Kapitel 3
Kapitel 3
Voldemort blickte den Jungen im Bett ungläubig an.
Dieser Junge hatte ihm Jahre lang kontra geboten. Hatte ihn mit
ganzem Herzblut bekämpft. Sämtlicher Trotz, sämtliches Feuer und
sämtlicher Kampfgeist war aus seinen Augen gewichen.
Sein wahrscheinlich größter Gegenspieler nach Dumbledore saß nun vor
ihm, gebrochen, und flehte ihn schon fast um den Tod, um Erlösung an.
“Nein“, antwortete er ruhig.
“Warum nicht“ fragte Harry, fast schon verzweifelt.
“Ich töte keine Kinder.“
Der Junge senkte traurig den Kopf. Tränen liefen seine blassen Wangen
herab und tropften auf die Bettdecke.
“Warum willst du sterben?“ fragte Malfoy vorsichtig nach.
“Warum sollte ich noch weiterleben? Niemand will mich haben. Keiner
interessiert sich dafür, ob ich lebe oder nicht“, flüsterte Harry mit
trauriger Stimme.
“Mich interessiert es aber“ meinte Malfoy. Harry hob den Kopf und sah
den Blonden ungläubig und mit tränenverschleierten Augen an.
“Mit wem soll ich mich sonst zoffen. Du bist der Einzige, der mir
ordentlich Paroli bieten kann“, lächelte der Blonde ihn an.
Harry lächelte schief. Genau betrachtet stimmte es.
In dem letzten Schuljahr waren ihre Streitereien zunehmender neckend
und herausfordernd geworden, anstatt vernichtend und beleidigend. Er
hatte sich regelrecht darauf gefreut ein Wortgefecht mir Malfoy
führen zu können. Außer ihnen hatte es keiner gemerkt. Man könnte
sagen, die beiden hätten über all die Jahre, in denen sie sich
gestritten hatten, eine seltsame Freundschaft aufgebaut, die zum
größten Teil aus ihren Wortduellen bestand. Harry erinnerte sich noch
zu gut an ihren legendären Streit in der großen Halle in den letzten
Weihnachtsferien.
Da hatten sie beide angefangen sich mit ihren Vornamen zu beleidigen.
Ron und Hermine wären fast die Augen raus gefallen, als Harry
plötzlich nicht mehr Malfoy, sondern Draco zu ihm sagte. Dieser hatte
es ihm mit barer Münze heimgezahlt und nannte ihn nun ebenfalls Harry.
Ja, Draco würde ihn vermissen. Ron und Hermine wohl eher nicht. Die
waren im letzten Jahr zu sehr mit sich selbst beschäftigt und er war
immer öfter alleine unterwegs gewesen...Sie brauchten ihn nicht.
“Und Severus würde dich auch vermissen. Wen sollte er sonst in
Zaubertränke angiften. Du bist, außer der Granger, der einzige
Gryffindor in dem Kurs“, grinste Draco weiter.
Harrys Lächeln wurde breiter.
“Und Tom hier hätte auch keine ernstzunehmende Konkurrenz mehr.
Das kannst du dem armen Kerl doch nicht antun“, noch immer grinste
Draco ihn spitzbübisch an.
“Stimmt, aber....ich will euch gar nicht mehr bekämpfen“, meinte Harry
leise. Zögernd.
“Musst du auch nicht“, meinte Tom leise. “Niemand verpflichtet dich
dazu.“
“Doch.....alle sagen, dass....“, meinte Harry leise.
“Na und“, unterbrach Draco ihn sanft. “Ist doch egal was alle sagen.
Wichtig ist, was du selbst möchtest. Was du selbst denkst. Sonst
nichts.“
“Ich darf selbst entscheiden?“ fragte er zögerlich und ungläubig nach.
“Natürlich. Ist immerhin dein Leben“, lächelte Draco.
“Und du solltest es so führen, wie du es für richtig hältst“, fügte
Tom hinzu und setzte sich vorsichtig neben Harry aufs Bett.
“Kann ich...kann ich hier bleiben? Ihr....ihr ward die einzigen, die
...die mir geholfen haben. Ich...würde gerne hier bleiben...wenn ich
darf....“, meinte Harry unsicher.
“Natürlich. Bleib hier wenn du möchtest. Draco ist die letzte Woche
sowieso kaum von der Tür zu deinem Zimmer gewichen“, lächelte Tom.
