritt Ray vor, auch wenn es scheinbar den anderen vier ebenso in den Fingern kribbelte dem Unbekannten eine Lektion zu erteilen, ließen sie den Schwarzhaarigen vor. Denn das war eine Sache, die Ray nicht vertrug.
„Keiner rührt meine Familie an. Und mit keiner bist auch du gemeint! Es ist mir egal, für wie toll du dich hältst, ich werde dir gleich zeigen, was mit denen passiert, die meiner Familie weh tun!“, zischte er.
Wütend machte er sich bereit, dem anderen zu zeigen, was eine Harke ist. Doch auch Ray hatte den Unbekannten unterschätzt. Die Blades schienen kurz miteinander zu tanzen, bis Drigger mit einer solchen Wucht direkt auf Ray zuflog, dass dieser bewusstlos wurde.
Verwirrt hielt sich der Schwarzhaarige den Kopf, als er blinzelnd die Augen öffnete. Im ersten Moment schien alles verschwommen. Dann jedoch erinnerte er sich an den Kampf und daran, dass er bewusstlos geworden war. Als sich seine Sicht wieder klärte, schrie er so laut er konnte. Der Schnee um ihn herum war rot gefärbt. Rot gefärbt vom Blut seiner Freunde, seiner Familie. Er wusste nicht, ob Kai, Tala, Bryan, Ian und Spencer bewusstlos waren, oder... oder tot... Doch vor ihm breitete sich ein Schlachtfeld aus. Und mitten im blutgetränkten Schnee stand der Fremde und lachte.
„Ich habe doch gesagt, ihr könnt mich nicht besiegen. Und, wie fühlt es sich an, seine Freunde tot zu sehen? Alles zu verlieren? Los, sag es mir, Ray, sag mir wie es ist zu leiden“, forderte er.
Ray blieb die Luft weg. Er wusste nicht, wie ihm geschah. Um ihn herum drehte sich alles. Sein Blick war starr auf seine Freunde gerichtet, während der kalte Wind an ihm zerrte. Schnee peitschte ihm ins Gesicht, während er verzweifelt die Hände im am Boden liegenden Schnee vergrub. Als könnte ihm die weiße Masse Halt geben, klammerte er sich daran fest. Wacklig rappelte er sich auf und ging auf Kai zu. Der Graublauhaarige atmete schwer und schwach, doch er atmete.
„Kai!“, rief Ray und ließ sich neben seinem Bruder in den Schnee sinken.
Er beugte sich über den Älteren, der ihn aus stumpfen, leeren Augen ansah.
„Wir hätten nicht kämpfen sollen, Ray... wir hätten... hätten... aufgeben müssen“, flüsterte er.
„Ja, Kai, aber, aber sag nichts! Ich... wir müssen Hilfe holen und dann geht es dir bald besser, ja?“, verzweifelt klammerte sich der Schwarzhaarige an diesen Strohhalm der Hoffnung.
Tränen liefen über seine von der Kälte geröteten Wangen und tropften auf Kais Oberkörper.
„Nein, Ray... dafür ist es zu spät... was wichtig ist, ist, dass du nicht vergisst, wie viel du mir bedeutest, ich hab dich lieb, kleiner Bruder...“, fuhr der Russe leise fort.
Sich vor Schmerzen krümmend hustete der Graublauhaarige Blut. Danach blieb er ruhig liegen.
Nicht einmal mehr seine Brust hob und senkte sich.
Alles Leben war aus dem Körper gewichen.
„Wie ist es, seinen Bruder zu verlieren?“, fragte die Stimme des Fremden neben ihm.
Ray blickte nicht einmal auf. Verzweifelt drehte er sich zu Tala, Bryan, Ian und Spencer.
„Den Kleinen und den Blonden kannst du gleich abhaken, die haben leider Gottes sehr schnell den Geist aufgegeben. Aber bei den anderen beiden könntest du ja noch so eine ergreifende Abschiedsszene hinlegen“, spottete der Andere.
Ray selbst war auch sehr geschwächt. Seine Sicht verschwamm immer wieder und er merkte, dass er mindestens drei gebrochene Rippen hatte. Das Atmen fiel ihm schwer und er musste Husten. Mit Schrecken stellte er fest, dass auch er Blut hustete. Scheinbar hatte sich eine Rippe in seine Lunge gebohrt. Mit letzter Kraft rappelte er sich wieder auf und schwankte zu Tala und Bryan. Erschöpft fiel er neben ihnen auf alle viere.
„Hey, du siehst gar nicht gut aus“, murmelte Tala leise.
„Danke, das Kompliment kann ich nur zurück geben!“, scherzte Ray.
„Was ist überhaupt passiert?“, fragte Bryan und richtete sich leicht auf, soweit es ihm seine Verletzungen erlaubten.
„Ich weiß nicht... dieser Kerl, er hat... uns besiegt... mehr als nur besiegt... wir müssen hier weg, ihr müsst in ein Krankenhaus!“, haspelte Ray eilig.
„Wir müssen in ein Krankenhaus? Und was ist mit dir?“, fragte der Rothaarige schief lächelnd und fuhr Ray durch die Haare.
Als er seine Hand wieder zurückzog, sah Ray, dass sich Blut an dieser befand. Sein Blut. Müde und schwach richtete sich auch Tala auf und sah den Schwarzhaarigen besorgt an.
„Wie geht es Kai, Ian und Spencer?“, fragte Bryan mit einem Blick auf ihre Freunde.
„Sie sind... tot...“, flüsterte Ray heiser.
