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Cross the Line

Vom Boy zum Girl
von

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Eine grundlegende Entscheidung

Vorsichtig lugte er um die Ecke: Gut. Niemand zu sehen. Hoffentlich entdeckte ihn niemand. So spät überhaupt noch hier aufzutauchen war eigentlich auch ziemlich sinnlos gewesen... Wäre er doch gleich zu Hause geblieben - aber nein! Er war wegen einer sinnlosen Stunde noch einmal in die Schule gegangen! Aber warum verschlief er auch seinen ersten Tag an der neuen Lehranstalt?! Hatte er schon das Glück, mitten im Schuljahr auf eine bessere Schule wechseln zu können - und das ohne große Probleme - vermasselte er es sich gleich am ersten Tag! Er hatte gestern noch bis spät in der Nacht vor dem Fernseher gehockt, um sich alle möglichen Sendungen und Filme reinzuziehen. Und heute war er erst kurz vor ein Uhr nachmittags aus den Federn gekrochen.
 

Wenn er es schaffte, ungesehen in seinen Klassenraum zu kommen, konnte er noch die Hälfte der letzten Stunde miterleben. Oh Gott, was hatte er sich eigentlich dabei gedacht?! Das war doch absolut hirnrissig gewesen, wegen dieser einen Stunde noch einmal den Weg zur Schule anzutreten! Wäre er eben erst morgen gekommen...!?! Aber seine verdammte Art, ständig ordentlich, ehrlich und pünktlich zu sein - letzteres war ihm ja nun ziemlich aus den Rudern gelaufen - brachte ihn nicht wirklich immer weiiter. Er hörte ein Husten und presste sich starr vor Angst an die Wand des langen Ganges. Er suchte Schutz in einer kleinen Nische, in der ein paar Kleiderhaken mit Klamotten waren. Er nahm sich ein oder zwei Jacken, die trotz der schon ziemlich warmen Temperaturen dort hingen und verdeckte damit seinen zierlichen Körper so gut es ging. Er konnte nur hoffen, dass seine hellen, blonden Haare nicht so sehr hervorstachen. Diese Person - wer immer das auch war - durfte ihn nicht entdecken!! Anhand des tiefen Hustens konnte er sich nur zu gut denken, dass es eine ältere, männliche Person war - vielleicht ein Lehrer... Und so einen konnte er jetzt natürlich nicht gebrauchen. Er wollte gar nicht daran denken, was er für Ärger bekam, wenn man ihn jetzt erst in der Schule antreffen würde! Er würde doch auf der Stelle wieder fliegen!! Er fluchte wieder innerlich, dass er sich heute überhaupt noch hier blicken ließ... Aber er konnte nichts mehr daran ändern - jetzt war er hier...!
 

Er hielt den Atem an, als Schritte näher kamen. Sie wurden lauter und wieder folgte ein Husten. Na holla, hier war wohl einer ein wenig erkältet...? Oder eine Allergie?! Aber hatte man bei so etwas nicht vielmehr eine laufende Nase?! Chiaki zuckte innerlich mit den Schultern. Er hatte keine Allergien und wusste nicht, wie es war, eine zu haben... Jetzt hörte er die Schritte genau vor sich. Stocksteif blieb er stehen und wagte es immernoch nicht, zu atmen. Hoffentlich ging die Person bald vorüber... Er linste durch den Stoff der Jacken und erstarrte: Ein großgewachsener Mann mit roten Haaren, die zu einem Zopf gebunden waren, stand direkt vor den Kleiderhaken und schien etwas in einer Jacke zu suchen. Ganz nah neben ihm durchwühlte er die Tasche eines Mantels, soweit das der blonde Junge erkennen konnte. Und dieser Mann war bestimmt kein Schüler mehr... Er schätzte ihn so Mitte 20. Vielleicht ein Lehrer...? Aber so jung?! Komisch... Dauerte ein Studium nicht ein bisschen länger, bevor man als Lehrer arbeiten durfte?! Chiaki hatte sich noch nie so sehr damit auseinandergesetzt, weil er sicher wusste, was er /nicht/ werden wollte: Lehrer. Aber wenn dieser Mann hier diese Jacke - oder den Mantel - zerwühlte, dann klaute er entweder etwas aus dem Kleidungsstück eines Schülers... oder aber er selbst war in die Jacken der Lehrer geraten! Oh Gott! Schlimmer hätte es doch gar nicht kommen können!! Chiaki begann zu schwitzen und klammerte sich ängstlich in eine Jacke, die er vor sich hielt. 'Bitte gehen Sie schnell weiter...' Er beschloss, dann gleich hier abzuhauen. Das war ja schrecklich!! Wieso passierte immer /ihm/ der größte Schlamassel, den man sich vorstellen konnte?!
 

Er betrachtete den anderen Mann, um sich von seiner Angst abzulenken. Gott, hatte der vielleicht ungewöhnliche Augen: Sie waren rot, wie diese Edelsteine – Rubine! Sie waren wunderschön... Und dieses Haar... Chiaki sog scharf die Luft ein, als sich der Mann ihm noch ein wenig näherte, unbewusst natürlich. Er roch richtig gut... Der Blonde atmete noch einmal leise ein und versuchte herauszubekommen, wie man diesen Geruch definieren konnte: Hm, Erdbeere?! Er lächelte still vor sich hin und schnupperte noch ein bisschen. Der Lehrer schien nicht das zu finden, was er suchte, den er fluchte leise vor sich hin. Am liebsten hätte Chiaki ihm ja geholfen, aber dann wäre hier die Hölle los. Erstens würde dieser hübsche Mann einen Herzinfarkt kriegen, weil er hier so plötzlich aus den Jacken auftauchte - und dann würde er ihn zum Direktor schleppen... Und das waren nun zwei Sachen, die Chiaki überhaupt nicht wollte! Denn langsam fand er immer mehr Gefallen an dem Anderen, der plötzlich erleichtert seufzte. In Chiaki machte sich ein kleines Gefühl der Enttäuschung breit, denn wahrscheinlich hatte der Mann das gefunden, wonach er gesucht hatte. Und das hieß, dass er wohl wieder von hier verschwinden würde. Und Chiaki fiel wieder ein, dass er das auch schleunigst machen sollte, wenn er nicht erwischt werden wollte! Also wartete er, bis er keine Schritte und kein Husten mehr hörte und huschte dann vorsichtig aus den Jacken hervor. 'Gott, ich danke dir...' Dann rannte er auf leisen Sohlen aus dem Schulgebäude. Beinahe wäre alles schief gegangen...! Ein Glück, dass ihn der Lehrer nicht entdeckt hatte... Als er ein wenig Abstand zur Schule gewonnen hatte, verlangsamte er wieder seine Schritte und lief in einem normalen Tempo weiter.
 

Seine Gedanken schwirrten nur noch um diesen Lehrer. Diese Augen... und seine Haut sah so weich aus, Chiaki hätte sie am liebsten mit seinen Fingerspitzen berührt und sanft über sie gestreichelt... Aber da hatte es einige Gründe gegeben, warum er es nicht gemacht hatte... Aber das Verlangen war da gewesen. Genauso, wie er am liebsten durch seine Haare gestreichelt hätte... Sie sahen so weich und seidig aus, dass er jetzt noch Herzklopfen bekam, wenn er nur daran dachte...! 'Verdammt nochmal, warum kann ich kein Mädchen sein?! Dann könnte ich was mit ihm anfangen... Denn auf Jungs wird der bestimmt nicht stehen... Der ist bestimmt nicht schwul - ganz sicher nicht!!' In Chiaki machtte sich wieder dieses kleine Gefühl breit, was man Enttäuschung nannte, und er seufzte kellertief. Oh Jesus, er wollte ihn so gern näher kennenlernen...! Aber wie sollte er das denn machen, wenn er ein Junge war?! Und schon morgen würde er ihn wiedersehen! Er brauchte ganz dringend einen Einfall, wie er den rothaarigen Typen für sich begeistern konnte... 'Wenn ich ein Mädchen wäre...' Ja, das wär's natürlich... Alle Probleme wären beseitigt und er könnte ihm näher kommen... 'Warum eigentlich nicht...?!' Chiaki sah starr geradeaus, als er diesen Gedanken immer wieder wiederholte. Was wäre, wenn er sich als ein Mädchen verkleiden würde?! Mit seiner schmalen und schmächtigen Statur, den halblangen Haaren und dem femininen Gesicht fiel das /garantiert/ niemandem auf...! Und sein Name, Chiaki, war für beide Geschlechter passend. Konnte es denn noch besser gehen?! Der blonde Junge lief mit einem atomverstrahlten Lächeln durch die Gegend und bemerkte nicht, dass ihn einige Leute ganz seltsam anstarrten und kleine Kinder ihre Mamis an der Hand zogen und sich nach ihm umdrehten. Diese Idee war großartig!! Die hätte er sich patentieren lassen sollen!! Sein Lächeln verschwand nicht von seinem Gesicht, selbst als er in seinem Wohnblock angekommen war, prangte es immernoch breit auf seinem Gesicht...
 

Er hatte während des Heimweges überlegt, was er noch alles brauchte, um wie ein Mädchen auszusehen. Als erstes wären da Schminke, Kleider und... das entsprechende Benehmen... Gut, die ersten beiden Sachen ließen sich leicht beschaffen - aber letzteres musste er üben. An seiner Stimme sollte das Vorhaben nicht scheitern - sie war höher und feiner als diie von normalen Jungs, manchmal war er sogar deswegen verspottet worden... Aber alles wurde mal nützlich und so hatte er kein Problem, sich als Mädchen auszugeben. Wenn er sich nicht irrte, war hier in der Nähe eine Boutique oder sowas ähnliches... Er glaubte, auch noch etwas Geld zu besitzen, so konnte er gleich mal die nötigen Klamotten holen. Er suchte nach seiner Geldbörse und schon war er wieder aus seiner Wohnung verschwunden, in der er nur für einige Minuten gewesen war. Er würde bestimmt etwas passendes finden... Er brauchte nicht lang und war vor einer kleinen Einkaufspassage angelangt. Hier gab es einen Lebensmittelmarkt, Obsthändler, Klamottengeschäfte und sogar eine kleine Drogerie - da konnte er gleich Kajalstift, und was man sonst noch so brauchte, holen. Es grenzte an ein Wunder, dass er hier noch nie einkaufen war... Oder vielmehr an die Tatsache, dass die ganzen Auslagen mehr auf die weibliche Kundschaft ausgerichtet waren. Er sah weit und breit keinen Laden mit Anzügen, Hemden oder dergleichen - also Sachen, die für Männer bestimmt waren. Was hätte er also hier suchen sollen?! Aber momentan konnte er sich nichts besseres vorstellen. Mit großen Augen sah er sich die Auslagen der Klamottengeschäfte an und versuchte, einen schönen Rock für sich herauszusuchen.
 

Nebenbei versuchte er darüber nachzudenken, wie sich ein Mädchen benahm: Gut, sie waren schüchtern. Das war kein Problem, den das war er auch. Sie machten selten den ersten Schritt. Erledigt, Chiaki ergriff selten, um nicht zu sagen gar nicht die Initiative. Er hatte sowieso noch keine Erfahrungen in Sachen Liebe und Sexualität. Klar war er schon mal verliebt gewesen, aber noch nie war seine Liebe erwidert worden... Sein Blick war traurig geworden und er sah düster in die Auslagen eines Modegeschäfts. "Kann ich Ihnen helfen?" Erstaunt hob er seinen Blick, als er von der Seite angesprochen wurde. "Sie sehen aus, als würden Sie nicht das geeignete finden...?" Eine Angestellte des Ladens stand neben ihm und lächelte ihn freundlich an. "Äh ich..." "Für wen suchen Sie denn etwas? Für Ihre Schwester? Oder Ihre Freundin?!" "Äh..." Chiaki glaubte, nicht mehr aus dem Stottern herauszukommen. Da sah man es wieder: Er war viel zu schüchtern und ließ sich immer leicht von anderen Leuten überrumpeln... "...meine Schwester!" stieß er endlich hervor und atmete erleichtert aus. Gott, der Schweiß stand ihm schon auf der Stirn und ihm war unglaublich heiß... Wie immer, wenn er in solchen Situationen war... "Für Ihre Schwester, aha... Und soll es ein Oberteil sein? Oder lieber ein Rock oder ein Kleid? Was mag sie denn so? Ist es für einen Geburtstag?" Chiaki fühlte sich leicht überrumpelt, als er diese ganzen Fragen hörte, aber er schaffte es trotzdem, schnell zu antworten. Schließlich wusste er ja, was /er/ wollte. "Sie hätte gern ein Kleid, was nicht zu festlich aussieht. Etwas ganz normales für den Alltag." "Aha, gut. Ich werde etwas für Sie heraussuchen. Was für eine Größe hat sie denn?" "Ähm..." wieder stammelte der Blonde hilflos. Was sollte er denn jetzt sagen?! "Wir... wir sind Zwillinge... sie ist so gebaut wie ich. Ich habe leider keine Ahnung, was sie für eine Größe hat..." Er sah die Angestellte um Verständnis heischend an und diese griff zu einem Maßband. "Na dann muss ich wohl mal von Ihnen die Maße abnehmen. Könnten Sie bitte mal Ihre Arme ausbreiten? Ich mach das mal ganz schnell..." Und ehe sich der Blonde versah, wurstelte die Frau an ihm rum und nahm verschiedene Maße, bei seiner Körperlänge angefangen, bis hin zum Hüft- und Taillenumfang - und das alles vor den Augen der &Oumml;ffentlichkeit. Chiakis schlug innerlich die Hände über dem Kopf zusammen. War das peinlich... Er, hier in einer Damenboutique, und /ihm/ wurden Maße abgenommen!! Im nächsten Moment fiel ihm aber auch wieder ein, dass er ab morgen /nur/ noch in Frauenkleidern durch die Gegend stolzieren würde - außer in seiner Freizeit vielleicht... Er wurde leicht rot und war froh, dass ihm gerade niemand ins Gesicht sah...
 

Aber er tat das ja alles nur, um bei dem Rothaarigen zu sein... Er wollte ihn so gern näher kennenlernen... Er glaubte, sich auf den ersten Blick verliebt zu haben. Das passierte ihm zwar öfters, aber diesmal... hatte er den richtigen gefunden. Auch, wenn er ihn nur als Mädchen für sich gewinnen konnte, so hatte er ihn wenigstens auf diese Art... Also hatte er die Prozedur des Maßnehmens über sich ergehen lassen und wartete nun auf die Angestellte, die ihm ein geeignetes Kleid bringen wollte, nachdem sie ihm bekannt gegeben hatte, dass seine Schwester wahrscheinlich Größe S oder 36 haben würde... Nach wenigen Minuten kam sie wieder, mit einem Stapel Kleidern auf dem Arm. Chiaki musste schon zugeben, dass der Service in diesem Laden das was er kannte bei weitem übertraf... Die Frau hielt ihm das erste Kleid hin und fragte ihn, ob es seiner Schwester gefallen würde. Der Blonde räusperte sich kurz und meinte leise "Wohl nicht so..." Er hatte Angst, sein Missfallen laut zu äußern. Denn schließlich war die Angestellte nur für ihn herumgerannt... Aber diese nickte nur und hielt das nächste Kleidungsstück vor ihn. "Und das? Sagen Sie ruhig, wenn es nicht das richtige ist. Schließlich haben wir eine große Auswahl und ich berate Sie gern!" Sie lächelte und legte auch dieses Kleid weg, als sie den Jungen ermutigt hatte, seine Meinung laut zu sagen. So zeigte sie ihm nach und nach die verschiedensten Kleider, bis Chiaki plötzlich laut "Stop!" sagte. /Das/ war es! Ein einfach geschnittenes Kleid, was ihm wahrscheinlich bis kurz über die Knie ging. Es war aus leichtem, sommerlichen Stoff, weiß, mit einem Schimmer von rosa... Also mädchenhafter konnte es doch bald nicht mehr sein, oder...?! Es war auf Taille und nach unten zu dann wieder breiter geschnitten. Ideal... Keine Spaghetti-Träger, sondern etwas breitere Stoffträger und ein nicht zu weit ausgeschnittenes Dekoltée...
 