Dracos Wangen nahmen einen leichten rosé Ton an. “Ich habe mir halt
Sorgen gemacht. Ist das ein Verbrechen“, brummte er trotzig.
Harry lächelte ihn dankbar an. Dann wandte er seinen Kopf langsam Tom
zu.
“Warum hast du mir geholfen?“
Tom sah ihn ernst an, ehe er antwortete.
“Ich weiß, was es heißt für etwas zu leiden, wofür man selbst nichts
kann.“
Dann klopfte es an der offenen Tür.
“Dürfen wir reinkommen?“ fragte Blaise Zabini. Hinter ihm stand Pansy
Parkinson.
“Natürlich. Komm Severus, wir lassen die Kinder alleine. Aber seid ja
lieb zu Harry und passt auf, das ihr ihn nicht überanstrengt.“
Damit verschwanden Tom und Severus aus dem Zimmer.
Pansy und Blaise traten vorsichtig ein und setzen sich zu Harry und
Draco aufs Bett. Ein Glück, das es so groß war.
“Hey Potter, alles klar bei dir?“ fragte Pansy vorsichtig.
“Geht schon“, meinte Harry nur.
“Du sahst ja echt schrecklich aus, als Lucius dich hergebracht hat.
Aber Severus hat dich zum Glück wieder einigermaßen hinbekommen.
Was ist denn passiert? Willst du’s uns nicht erzählen. Vielleicht
geht’s dir dann besser“, meinte Blaise.
Draco rollte mit den Augen.
“Echt jetzt, du hast wohl noch nie was von Taktgefühl gehört.“
“Er muss ja nicht, wenn er nicht will“, verteidigte Blaise sich.
Harry sah die drei unsicher an. Würden sie ihn auslachen? Würden sie
sich von ihm abwenden? Ihn für ekelerregend halten? Ihn meiden?
Aber früher oder später würden sie es sowieso erfahren. Dann würde es
noch mehr weh tun, wenn sie ihn nicht mehr mochten. Jetzt hatte er
nichts zu verlieren...aber später würde er vielleicht Freunde
verlieren. Tief atmete Harry noch mal durch und meinte dann.
“Ich erzähl’s euch....aber nur wenn ihr mich...danach nicht...hasst“,
meinte er leise. Wohl wissend, das sie dieses Versprechen
wahrscheinlich nicht würden halten können.
Alle drei nickten stumm.
Dann begann Harry zu erzählen. Die ganze Zeit fixierte er seine Hände,
die in seinem Schoß lagen. Als er geendet hatte, wartete er.
Wartete auf die Beleidigungen.
Wartete darauf, das sie aufstanden und gingen.
Wartete darauf, das er wieder alleine war.
Als nichts passierte, blickte er langsam auf.
Doch statt der von Ekel und Verachtung durchzogenen Gesichter, die er
erwartet hatte, sahen die drei ihn mit einer Mischung von Entsetzen,
Mitleid und Betroffenheit an.
“Hasst ihr mich jetzt? Bin ich nicht eklig? Lasst ihr mich alleine?“,
fragte er leise und ängstlich. “Nein Harry, dich trifft keine Schuld“,
meinte Draco ernst.
“Wir hassen dich nicht. Du bist nicht eklig, du kannst nichts dafür.
Ich habe deinen Onkel mal gesehen. Gegen ihn konntest du dich gar
nicht wehren. Nicht ohne deinen Zauberstab. Und wir lassen dich auch
nicht alleine. Ich zumindest nicht.“
“Ich auch nicht“, stimmte Blaise zu. Pansy nickte.
“Echt?“ fragte Harry ungläubig.
“Echt“, antwortete Draco.
Mit einem leisen plopp erschien plötzlich eine Hauselfe, mit einem
Tablett.
“Master Tom meinte, das die jungen Masters hier essen können“, meinte
sie mit piepsiger Stimme.
“Schon Mittag“, meinte Pansy nur und sah zu der kleinen Uhr, die auf
dem Schreibtisch stand. Es war halb eins.
“Möchtest du im Bett essen?“ fragte Draco nach, während Blaise dem
Hauselfen das Tablett ab nahm. Der Elf verschwand mit einer tiefen
Verbeugung wieder.