Seine Stimme gab den Geist auf. Es auszusprechen war zu viel für ihn.
Eine heftige Windböe riss an seinen Kleidern und er sah nervös von Bryan zu Tala. Sein Gefühl sagte ihm, dass es den beiden bald nicht anders gehen würde, als Ian, Spencer und Kai. Erschöpft schloss Bryan die Augen und ließ sich wieder in den Schnee sinken.
„Ich bin müde...“, murmelte er leise.
Erschrocken haftete Rays Blick auf dem Grauhaarigen.
„Nein! Nicht einschlafen! Hörst du, Bry? Nicht einschlafen!“, flehte er verzweifelt.
Der Schwarzhaarige spürte eine Hand auf seiner Schulter und drehte sich zu Tala. Dieser hatte den Blick gesenkt, gebrochen blickte er zu seinem besten Freund auf dem Boden. Schmerzlich wurde ihm bewusst, dass auch seine Zeit gekommen war.
„Hör zu, Ray. Du musst von hier verschwinden! Geh und pass auf dich auf!“, befahl der Rothaarige dem Jüngeren.
„Nein! Nein, ich geh nicht ohne euch! Ihr dürft nicht auch... nicht...“
Mit ernstem Blick fixierte Tala Ray. Eine einzelne Träne bahnte sich ihre Weg durch sein Gesicht, vorbei an einer tiefen Schnittwunde auf der Wange.
„Bitte, Ray, geh... es bringt doch keinem etwas, wenn du auch... ich könnte es mir nie verzeihen, wenn du hier oben stirbst, nur weil du bei uns bleiben wolltest“, bat der Rothaarige mit letzter Kraft und sank auf den Boden.
Neben seinem besten Freund blieb er liegen und richtete noch einen letzten liebevollen und bittenden Blick auf Ray, bevor er die Augen für immer schloss.
„Nein! NEIN!“, schrie Ray lauthals.
Wütend schlug er mit den Fäusten in den Schnee. Unzählige Tränen versanken in der weißen Masse.
„Ihr dürft nicht sterben! Ihr nicht auch noch... ich liebe euch doch...“, flüsterte er.
Ja, endlich hatte er es sich eingestanden. Er war verliebt in die beiden Russen. Doch diese Erkenntnis kam nun zu spät. Jetzt würde er nie erfahren können, wie die beiden wohl darauf reagiert hätten.
Ob wenigstens einer von ihnen seine Gefühle erwidert hätte.
„Oh, wie traurig! Der arme, arme, kleine Ray hat seine große Liebe verloren“, höhnte eine Stimme hinter dem Schwarzhaarigen.
Verwirrt drehte Ray sich um. Tatsächlich war der Fremde immer noch da. Er stand direkt hinter Ray und schien sich an seinem Leid zu ergötzen.
Die Wut und der Zorn, die er momentan empfand, gaben Ray die nötige Kraft aufzustehen. Mit zu Fäusten geballten Händen starrte er den anderen an.
„Du! Wer bist du, dass du denkst über Leben und Tod entscheiden zu können? Für wen hältst du dich?“
„Ich? Ich bin der, der über Leben und Tod entscheiden kann! Du und ich, wir stehen über den Dingen, Ray. Wir entscheiden wer lebt und wer stirbt.“
„Was redest du da?!“
„Du hast bis jetzt allen den Tod gebracht und es wird immer so weiter gehen, Ray. Deine Mutter, dein Vater, deine Großeltern und jetzt auch noch dein Team. Und es ist noch lange nicht vorbei! Ich werde sie alle holen, alle die dir wichtig sind! Ryu, Rachel, Rafael, Mariah, Lee, Laila... sie alle werde ich holen und du kannst nur dabei zusehen. Zusehen, wie sie wegen dir sterben müssen.“
„Wieso?“, flüsterte Ray.
Ihm fehlte die Stimme. Und auch die Kraft nun laut zu sprechen. Woher wusste der Fremde so viel über ihn? Wer war er? Doch nicht der Tod persönlich, oder?
Es klang alles so verrückt für den Schwarzhaarigen.
„Weil ich dabei zusehen will, wie du nach und nach zerbrichst! Ich will dich leiden sehen, Ray. Zusehen, wie dich die Schuldgefühle zerfressen und die Einsamkeit an dir nagt. Ich will sehen, wie du zweifelst, an dir, an deinem Verstand. Bis du schließlich langsam und qualvoll stirbst. Von innen aufgefressen. Selbstzerstört.“
Mit diesen Worten drehte er sich um und wollte gehen.
„Warte! Wer bist du?!“, schrie Ray noch.
Grinsend drehte sich der andere um und zeigte ihm sein Gesicht. Erschrocken sog Ray die Luft ein. Als würde er in einen Spiegel blicken, sahen ihn zwei goldene Augen an. Die Nase, der Mund, der andere sah bis ins kleinste Detail so aus wie er. Nur das die goldenen Augen Kälte, Abneigung, Hass und Schmerz ausdrückten.
„Rate doch, wer ich bin. Vielleicht kommst du ja drauf“, sagte der andere kalt und ging.
Völlig allein saß Ray inmitten der Leichen seiner Freunde. Der Schnee um ihn war blutgetränkt und die Kälte nagte an seiner Gesundheit. Die Schuld nagte an seinem Verstand. Einzelne Eiskristalle blieben in seinem Haar hängen. Doch das einzige, was Ray sah, war das Gesicht des anderen.
„Rashit...“, flüsterte er noch, bevor er bewusstlos zusammenbrach.