Auch wenn Chiaki ein Junge war, so hatte er sich sofort in dieses Stück Stoff verliebt. Das wollte er haben... "Wieviel kostet das?" Die Frau sagte ihm einen Preis, der wirklich nicht hoch war und er lächelte glücklich. "Ich denke, Ihre Schwester wird sich sehr freuen!" meinte die Angestellte und lächelte ebenfalls. Sie ging mit dem Jungen zur Kasse und packte ihm das Kleid in eine Tüte. Er bezahlte, bedankte sich für die Beratung und ging dann immernoch freudig lächelnd aus dem Geschäft hinaus. Er hätte nicht gedacht, gleich auf Anhieb so etwas Schönes zu finden... Jetzt brauchte er nur noch etwas Schminke und Kosmetikprodukte. Und... einen Push-Up... Seufzend dachte er an dieses... kleine Problem. Zwar war er zierlich und es würde nicht sehr auffallen, wenn er wenig Oberweite hatte, aber ein bisschen musste schon da sein, genauso wie ein schöner BH. Seine Füße lenkten ihn schnurstracks in einen Dessous-Shop und er betrachtete mit großen Augen die ausgestellten Modelle. Aber keine Verkäuferin kam, um ihn zu beraten... Da musste er wohl selbst etwas suchen. Als ihm in der Boutique die Maße abgenommen worden waren, hatte er gehört, dass die Frau etwas von "Brustumfang 75 cm" gemurmelt hatte... Da musste er also nach 75 A suchen. Denn A war seines Wissens nach die kleinste Körbchengröße... Er ließ seinen Blick über die BHs streifen, die da so aufgehängt waren. Dann sah er ein schönes Exemplar in schwarzer Farbe, am Rand verziert mit einem hübschen Muster und kleinen Rosen. Und zu kitschig sah es trotzdem nicht aus... Die Frage war nur noch, ob sie den in 75 A hatten... Er durchsuchte den Metallständer, an dem die BH's mit Bügeln aufgereiht waren und strahlte wie ein Pfefferminzbonbon, als er die gesuchte Größe gefunden hatte. Glücklich ging er damit zur Kasse und bekam - im Gegensatz zu der Modeboutique, in der er vorher gewesen war - verwirrte Blicke von den anderen Kunden, aber auch von den Verkäuferinnen... Er versuchte, zu lächeln, aber dieses wollte nicht so recht herauskommen... "I-ich... möchte diesen hier... kaufen..." Gott, jetzt klang er doch noch viel mehr wie ein notgeiler, kleiner Schüler oder wie ein Triebtäter, der sich BH's kaufte, um sie seinen Opfern zu schenken... oder für was auch immer... Der Teil des Satzes, dass er ihn für seine Schwester kaufen wollte, blieb ihm aber im Halse stecken... Er war einfach zu aufgeregt...! Schließlich kaufte er nicht jeden Tag Frauenklamotten!! Er sah mit einem klein wenig irren Blick über die Kasse und die Auslagen, die noch dort waren. Er sah einen zum BH passenden Tanga und legte ihn schnell noch neben diesen. Der Tanga war ebenfalls in schwarz und hatte in etwa die gleichen Verzierungen... "Den möchte ich bitte auch noch..." stieß er hervor und wurde knallrot, als er nun endlich alle Blicke auf sich gezogen hatte. Wieso musste das ganze denn auch so peinlich sein?! Er konzentrierte sich darauf, dass das alles gleich vorbei sein würde und er das nur tat, weil es /nötig/ war... Die Verkäuferin sah ihn noch etwas verdutzt an, dann nahm sie die beiden Sachen und zog sie über den Warenscanner. Chiaki war unendlich froh, dass gleich alles vorbei sein würde und jetzt alles sehr schnell ging. Doch sein Optimismus wurde bestraft, als die Frau den Tanga immer wieder über den Scanner zog, der aber immer ein negativ klingendes "Möp!" von sich hören ließ. "Warten Sie bitte mal kurz...", meinte die Frau zu dem Blonden, dann formte sie eine Hand zu einem halben Trichter und schrie etwas laut bis ans andere Ende des Dessous-Shops: "Hey, Sakura! Der junge Mann hier will diesen Tanga kaufen!! Wieviel kostet der denn nochmal?! Der Scanner liest ihn nicht ein!!" "Was? Dieser knappe, schwarze Stringtanga? Der kostet sieben Euro! Aber das steht doch auch bei dir an der Kasse!!" brüllte die Angesprochene zurück und Chiaki wollte am liebsten nur noch im Boden versinken. Ging es nicht noch unauffälliger?! Was kam denn noch alles?! "Okey, dann bekomm ich von Ihnen 22 Euro." Der Blonde bezahlte, so schnell er konnte und lief dann mit der kleinen Tüte in der Hand so schnell ihn seine Beine trugen, aus dem Laden heraus. Okey, diese Hürde war - mit einigen kleinen Problemen - gemeeistert worden. Nun nur noch Schminke kaufen und er hatte es geschafft... Heute Abend würde er dann alles ausprobieren und sich so anziehen, wie er morgen in die Schule kommen würde.
 

Als Chiaki Nagoya, aber in weiblicher Ausführung! Er wollte diesen Lehrer wiedersehen, ihn für sich gewinnen!! Es musste unbedingt klappen...!! Und wenn dafür bis ans Ende seiner Schulzeit als Mädchen herumlaufen musste... Er tat alles dafür, um diesen rothaarigen Mann zu haben! Und wenn das Schicksal von ihm verlangte, sich als Mädchen zu verkleiden - dann tat er das ohne zu zögern! Schließlich ging das zehnte Schuljahr nicht mehr lange und dann war die Schule aus. Dann würde er niemanden mehr von denen sehen und konnte wieder als Junge rumlaufen. Aber bis dahin... bis zur Abschlussfeier im Sommer... war er ein süßes, liebenswertes Mädchen... und nur, um seinen Lehrer rumzukriegen...! Dieser Mann hatte sich in seinem Kopf festgesetzt und er würde ihn nie wieder gehen lassen... Schon auf dem ersten Blick war er ihm verfallen gewesen... Chiaki seufzte wieder und erinnerte sich nur zu gern an diese tiefroten Augen zurück. Noch nie hatte er so eine außergewöhnliche Farbe gesehen. Und er wollte nie wieder etwas anderes, als in diesen roten Meeren zu versinken...
 

~*~
 

Fertig mit seinem Einkauf und mit seinen Nerven - aber mit voll bepackten Taschen und einem glücklichen Lächeln im Gesicht schmiss er sich rücklings auf sein großes Bett und breitete die Arme aus. Heute würde also für lange Zeit sein letzter Tag als Junge sein... Ab morgen gab es dann kein Zurück mehr. Entweder, er war bis zum Ende der 10. Klasse ein Mädchen oder ein Junge... Etwas dazwischen gab es nicht. Heute musste er sich entscheiden... Aber eigentlich stand sein Entschluss schon seit heute Mittag fest, wo er den Anderen zum ersten Mal gesehen hatte. Und da er als Junge keine Chance bei ihm hatte, ging er eben als Mädchen! Alles, nur um ihn näher kennenzulernen... Chiaki schloss mit einem seligen Lächeln die Augen und träumte auch im nächsten Moment schon ein bisschen... Es war doch ziemlich anstrengend gewesen, so lange einkaufen zu gehen. Es war inzwischen kurz vor 20 Uhr! Also war er fast sechs Stunden in dieser Einkaufspassage gewesen! Das konnte man wirklich als eine reife Leistung betrachten... Und dann auch noch die Sachen, die er gekauft hatte - wirklich keine typischen Gegenstände, die sich ein Junge holte...! Aber er hatte noch Lidschatten, Kajal- und andere Stifte zum Schminken gekauft, sogar für etwas Lippenstift hatte er noch Geld übrig gehabt. Einen Rasierer hatte er ja schon. Den brauchte er, um aller zwei Tage die leichten Stoppeln von seinem Kinn wegzukriegen... Außerdem rasierte er sich unter den Armen und an den Beinen - was für einen Jungen nicht immeer so selbstverständlich war... Aber jetzt, als Mädchen, gehörte es zur täglichen Pflege, sich zu rasieren. Da brauchte er sich auch nicht dafür schämen oder es verbergen. Als weibliches Wesen hatte er ungeahnte Freiheiten... Der Blonde wachte aus seinem leichten Halbschlaf auf, in dem er sich befunden hatte, und grinste glücklich. Es war eine gute Wahl gewesen, ein Mädchen zu werden...
 

Jedenfalls äußerlich. Er brauchte nur noch eine Idee, wie er seine Männlichkeit so gut wie möglich verbergen konnte. Eine Oberweite dazumogeln war wirklich nicht schwer, aber etwas... wegbekommen...?! Kein leichtes Unterfangen... Vielleicht musste er sich seine Leistengegend abbinden, mit einem starken Verband. Er konnte ja sagen, dass er ein Hüftleiden hatte... oder so... Aber darüber würde er morgen nachdenken... Schnell dachte er daran, dass er sich wohl lieber seinen Wecker stellen sollte... und tat dies auch gleich. Er stellte sich genügend Zeit ein, um morgen früh alles ausprobieren zu können. Denn heute war er einfach zu müde dafür. Seine Augen fielen ihm schon zu und seine Füße taten ihm unglaublich weh... Heute würde nichts mehr gut gehen... dann lieber morgen, in aller früh aufstehen... und sich richtig aufstylen, für den, dem er gleich auf den ersten Blick verfallen war... In Chiakis Magengegend bildete sich ein angenehm kribbelndes Gefühl, als er wieder an den Anderen dachte... Seine Freude auf morgen war unbändig...! Er würde seinen ersten Schultag gebührend nachholen - mit allen Freuden und Leiden, die ihhn heute erwartet hätten...
 

Nur eben nicht als Junge, sondern als Mädchen...

Der neue Klassenlehrer

Mit einem ohrenbetäubenden Scheppern im Gehör, was auch nach einigen Minuten nicht verging, wurde Chiaki am nächsten Morgen aus seinen Träumen geschreckt. Klang ganz nach seinem Wecker. Und er täuschte sich nicht: Eben dieser klingelte noch immer und schien nicht so auszusehen, als würde er bald damit aufhören... Darum schwenkte der Blonde seinen linken Arm träge aus dem Bett heraus und schlug mit seiner Hand auf den Wecker. Der gewünschte Erfolg trat ein und das Ding war still. Chiaki atmete erstmal tief durch, dann öffnete er die Augen. Sofort fiel ihm ein, dass heute ja ein ganz besonderer Tag war... Und im nächsten Moment war er aufgeregt. Er setzte sich kerzengerade in seinem Bett auf und starrte an die gegenüberliegende Wand. Er hatte nicht viel Zeit... zwar hatte er sich früh genug wecken lassen, aber trotzdem... wenn irgendetwas schief lief, kam er bestimmt zu spät...
 

Aus diesem Grund fackelte er auch nicht lange und schwang seine Beine aus dem Bett, um den Weg ins Badezimmer anzutreten. Dort wusch er sich schnell und tat das, was man morgens halt so machen musste... Zum Glück hatte er fast gar keinen Bartwuchs und somit fiel die Rasur im Gesicht wie so oft weg. Trotzdem hatte er noch allerhand zu tun und beeilte sich lieber... Nach der Morgentoilette war erstmal das Outfit dran. Mit leicht zitternden Händen zog er sich den Tanga und den BH an. Irgendwas fehlte noch... ja. Die Oberweite. Zum Glück war ihm gestern beim Einkaufen noch die rettende Idee gekommen: Sein Vater war ja nicht umsonst ein sehr bekannter Schönheitschirurg. Chiaki war gestern einfach nochmal ins Krankenhaus gegangen und hatte sich zwei Brustimplantete aus Silikon „mitgenommen"... Er kam sich wirklich mehr als dämlich vor, als er sich diese Dinger in den BH stopfte und grinste sein leidendes Spiegelbild an, was mit jeder seiner Taten ein bisschen femininer wurde... Gut. Der BH war perfekt ausgestopft. Zum Glück hatte sein gestern gekauftes Kleid keinen weiten Ausschnitt - darauf hatte er ja extra geachtet - und man sah nicht zu viel... Chiaki glaubte auch nicht, dass es ihm gefallen würde, dass man zu viel sah, wenn er wirklich ein Mädchen wäre. Es war ihm ja jetzt schon ein Graus, wenn ihn alle anstarrten...
 

So, und jetzt war das rosa Kleid dran. Bis jetzt klappte ja alles super... Rosa... Ging es noch klischeebehafteter?! Chiaki grinste jetzt hämisch in den Spiegel und betrachtete sich mit skeptischen Blicken von oben bis unten. Es passte ausgezeichnet... und sah sehr gut an ihm aus... Aber irgendwie... Der Blonde hätte nicht gedacht, dass allein schon die Klamotten ausreichten, um ihn weiblich wirken zu lassen. War er denn wirklich schon von Natur aus ein so stark femininer Typ?! Wahrscheinlich... Chiaki seufzte tief, als er die schmerzende Wahrheit mitbekam, aber im Moment war ihm nichts nützlicher, als dass er wirklich wie ein Mädchen aussah. Ob er diesem rothaarigen Lehrer gefallen würde? Und würde er heute überhaupt Unterricht bei ihm haben...? Würde er ihn sehen?! Er hoffte inständig, wenigstens einen kleinen Blick auf den begehrten Mann werfen zu können... nur ganz kurz sein Gesicht sehen... die roten Haare... den perfekten Körper...
 