“Mhm“, stimmte Harry zu. Er war sich immer noch nicht sicher, ob die
drei ihm die Sache nicht doch krumm nahmen, trotz Dracos ernsten
Worten.
Auf dem Tablett standen drei Schälchen mit Gemüsesuppe und ein Teller
mit Brotscheiben.
Obwohl Harry lange nichts mehr gegessen hatte, hatte er kaum Hunger.
Deshalb würgte er auch nur ein paar Löffel der Suppe runter.
Weder Blaise noch Pansy sagten was dazu. Draco sah ihn nur besorgt an.
“Magst du nichts mehr?“ fragte er.
Harry schüttelte den Kopf.
“Okay. Musst nicht aufessen, wenn du nicht willst. Severus meinte
auch, das du es mit dem Essen langsam angehen sollst. Ich bin froh,
dass du überhaupt was gegessen hast“, lächelte Draco ihn sanft an.
Harry lächelte leicht zurück. Er war froh, das sie ihn nicht zwangen,
aufzuessen.
Die anderen drei aßen eine Weile stumm weiter. Als sie fertig waren,
stellten sie das Tablett neben das Bett auf den Boden.
“Was hast du jetzt vor?“ fragte Pansy.
“Erst mal hier bleiben“, antwortete Harry nur.
“Und die Schule? Immerhin fängt in zwei Wochen der Unterricht wieder
an“, meinte Blaise.
“Ich hab keinen Zauberstab mehr...Und ich weiß nicht, ob Tom mir
erlaubt wieder zur Schule zu gehen.“
“Bestimmt erlaubt er dir das. Und was deine Sachen angeht, da können
wir Neue kaufen. Ist bestimmt kein Problem“, lächelte Draco ihn
aufmunternd an.
“Meinst du?“
“Willst du Tom selbst fragen?“
“Ja, bitte.“
“Ich hol ihn schnell her“, meinte Pansy, stand auf und ging um Tom zu
suchen.
Keine fünf Minuten später kamen die zwei zur Tür rein.
“Pansy meinte, du wolltest mich was fragen“, meinte Tom.
“Ja, ähm....darf....darf ich eigentlich wieder...nach Hogwarts?“,
wollte Harry unsicher wissen.
“Wenn du möchtest“, antwortete Tom nur.
“Aber....meine....mein Onkel hat...meine ganzen Sachen...verbrannt.
Auch...auch meinen Zauberstab.“
“Dann kaufen wir die Sachen eben neu.“, meinte Tom nur.
Harry sah Tom unsicher an.
“Wirklich?“
“Natürlich. Wenn du nach Hogwarts willst, kannst du natürlich zurück.
Und deinen Zauberstab und die anderen Sachen ersetzten wir dir. Du
musst nur versprechen, in den Ferien wieder her zu kommen. Zusammen
mit Draco, Pansy und Blaise. Okay?“
Harry nickte nur. Seine Augen leuchteten leicht. Er durfte zurück
nach Hogwarts. Sie sperrten ihn nicht ein.
Tom lächelte.
“Du hast doch morgen Geburtstag. Wenn Severus sein okay gibt, können
wir ja in die Winkelgasse und dir ein paar Sachen besorgen. Draco
leiht dir sicher was zum anziehen. Deine Wunden sind auch in so weit
verheilt. Nur noch leichte Prellungen und Schürfwunden sind übrig,
also kannst du ruhig aufstehen. Aber sag, wo ist deine Eule? Du
hattest doch eine.“
Harry schluckte. “Mein Onkel hat sie erschossen“, meinte er leise.
“Willst du ein neues Haustier?“ fragte Tom sanft nach.
“Wenn ich darf, aber....aber keine Eule mehr....“, meinte Harry leise.
“Gut. Dann keine Eule. Wir finden schon was“, lächelte Tom den Jungen
aufmunternd an.
Harry lächelte leicht zurück. Dann murmelte er ein leises: “Danke.“
“Kein Problem. Sag mal, macht’s dir was aus, wenn Severus kommt und
dich noch mal ansieht?“
“Darf...darf Draco hier bleiben?“
“Wenn er möchte“, antwortete Tom.
Harry sah Draco unsicher an. Dieser lächelte nur.
“Klar bleibe ich hier. Und Blaise und Pansy können in der
Zwischenzeit meinen Schrank nach Klamotten für dir durchforsten. Was
meinst du?“
Harry lächelte dankbar und nickt leicht.