Destination Death - Immortal Pain
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Kais POV
“Fear in me so deep, it gets the best of me,
In the fear I fall, here it comes face to face with me,
Here I stand hold back so no one can see,
I feel these wounds, step down, step down,
step down.”
Mit flüsternder Stimme singe ich dem Publikum diese Worte entgegen, nur um zum Schluss ihnen mit aller Kraft entgegen zu schreien. Sie sollen mich hören, jeder einzelne von ihnen; ich will, dass sie mich vernehmen!
Schenkt mir Beachtung, hört nur auf mich, denn ich berichte die Wahrheit. Ich werde nicht lügen, niemals mehr. Lüge ist die Wahrheit im Traum, doch in der Realität ist alles bedeutungslos...
Obwohl dies so ist, werde ich dennoch mit ihnen sprechen und ihnen von der Ungerechtigkeit der Welt erzählen. Werde ihnen eine Beichte meiner Sünden und meiner Ängste ablegen. Solange ich nicht erkaltet bin, werde ich alles daran setzen sie zu warnen, damit sie nicht dieselben Fehler begehen wie ich.
Ich umfasse das Mikro, hole tief Luft und singe den Refrain. Meine Bandmitglieder unterstützen mich, als meine Stimme vor Erschöpfung des schon lang andauernden Konzerts zittert.
“Am I breaking down
Can I break away
Push me away, make me fall,
Just to see, another side of me,
Push me away, you can see,
what I see, the other side of me.”
Mein Hals kratzt, doch ich kann nicht aufhören. Schwärze flimmert vor meinen Augen, Punkte tanzen auf meinen Lidern, wenn ich sie schließe. Ich schwitze und in meinem Kopf dreht sich alles. Ich habe kaum noch Kraft. Meine eigene Energie verliert sich in den Worten, die ich ihnen klar zu machen versuche... verstehen sie mich überhaupt? Wissen sie, worüber ich singe? Wissen sie, dass dies alles mich betrifft? Dass ich ihnen von mir selbst berichte? Mir, dem größten Sünder?
Ich wende den Kopf zur Seite, nicke meinem Gitarristen zu, der mich angrinst. Mit laszesiven Bewegungen meiner Hüften bringe ich die weiblichen Fans zum Schreien, die Männer folgen mir, als ich sie zum Headbanging auffordere. Sie gehorchen mir, folgen mir wie dressierte Hunde. Aber die Befehle verstehen sie nicht. Sie kennen die Handbewegung, die Tonlage der Stimme und wissen, was sie tun müssen, aber den Grund kennen sie nicht. Sie begreifen ihn nicht. Programmierte Roboter, die nur den Tastenkombinationen folgen, die man ihnen eingibt und nichts hinterfragen.
Sie verstehen die Worte nicht...
“Fall back on me, and I’ll be the strength I need,
to save me now, just come face to face with me,
stay in place you'll be the first to see me heal these wounds,
step down, step down, step down, down.”
Doch wofür singe ich dann, wenn sie nicht begreifen, was sie bedeuten? Sie kreischen zu den Worten, obwohl sie nicht dafür bestimmt sind beschrieen zu werden. Ich habe unter Krämpfen und auch Tränen diese Buchstaben zu Papier gebracht. Es hat mich Schmerzen gekostet sie zu äußern... und noch mehr sie nun ihnen darzubieten, meine Seele offen zu legen wie ein Buch.
Sie sind dumme Tiere, nichts weiter.
Ich verachte sie, jeden einzelnen von ihnen. Sie können mit meinem Geständnis nichts anfangen. Mit keinem dieser Worten. Dabei sind es genau jene, die mich fesseln könnten. Wenn jemand den Text sich zu nutzen machen würde, wäre es ein leichtes für ihn Macht über mich zu erlangen... denn Worte sind schließlich Macht.
Ich lasse meine Zunge aus dem Mundwinkel hervorblitzen und das gesamte Weibervolk schreit sich die Lunge aus dem Leib. Ich lache gehässig in mich hinein. Wenn sie mich wollen, müssen sie nur das gegen mich verwenden, was ich ihnen selber sage. Nicht einmal so viel Grips haben sie.
Ich renne quer über die Bühne und werde von einem Gewitterhagel von Blitzlichtern verfolgt.
