Herausgeplatztes Geständnis
„.........“ = wörtliche Rede
>........< = Gedanken
[..........] = persönliche Kommentare der Autorin
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Obwohl er es gerne getan hätte, bringt Ren es nicht fertig, sich zu ihr ins Schlafzimmer zu setzen.
Stattdessen steht er mit einem teuflisch starken Kaffee in der Hand im Wohnzimmer und starrt
unfokussiert zum Fenster hinaus...
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Etwa 3 Stunden später (es ist bereits früher Abend) entschließt er sich doch noch, hinüber ins
Schlafzimmer zu gehen.
Kyoko atmet ruhig und gleichmäßig, als er zur Tür hereinkommt und so greift er zu Kyokos Tasche, die
er vor gut einer Stunde aus dem Wagen hochgeholt hat, und kramt die zweite Dose Elektrolytlösung
heraus.
Er öffnet sie mit leisem Knacken und setzt sich vorsichtig auf die Bettkante. Sachte legt er eine Hand auf
ihre Stirn, um die Temperatur zu prüfen ... und stellt erleichtert fest, dass offensichtlich alles in
Ordnung ist. Dann streicht er ihr zärtlich eine Haarsträhne aus dem Gesicht, ... woraufhin er
unwillkürlich zusammenzuckt.
>Schon wieder! – Ich darf die Kontrolle nicht so schnell verlieren.<
Er seufzt tief, dann rüttelt er sanft an Kyokos Schulter.
Mühsam kämpft er um einen neutralen Gesichtsausdruck, als er sie leise anspricht.
„Mogami-san!“
Das Mädchen stöhnt leise, ihre Finger zucken leicht.
„Mogami-san!“, sagt er etwas lauter. „Tut mir Leid, aber ich muss dich jetzt wecken. Es wird langsam
Zeit, dass du noch etwas von der Elektrolytlösung trinkst.“
Kyoko öffnet schwerfällig die Augen. Erst nach ein paar Sekunden registriert sie, dass sie sich in Ren
Tsurugas Schlafzimmer befindet.
Augenblicklich sitzt sie senkrecht im Bett, die Augen entsetzt aufgerissen. - 5 weitere Sekunden später
bemerkt sie erleichtert, dass sie noch vollständig bekleidet ist.
„Wie... Wieso ... bin ich hier?! Wollten Sie mich nicht...“, stammelt sie verwirrt, doch Ren unterbricht sie
mit einem leicht spöttischen Lächeln.
„Wenn du mir den Weg nicht zeigst... Du bist eingeschlafen, gleich nachdem du im Wagen gesessen
hast.“
„Wieso haben Sie mich nicht geweckt?“
„Das habe ich mehrfach versucht, aber du hast fest geschlafen. Du bist nicht mal aufgewacht, als ich
dich nach oben getragen habe.“
[DAS ist eine fette LÜGE!! Zwar hat er 2mal versucht, sie zu wecken, das aber nur sehr halbherzig und
lustlos! ^^]
Kyoko kriecht die Röte flammend ins Gesicht. „A... Aber...“
„Kein Aber. – Wenn ich es mir recht überlege, kann sich bei dir zu Hause doch mit hoher
Wahrscheinlichkeit niemand um dich kümmern, oder?“ Er sieht sie durchdringend an.
>Mist, erwischt!< Das Mädchen gerät heftig ins Schwitzen.
„Ich habe die nächsten Tage weitgehend frei.“, fährt Ren fort, „Am Donnerstag [Es ist übrigens
Dienstag.] habe ich gegen Abend einen Pressetermin und muss danach noch kurz in die Agentur, um
die Termine für die nächste Woche zu besprechen. Ansonsten ist nur Textlernen und Rollenrecherche
angesagt und das mache ich sowieso hier.“
Kyoko fällt beim besten Willen kein Gegenargument ein, jedenfalls keines, das er wohl gelten lassen
würde.
Der Schauspieler lächelt ihr zu und reicht ihr die Getränkedose.