Er vergaß ganz, dass er ja noch seine Haare machen und sich... schminken musste. Er rollte verzweifelt mit den Augen und verdrängte die Gedanken an den Lehrer. Aber nur ein bisschen... Dann schminkte er sich. Beziehungsweise er versuchte es. Denn das war das erste Mal, dass er sich schminkte...! Er hatte seine Mutter früher ein paar Mal beobachtet, wie sie sich früh schminkte oder die Mädchen aus seiner alten Klasse, wenn sie mitten in der Stunde ihr Augen-Make-Up auffrischten... Und nun musste er es selbst versuchen... Er musste ja nicht so doll mit dem Zeug auftragen. Seine Haut war weich, zart und hell - gar nicht wie die eines Jungen - da gab es kaum Probleme. Seine Augen waren blau wie der Himmel, strahlten von Natur aus... Das konnte er noch mit etwas Wimperntusche unterstreichen. Seine Augenbrauen wuchsen nicht sehr stark und sahen so aus, als wären sie gezupft worden... ebenfalls sehr praktisch. Er tuschte seine Wimpern schwarz und heulte erstmal eine Runde, als er etwas von dem Zeug ins Auge bekam. Sofort verlief das, was er schon aufgetragen hatte und er heulte weiter. Das war doch zum Kotzen, dieser Mist! Wie konnten sich Mädchen das jeden Tag antun?! Chiaki schnappte sich ein Wattepad und wischte alles wieder weg. Er sah sein verheultes Spiegelbild leidend an und probierte es erneut. Ein kurzer Blick auf die Uhr sagte ihm, dass er noch genügend Zeit hatte...
 

Einige qualvolle Minuten später hatte er es doch tatsächlich geschafft, seine Wimpern einigermaßen ordentlich schwarz zu tuschen, einen Hauch von rosa Lidschatten auf seine Lider aufzutragen und seine Lippen mit etwas farblosem Lipgloss zu versehen. Alles nicht zu übertrieben, aber ausdrucksstark. So würde ihm der Lehrer sicher nicht widerstehen können... Chiakis Wangen wurden leicht rot, als er an das dachte, was passieren könnte... Aber bis dahin war es noch ein weiter Weg, den es erstmal zu bewältigen gab... Plötzlich meldete sich der Bauch des Blonden, er grummelte leise und ließ so verlauten, dass er gefüllt werden wollte. Chiaki ging in die Küche und suchte sich irgendwas Essbares zusammen. Eine Scheibe Knäckebrot mit Schinken fand ihren Weg in seinen Magen, dann noch ein halber Apfel und ein Glas Wasser. Das sollte erstmal genug sein. Er schmierte sich ein paar Brote für die Schule und verstaute sie in einer kleinen Tüte. Dazu noch eine kleine Flasche Mineralwasser und sein zweites Frühstück war fertig. Hoffentlich kam er dazu, es zu essen... Konnte ja sein, dass er total aufgeregt war oder dass viele mit ihm sprechen wollten, er folglich also keine Zeit zum Essen hatte... oder aber er wurde gar nicht beachtet und konnte essen wie er wollte - keinen interessierte es... Chiaki schüttelte schnell den Kopf. Er hoffte nur, dass sein erster Schultag an der neuen Schule kein Desaster wurde. Hoffentlich fand er schnell Anschluss... und seine Verkleidung flog nicht auf. Denn wenn das passierte, hatte er große Probleme...
 

Für einen kurzen Moment bekam er Panik, als er daran dachte, wie er behandelt werden würde, wenn jemand mitbekam, dass er ein Junge war... der sich als Mädchen verkleidete. Er erinnerte sich an seine alte Schule... seitdem bekannt geworden war, dass er schwul war, hatte er keine ruhige Minuten mehr gehabt. Schnell verdrängte er die dunklen Gedanken und versuchte, zu lächeln. Der Tag würde gut werden. Bestimmt. Es /konnte/ einfach niemand ahnen, dass er ein Junge war! Seine Verkleidung war perfekt!! Er holte noch einmal tief Luft und ging dann noch einmal in sein Zimmer, um seine Haare zu machen. Viel musste er ja dafür nicht tun: Einmal ordentlich durchkämmen reichte: Seine Haare waren glatt und fielen weich bis zu seinem Kinn. Großartige Frisuren konnte er zwar damit nicht machen, aber er sah auch nicht unbedingt wie ein Junge aus. Und das war ja das Entscheidende. Tja, eigentlich war es ja nun Zeit, zu gehen. Er hatte seine Schulsachen eingepackt, sein Lunchpaket auch - er hatte alles beisammen, war fertig gestylt - nun konnte es losgehen. Ein unangeneehmer Kloß hatte sich in seinem Bauch gebildet: Aufregung. Qualvoll seufzte er und versuchte es mit der Hauruck-Methode: Er verließ schnell seine Wohnung und lief im Eiltempo zur Schule. Die Aufregung würde sicher gleich verschwinden...
 

Und so war es auch. Kaum war er aus der Wohnung und sog die frische Morgenluft in seine Lungen ein, löste sich der schmerzende Knoten in seinem Bauch auf und er konnte wieder einigermaßen klar denken. Aber nur eine gewisse Zeit. Denn plötzlich keuchte er erschrocken und verlangsamte sein Tempo: Vor ihm lief eine Person, die er nur /zu/ gut kannte... Sie hatte rote Haare und war groß und schlank... Über dem linken Arm hing eine schwarze Aktentasche, in der rechten Hand wurde mit dem Zeige- und Mittelfinger eine Zigarette gehalten, die die Person ab und zu mal zum Mund führte und daran sog. Chiaki beobachtete die Rauchwolken, die immer wieder aufstiegen. Er rümpfte die Nase. Sein Vater hatte auch immer geraucht. Aber bei ihm hatte es schlimmer gerochen. Oder hatte er es nur so in Erinnerung...?! Oder lag es an der Person, die vor ihm lief und wahrscheinlich nicht zu bemerken schien, dass hinter ihm jemand lief, der das gleiche Ziel hatte? Chiaki schüttelte wieder leicht den Kopf: Was für eine Überraschung... sein Angebeteter schien den gleichen Weg zu haben...! Wäre er nicht so schüchtern, würde er aufholen, ihn einfach ansprechen und neben ihm laufen... Aber er war /Chiaki/, schüchtern und ängstlich... Es war gegen seine Natur, einfach Leute anzusprechen... gerade wenn es jemand war, den er schon auf den ersten Blick vergötterte! So lief er nun hinter dem Lehrer und hoffte irgendwie, dass er sich durch Zufall umdrehte... oder auch doch nicht. Er hatte Angst... 'Du dummer, kleiner Schisser... Was soll dir schon passieren?! Du wirst ihn heute sowieso noch sehen - /er/ wird dich heute noch sehen! Ob das nun jetzt oder später passiert, ist doch total egal...!' Chiaki kämpfte mit seinem Innersten und seufzte tief. Seine Schüchternheit wurde immer schlimmer...
 

Aber vielleicht war es auch gar nicht einer seiner neuen Lehrer sondern einfach nur ein Mann, der diesem Lehrer ähnelte?! Vielleicht machte er sich hier zur Schnecke wegen jemandem, der ihm eigentlich piepegal sein konnte?! Da gab es nur eine Möglichkeit, Gewissheit zu bekommen. Er /musste/ an ihm vorbeilaufen und in sein Gesicht sehen... Chiaki schluckte hörbar und versuchte, seine zitternden Hände unter Kontrolle zu bekommen. Er musste es wagen. Auch wenn er noch so ein Schisser war. Er musste ja nicht neben ihm laufen, sondern ihn einfach überholen und kurz nach hinten blicken, so als würde ihn etwas hinter dem Mann interessieren. Konnte ja nicht so schwer sein, oder? Chiakis Herz schlug laut und er glaubte, dass man es bestimmt in einem Umkreis von zehn Metern hören konnte... Er beschleunigte sein Tempo und spürte, wie sein Blut immer schneller durch seine Venen pochte. Gleich war er auf selber Höhe mit dem rothaarigen Mann. War das nun sein Lehrer...? Oder nur Wunschdenken von ihm?! Er tat unbeteiligt und drehte seinen Kopf nach rechts, dort wo der Rothaarige lief. Dann noch ein wenig nach oben und... 'Scheiße!' Chiaki wurde knallrot und beschleunigte noch einmal seine Schritte, als er direkt in rote Augen starrte, die ihn ebenfalls musterten. 'Schnell weg hier...' Sein Gesicht pochte heiß und sein Atem war leicht erhöht. Es hätte eben alles nicht sein sollen... Na jedenfalls wusste er nun, dass dieser Mann /tatsächlich/ sein Lehrer war. Und er hatte einen /sehr/ schnellen Schritt drauf. Dem Blonden ging bald die Puste aus, denn er war ja darauf bedacht, schneller zu sein als der andere, damit er nicht direkt neben ihm lief.
 

Zum Glück sah er von weitem schon das Schulgebäude. Gleich hatte er es geschafft. Als erstes musste er zur Schulleitung und sich melden. Es würde bestimmt Ärger geben, weil er gestern nicht da gewesen war. Beziehungsweise nur sehr kurz und auch bloß zwischen den Jacken der Lehrer... Chiaki schlug innerlich die Hände über dem Kopf zusammen. Wie sollte er sich da nur herausreden?! Am besten mit der einfachsten Ausrede: Verschlafen, Bus verpasst und Schule nicht gefunden... Hoffentlich kauften ihm das die Lehrer ab... Chiaki schickte ein kleines Stoßgebet zum Himmel und erhöhte wieder sein Tempo. Hoffentlich war das nicht zu "undamenhaft"... aber große Schritte machte er eigentlich nicht. 'Dieser Tag ist zum Kotzen...' Er war überhaupt nicht darauf vorbereitet gewesen, seinen Schwarm jetzt zu treffen - bevor überhaupt die Schule losging! Und jetzt war er so nah bei ihm... und er hatte keine Ahnung, was er machen sollte...! Einfach weiterlaufen war das Beste. Nur noch ein paar Meter, dann war er in der Schule. 'Warum muss jetzt gerade eine vielbefahrene Kreuzung kommen, wo ich an der Ampel /stehen bleiben/ muss...?!' Chiaki war nah am Rande eines Nervenzusammenbruchs. Wenn er jetzt stehenblieb, würde der andere aufholen und /neben/ ihm stehen!!! Aber die Kreuzung war wirklich /sehr/ vielbefahren und der Blonde wollte nun wirklich nicht sein Leben auf's Spiel setzen. Schließlich wollte er mindestens noch einmal in diese roten Augen sehen, die ihn wahrscheinlich gerade beobachteten. Er spürte das einfach, wenn jemand seine Augen auf ihn geheftet hatte und ihn musterte, genau studierte... Dieses Gefühl war einfach... unangenehm... besonders, wenn er die Leute nicht kannte, die ihn so beobachteten. Im nächsten Moment spürte er die Präsenz jener Person neben sich. Er wagte es aber nicht, seinen Kopf noch einmal zu ihm zu drehen. Viel zu groß war die Wahrscheinlichkeit, dass er wieder zu ihm sah. Und das würde zur Folge haben, dass Chiaki rot wurde und sein Gesicht nirgendwo verstecken konnte.
 

"Dein erster Schultag an dieser Schule?" Der Blonde erstarrte zu Stein. Hörte er Stimmen?! Oder... hatte der rothaarige Gott ihn angesprochen?!?! Er spürte, wie Adrenalin durch seine Adern schoss und schnappte nach Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen. Seine Augen waren geweitet und starr auf die Straße gerichtet, auf der die Autos in schnellem Tempo an ihnen vorbeirasten. Wieso konnte nicht endlich grün werden, sodass er hier wegkam?!?! Obwohl er eigentlich nichts anderes wollte, als länger hier mit diesem Mann stehen bleiben... Aber auch wieder nicht!! Hin und hergerissen von seinen Gedanken und inneren Wünschen vergaß er ganz auf die Frage des anderen einzugehen, der noch einmal nachhakte: "Ich habe dich nämlich hier noch nicht gesehen..." Chiaki zuckte zusammen und riss seinen Kopf zu dem Mann herum. Jetzt war es passiert. Jetzt musste er in seine Augen sehen. Der vorhergesehene Effekt trat ein: Nicht nur seine Wangen zierte eine gesunde Röte, sondern sein ganzes Gesicht schien zu glühen... "Ich bin heute zum ersten Mal hier", stieß der Blonde heraus und riss dann seinen Kopf wieder zur Ampel, um zu sehen, dass sie gerade auf grün geschaltet hatte. Er nahm die Beine in die Hand und lief schnell über die Straße. Scheiß auf Höflichkeit, er musste seine knallrote Birne losbekommen und außerdem hatte er nicht mehr viel Zeit bis die erste Schulstunde anfing. Das waren alles gute Gründe, um Reißaus zu nehmen...
 

Er lief schnell zum Schulgebäude und suchte das Direktorat. Um den Lehrer hinter sich kümmerte er sich nicht mehr. Er spürte nur, wie er ihn weiterhin beobachtete, während er zur Schule lief. Aber schließlich bog er irgendwo hinter ihm in einen anderen Gang und Chiaki atmete tief durch. Länger hätte er es nicht mehr ausgehalten. Warum musste er diesen Mann auch /so/ toll finden, dass er nicht einmal normal mit ihm reden konnte?!?! Auf sein Klopfen hin wurde die Tür der Schulleitung geöffnet und er trat in einen Raum ein, in dem eine Sekretärin an einem Computer saß. An einem anderen Schreibtisch besprachen gerade zwei Lehrer ein Thema. Soviel Chiaki verstand, ging es um eine Schülerin, die man beim Rauchen erwischt hatte. "So, weshalb bist du hier?", fragte die Sekretärin. Der Blonde fuhr zu ihr herum und meinte: "Ich bin der neue... - die neue Schülerin, Chiaki Nagooya. Ich wollte mich entschuldigen, dass ich gestern nicht schon da war und nach meinen Schulbüchern fragen..." Die Frau suchte in den Akten und nickte. "Nagoya, Chiaki. Mhm... ja, du hättest gestern schon da sein müssen. Und wieso warst du nicht anwesend?" Der Blonde senkte ein wenig den Kopf: "Naja... ich hatte verschlafen, dann meinen Bus verpasst... und dann hatte ich vergessen, wie ich hier in diese Schule komme..." Er konnte einfach nicht gut lügen... zwar stimmte es, dass er verschlafen hatte - aber so dermaßen /lang/... das war schon rekordverdächtig. "Naja, kann man wohl nichts machen. Dein neuer Klassenlehrer wird dann entscheiden, ob das als ein unentschuldigter Fehltag eingetragen wird... oder ob er Gnade vor Recht walten lässt.", sie lächelte kurz und schrieb dann etwas in die Akten. "Kannst du diesen Zettel für die Schülerakte bitte bis morgen ausfüllen? Den kannst du dann bei deinem Klassenlehrer abgeben." Chiaki nickte und steckte den Zettel in seine Mappe.
 