“I’m not breaking, down
can I break away
push me away, make me fall,
just to see another side of me,
push me away you can see,
what I see, the other side of me”
Was haben sie davon? Ich wirble mich herum… absolut gar nichts. Es bringt ihnen doch nichts. Ein Foto... Abbilder, die nicht die Realität zeigen. Es sind nur billige Kopien eines Originals, dessen verrottendes Inneres man nicht kennen will. Ein Bild, das hervorragend verschleiert, was im Verborgenen liegt. Es ist nichts wert. Es zeigt nicht mich, sondern nur einen Doppelgänger, der keine meiner Eigenschaften besitzt.
Ich werfe meinen Kopf in den Nacken. Ich lächle leicht. Es ist lustig, wie man singen und separat etwas ganz Anderes denken kann. Wenn die wüssten, was ich von ihnen halte. Sie würden nicht mehr kommen. Doch ich brauche sie. So sehr ich sie auch hasse, ich brauche ihre Energie, denn meine eigene ist längst erloschen. Ich brauche ihre animalische Kraft, um mich endlich von den Geständnissen zu befreien, die ich mir von meinem versteinerten Herzen singen will. Die Worte, die in mir brenen. So widersprüchlich es auch ist... dass sie mir das ermöglichen, lässt mich sie wieder lieben.
Ich handle widerrechtlich.
Doch das tangiert mich peripher.
“Go!
Fall, can I break away
push me away, make me fall,
just to see another side of me,
push me away you can see,
what I see, the other side of me”
Diese Welt wird von Ungerechtigkeiten regiert und warum sollte ich mich anders verhalten wie jene, die mir tagtäglich gegenüber stehen? Wenn man sich selber schützen will, muss man so handeln, wie andere es tun. Angriff folgt auf Angriff, solange bis jemand stirbt. Ich werde nicht sterben. Nicht vor ihnen.
Ich werde mich erst zur ewigen Ruhe begeben, wenn die anderen alle tot sind. Damit ich auf ihren Gräbern tanzen kann.
Ich werde es genießen.
Schon einmal habe ich Herzen verletzt... und ich werde es wieder tun. Wie damals, als ich einfach meine Freunde verlassen habe, um mit dieser Band erfolgreich zu werden. Ich habe sie zerbrechen sehen, ich habe sie zersplittern hören und ich bin über die Scherben getreten, um sie endgültig zu zermahlen. Niemand wird sich mir in den Weg stellen. Ich werde meinen Weg gehen und alle aus dem Weg räumen, die mich behindern wollen. Gnade sei niemanden gewährt.
Ich grinse.
Wann wird sich endlich jemand entschließen mich aufhalten zu wollen? Diese Person muss all das nehmen, was ich denen dort unten... in den Massen, weg von der Bühne... gebe. Er muss es nutzen, damit es ein Messen wird von Kräften.
Sodass ich verliere...
Denn ich habe keine Kraft mehr, weshalb ich sie den Menschen dort unten entziehe.
Oh ja, das ist mein Ziel. Ich warte darauf, dass man mich zu stoppen versucht. Einen skrupellosen Menschen wie mich, muss man aufhalten, denn ich kann der Welt schaden. Wer mein Gegner sein will, muss einer Konfrontation mit mir Stand halten. Ich bin ein Feind für die Ewigkeit.
“No one can see anything on the other side of me
I walk, I crawl, loosing everything and waiting for the downfall
No one can see everything on the other side of me
I walk, I crawl loosing everything on the downfall.
Downfall, Fall.” *1
Die letzten Töne verklingen und sie alle kreischen vor Begeisterung. Ich nehme diese Spannung in der Luft mit jedem Atemzug in mir auf...
Es muss verwirrend klingen. Ich versuche meinen Weg zu gehen, ohne dass man mich aufhalten kann, aber gleichzeitig suche ich doch jemanden, der es versucht. Ich biete der Person sogar noch Hilfsmittel an.
Aber so ist das Leben, unberechenbar, seltsam und voller Rätsel. Wie ich.
Eine Überraschung eben...