„Hier, trink. – Gleich gibt es auch etwas zu Essen, ich hab uns was gekocht.“
Kyokos Augen werden so groß, dass sie beinahe aus ihren Höhlen zu fallen drohen.
„Was?! Sie können kochen?!“
Vor Verlegenheit läuft Rens Gesicht rosa an. „Na ja, ‚können’ würde ich das eher nicht nennen. Ich
bringe lediglich eine halbwegs anständige Gemüsesuppe hin, abgesehen natürlich von so einfachen
Dingen wie Reis kochen oder Spiegeleier braten. – Aber ich dachte, du solltest besser etwas
‚Vernünftiges’ essen, ... um mit deinen Worten zu sprechen.“ Ein leichtes Grinsen umspielt seine
Lippen.
Kyoko bemerkt plötzlich die mit Pflastern gespickten Finger ihres Gegenübers und schmunzelt leise in
sich hinein.
>Ist ja irgendwie rührend... – Seit wann ist er so fürsorglich?<
Nach dem Essen (die Suppe war tatsächlich genießbar, ... wenn auch nicht unbedingt ein Gourmet-
Genuss) entsteht unerwartet eine ziemlich lastende Stille.
Ren überlegt fieberhaft, ob er jetzt (endlich) sein Geheimnis lüften soll, während Kyoko sich ihrerseits
fragt, wie das Ganze weitergehen soll, ohne irgendwann furchtbar peinlich zu werden. Siedendheiß fällt
ihr plötzlich ein, dass es schon ziemlich spät sein muss und sie eigentlich jetzt einen ihrer Putzjobs zu
erledigen hätte.
„Oh, mein Gott!“, ruft sie erschrocken, „Ich müsste längst im Nakamura-Gebäude sein...“ [Man verzeihe
mir den Kalauer ^^’ ]
Der Schauspieler legt die Stirn in strenge Falten.
„Du musst nirgendwohin, ... mindestens die nächsten 2 Tage. – Schon vergessen, was der Arzt gesagt
hat?“
„Das kann ich mir nicht leisten!“, gibt sie zurück und versucht aufzustehen, ... wird jedoch sofort wieder
in die Kissen gedrückt.
„Aber, ... Tsuruga-san...“, beginnt sie, doch ihr gehen plötzlich die Worte aus.
„Warum kannst du es dir nicht leisten?“, fragt der Schauspieler ernst; eine böse Ahnung macht sich
langsam in ihm breit...
„Von irgendwas muss ich leben!“, sprudelt es ein wenig trotzig aus dem Mädchen heraus. „Glauben Sie
ernsthaft, mit dem Praktikantenjob und dem bisschen Schauspielerei verdiene ich genug, um über die
Runden zu kommen?! – Dazu kommt noch, dass die normalen Nebenjobs eigentlich im Moment auch
nicht reichen. Während der Dreharbeiten zu Dark Moon konnte ich nicht arbeiten und demnächst steht
die Premiere an, da muss ich ein Abendkleid haben, das wenigstens halbwegs repräsentabel ist.“ Leise
fügt sie hinzu: „Ich will nicht noch mal wie eine altmodische Landpomeranze dastehen.“ Den Rest
murmelt sie mehr für sich selbst: „Als Mauerblümchen habe ich mich lange genug betiteln lassen...“
Ren ist vollkommen geschockt, er muss erstmal tief durchatmen, bevor er die Sprache wieder findet.
Trotz allem versucht er jedoch noch immer, sich nichts anmerken zu lassen, weshalb er in möglichst
sachlichem Ton nachhakt.
„Was ist mit deiner Mutter ... äh ... deinen Eltern, zahlen die keinen Unterhalt?“
Kyokos Gesicht verdüstert sich augenblicklich. Plötzlich wabern überall kleine, schwarze
Dämonenwölkchen um sie herum. (Allerdings nicht so viele wie sonst und auch nicht so heftig, denn sie
hat im Moment einfach nicht genug Energie dafür.)