"Ich geh mal kurz deine Bücher holen. Bleib daweile hier. Mal sehen, ob ich deinen Klassenlehrer irgendwo aufgable, damit er dir den Stundenplan gleich selbst geben kann. Sonst bekommst du ihn dann noch von mir." "Danke", meinte der Blonde und sah sich währenddessen desinteressiert im Zimmer um, während die Sekretärin in einen Nebenraum ging. Nach kurzer Zeit kam sie mit einem kleinen Stapel von ungefähr zehn Büchern auf dem Arm wieder. "Das ist dein neuer Klassenlehrer, Herr Shikaidou", stellte sie einen Mann vor, der hinter ihr ins Zimmer trat. Chiaki sah zu ihr und riss sie Augen erschrocken auf, als er den Mann sah, dem er seit gestern verfallen war... Sein Gesicht bekam den bekannten rötlichen Ton und sein Mund klappte auf. Als der andere grinste, bemerkte er, dass sein Mund offenstand und er schloss ihn schnell. Betreten sah er zu Boden und begann, mit den Trageriemen seines Rucksackes zu spielen. Das hatte ihm ja noch gefehlt... beziehungsweise - ein Traum wurde wahr...! Aber so wie er sich vorhin an der Ampel benommen hatte - unhöflich und abweisend - so hatte er sich schon mal alle Chancen verbaut. Und das noch bevor er seine erste Stunde mit dem Mann hatte. Er hatte einfach Talent dazu, alles falsch zu machen... Er seufzte tief und sah immer noch auf den Boden. "Hier ist dein Stundenplan, Chiaki.", hörte er die Stimme direkt vor sich, die er heute schon an der Ampel gehört hatte. "Danke", meinte er schüchtern und nahm den kleinen Zettel entgegen, auf dem allerhand Daten standen. Er hatte ja dann noch genügend Zeit, diese zu studieren... jetzt musste er erstmal versuchen, das mit Herrn Shikaidou wieder hinzubiegen. Etwas war ja schon mal gut: Er kannte endlich seinen Namen... Er löste den Blick von dem ach so interessanten Fußbodenbelag und sah hoch zu dem Rothaarigen, der ungefähr einen Kopf größer war als er. "Entschuldigen Sie bitte meine Unhöflichkeit vorhin an der Ampel...", meinte er leise und sah wieder weg. Zu lang in diese roten Augen sehen war nicht gut für ihn... "Ist schon okay. Das ist die Aufregung vor dem ersten Tag an einer neuen Schule. Du scheinst ein nettes Mädchen zu sein. Ich unterrichte heute in der fünften Stunde Geschichte in deiner Klasse, da werde ich mich noch einmal davon überzeugen...", er lächelte und betrachtete den Blonden, der jedes einzelne Wort von diesen göttlichen Lippen nur so aufsaugte. "Ich freue mich schon darauf", meinte Chiaki, ohne darauf zu achten, was er hier überhaupt vor sich hinlaberte.
 

Aber jetzt war es schon zu spät. Er hatte sich schrecklich verplappert. Er lief wieder rot an und suchte verzweifelt nach einer Erklärung. "Ich... meine... ich..." Herr Shikaidou grinste leicht, sagte aber dann: "Aha... Geschichte ist wohl dein Lieblingsfach?" "Äh... ja!" Wow... das war Rettung in letzter Sekunde. Aber wie sollte er jetzt dem Rothaarigen seine 3 in seinem angeblichen 'Lieblingsfach' erklären...?! "Na dann... schon mal viel Erfolg für den Rest des Schuljahres. Du solltest jetzt in deine Klasse gehen. Sie wollen dich bestimmt noch ein wenig kennenlernen, bevor die erste Stunde beginnt...", meinte Herr Shikaidou und lächelte den Blonden an. Dieser fühlte sich wie auf Wolke sieben und bemerkte nicht, dass er schon wieder rot angelaufen war. Und wenn schon... er wusste sowieso nicht, was er dagegen tun sollte...

Nachhilfe?

Er... er... hatte... mit IHM gesprochen!!! Er hatte ihn nicht nur angesehen, nicht nur neben ihm gestanden - nein! Er hatte mit God himself ein paar Worte gewechselt! Und... er hatte weniger gestottert, als er erst befürchtet hatte. Oh Jesus... Chiaki wischte sich ein paar verschwitzte Haarsträhnen aus der Stirn. Schon jetzt im Mai war es so warm... besonders wenn er Herrn Shikaidou so nah war... Wie eben jetzt in diesem Moment. Sein Platz war in der zweiten Reihe von vorn, in der Mittelreihe. Ungefähr zwei bis drei Meter vor ihm stand der Lehrertisch. Es war die fünfte Stunde. Und seine Augen hingen nur an einem gewissen rothaarigen Mann, der gerade wunderbar über ein geschichtliches Ereignis sprach, was Chiaki leider überhaupt nicht mitbekam. Er hatte nur Augen für diesen schönen Mann... seine funkelnden Augen... und diese Lippen. Wahnsinn. Der Blonde bekam einen trockenen Mund, als sich der Lehrer während seiner Rede kurz die Lippen anfeuchtete, indem er mit seiner Zunge darüberfuhr.
 

Die ersten Schulstunden in der neuen Klasse waren fast problemlos gelaufen. Vor der ersten Stunde hatten sich alle um ihn geschart und ihn ausgefragt. Größtenteils waren es die Mädchen gewesen, die ihn begutachtet und somit abgeschätzt hatten, ob er eine Konkurrenz für sie war. Die Jungs hatten ihm anerkennende Blicke zugeworfen. Chiaki hatte sie sich natürlich auch angesehen... Aber jemand der schöner war, als sein neuer Lehrer, hatte er nicht gesehen... Es war auch einfach unmöglich, schöner und perfekter zu sein - das konnte gar nicht gehen...! Niemand hatte bemerkt, das er ein Junge war. Alle waren freundlich zu ihm und lächelten ihn an. Er war mehr als froh gewesen, als sich sofort jemand fand, der sich neben ihn setzen wollte... So schnell Beliebtheit zu erringen hätte er sich nie träumen lassen... Vielleicht waren Mädchen generell beliebter und wurden sofort in die Gemeinschaft aufgenommen - wobei Jungs sich so einen Status erst erarbeiten mussten...?!
 

Chiaki seufzte tief und stützte sein Kinn in seine Hand, dessen zugehörigen Arm er auf den Tisch gestützt hatte. Er bekam nicht mit, das inzwischen alle Schüler das Tafelbild abschrieben, welches Herr Shikaidou während der letzten Minuten zusätzlich noch angeschrieben hatte. Seine Blicke waren immernoch starr nach vorne gerichtet, auf den Platz, wo der Rothaarige noch vor ein paar Minuten gesessen hatte. So schön... so wahnsinnig gut aussehend... so... "Fräulein Nagoya... sind Sie in Halbschlaf verfallen...? Glauben Sie, ein Prinz kommt in der nächsten Minute und küsst Sie wach?!" Herr Shikaidou hatte seine Hand auf die Schulter des Blonden gelegt und sich halb hinter ihn gestellt. Chiaki schreckte auf und nahm es als ganz normal hin, dass er rot wurde. Kein Wunder - der Gott berührte ihn! Aber... was hatte er gesagt?! Und warum siezte er ihn?! Die Lehrer duzten ihre Schüler doch immer. Hatte er etwa Sonderstatus? Oder hatte er etwas nicht mitbekommen?! Verwirrt senkte er seinen Kopf und starrte auf sein leeres Blatt Papier, was ihm seine neue Nachbarin Malice wohl schnell zugeschoben haben musste. "Wenn du jetzt bitte mitschreiben würdest. Die ersten sind schon wieder fertig..." "E-entschuldigung", stammelte der Blonde und griff nach einem Stift. Dann sah er wieder an die Tafel. Erst jetzt bemerkte er, dass er überhaupt nicht verstand, worum es ging. Was war denn das für ein Thema?! Und... Chiaki begriff überhaupt nichts. In den anderen Fächern war er problemlos mitgekommen, die Themen knüpften fast nahtlos an die an, die er schon hatte oder bei denen er an seiner alten Schule ebenfalls gerade war. Aber hier... in Geschichte... in dem /einzigsten/ Fach, was er bei Herrn Shikaidou hatte, hatte er natürlich keinen Plan. Hier waren alle dem Lehrplan weit voraus und er hatte keinen Bezugspunkt zu dem, was als letztes in seiner alten Schule unterrichtet wurde.
 

Er saß stumm da, mit dem Stift in der Hand und starrte immernoch auf die Tafel. "Ist dir nicht gut, Chiaki? Möchtest du kurz rausgehen?" Der Blonde zuckte abermals zusammen, als er die wohlklingende Stimme seines Lehrers wieder direkt hinter sich hörte. "N-nein... ich...", wenn er jetzt sagte, dass er nichts verstand, würde Herr Shikidou nur denken, dass er in der Stunde nicht aufgepasst hatte - was zwar stimmte, aber was er nicht unbedingt so offen zeigen wollte... - und ihn deswegen auf die Liste der unaufmerksamen Schüler setzen. Und dabei war er das doch ganz und gar nicht! Er hatte nämlich ganz genau beobachtet, wie Herr Shikaidou lächelte... wann er lächelte... und dass er leichte Grübchen hatte, wenn er das tat. Und seine Augen funkelten noch mehr... dieses Rot. "Chiaki, wenn du dich nicht konzentrieren kannst, bitte ich dich, vor die Tür zu gehen!" Der Ton des Rothaarigen war etwas härter geworden, Chiaki bekam das sehr wohl mit und sah nun zu seinem Lehrer. Eigentlich wollte er etwas entgegnen, aber er sein Körper verweigerte ihm den Gehorsam. Er konnte nichts anderes tun, als aufstehen und das Zimmer verlassen. Er spürte die Blicke der anderen Schüler in seinem Rücken. Und auch die von Herrn Shikaidou. Er war ja selber verwirrt, warum er nicht einfach gesagt hatte, dass er in seiner Schule noch nicht bei diesem Thema war und nichts verstand. Jetzt, wo er hier draußen vor der Tür stand, kam ihm alles auf einmal so leicht vor... Und er fühlte sich wie ein Vollidiot. War er wirklich immer zu dumm, den Mund aufzumachen?!?!
 

Nun konnte er nur noch die Stunde abwarten... und sehen, was dann passierte. Er sah an seine Armbanduhr: Zum Glück war die Stunde bald um. Er musste sich das Zeug dann halt von Malice borgen, um alles abzuschreiben. Sie hatte eine wunderbare Schrift, einfach zu lesen, klar und deutlich - und mit Stil. Vielleicht konnte er dann auch gleich Geschichte nachholen. All das, was er in seiner alten Schule nicht kapiert oder noch nicht gehabt hatte. Eine sinnvolle Tätigkeit... und nur für Herrn Shikaidou, damit er nicht wie ein Dummerjan vor ihm stand. Was musste er jetzt nur von ihm denken?! Den ersten Tag geschwänzt – beziehungsweise verschlafen - am zweiten gleich mal aus dem Zimmer rausgeschmissen worden, nichts gelernt und sich auch noch frech an der Ampel benommen. Wie sollte es denn noch besser kommen...?! Es läutete zur Pause und Chiaki betrat wieder das Zimmer. Die Schüler strömten an ihm vorbei und ein Mädchen meinte zu ihm: "Herr Shikaidou will mit dir sprechen. Ich weiß aber nicht, was er will. Wahrscheinlich weil du nicht aufgepasst hast. Wir haben dann übrigens Chemie im Zimmer 207. Da sitz ich dann neben dir..." Sie lächelte Chiaki noch einmal zu, dann verschwand sie mit den anderen in einem anderen Gang des Gebäudes. Der Blonde seufzte noch einmal tief und ging nach vorne zu seinem Platz. Er hatte Angst, was sein neuer Lehrer zu ihm sagen würde. Bestimmt war er mächtig sauer, weil er an seinem ersten Tag schon so einen Mist machte. Und dabei hatte er sich doch anstrengen wollen, dass ihn Herr Shikaidou mochte...! Chiaki knirschte leise mit den Zähnen und packte sein Buch und das andere Zeug in seinen Rucksack. Aus den Augenwinkeln beobachtete er den Rothaarigen, der an seinem Tisch saß und noch etwas auf ein Stück Papier kritzelte.
 

"Geschichte scheint wohl doch nicht so interessant für dich zu sein...", brach der Lehrer die Stille und sah von seinen Schreiberein auf. Chiaki war gerade fertig mit einpacken und riss seinen Kopf hoch: "Nein! Ich... kann es nur nicht so gut..." "Bis wohin bist du denn mit deiner alten Klasse gekommen? Vielleicht liegt es daran, dass du nicht im Stoff mitgekommen bist?" Der Blonde senkte wieder den Kopf: "Sie müssen doch schon auf meinem Zeugnis gesehen haben, dass ich keine so gute Note in Geschichte habe... Aber es stimmt: Wir waren noch nicht so weit gekommen. Unsere Lehrerin war so oft krank gewesen und keiner hat sie vertreten..." "Aber das hättest du mir doch sagen müssen! Dann hätte ich... - Weißt du was? Ich könnte dir Nachhilfeunterricht geben, dann bist du bald gleichauf mit den anderen und vielleicht sogar besser als vorher...!" Chiaki sah den Lehrer mit großen Augen an. Nachhilfeunterricht... Das hörte sich so... Er riss die Augen weit auf. Das hieß ja: Er würde den Rothaarigen noch öfter sehen! Und... er... "Und das würden Sie machen?", fragte er zaghaft nach. "Aber natürlich...", meinte Herr Shikaidou, "...ich habe nachmittags viel Freizeit und bin sehr um das Wohl meiner Schüler bemüht. Ich würde sagen, drei Stunden die Woche reichen erstmal. Morgen ist Mittwoch - hast du da Zeit? Ich bin 17 Uhr hier fertig..." Chiaki schwindelte wieder leicht. Das hörte sich in seinen Ohren an wie ein... Date. Zwar würden noch andere von Herrn Shikaidou Nachhilfe bekommen, aber egal... "Und... wem geben Sie noch Nachhilfe?", er wollte sich gleich Gewissheit verschaffen, wer noch da sein würde. "Nun ja... du bist die Einzige... Ist das nicht okey?", fragte der Rothaarige nach. Chiaki wurde wieder rot und kippte beinahe um. Oh Gott. Er. Mit ihm. ALLEIN! Nachhilfe... jetzt wusste er auch, womit er dieses Wort assoziierte: Mit unkeuschen Gedanken, die zwar mit "Lernen" zu tun hatten, aber definitiv in einen anderen Bereich als Schule oder Geschichte gingen... "D-doch...", stammelte er irgendwie entsetzt und setzte sich verwirrt seinen Rucksack auf. Scheiße, wie sollte er nur drei Stunden in der Woche überleben, wenn er mit Herrn Shikaidou alleine in einem Raum war?! Das war doch so gut wie unmöglich! Allein schon wenn er ihn ansah, konnte er seine Gedanken nicht mehr steuern... seine Hände zitterten und sein Herz raste... "Ich habe morgen Zeit... U-und ab wann soll ich da sein? Und wo?" Chiaki atmete tief durch. Das war doch einfach nur die perfekte Gelegenheit, um den neuen Lehrer näher kennenzulernen... auf die eine... oder die andere Art... Der Blonde trat näher auf den Lehrertisch zu. Er bemerkte zu seinem Unmut, dass seine Beine zitterten und er wie auf Pudding lief. Und zwar auf Vanillepudding. "Nun, ich würde sagen, dass wir 19 Uhr anfangen. Ich geb dir noch meine Adresse..." "/Ihre/ Adresse...?" Chiaki riss die blauen Äuglein auf und starrte den rothaarigen Lehrer fassungslos an. Bei /ihm/...?!?!?! Das wurde ja immer besser... "Was denn? Ich bin hier der letzte, der abends das Schulgebäude verlässt. Und außerdem kann ich dir bei mir auch etwas zu trinken anbieten. Und die Umgebung ist nicht so unschön wie hier..."
 