Ich lächle zuckersüß zu den Damen in der ersten Reihe und schaue gehässig zu den Herren. Dann verabschieden wir uns. Für heute ist es das gewesen. Wieder einmal bin ich nur intellektuell beschränkten Wesen begegnet, die keine wirklichen Herausforderungen für mich darstellen. Keiner von ihnen ist meiner würdig.
Im Backstage Bereich zünde ich mir eine Zigarette an. Der beißende Rauch in den Lungen tut mir gut. Es ist zwar schädlich und für meine Stimme eigentlich nicht förderlich, aber so etwas kümmert mich schon lange nicht mehr. Wir alle sterben irgendwann einmal. Man kann den Prozess beschleunigen oder verlangsamen, das Ergebnis bleibt letztendlich dasselbe.
Warum unnötig Zeit verschwenden?
Niemand kennt mich derart selbst zerstörerisch und depressiv. Selbst für meine Bandkollegen bin ich der zwar abweisende aber lebensbejahende Typ. Wenn sie wüssten... wenn sie hinter die Fassade blicken würden... dann würden sie etwas Anderes sehen. Etwas ganze Anderes... aber es ist fraglich, ob das erste oder zweite die wahre Seite von mir ist... ist es das Äußere, da ich tagtäglich mit ihm lebe nicht schon mein eigentliches Selbst geworden? Oder ist das, was in mir schlummert, der eigentliche Kai, der sich nur verbirgt, um nicht erkannt zu werden? Oder ist es bloß eine perverse zweite Seite, die wie Mister Hyde nur darauf wartet zu erwachen und die Kontrolle zu übernehmen? Ein fremdes Wesen in meinem Körper, das nicht ich ist, aber gleichzeitig doch?
Schwer zu sagen. Ich habe keine Antwort darauf.
Die anderen duschen und ich folge ihnen. Es ist eine Art Tradition unter uns geworden, dass der letzte, der zum Duschen kommt, die anderen mit dem Dushgel einschmiert. Meistens bin ich es, da ich erhebliche Probleme habe aus meinen Klamotten zu schlüpfen. Zwar lege ich während der Show so gut wie immer mein Oberteil ab, weil ich durch das Singen, ständige Bewegen und durch die Lampen schwitze, aber gerade dadurch klebt meine Hose so sehr, dass ich sie nicht mehr ausziehen kann. Hinzu kommen die Schlüsselketten, die sich dann auch noch verhaken müssen, meine engen Schuhe, dies und jenes. Man sollte sich vorher auch noch abschminken, denn sonst läuft das Make-up in der Dusche über das gesamte Gesicht, was einem Gemälde von Munch nicht unähnlich sieht.
Da ich einfach nicht ohne Eyeliner und schwarzen Lidschatten kann, dauert es immer etwas.
Die Jungs unterhalten sich über das Konzert und wie es gelaufen ist. Ich rede nicht gern darüber, da ich sonst meiner Frustration Ausdruck verleihen würde. Sie sind alle hohlköpfig und nicht selbst kreativ. Wie oft sehe ich Männer und Mädchen, die unseren Stil kopieren oder sich dasselbe Deo kaufen wie wir. Diese Menschen besitzen keine eigene Persönlichkeit... ich finde das abartig. Und solchen Wesen muss ich während eines Konzerts in die Augen sehen. Da dreht sich mir der Magen um. Ich könnte genauso gut in den Spiegel sehen und dabei wäre ich dann weniger angepisst.
Bevor wir uns in unseren Tourbus zurückziehen können, muss ich noch das Schlimmste an dieser Prozedur ertragen: Die autogrammhungrigen Fans, die flehentlich um ein gemeinsames Foto bitten. So sehr ich sie für ihre Kraft liebe, so sehr hasse ich sie für ihren Fanatismus. Wozu brauchen sie ein Foto mit mir? Was ist daran so toll ein Abbild von mir zu haben, wo sie selbst auch noch drauf sind? Reicht es nicht, dass sie mich mit ihrem Blitzgewitter von Kameras auf der Bühne beinahe blenden?
Ich würde am liebsten in ihre fanatischen Gesichter schreien, wenn sie vor mir stehen und sie dazu bringen aufzuhören so wie ich sein zu wollen! Sie sollen aufhören die ausdruckslose Maske meines Gesichtes zu tragen, da ich selber nicht weiß, welcher meiner Seiten ICH ist...