„Eltern?!“, regt sie sich auf. „Mein Vater hat sich verpisst, als ich noch ganz klein war und meine
Mutter...“ Sie kocht inzwischen vor Wut. „Meine Mutter hat wohl kaum das Recht, sich überhaupt so zu
nennen.“ Unversehens blickt sie Ren ins Gesicht und registriert seinen betroffenen Ausdruck, ... was in
ihr sofort ein schlechtes Gewissen auslöst. (Schließlich kann er ja nichts dafür.) Darum mäßigt sie ihre
Lautstärke und erklärt etwas ruhiger weiter.
„Meine Mutter hat mich irgendwann allein im Ryokan der Fuwas zurückgelassen. Sie ist einfach fort
gegangen, ... ohne ein einziges Wort der Erklärung. – Ich weiß bis heute nicht, warum.“ Traurig senkt
sie den Blick. „Ich habe nie wieder etwas von ihr gehört... Seitdem muss ich selbst sehen, wie ich
meinen Lebensunterhalt verdiene.“
Ren Tsuruga ist zutiefst geschockt. Seine Fassade ist vollständig zusammengebrochen. Am liebsten
würde er das Mädchen einfach in die Arme schließen und trösten, doch er sitzt einfach nur wie
versteinert da.
Lange ist es still. Kyokos Dämonen haben sich – warum auch immer – vollständig in Luft aufgelöst.
Schließlich räuspert sich der Schauspieler; er hat endlich seine Beherrschung wieder gefunden.
„Das heißt, du musst ganz allein für dich sorgen.“
Das Mädchen nickt stumm.
„Wie ich dich kenne, war das gerade das erste Mal, dass du es jemandem erzählt hast, richtig?“
„So ungefähr...“, gibt sie widerstrebend zu, dann sieht sie ihn plötzlich flehend an.
„Bitte, Tsuruga-san, erzählen Sie es nicht weiter.“
„Warum nicht?“, fragt er verständnislos zurück. „Diese Praktikantenjobs sind doch vor allem deshalb so
schlecht bezahlt, weil man davon ausgeht, dass die Betreffenden noch bei ihren Eltern wohnen oder
studieren und von Ihren Familien finanziell unterstützt werden. Ich bin sicher...“
„Nein.“, fällt ihm Kyoko ins Wort, „bitte nicht, ... es ist auch so schon schwierig genug. Ich will nicht
darüber reden müssen ... und ... ich will keine mitleidigen Blicke.“
„Ich verstehe.“, seufzt Ren. „Aber es ist nicht richtig. – Und das alles noch zusätzlich neben Schule und
Schauspielakademie...“ Er schüttelt fassungslos den Kopf; ihre Leistungen für LME haben gerade einen
erheblich größeren Stellenwert bekommen... „Vermutlich legst du obendrein noch Wert auf erstklassige
Noten, hab ich Recht?“ Er schaut ihr geradewegs in die Augen.
„Ja, natürlich.“, antwortet sie verblüfft und fragt sich, ob er vielleicht hellsehen kann... Besonders
verwundert ist sie allerdings über die Ehrlichkeit und Ernsthaftigkeit in seiner Miene.
Ren mustert sie eine Weile eindringlich, ... was zur Folge hat, dass sie unter seinem Blick zartrosa
anläuft.
„Gut“, sagt er schließlich, „ich verliere kein Wort darüber, ... aber nur unter zwei Bedingungen:
1. Du sagst sämtliche Jobs bis zum Ende der Woche ab. Du brauchst dringend eine Pause.“
Kyoko setzt schon an zu widersprechen, doch der Schauspieler unterbindet das mit einem einzigen,
strengen Blick.
„Lass mich ausreden. –
2. Wirst du mir umgehend Bescheid geben, wenn du deswegen einen der Jobs verlieren solltest. Ich hör
mich dann nach etwas Neuem um, vorzugsweise etwas Besserbezahltem, das weniger anstrengend ist
und ich helfe dir notfalls finanziell über die Runden, bis du etwas Neues hast.“