Wozu brauchte Herr Shikaidou denn schöne Umgebung, wenn sie doch nur für Geschichte lernen wollten...?! Der Magen des Blonden spielte verrückt und die Röte in seinem Gesicht war nicht mehr aufzuhalten. Er fühlte sich, als würde er unter Strom stehen. Er konnte es einfach nicht glauben. Sah er vielleicht alles nur zu doppeldeutig, weil er darauf hinaus war, so etwas mit dem Lehrer zu tun? Oder... war es wirklich so gemeint...?! "Hier ist meine Visitenkarte. Wir sehen uns morgen Vormittag ja leider nicht... Also dann, bis 19 Uhr..." Chiaki nickte nur mechanisch und nahm mit zitternden Händen das kleine Stück weißen Karton entgegen, auf dem mit schwarzen Lettern die Anschrift und Telefonnummer des Lehrers stand. Es war alles so, als träumte er... Der erste Schultag... und schon war er dem Rothaarigen so nah gekommen... Erst wusste er noch nicht seinen Namen, jetzt sogar seine Adresse und Telefonnummer... So konnte es gehen. "Also dann... bis morgen abend...", wiederholte er Herrn Shikaidou halb und drehte sich dann - immernoch mit einem verwirrten Gesichtsausdruck - um und verließ das Klassenzimmmer. Am liebsten wollte er jetzt nach Hause, aber er hatte ja noch Chemie... In welchem Zimmer war das nochmal...? 207 oder so... Saß da nicht Rikumi neben ihm...? Jedenfalls hatten sie die anderen Mädchen immer so genannt... Na dann... das schien die letzte Stunde für heute zu sein. Sechs Stunden waren ja auch mehr als genug, schließlich war es sein erster Schultag an der neuen Schule. Und nach diesem "Schock" gerade eben musste er sich zu Hause erstmal erholen. Und sich für morgen noch vorbereiten. Ihm fiel ein, dass er ja noch mehr Klamotten kaufen musste...! Heilige Scheiße, hoffentlich hatte er noch genug Geld! Denn in den gleichen Sachen, die er heute getragen hatte, konnte er ja morgen nicht schon wieder rumlaufen...! Das war ein klarer Verstoß gegen sein Hygienegesetz...! Da ertönte auch schon das Klingeln und er hechtete in das Zimmer, was ihm Rikumi vorher gesagt hatte. Zum Glück war die Lehrerin noch nicht da. Er suchte schnell seinen Platz und packte seine Sachen aus. Rikumi saß schon neben ihm und sah ihn neugierig an: "Und? Was hat er gesagt? Hast du Ärger abbekommen...?" Chiaki seufzte tief. Er war sowieso schon aufgeregt... und jetzt fragte ihn dieses neugierige Huhn auch noch aus... Aber naja, da musste er nun durch. Außerdem war sie nett und wollte sich ja bloß ein wenig um ihn kümmern... "War ganz okey. Ich bekomme jetzt Nachhilfe in Geschichte." "Bei ihm?" "Ja... ab morgen." Rikumi schien zu überlegen, denn sie schwieg eine Weile. Bevor sie aber etwas sagen konnte, kam die Lehrerin herein und alle erhoben sich zur Begrüßung. Nachdem diese Prozedur erledigt war, setzten sich alle wieder hin und Rikumi beugte sich ein wenig zu Chiaki: "Ich hatte auch mal Nachhilfe bei ihm." Der Blonde zog eine Augenbraue hoch und wandte sich ein wenig zu ihr: "Und?" "Er wollte mich befummeln..." Chiaki verschluckte sich fast und hustete laut. Ein Teil der Klasse drehte sich zu ihm um, aber die Lehrerin fuhr fort in ihrer Erklärung über organische Chemie und was man alles für die Prüfung wissen musste... "Er hat... /was/?!", flüsterte der Blonde entsetzt. Aber irgendwie wollte sich ein richtig großer Schock bei ihm nicht einstellen... Schließlich... war er nicht auf so etwas aus? "Er hat mir bei sich zu Hause Nachhilfe gegeben... aber wahrscheinlich war schon von Anfang an kein Geschichte vorgesehen, sondern etwas eher... praktisches...", Rikumi schwieg wieder und tat so, als würde sie interessiert dem Unterricht folgen. Chiaki tat es ihr gleich, denn die Lehrerin sah öfters mal in ihre Richtung... "Ja, und darum meiden ihn auch die meisten der Schülerinnen, weil sie schon "Nachhilfe" bei ihm hatten..."
 

"Oh." Mehr sagte der Blonde nicht. Er wollte eigentlich noch fragen, ob der Lehrer das auch schon bei Jungs gemacht hatte, aber das würde ihm nur fragende Blicke seitens Rikumi einhandeln. Wäre schon komisch, wenn er als Mädchen... so etwas fragen würde. Aber obwohl... er war neu hier an der Schule: Warum sollte er nicht fragen können?! Das war einfach nur für Informationszwecke... "Hat er denn auch schon Jungs... "Nachhilfe"... gegeben?" Rikumi zuckte nur mit den Schultern. "Hab keine Ahnung. Mir ist eigentlich nix bekannt... Aber vorstellen könnt ich's mir, schließlich ist er überall und bei jedem sehr beliebt. Bis jetzt hat auch noch keine von uns etwas ausgeplaudert..." 'Weil es euch gefällt, ist doch klar...!', wetterte Chiaki in seinen Gedanken, sprach diese aber nicht laut aus. Er konnte sich gut vorstellen, dass es den Mädchen in Wahrheit gefiel, etwas mit ihrem Lehrer zu haben, sie es nur nicht zugeben wollten... Oder war nur er so eingestellt, dass es ihm gefallen würde? Vielleicht war Herr Shikaidou ja wirklich ein Schwein, welcher nur seine Schülerinnen benutzte und sie erpresste, damit sie nichts sagten?! Nach diesem Gespräch mit Rikumi war er noch unsicherer... Wie sollte er sich jetzt dem Lehrer gegenüber verhalten...? Sollte er überhaupt morgen Abend zu ihm gehen? War das nicht ein bisschen unvorsichtig? Und außerdem... er war doch ein Junge!! Wenn das der Rothaarige bemerkte... Dann war alles zu spät! Dann konnte er es sich abschminken, den Rest des Schuljahres in Ruhe zu verbringen. Diese Chance hatte er zwar schon jetzt nicht mehr, da er dauernd von Herrn Shikaidou unterrichtet wurde, aber trotzdem... dann würde alles noch viel schlimmer werden, wenn man herausbekam, dass er schwul war... und auch noch Mädchenkleider anzog... Klischeehafter ging es doch wohl kaum. Alle würden sich auf ihn stürzen. Er würde ein wehrloses Opfer sein, gerade richtig für die intolerante Masse, die doch eigentlich immer vorgab, tolerant zu sein...
 

Er hatte nicht mehr wirklich viel vom Unterricht mitbekommen und sich nur noch schnell ein paar Hefter von Malice ausgeliehen, dann war er aus der Schule gestürmt. Er hatte plötzlich Angst vor morgen. Was würde passieren? Würde Herr Shikaidou versuchen, ihm näher zu kommen? Und wenn er, Chiaki, einfach abblockte? Würde der Rothaarige weitermachen? Sicher... Wenn er sich ein Ziel gesetzt hatte, gab er es sicher nicht so leicht auf, oder? Chiaki seufzte tief und machte noch einen Abstecher in die Einkaufspassage, in der er ja gestern schon war, als er bemerkte, dass er noch ein wenig Geld einstecken hatte... Heute würde er sich noch ein wenig Kleidung zum Wechseln kaufen... Auch wenn er im Moment den Kopf mit ganz anderen Sachen voll hatte, als sich neue Kleider zu kaufen. Oder Röcke. Oder sonstewas...
 

Nach dem Einkaufsstress, als er mit vollbepackten Tüten wieder auf der Straße stand, war sein Kopf irgendwie so leer. Er hatte keine Ahnung, ob er im Guten oder Bösen von Herrn Shikaidou denken sollte. Er tat ihm bestimmt Unrecht, wenn er daran dachte, dass er ihn... vergewaltigen wollte. Aber andererseits... Rikumi hatte vertrauensvoll geklungen... Und die Tatsache, dass er ein Junge war, war wirklich /zu/ beschissen. Was hatte er sich eigentlich dabei gedacht, Kleider anzuziehen?!?! Wütend wollte er schon die Einkaufstüten auf den Asphalt schmeißen, aber er besann sich eines besseren. Jetzt hatte er mit dieser ganzen Travestienummer - denn anders konnte man es ja nicht mehr bezeichnen... - angefangen, jetzt musste er sie auch durchziehen. Er würde das Kind morgen schon schaukeln. Bis zum Abend vergingen noch einige Stunden und vielleicht hatte er noch eine Idee, was er machen konnte, um dem Lehrer zwar näher zu kommen, aber nicht zu nahe...
 

Wie gut, dass er Optimist war.

Nachhilfe!

Es war Mittwoch. Und Chiaki fühlte sich elend. Die letzten Tage hatten ihm nicht geholfen und er wusste immernoch nicht, was er heute Abend machen sollte: Zu Herrn Shikaidou gehen, die Gelegenheit am Schopf packen? Oder sich lieber in Sicherheit bringen, weg von diesem Mann, der vielleicht nur mit ihm schlafen wollte...? Aber... war das nicht auch Chiakis Wunsch...? Oder wollte er mehr als das? Eine Beziehung? Zu einem Lehrer? Das war doch unmöglich. Es war ja auch nicht nur /ein/ Lehrer, sondern auch noch /sein/ Lehrer. Das war schon ein Unterschied. Ein gewaltiger sogar.
 

Chiaki lag dösend auf seinem Bett. Er hatte heute acht Stunden Unterricht gehabt. Das schlauchte. Hausaufgaben mussten wohl warten... auf eine unbestimmte Zeit. Aber wichtiger war immernoch, was er heute gegen 19 Uhr machen sollte. Vielleicht war er einfach nur ein Schisser, der zu wenig Selbstvertrauen hatte. Er war doch eigentlich ein Junge! Falls es wirklich schlimm kommen sollte, konnte er sich doch wehren! Es war doch nicht so, dass er keine Möglichkeiten hatte, zu fliehen – oder?! Seufzend stand er auf und ging in die Küche. Es war nun kurz nach 15 Uhr. Viel Zeit hatte er nicht mehr, um sich zu entscheiden. Aber... langsam wurde er immer sicherer in seinem Entschluss, es einfach zu probieren. Vielleicht übten sie wirklich nur Geschichte. Und wenn das so war, musste er sich auf den Stoff konzentrieren... aber bei so einem Lehrer...? Chiaki glaubte, dass er in sekundenschnelle alle Kriege, Kaiser und Könige vergaß, wenn ihn Herr Shikaidou nur einmal ansah... Hijiri... sein Vorname klang einfach nur /zu/ gut... Chiaki hatte ihn gestern Abend und heute mindestens tausendmal in Gedanken ausgesprochen. Er musste aufpassen, dass er ihn heute nicht so nannte... Hoffentlich hatte es sich der Rothaarige nicht anders überlegt und war heute Abend überhaupt da! Denn Chiaki hatte ihn heute in der Schule gar nicht gesehen... aber vielleicht hatte er auch nur einen freien Tag... denn seine Augen nach ihm offen gehalten hatte Chiaki zur Genüge. Das konnte man dem Blonden nicht unterstellen, dass er zu wenig Ausschau nach diesem Prachtexemplar von Lehrer gehalten hätte...!
 

Wieder ein tiefes Seufzen. Der Kühlschrank war leer. Und sein Magen knurrte. Aber Geld hatte er nicht mehr viel. Er hatte alles für Klamotten, Schminkzeug und anderen Kram ausgegeben, den er nun als Mädchen brauchte. Wenn er noch ein Junge gewesen wäre, hätte er nun einen gefüllten Kühlschrank und würde nicht darüber grübeln, ob er zur Nachhilfe bei seinem Lehrer gehen sollte oder nicht. Denn da hätte er nicht einmal das Angebot dazu bekommen!! Herr Shikiadou stand auf Mädchen... das war ja klar, schließlich hatte er nur weiblichen Geschöpfen bei sich Nachhilfe gegeben... bis jetzt. Chiaki konnte sich – auch wenn das jetzt eine ziemlich unpassende Situation war – ein Grinsen nicht verkneifen. Auch wenn er es sich nicht vorstellen wollte, was Herr Shikaidou von ihm denken würde, wenn er erfahren würde, dass Chiaki eigentlich männlich war, so füllten doch eben diese Vorstellungen seinen Kopf... Lachend brach er auf einem der Küchenstühle zusammen und hielt sich wegen des Lachkrampfes die Seiten, die langsam anfingen, zu schmerzen. Oh Gott... er dachte lieber nicht mehr daran. Man sollte ja nicht den Teufel an die Wand malen, sollte ja nicht so gut sein. Und es konnte ja sein, dass ihm Herr Shikiadou – genau wie den anderen – „spezielle Nachhilfe“ geben wollte, was dann aus den Rudern laufen und ziemlich... heikel werden könnte. Trotzdem... die Vorstellung von dem perplexen Gesicht des Rothaarigen brachte Chiaki schon wieder zum Grinsen...
 

Es war nun eine halbe Stunde nach 18 Uhr. Chiaki stand gestiefelt und gespornt – was natürlich nicht wortwörtlich zu nehmen war – vor seiner Wohnungstür und überprüfte noch einmal in Gedanken, ob er alles mithatte: Geschichtszeug aus seinen vergangenen Schuljahren, Schreibzeug, Pfefferspray. Letzteres hatte er sich gestern erst gekauft, denn wenn er abends noch länger draußen war, in kurzem Rock oder Kleid... es konnte ja mal etwas passieren. Und falls ihm Herr Shikaidou auf die Pelle rücken sollte... so leid es Chiaki auch tat, er musste sich dann gegen ihn wehren. Denn er konnte es nicht riskieren, dass der Lehrer herausfand, dass er gar kein Mädchen war. Auf keinen Fall... Er hängte sich seine Tasche über die Schulter und verließ seine Wohnung. Kurze Zeit später war er an der Bushaltestelle angelangt, der Bus kam nach ein paar Minuten und er stieg ein. Die Fahrt dauerte genau 20 Minuten und führte in die Stadt hinein – er selber wohnte mehr am Stadtrand. Es war schon dunkel, aber trotzdem waren die Straßen belebt, fast noch mehr, als am hellichten Tag. Alle möglichen Menschen tummelten sich wie Federmäuse in der Dunkelheit und tanzten wie Motten um Laternen, Geschäftsbeleuchtungen oder andere Lichtquellen. Chiaki zog die Visitenkarte aus seiner Tasche und sah noch einmal nach, ob er sich die Hausnummer des Lehrers auch richtig gemerkt hatte. Wäre ja noch viel schöner, wenn er ausversehen in einen falschen Hauseingang in dem großen Wohnblock gehen würde... Er suchte die Nummer und stand nun vor den zahllosen Klingelschildern. Verwirrt ließ er seinen Blick über sie gleiten und bemerkte, wie es vor seinen Augen zu flackern begann. Mensch, wie viele Familien wohnten denn hier?! War hier die ganze Bevölkerung Asiens in ein Haus gesperrt oder wie?! Und das war ja gerade mal /ein/ Hauseingang!! "Puh...", seufzend begann der Blonde, die einzelnen Klingelschilder nach dem Namen 'Shikaidou' abzusuchen. Es konnte sich eigentlich nur noch um Stunden handeln... "Na?" Chiaki erstarrte in seiner Bewegung, die Schilder mit seinem Zeigefinger hoch- und runterzufahren, als er die Stimme erkannte, die da gerade zu ihm gesprochen hatte. Sah bestimmt nicht gerade intelligent aus... aber das bemerkte er im Moment nicht. Viel besser sollte er sich mal ausdenken, was er denn Tolles sagen könnte, um nicht wie ein kompletter Vollidiot dazustehen...
 