Aber ich werde es erdulden.
“Say a prayer for me
Cause I can barely breath
I'm suffering and I can't take it
Because of me
No one will ever see
This side of me
If I don't make it”
Die Strophen dieses Textes kommen mir wieder in den Sinn, als ich vor einem weiblichen Fan stehe. Ich sehe ihre feuchten Augen und der glückliche Ausdruck in ihnen. Was ist daran so besonders mich sehen zu dürfen? Ich bin ein Arschloch wie jeder andere... ich verstehe es nicht.
Ich blicke sie kurz direkt an, was sie aus der Bahn zu werfen scheint. Naives, kleines Kind... Kein Gegner für mich. Zu unerfahren und leichtgläubig für diese Welt. Sie kennt bestimmt nicht einmal die Hälfte der Erfahrungen, die hinter meinen Texten stehen. Sie wird nicht einmal die Bedeutung erahnen. Sie ist ein behütetes Schaf in der Herde ihrer Mutter... und sie ist genauso dumm wie eines. Nur weil sie schwarz trägt, heißt das nicht, dass sie einen ebenso weiten Blick hat wie die anderen Gothics und Metaller hier. Ich glaube nicht einmal, dass sie annähernd um die schrecklichen Umstände unserer Welt weiß... und um mich.
Wenn sie wüsste, von wem sie hier ein Autogramm haben will. Ja, von wem? Wer bin ich?
“It's like I can't wake up
It's like I can't get up
It's like I can't remember who I used to be”
Ich wende mich von ihr ab. Dieses kleine Porzellanpüppchen erträgt doch niemand.
Mir werden Fragen gestellt und ich höre Beteuerungen wie sehr wir doch wieder gerockt haben. Angeblich haben wir Herzen berührt, aber davon habe ich nun gar nichts gesehen. Alle solche Lügner. Ich habe geschworen nie wieder zu lügen, aber damit habe ich ja wohl gelogen. Ist es denn nicht hinterhältig von mir, dass ich allen verschweige, dass ich eine geteilte Person bin, die über Leichen gehen würde, nur um jemanden zu finden, der sie endgültig ausschaltet? Was würden sie sagen? Was würden diese unterbelichteten Lebewesen dann von mir halten?
Ich hoffe, dass ihr Weltbild zerstört wird. Sie sollen sehen, was dieses Leben aus Menschen wie mir gemacht hat.
“Am I running from you
Or am I running from me?
It's like I can't wake up
It's like I can't get up
It's like I can't remember who I used to be
Am I running from you
Or am I running from me?”
Bin ich einmal anders gewesen? Ich kann mich nicht erinnern… ich weiß nur, dass ich schon immer über die anderen geurteilt habe, wie ich es auch jetzt tue. Vielleicht ist es damals nicht so extrem und kritisch gewesen, aber ich habe es definitiv getan. Schon immer habe ich hinterfragt, ob dieser verwirrende Wahnsinn denn die einzige Möglichkeit im Leben sein kann.
Ich habe festgestellt, dass es nicht so ist. Es kann auch anders gehen, aber dazu muss man einen langen Weg gehen...
Und der führt über Leichen...
“Clear a path for me
Cause I can barely see
I'm stumbling and I can't shake it
It's up to me
To save myself from me
My enemy
But I can't face it
It's like I can't wake up
It's like I can't get up
It's like I can't remember who I used to be
Am I running from you
Or am I running from me
It's like I can't wake up
It's like I can't get up
It's like I can't remember who I used to be
Am I running from you
Or am I running from me”
Nach einiger Zeit reicht es mir. Mit einem gekonnt gespielt schüchternen Lächeln verabschiede ich mich und entschuldige mich, dass sie, die Fans, so geil gewesen sind, dass ich vollkommen ausgelaucht bin. Sie quittieren das mit einem Jubeln. Schon wieder habe ich gelogen, auch wenn ich es eigentlich nicht mehr will. Es bringt nichts... aber die Wahrheit bringt mir auch nichts. Wenn ich es ihnen erzähle, wenden sie sich ab... und ich bin ohne ihre stützende Kraft.
Ich brauche sie und sie brauchen mich.