Als allererstes könnte er sich ja mal umdrehen... Doch bevor er seinen Gedanken in die Tat umsetzen konnte, wurde seine Hand, die immernoch bei den Klingelknöpfen ruhte, von einer größeren umschlossen und sanft in eine bestimmte Richtung dirigiert, bis sie an einem Schild anhielt, auf dem 'H. Shikaidou' stand. "Dorthin willst du doch, nicht wahr...?" Chiaki war momentan nicht mehr fähig irgendwie zu reagieren. Sämtliche Gedanken hatten sich still und heimlich verabschiedet und nun stand er hier ganz allein nur mit diesem Kribbeln auf der Haut, wo ihn sein Lehrer die ganze Zeit berührte. Nein. Herr Shikaidou wusste ganz sicher nicht, was er da gerade mit ihm anrichtete. Und das war wirklich eine ganze Menge. Aber trotz all diesen schönen Eindrücken... wäre es doch irgendwie klüger, jetzt mal endlich was zu sagen... dachte Chiaki so bei sich. Er starrte auf die Klingelschilder und brachte aber trotzdem immernoch keinen Ton heraus. Das war ja echt mehr als 'ne Katastrophe... "Du kannst ja mal klingeln... vielleicht ist jemand da", grinste der Lehrer hinter ihm, umfasste seine Hand etwas stärker und führte sie zu dem Klingelknopf, der neben dem entsprechenden Schild war. Und endlich kam Leben in den Blonden: Er entzog sich der warmen Hand, auch wenn es ihm Leid tat... aber bestimmt kam er heute noch einmal in so eine Situation, in der sie sich – wenigstens unabsichtlich – berührten... Dann drehte er sich um und schluckte erstmal. Mensch... er hatte ganz vergessen, wie groß der Lehrer eigentlich war! "H-hallo... Herr Shikaidou...!", stieß er hervor, sah ganz kurz in die Augen seines Schwarms und senkte dann schnell wieder den Blick. Na okey, so schlecht war das ja mal für den Anfang nicht, beglückwünschte er sich insgeheim selbst. Seine Gedanken machten ihn noch ganz irre. Er wusste gar nicht, woran er denken sollte. Dieser Mann hatte ihn echt total von der Rolle geschmissen...
 

"Guten Abend, Chiaki! Schön, dass du den Weg bis zu meiner Wohnung gefunden hast...", nach einer kurzen Pause fügte er noch hinzu, "...naja, jedenfalls bis hierhin..." Er lachte kurz und betrachtete den zierlichen Körper, der immernoch mit gesenktem Kopf vor ihm stand und es nicht wagte ihn anzusehen. "Darf ich mal sehen, was du für eine Augenfarbe hast? Ich hatte das in den letzten Tagen nicht sehen können", meinte Herr Shikaidou etwas verträumt. Der Blonde war etwas verwundert über diesen Wunsch des Lehrers und auch nicht unbedingt darüber erfreut, denn da musste er ihm ja sein Gesicht zeigen, was bestimmt mal wieder knallrot war. Alles in allem nicht die perfekten Voraussetzungen, dem Anderen in die Augen zu sehen, wenn dieser alles sehen konnte... Trotzdem tat er es, schließlich fand er die rubinroten Augen des anderen Mannes einfach nur faszinierend und zum dahinschmelzen schön... Außerdem tat er ihm ja gern einen Gefallen... "Was für ein klares Hellblau!" Herr Shiakidou war ziemlich erstaunt, als er dem Blonden nun in die Augen sehen konnte, denn er hatte es tatsächlich in den letzten Tagen noch nicht geschafft, Chiaki näher zu betrachten... Nur... andere Körperteile von /ihr/. Das schüchterne und hübsche Mädchen machte ihn richtig an... und heute Abend war eine perfekte Gelegenheit, um sie flachzulegen. Wenn sie sich zieren würde... nun, da würde er schon einen Weg finden, dass es ihr auch gefiel und schließlich doch mitmachte. Nicht ohne Grund wurde er, Hijiri Shikaidou, als Macho, Frauenheld, Verführer oder Liebesgott in Person betitelt... er hatte sich das ganz sicher nicht allein ausgedacht.
 

"D-dankeschön...", stammelte Chiaki überrascht, starrte dem Lehrer immernoch in die Augen. "Sie haben aber auch schöne Augen...", nachdem der Jüngere bemerkt hatte, was er da vor sich hin plapperte, nahm der Rotton in seinem Gesicht eine noch dunklere Färbung an und Herr Shikaidou kicherte leise... und irgendwie angenehm. "Findest du?" Warum musste dieser Idiot das denn auch nochmal hören?! Chiaki verwünschte sich für diesen Tag und seine Entscheidung, hierher gegangen zu sein und meinte: "Ja." Herr Shikaidou lächelte wieder so liebevoll, dass das Herz des Blonden einen kleinen Sprung vollführte... "Wollen wir reingehen?" Chiaki nickte nur und wartete, bis der Lehrer die Haustür aufgeschlossen hatte und ging hinter ihm in das Treppenhaus des Wohnblockes. "Moment, ich bin noch nicht dazu gekommen, meinen Briefkasten auszulehren... ich mach das noch schnell.", Chiaki konnte gar nicht antworten, denn der Rothaarige war schon zu den Briefkästen gegangen und entnahm gerade einen ziemlich großen Stapel an Briefen und Werbematerial. Er kam schnell wieder zurück und beachtete die Post nicht mehr, die er nur mal schnell durchgesehen hatte. Wahrscheinlich nichts besonderes, nur Rechnungen und sowas. Chiaki machte sich keine Gedanken mehr über die Post seines Lehrers und wollte sich lieber auf wichtigere Sachen konzentrieren...
 

Sie fuhren mit dem Fahrstuhl einige Stockwerke hoch, stiegen schließlich aus und liefen einen langen Korridor entlang bis zur Wohnungstür des Lehrers. Chiaki sah sich neugierig um: Der Fahrstuhl, die Gänge, Wohnungstüren... alles sah echt nobel aus! Herr Shikaidou musste ja echt viel verdienen, wenn er sich solchen Luxus leisten konnte... Der Blonde warf noch einen Blick auf eine große Palme, die am Ende des Ganges stand und im nächsten Moment wurde er von dem Rothaarigen in seine Wohnung hineingebeten. Er betrat sie mit ein wenig Ehrfurcht, weil seine Wohnung im Gegensatz viel mickriger aussah, ganz abgesehen von dem Haus und den schrecklichen Nachbarn, von denen es hier wahrscheinlich entweder kaum welche oder wenn, dann nette und ruhige gab... Tja, nicht jeder war eben ein Glückspilz. "Darf ich dir deinen Mantel abnehmen...?" Doch heute war /er/, Chiaki, einer... Er lächelte still in sich hinein, während ihm der Lehrer seine Oberbekleidung gentleman-like abnahm und auf einen Bügel in die Garderobe hängte. "Wir gehen am Besten ins Wohnzimmer, dort ist ein großer Tisch und genug Platz für...", Chiaki hob fragend seinen Kopf, als Herr Shikaidou an dieser Stelle des Satzes eine Pause machte, "...die Geschichtsaufgaben." Der Lehrer lachte kurz und legte einen Arm um Chiakis Schultern, um ihn in das eben angesprochene Zimmer zu führen. Die Augen des Jüngeren waren groß und rund geworden, als er sich derweil die Einrichtung der Wohnung genauer ansah: Hatte man denn als Lehrer so ein riesiges Gehalt, dass man sich /solche/ Möbel leisten konnte?! Unfassbar... Chiaki hatte insgeheim einen weiteren Beruf zu seiner Liste hinzugefügt, die es wert waren, gelernt oder studiert zu werden...
 

"Machs dir ruhig bequem!", forderte der Ältere Chiaki auf, sich zu auf die Couch zu setzen. Der Blonde tat, wie ihm geheißen und bekam kurzzeitig ein leichtes Flattern im Bauch, als sich Herr Shikaidou genau neben ihn setzte. "Ihre Wohnung ist toll...", meinte er leise, um die Stille, die sich im Raum ausgebreitet hatte, zu durchschneiden. Herr Shikaidou nickte und meinte: "Ich hab sie erst einige Monate, zuvor wohnte ich woanders und hatte einen längeren Weg bis zur Schule. Ich habe ein wenig gespart und mir schließlich diese Wohnung hier gekauft... – Aber das interessiert dich sicher überhaupt nicht...", unterbrach sich der Lehrer selbst. "Nein! Ich meine... ich... ähm...", Chiaki verhedderte sich in seinem hilflosen Stottern und bekam die Stimme in seinem Kopf nicht mehr heraus, die pausenlos sagte: "Das ist peinlich, das ist peinlich, das ist peinlich!!" Herr Shikaidou drehte seinen Kopf zu dem Blonden und lächelte ihn an. Der Andere fühlte sich, als würde gerade ein Schalter in ihm umgelegt werden, der seine Gesichtsfarbe von "normal" in "tiefstes rot" änderte... Gott, wie oft war er heute schon in der Gegenwart des Lehrers errötet?! War es nicht einfacher, wenn er einfach so blieb und nicht immer wieder seine blasse Farbe zurückbekam?! "Du bist ein süßes Ding... weißt du das?" Chiaki hob beide Augenbrauen und spürte sein Herz im Halse pochen. Diese Worte hatte er sich nicht gerade eingebildet, oder?! Uaaagh! Auch wenn Herr Shikaidou wahrscheinlich nur das eine wollte – er sagte so nette und süße Sachen, dass ihm Chiaki einfach nicht widerstehen konnte... So etwas hatte noch nie jemand zu ihm gesagt...! "Ähm..." Chiaki erwiderte mit einem zuckersüßen Lächeln und versuchte, ein wenig Abstand zwischen sich und den Lehrer zu bringen. Ihm wurde langsam ziemlich heiß... und das konnte ihm nur zum Verhängnis werden. Doch Herr Shikaidou rückte sofort auf und saß schon wieder so nah bei ihm... sein Bein berührte fast den Oberschenkel und das nackte Knie des Blonden... und ließ diesem immer mehr die Röte ins Gesicht steigen, als er das bemerkte. Er lächelte noch breiter – aber auch eine Spur hilfloser – da er nicht wusste, was er machen sollte. Einerseits war diese enorme Nähe doch was Feines – seinem Körper gefiel es ja auch! – aber das war ja gerade das Problem!! Wenn der Rothaarige herausfinden würde, dass er eigentlich ein Junge war, dann...
 

"He-Herr... Shika...idou...", stotterte Chiaki unbeholfen und starrte in die roten Rubine, die ihm immer wieder näher kamen, kaum hatte er sich ein Stückchen von ihnen entfernt. Er spürte die Armlehne der Couch im Rücken und riss seine Augen noch ein Stückchen weiter auf. Oh-oh... das war überhaupt nicht gut... Nun rückte der Lehrer noch dichter zu ihm und näherte sich nun auch mit seinem Gesicht dem des Jüngeren. Doch bevor er dazu kam, etwas zu tun... was auch immer... hatte Chiaki in letzter Sekunde seinen Geschichtshefter aus seinem Rucksack gezogen, der vor der Couch lag, und ihn zwischen ihre Gesichter geschoben. Mit großen Kulleraugen starrte er auf die gelbe Pappe des Schnellhefters und klimperte ein paar Mal mit den Wimpern. Stille. Langsam ließ er den Hefter sinken, um zu sehen, was der Rothaarige machte. Kaum konnte er die Rubine sehen, blitzen diese schalkerfüllt auf und der Lehrer riss Chiaki die Pappbarriere aus der Hand, um sich auf ihn zu stürzen. Der Blonde schrie angsterfüllt auf, doch Herr Shikaidou hatte sich nur über ihn gebeugt. "Hab ich dir Angst gemacht...?", fragte er grinsend. Chiaki atmete tief durch und wusste nicht, ob es besser war, mit dem Kopf zu schütteln oder zu nicken... Klar hatte er Angst gehabt – aber das konnte er dem Lehrer doch nicht auf die Nase binden! Und schon gar nicht, wenn der ihn auch noch so schelmisch fragte! Also beließ er es dabei, erstmal kräftig zu schlucken und dann vorsichtig nachzufragen, ob sie jetzt Geschichte üben könnten...
 

>>Das kleine Ding will nicht nur was von mir... sie ist ganz vernarrt in mich...! Schritt eins: Suchen von Körpernähe – erfolgreich. Die krieg ich ganz schnell...<<
 

Herr Shikaidou erhob sich wieder und half auch dem Blonden auf, indem er eine Hand auf seinen Rücken legte und ihn sanft anhob. "Klar können wir jetzt Geschichte üben... dazu bist du schließlich zu mir gekommen, nicht wahr...?" Chiaki sah ihn dankbar an und lächelte wieder. Diese Aktion gerade eben war ihm ziemlich in die Glieder gefahren, aber das wollte er sich nicht anmerken lassen. Am besten er vergaß nicht die Tatsache, dass er gerade bei seiner heimlichen Liebe im Wohnzimmer auf der gemütlichen Couch saß... und mit dieser, also mit der heimlichen Liebe, schon unheimlich viel Körperkontakt hatte – wenn auch auf ziemlich merkwürdige Art. Jetzt musste er sich auf die Schule konzentrieren und versuchen, in Geschichte gut mitzukommen. Zwar war ein bisschen dumm stellen auch von Vorteil – extra Nachhilfeunterricht – aber im Großen und Ganzen wollte er die Thematik schon verstehen und nicht wie ganz bescheuert dastehen. Da würde er ja das Klischee "Blond, blauäugig und blöd!" vollends erfüllen. Und das wollte er nun auch nicht unbedingt...

Intrigen

Nachdem er den Abend bei Herrn Shikaidou "überlebt" hatte, lag er rücklings und mit ausgestreckten Armen und Beinen auf seinem Bett und starrte die Decke an. Vor seinem inneren Auge spielten sich immer wieder die abendlichen Ereignisse ab, wie sich zufällig ihre Hände berührt hatten und dass diese kurze Berührung durch seinen Körper geschossen war, wie ein brennender Pfeil. Er freute sich schon wieder auf die nächste Stunde Nachhilfeunterricht, die er auch bald haben würde: Nämlich am Freitag. Er hatte an diesem Tag nicht viele Stunden, aber trotzdem hatte Herr Shikaidou vorgeschlagen, dass sie sich wieder 19 Uhr treffen könnten - wieder bei ihm in der Wohnung. Chiaki störte das natürlich nicht sonderlich, schließlich genoss er es in vollen Zügen, wenn er bei seinem heiß angebeteten Rotschopf so nah wie möglich sein konnte, da konnte nichts und niemand etwas daran ändern...
 