Ich ziehe mich in den Tourbus zurück. Ich lege mich auf mein Bett. Wann wird das endlich ein Ende haben? Wann kommt endlich jenes Wesen, dass das hier alles beenden wird?
“I'm breaking now
I'm breaking now
I'm breaking out
here I come
I'm breaking now
I'm breaking now
I'm breaking out
here I come, here I come, here I come
Can't ... Wake ... Up cause I'm no one”
Bin ich wirklich ein Niemand?
Ist die Tatsache, dass ich mich für keine Seite meines Selbst entscheiden kann, der Beleg dafür, dass ich es auch nicht verdiene irgendjemand zu sein?
Wenn dem so ist, hat meine Existenz nicht ab dem Punkt verloren, an dem man aufgehört hat jemand zu sein. Wenn man niemand mehr ist, wer soll man dann erst sein, wenn weiterhin niemand ist? Kann aus einem Niemand wieder ein Jemand werden, obwohl er früher schon mal ein Jemand gewesen ist?
„So viele Scheißfragen!“, murmle ich und greife mir an die Schläfen. Das ist einfach zu viel. Das ist wirklich zu viel. Ich greife meine Zigarettenschachtel und zünde mir ein weiteres Glimmstängelchen an. Das habe ich gebraucht. Ich mache ein Fenster auf, sonst fangen die Kollegen an zu motzen. Aber die sind bestimmt noch damit beschäftigt die Fans zu unterhalten.
Ich habe eine glorreiche Idee.
Ich verdufte. Wird eh keine von diesen minderbemittelten Primitiven mitbekommen. Ich habe in der Nähe einen kleinen Park gesehen, als wir hergefahren sind. Dahin werde ich mich verziehen. Bestimmt wird der kühle Wind mir den Verstand wieder lüften. Ich ziehe mir meine schwarze Lederjacke über.
Ich setze einen Fuß nach den anderen, ohne zu wissen, wohin es mich führen wird. Ich ziehe an meiner Zigarette. Ich weiß noch, wie entsetzt alle gewesen sind, als sie mich das erste Mal mit diesem Nikotinstäbchen erwischt haben. Ich komme nicht davon los und ich habe es auch nicht vor. Tabak ist eine wundervolle Sache. Es macht den Kopf frei.
„It's like I can't wake up
It's like I can't get up
It's like I can't remember who I used to be
Am I running from you
Or am I running from me” *2
Der Song verklingt in meinem Kopf.
An einer einsamen, verdreckten Parkbank bleibe ich stehen. Der Lack splittert ab und alte, Ekel erregende Kaugummireste kleben auf dem rauen Holz. Nun, es ist immer noch komfortabler als das Klo im Bus. Angewidert setze ich mich. Das ist alles so abstoßend. Wann kann ich endlich aus diesem Alptraum aufwachen?
Ich rauche meine Zigarette auf und schnippe den übrig gebliebenen Stummel auf den Boden. Dort kleben noch mehr Kaugummis. Wie kann man so ein widerliches Zeug nur in den Mund nehmen? Das ist doch eklig.
Ich schließe die Augen. Rieche die unendlich reine Luft des vergehenden Abends. Der Tag stinkt. Die Nacht duftet. Ich bin schon immer ein nachtaktiver Mensch gewesen. Ich verabscheue die Sonne. Die macht meine zarte weiße Haut nur braun. Das sieht doch unnatürlich aus. Deshalb meide ich das Licht wie die Katzen das Wasser.
Ich versuche mich zu entspannen. Ganz allmählich lösen sich meine Muskeln. Während eines Auftritts verwandeln sie sich immer in angespannte Drahtseile. Oder wie ein zu festgezogenes Tau.
Seufze. Die leisen Geräusche des Abends verlieren sich im samtigen Schleier der Nacht. Stille. Wundervoll ungebrochene Lautlosigkeit. Keine kreischenden verstandslosen Fans, keine nervigen Journalisten, keine aufdringlichen Fotographen, kein stressiger Manager. Just silence. So eine angenehme Ruhe.
Ich lege meinen Kopf in den Nacken. Leise beginne ich ein Lied zu summen, das ich vor langer Zeit geschrieben habe. Zu der Zeit, als der Wahnsinn begonnen hat. Als alles sich zum Schlechten gewandt hat. Heute Abend ist es nicht in der Setliste gewesen, obwohl ich nicht einmal weiß, wieso.