 

"Nun erzähl schon, wie war deine Nachhilfe?"
 

Der eigentlich ruhige und wenig gesprächige Chiaki wurde soeben mit einer Horde Mädchen konfrontiert, die nichts lieber taten, als zu schwatzen und zu reden und der Blonde musste sich erst daran gewöhnen, dass er - zumindest äußerlich - nun auch zu diesser "Spezies" gehörte, die ganz gern mal Kaffeeklatsch machte und sich von Politik bis hin zu in den intimsten Sachen über alles unterhielten.
 

"Ja genau, ich hoffe, er hat dir nichts getan?"
 

"G-getan...? Also, er kam mir recht nahe und... er hat meine Hand berührt, aber sonst ist nichts passiert."
 

Chiaki kam sich reichlich beschränkt vor, so zu reden, aber erstens fiel er so nicht auf, dass er in Wirklichkeit ein Junge war und zweitens wünschte er sich momentan liebend gern so ein Gespräch, damit er nicht allein mit seinen verworrenen Gedanken war. Da waren diese netten Mädels genau die Gesprächspartner, die er haben wollte, auch wenn er sich immer dummer vorkam, als er diese Gedanken in seinem Kopf formulierte. Was war er denn für ein Junge, der freiwillig über seine Gefühle sprach?! Ja, genau so einer, der außerdem noch Mädchenkleider trug und liebend gern seinen Geschichtslehrer küssen wollte. Chiaki seufzte. Es war wohl hoffnungslos um seine Männlichkeit geschehen...
 

"Ich kann's nur nochmal sagen: Pass auf dich auf!", meinte Rikumi und sah den Blonden ernst an.
 

"Ich auch. Der Typ ist echt das letzte."
 

"Was denkst du, warum wir Mädchen uns alle in die hinteren Bänke in Geschichte setzen? Okey, es war vielleicht auch nicht sehr kameradschaftlich von uns, dich nicht gleich von Anfang an zu uns zu holen, aber wir wussten ja nicht, dass er dich gleich so anmacht. Setz dich lieber mit zu uns hinter."
 

"Wirklich, Shikaidou ist ein Arschloch, auch wenn das gut hinter einer hübschen Fassade versteckt ist."
 

"Erspar dir die Probleme und nimm Abstand von ihm."
 

Chiaki sah die Mädchen teils erstaunt, teils nachdenklich an. Sollte er ihnen glauben? Oder waren sie selber alle so verschossen in ihn, dass sie ihn von Hijiri Shikaidou fernhalten wollten, um nicht noch eine Konkurrentin zu haben? Aber... würden sie dann nicht unfreundlicher zu ihm sein und ihn nicht so mitfühlend anschauen, wie sie es gerade taten?
 

"Okey, Chiaki. Versprichst du mir was?"
 

"Was denn?"
 

"Ich erzähl dir jetzt was, was die anderen hier schon wissen. Ich möchte dich bitten, dass es keiner von dir erfährt und du es dir zu Herzen nimmst. Ich sag's dir wirklich nur, weil ich ehrlich gesagt Angst um dich habe. So eine Süße wie dich will er bestimmt gern auch mal..."
 

Der Blonde bekam wieder große Augen, weil er sich denken konnte, worum es ging. Aber so wirklich wusste er nicht, worauf Maya hinaus wollte. Diese sah sich jetzt um, ob auch niemand von den Jungs oder andere Leute, die nicht in die Mädchengruppe gehörten, sie belauschten und begann mit ihrer Erzählung:
 

"Als ich vor einem Jahr genau wie du neu in die Klasse kam, hatte ich mich gleich von Anfang an in Shikaidou verschossen. Ich wollte ihm unbedingt nahe und sogar mit ihm zusammen sein, auch wenn es total absurd war, das zu denken - immerhin ist er mein Lehrer und so eine Beziehung würde niemals klappen."
 

Chiaki kam sich furchtbar ertappt vor und über seine rosaroten Gedanken breitete sich ein dunkler Schleier aus.
 

"Jedenfalls bekam ich dann auch bald von ihm Nachhilfeunterricht und gleich beim ersten Mal wollte er mich anfassen und küssen. Ich war so verliebt, dass ich ihn hab machen lassen. Ich dachte, er meint es ernst mit mir, obwohl ich mir vorher immer schon gedacht und es auch gewusst habe, dass so etwas nicht geht. Ein Lehrer und seine Schülerin? Schönes Märchen, aber so etwas würde niemals etwas werden. Trotzdem hab ich ihn machen lassen und auch bei drei weiteren Nachhilfestunden hab ich mich befummeln lassen. Tja, in der Schule hat er mich nie mehr beachtet und hat mir schlechtere Noten gegeben, als vor der Nachhilfe. Als ich ihn in einer weiteren Stunde gefragt habe, was das soll, sah er mich kalt an, glitt mit einer Hand unter meine Bluse und meinte: 'Wenn du gute Noten haben willst, musst du schon etwas netter zu mir sein.' Seitdem sitze ich hinten bei den anderen Mädels und wir bekommen /alle/ miese Noten in Geschichte. Seit einem halben Jahr plädieren wir nun schon für einen neuen Lehrer, aber die anderen Pädagogen sehen keinen Sinn darin und meinen nur, unsere Zensuren würden dann auch nicht besser werden. Wir wollen nicht darüber reden, weil in dieser intoleranten Schule eh niemand auf uns hört."
 

"Und deswegen wollen wir diesem Arsch selber eins auswischen", ergriff Rikumi wieder das Wort und lächelte - genauso wie die anderen, die zugehört hatten - ob Chiakis total entsetztem Gesicht, der nicht mehr wusste, was er überhaupt denken sollte. Sein Schwarm sollte so ein gemeines Arschloch sein, der den Mädchen schlechte Noten gab, wenn sie nicht mit ihm schliefen?! Verdammt, warum hatte er dann überhaupt die ganze Prozedur mit dem Mädchen-sein auf sich genommen, wenn er doch eh nicht das bekam, was er wollte?! Sex war nicht sein einziges Ziel - in ihm hatte sich die Illusion festgesetzt, den ganzen Menschen zu bekommen und ewig zu halten, nicht nur für ein kleines Schäferstündchen. Das reichte ihm ganz und gar nicht! Und nun... hatte er schon seine erste Nachhilfestunde ins Unglück bekommen. Heute hatten sie wieder Geschichte und er würde fürchterliche Probleme bekommen, weil er ja Hijiri nicht einmal geküsst hatte! Er hatte gerade ein ziemlich übles Problem an der Backe kleben.
 

"Und... Chiaki, auch wenn du uns vielleicht dafür hassen wirst oder denkst, dass wir dir schlechtes wollen..."
 

"...du wärst genau die richtige, um uns zu helfen, diesem Wixer ein für alle mal einen Denkzettel zu verpassen, damit er mal richtig auf die Schnauze fliegt. Wir haben uns nämlich vorgenommen, ihn mit seiner eigenen Masche fertig zu machen. Wir haben nur noch ein Mädchen gebraucht, was für ihn sozusagen das 'Lockmittel' spielt."
 

Als Rikumi das geschockte Gesicht des Blonden sah, beteuerte sie:
 

"Bitte, Chiaki! Das ist nicht böse gemeint! Wenn du es nicht willst, brauchst du es nicht machen, aber hör dir erstmal an, was wir für einen Plan haben... bitte!"
 

"Ich weiß nicht. Warum ich?!"
 

"Wir brauchen jemanden, die gerade neu in die Klasse gekommen ist und an der er Interesse hat, damit er starr und mit Scheuklappen sein Ziel - nämlich dich - verfolgt und nicht bemerkt, wie wir im Hintergrund unsere Falle für ihn zuziehen. Während er nämlich immer mehr deinem Charme und deiner Süße verfällt, zeichnen wir jede eurer Nachhilfestunden auf und haben dann Beweismaterial, mit dem wir ihn erst erpressen können, damit wir wieder unsere eigentlich guten Noten bekommen und dann geben wir dem Direktor die Videobänder und wir haben ihn ein für allemal los."
 

"Und, was sagst du dazu?", fragte eines der Mädchen zaghaft und sie sah - gemeinsam mit den anderen Mädchen den Blonden an, der blinzelte und diesen ausgetüftelten Plan erstmal verdauen musste. Die Mädels hatten diese Idee wohl schon etwas länger, denn sie wussten anscheinend genau, was Chiaki und sie selbst machen mussten, damit alles klappte und sie das verhasste Objekt Hijiri Shikaidou beseitigen konnten. Der Blonde war überrumpelt und auch erschüttert von so viel Elan, einen Menschen in eine Falle tappen zu lassen, den er eigentlich nie für so böse eingeschätzt hatte, dass er so etwas verdient hätte. Doch langsam wurden die rosaroten Schleier ganz von seinen Augen genommen und er hatte freie Sicht auf einen Typen, der es nicht anders verdient hatte. Wenn er wirklich mit solchen Mitteln seine Schülerinnen schlecht machte, musste man ihn stoppen. Und Chiaki war langsam dazu entschlossen, mitzuhelfen.
 

"Ich muss erstmal darüber nachdenken, auch wenn ich... euch glaube und euch helfen möchte. Aber ich weiß einfach nicht, ob ich das hinbekomme, ihn anzulocken."
 

Ja, verdammt, er war ein Junge! Und schon wenn er sein Oberteil ausziehen musste, konnte man... nichts sehen! Und das war ja gerade das Problem! Er hatte keine großen Brüste, wie sie Mädchen in der Regel hatten! Und auch außerhalb der Regel gab es keine, die eine flache Männerbrust hatten. Und wenn, dann hatten sie wie er etwas zwischen den Beinen baumeln und trugen nur zum Spaß Mädchenkleider, um vielleicht ihren rothaarigen Lehrer rumzukriegen, obwohl es der total falsche Weg gewesen war. Warum hatte Chiaki nicht einfach diesen hammergeilen Lehrer als Junge ansprechen können, dann hätte er jetzt nicht solche Probleme am Stecken kleben und würde sich just in dieser Minute vielleicht mit Hijiri vergnügen. Und die Mädels würde es nicht interessieren, weil sie davon keinen Wind bekommen würden. Oder... würde der Womanizer Mister Shikaidou etwa selber zugeben, dass er gern mal mit Jungs seinen Spaß hatte?! Na, da würde dann die Gerüchteküche nicht nur brodeln, sondern der Rothaarige hatte auch schneller seinen Job los, als es ihm lieb wäre, denn er würde immerhin mit seinem Schüler ein Verhältnis haben - nicht gut für sein Image. Also würde ihr Techtelmechtel unter ihnen bleiben und beide hätten ihre Freude.
 

Aber die Realität sah momentan ganz anders aus und Chiaki hätte sich erschlagen können, dass er so dumm und nicht einfach ein Junge geblieben war. Mädchen sein war scheiße, um es mal auf den Punkt zu bringen.
 

"Ich werd euch nach Geschichte sagen, ob ich mitmache, okey?"
 

"Ja, aber pass wirklich auf, dass er dir nicht zu nahe kommt. Du kannst dich gern zu uns hinter setzen, wir haben noch einen Platz frei in unserer Reihe."
 

"Ich weiß, danke. Aber ich werd mal sehn, ob er mich noch beachtet oder nicht. Falls er mir heute schon eine schlechte Note reindrückt, weiß ich ja, dass es keinen Sinn mehr hat, Lockvogel zu spielen."
 

"Stimmt, gut. - Oh, die Stunde fängt an!"
 

Die Mädchen und Chiaki setzten sich auf ihre Plätze - der Blonde wieder in die zweite Reihe in der Mitte, als es klingelte und ein paar Sekunden später erschien der rothaarige Lehrer auch schon pünktlich im Zimmer, um mit dem Unterricht zu beginnen. Chiaki war aufgeregt, denn er wollte wissen, ob die Mädchen ihm die Wahrheit erzählt hatten und ob der Rothaarige ihn jetzt nicht mehr beachtete. Oder ob er ihn ganz normal behandelte und er den Mädchen helfen konnte. Irgendwie kam ihm der Lehrer heute nur halb so attraktiv vor, wie noch gestern oder vor ein paar Tagen, wo er ihn zum ersten Mal gesehen hatte. Ob es wohl an den Berichten der Mädchen lag, die ihn ganz schön mitgenommen hatten? Er wusste nicht mehr, was er von dem Menschen denken sollte, dem er eigentlich hoffnungslos verfallen war. War er wirklich ein Arschloch oder gab es doch noch eine Chance, dass sein Herz nicht gebrochen wurde? Warum hatte er diesem Lehrer überhaupt über den Weg laufen müssen, wenn er ihm im allgemeinen nur Unglück brachte?! Das Herzflattern und die Schmetterlinge im Bauch waren zwar ganz schön und sein ganzer Körper war total im Ungleichgewicht, aber er wusste nicht, wie lang er das aushalten konnte und außerdem wurde seine Liebe höchstwahrscheinlich nicht erwidert. Leider. Stattdessen wurde er wahrscheinlich von diesem toll aussehenden Mann ausgenutzt und gedemütigt, wenn die Prophezeiung der Mädels richtig gewesen war. Oh, du schönes Leben.
 

"Chiaki, träum nicht."
 

"W-was? Oh, Entschuldigung."
 

Der Blonde hatte gar nicht bemerkt, dass er immer mehr abgedriftet war und in ganz anderen Gefilden sich befand, als die, von denen Herr Shikaidou gerade berichtete.
 

"Ich hoffe, du bist morgen wieder fit für den Nachhilfeunterricht?"
 

Chiaki glaubte sich versehen zu haben, aber der Lehrer hatte ihm wirklich gerade zugezwinkert! Sein Herz schlug höher, obwohl er diesen Menschen in Gedanken schon völlig abgeschrieben hatte. Aber sein Herz hatte seine eigene Entscheidung getroffen und hatte wohl nicht so schnell vor, von dem Rothaarigen abzulassen, nur weil ein paar Weiber nicht gut von ihm behandelt wurden. Sein Verstand pochte unaufhörlich auf sein Recht, auch mal beachtet zu werden, aber Chiaki konnte nicht anders, als zu lächeln und zu säuseln:
 

"Natürlich, Herr Shikaidou..."
 

Dieser sah ihn erst erstaunt, dann mit einem kleinen Grinsen an und fuhr dann mit seinem Unterrichtsthema fort. Einige Sekunden später trat bei Chiaki wieder die allseits bekannte Röte in seinem Gesicht auf, weil ihm erst jetzt der Tonfall bewusst geworden war, in dem er gerade mit dem Lehrer gesprochen hatte - und der war erotischer gewesen, als er es eigentlich wollte. Aber sein total verwirrter Körper, zu dem nun auch die Stimmbänder und der Mund gehörten, hatten einfach eigenständig gehandelt und seinen Worten so einen doppeldeutigen Touch gegeben. Obwohl... doppeldeutig?! Wohl eher eindeutig.
 