“Memories running through your head
Alone and afraid there's monster under your bed
Waiting for him to come home
The strangest feeling when darkness surrounds your mind
Screaming pain when you turn out to be right
The sad story again, leaves you nothing but pain, all in vain”
Plötzlich höre ich eine Bewegung, ein leises Rascheln, doch irgendetwas gebietet mir still zu sein. Ich soll mich nicht bewegen. Einfach ziehen lassen. Jemand tritt hinter mich. Eiskalte Finger berühren meine rechte Wange, verfolgen meine Konturen bis zum Kinn hinab zum Hals und dann zurück zur Rechten Wange.
Ich singe weiter und die fremde Person begleitet mich.
Eine Frau... und ihre Stimme klingt verheißungsvoll. Tief und volltönend, wie eine Göttin.
“Storm in your heart, it tears you apart
For so long you have wandered in dark
To find out the one who won't let you down”
Ihre Finger erkunden weiter mein Gesicht, als ob sie sich so jeden einzelnen meiner Züge einprägen will. Sie greift in meine Haare, zerrt leicht daran.
Ihre Berührungen sind voller Sinnlichkeit, verbotener Erregung. Ich hole zitternd Atem. Die Luft ist elektrisiert von Erotik, ich spüre das Prickeln auf meiner Haut. Alle meine Härchen richten sich auf, dieses gespannte Warten zerreißt mich beinahe.
“Put your heart, back in the game
And you will lose it all over again
It's always the same, nothing but pain, all in vain”
Sie wandert um die Bank herum. Noch immer halte ich die Augen geschlossen. Sie setzt sich auf meinen Schoss, meine Hände legen sich automatisch um ihre Hüfte. Die Umgebung scheint vor Leidenschaft zu knistern. Und da... liegen ihre Lippen auf meinen. Ich küsse sie mit feurigem Hunger, ohne zu wissen, wie sie aussieht, wer sie ist, wie sie denkt... es ist gleich, denn alles ist nur ein Trugbild. Ihre Berührungen sind es, die mich in den Wahnsinn treiben. Süße Verlockung, begehrende Sünde...
Als wir uns lösen singen wie den Refrain noch einmal...
“Storm in your heart it tears you apart
For so long you have wandered in dark
To find out the one who won't let you down” *3
Wir lassen die Töne in der Nacht verhallen, die die Silben bis in alle entlegenen Winkel trägt. Niemand wird diese Worte je hören...
Ich spüre, dass sie sich nach hinten lehnt und dann ertönt ein weiteres Rascheln. Noch ein paar Sekunden... nur noch ein paar Sekunden...
Ich öffne die Augen und lächle sie an.
Ihre Waffe zielt zwischen meine Augen. Über den Lauf hinweg sehe ich ihr wunderschönes Gesicht, das mir einen freundlichen Blick schenkt. Sanft sagt sie: „Ich weiß, was du willst... ich schenke es dir“, bewegt ihren Finger und –
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*1 Trust Company – „Downfall“
*2 Trust Company – „Running from me“
*3 Reflexion – “Storm”
Die erste Band kann man wohl zum Metal einordnen, in irgendeine Weise. Die Jungs waren Vorband bei Korn, sind aber nicht so hart, wie ich finde. Eigentlich hat der Sänger eine sehr sanfte Stimme, nur an wenigen Stellen brüllt er dann eben doch mal. Diese sind fett markiert.
Die zweite Gruppe ist eine finnische Goth-Rock-Band, die noch nicht lange in Deutschland draußen ist. Mein persönlicher Favorit ist „Rainheart“, aber leider kriege ich den Text da nicht so zusammen.
Ich denke, den Schluss braucht man nicht erklären ^^“
Ich hoffe, es hat euch wenigstens ein winziges bisschen gefallen. Wenn die FF unerwartet viel Anklang finden sollte, würde ich mich entschließen daraus eine Sammlung von OS zu machen, wann immer ich mal auf MEXX sind. Das Hochladen könnte aber manchmal mehrere Monate dazwischen haben.
Nun... das war’s dann
Bis denne, de are