Chiaki ließ seinen Kopf gesenkt und nahm sich vor, gleich in der nächsten Pause im Boden zu versinken, damit ihn ja niemand mehr sah. Doch die Gelegenheit bekam er nicht, denn sofort nach dem Pausenklingeln hatten sich alle Mädels von vorhin um ihn herum versammelt und schleiften ihn nach draußen, auf den Schulhof unter einen großen Baum, um dort mit ihm reden zu können.
 

"Chiaki!", ertönte es aufgeregt von allen Seiten und die Mädchen strahlten ihn um die Wette an.
 

"Mensch, Shikaidou will dich immernoch!"
 

Einerseits wurde dem Blonden warm ums Herz bei diesen Worten, doch im nächsten Moment wurde das schöne Gefühl von einer eisigen Kälte weggeweht, denn ihm wurde bewusst, dass er sich nun auf die Seite der Mädchen und somit gegen den Lehrer stellen musste, den er eigentlich immernoch liebte und ihm verfallen war. Es würde schwer werden, ihm gemeine Dinge anzutun und den Plan der Mädchen mitzumachen, um ihn in eine Falle tappen zu lassen. Er mochte ihn einfach zu sehr und auch wenn er schlechtes über ihn erfahren hatte, war die rosarote Brille wieder auf seine Nase gewandert und er wollte nichts lieber, als in den Armen des Älteren zu liegen und ihn zu küssen. Dass er jetzt zwar das vielleicht tun konnte, aber ganz andere Absichten dabei haben /musste/, machte ihn furchtbar traurig. Er könnte zwar auch einfach sagen, dass er nicht mitmachen wollte, bei der Verwirklichung des Planes, aber irgendwie konnte Chiaki die Mädchen nicht enttäuschen. Sie kümmerten sich alle so um ihn, obwohl sie doch selber so viele Probleme hatten und deswegen wollte er ihnen auch helfen, damit sie sich an dem Lehrer rächen konnten. Vielleicht fand er auch heraus, warum Herr Shikaidou das tat, was er tat, also so gemein zu sein zu Leuten, die ihm nichts getan hatten. Zwar war es eher unwahrscheinlich, dass der Rothaarige solche Sachen gerade seinem neuen Opfer erzählen würde, aber die Hoffnung starb ja bekanntlich zuletzt. Außerdem hatte er sich die Suppe selbst eingebrockt, jetzt musste er sie auch gehorsam auslöffeln. Wenn er zu feige war, seinen Lehrer als Junge anzusprechen, musste er ihm als Mädchen eben eins auswischen.
 

"Ich weiß. Habt ihr ne Videokamera?"
 

"Natürlich!"
 

Die Mädels fielen ihm um den Hals und die Freude war in ihren Gesichtern nicht wirklich schwer abzulesen. Wahrscheinlich war ihre Vorfreude auf ihre bevorstehenden Taten gar nicht mehr zu bändigen, nachdem sie so lange nicht zum Vorschein treten durfte.
 

"Wir sind dir einen großen Gefallen schuldig. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie lange wir schon auf unsere Chance gewartet haben!"
 

Naja, in etwa konnte er es sich schon vorstellen, doch seine Gedanken waren schon wieder ganz woanders. Wenn ihn die Mädchen mit Shikaidou filmen würden und dieser wirklich handgreiflich wurde, dann würde sofort auffallen, dass er nur ein verkleideter Junge war. Nicht nur seinem Lehrer würde das auffallen, sondern auch jedem, der dieses Videoband ansah! Auf was ließ er sich da nur ein?! Das konnte doch gar nicht gut gehen...!
 

Obwohl... in Chiakis Kopf braute sich eine Idee zusammen, die sein letzter Ausweg aus dem Grab war, welches er sich selber gerade geschaufelt hatte: Wenn er dafür sorgte, dass die Kameras, die die Mädchen - oder er selbst - installieren würden, nicht funktionstüchtig waren oder durch ein Hindernis oder falsche Platzierung nichts aufnehmen konnten, dann war er aus dem Schneider. Denn er würde nicht verdächtigt werden, wenn er nur kräftig gegen Herrn Shikaidou hetzte, wenn er sich mit den Mädels unterhielt. Er hinterging sie zwar somit, aber erstens musste er sein Mädchengesicht waren und zweitens... wollte er Hijiri nicht aufgeben und sich doch irgendwie noch an ihn ranschmeißen. Auch wenn er nicht wusste, wie das auf Dauer funktionieren sollte. Spätestens bei Körperkontakt, der über das Berühren der Hände ging, wurde es brenzlig.
 

"Und wie wollt ihr bitteschön die Kameras in Herrn Shikaidous Wohnung schmuggeln? Oder soll ich immer eine versteckte Kamera mitnehmen, die ich unter meinem Rock verstecke?!"
 

Chiaki zeigte ernsthaftes Interesse, denn wenn er seinen Plan erfolgreich verwirklichen wollte, musste er auch bestens über den Plan der Mädchen informiert sein.
 

"Naja, irgendwann müssen wir dann wohl mal in seine Wohnung... einbrechen. Oder wir geben dir eine mit und wenn er mal auf Toilette ist, musst du sie geschickt irgendwo verstecken. Eine Kamera direkt am Körper wäre wohl nicht so praktisch, höchstens ein Diktiergerät, das würde als Beweis auch gehen."
 

"Wenn er dir irgendwelche Liebesschwüre zuflüstert oder dich obszön anmacht haben wir das dann auch auf Band."
 

Chiaki wurde heiß bei dem Gedanken, dass ihm Hijiri versaute Dinge ins Ohr flüstern könnte und ihn dabei wild befummelte. Wenn... da nicht das "kleine" Problem mit seinem falschen Körper war, der dann ganz natürlich wie der eines Jungen reagieren würde, wenn man ihm einheizte. Auch jetzt musste er aufpassen, dass seine Phantasie nicht allzu stark sich Dinge ausmalte, die er besser im Schlafzimmer sich vor Augen führte.
 

"Klar."
 

Mehr gab er nicht als Antwort und sah die Mädels mit festem Blick an. Er war entschlossen. Entschlossen dazu, den Plan der Mädchen zwar mitzumachen, aber nur, um ihn zu sabotieren. Er würde Hijiri auf seine Art ausspionieren und ihn beschützen, wenn er bemerkte, das er doch ein guter Kerl war.

Ein Geheimnis

Unmoralisch... was war das schon?! Wie konnte man das allumfassend definieren? Chiaki konnte es nicht, auch wenn er sich noch so große Gedanken um dieses Thema machte. Gerade jetzt, wo er kurz davor war, nicht nur seinen Lehrer auszuspionieren, sondern auch noch seine neuen Mitschülerinnen, die sich so liebevoll um ihn kümmerten, zu hintergehen, nur um sein egoistisches Ziel, nämlich Hijiri näher zu kommen, erreichen zu können. War das unmoralisch, war das Dummheit? Oder einfach nur die verzweifelte Tat eines Jungens in Mädchenkleidern, der gerade per Gegensprechanlage von Herrn Shikaidou in das Haus hineingelassen wurde; in seiner heute etwas größeren Tasche befand sich unter anderem eine kleine digitale Videokamera, die er von den Mädchen aus seiner Klasse bekommen hatte, mit der Aufgabe, sie so bei ihrem Lehrer zu verstecken, dass sie einen guten Blick auf alle Geschehnisse hatte, aber selber nicht zu sehen war.
 

Hörte sich leichter an, als es war. Er musste einen günstigen Moment abpassen, wenn Shikaidou gerade auf der Toilette war und musste dann sehr fix sein. Er war unglaublich aufgeregt. Nicht nur wegen seiner bevorstehenden Tat, sondern allgemein auf den Abend. Er war ohne Frage pünktlich und er würde bestimmt auch wieder gut verstehen, was sein Lehrer ihm erklärte, doch darum ging es ihm gar nicht: Er wusste nicht, ob diese Nachhilfestunde genauso wie die erste ablaufen würde - also mit Annäherungen und so weiter. Was war, wenn alles nur einmalig gewesen war? Er wollte so gern wieder... Hijiris Atem ganz nah an seinem Gesicht spüren. Sein guter Duft stieg ihm schon jetzt in die Nase und brachte ihm leichte Bauchschmerzen aufgrund seiner wahnsinnigen Aufregung.
 

'Ganz ruhig, Chiaki. Das hier ist kein Date und du bist kein Mädchen, was sich vor lauter Bammel ins Höschen macht. Obwohl... ach verdammt!'

Da war ihm doch ganz entfallen, dass er gerade in einem kurzen Jeans-Rock herumlief. Dazu ein schwarzes Top und Strümpfe, die bis über seine Knie reichten. Mädchen nannten so etwas Over-Knees. Über seine Unterwäsche wollte er gar nicht erst nachdenken. Er fühlte sich nackt, auch wenn er natürlich keinen Tanga trug - das würde wirklich zu gewagt sein. Immerhin... hatte er zwischen seinen Beinen etwas mehr als ein Mädchen. Das würde reichlich komisch aussehen. Er hatte sich zwar schon so ein Stückchen Stoff gekauft, doch er würde so etwas wohl nur noch unter einer Hose tragen, denn an seinem ersten Schultag hatte er auch bemerkt, dass es etwas "zu" luftig gewesen war.
 

Doch alle seine Gedanken waren auf einmal zerstreut, als Hijiri ihm die Wohnungstür öffnete und ihn hereinbat. Als er in der Wohnung seine Angebeteten stand, fühlte er sich erst total deplatziert, doch als ihm der Rothaarige eine Hand auf die Schulter legte und ihn ins Wohnzimmer führte, fühlte er sich gleich ein bisschen besser. Hijiris Hand war warm und prickelte auf seiner nackten Haut. Unvergleichlich... und einfach nur der Wahnsinn!
 

"Mach es dir gemütlich, ich hole nur schnell meine Unterrichtssachen."
 

Chiaki blieb etwas perplex im Raum stehen und genoss den süßen Rausch des Nachklingens von Hijiris Berührung. Doch fast im selben Moment wurde sein Gehirn wieder klar und er dachte schon daran, die Kamera irgendwo zu verstecken. Denn das /musste/ er tun. denn wenn er das Aufnahmegerät nicht hier bei seinem Lehrer positionieren würde, dann könnten seine Mitschülerinnen Verdacht schöpfen. Wenn er sie aber hier in Hijiris Wohnung zwar aufstellte, aber kein gutes Bild hatte, war er ja nicht daran schuld... und war aus dem Schneider. Und konnte sich auf wichtigere Dinge konzentrieren: Hijiris Duft. Wie frisch gepflückte Walderdbeeren... dieser Geruch lag überall hier in der Luft. Und es machte Chiakis Hormone rasend vor Verlangen!
 

"Du stehst ja immernoch hier... so ganz allein."
 

Bevor Chiaki den gewissen, leicht angedeuteten Unterton in Hijiris Worten deuten konnte, meinte der Ältere schon weiter:
 

"Setz dich zu mir auf die Couch. Wie gesagt - dort ist es sehr gemütlich..."
 

"Dankeschön."
 

Chiaki setzte sich, immernoch etwas unsicher, und stellte seine Tasche dicht neben sich. Einerseits um ein bisschen Sicherheit zu erlangen und andererseits sollte Hijiri nicht irgendwie auf die Idee kommen, vielleicht in seiner Tasche herumzustöbern. Konnte ja sein, dass er so etwas nebenberuflich machte... Chiaki lachte ob seiner kuriosen Gedanken und erntete eine hochgezogene Augenbraue und einen fragenden Blick von seinem Schwarm.
 

"Hab ich dir heute schon gesagt, dass du wahnsinnig gut aussiehst?"
 

Die Gesichtsfarbe Chiakis wechselte augenblicklich in karminrot und er hustete gespielt, um seine Verlegenheit zu vertuschen.
 

"Nein, das haben Sie noch nicht... danke."
 

Chiaki bemerkte leicht panisch, dass er sich ungewöhnlich oft schon an diesem Abend bedankt hatte. Doch er bemerkte das natürlich erst viel zu spät... Hoffentlich war es Herrn Shikaidou noch nicht aufgefallen, das wäre ziemlich peinlich - zumindest empfand es Chiaki so.
 

"Wie hast du dich denn mittlerweile in deine Klasse eingelebt? Und wie kommst du in den anderen Fächern zurecht?", erkundigte sich der Rothaarige. Chiaki atmete auf und war ziemlich froh, dass ihr Gespräch sich nun erstmal um die Schule drehen würde, und nicht um solche anzüglichen Themen...
 

"Also die Mädchen sind alle sehr nett... mit den Jungs hab ich mich noch nicht weiter beschäftigt. Und ansonsten hab ich in den Schulfächern überall guten Anschluss gefunden. Naja, aber Geschichte macht mir leider immernoch Schwierigkeiten."
 

Von wegen 'leider' - das war die einzige Möglichkeit, Hijiri auch außerhalb der Schule zu treffen, ohne dass es auffiel! Wenn ihr diese Chance nicht mehr nutzen könnte, dann wäre es ja noch schwieriger, an den Rothaarigen heranzukommen. Vor allem wo seine Beschützerinnen - also seine Mitschülerinnen - sich um ihn scharen würden, um ihn vor dem perversen Lustmolch zu schützen. Dabei wollte er doch gar nicht beschützt werden - er wollte in die Fänge des seinetwegen gerne dauergeilen Lehrers gezogen werden und es /genießen/!!! Was war denn so schwer daran zu verstehen?!
 

"Das freut mich zu hören..."
 

Chiaki hoffte, sich nicht zu täuschen, indem er Hijiris Blick zweifelsfrei als lüstern deutete. Doch er glaubte im gleichen Moment wieder, dass ihm seine Phantasie einen Streich spielte. Warum sollte Herr Shikaidou jetzt gerade /ihn/ verlangend ansehen?! Oder sein weibliches Pendant, wenn man es genau nahm. Chiaki blickte an seinem Körper herunter und schluckte trocken, als er bemerkte, dass er sich so unbedacht hingesetzt hatte, dass sein Rock nun noch weniger seine Beine, speziell die Oberschenkel, bedeckte und man sogar schon ein Stückchen Stoff seiner Hotpants sehen konnte. Schnell rückte er den Stoff zurecht und konzentrierte seinen Blick peinlich berührt auf die Tischplatte des großen Couchtisches.
 

"Hmmm, also meinetwegen hättest du das nicht machen müssen."
 

Dieser Bemerkung seitens des Lehrers brachten Chiaki völlig aus dem Konzept und er schwieg, wusste einfach nicht, was er darauf antworten sollte. Das war so eine offene Anmache... das kannte er nicht und so etwas hatte auch noch niemand zu ihm gesagt. Wieso machte Herr Shikaidou das?! War er etwa wirklich so ein perverser Lehrer, vor dem ihn die Mädchen gewarnt hatten? Und war er wirklich so skrupellos, dass er so offen provozierte und keinen Hehl daraus machte? Hatte er denn keine Angst, verpfiffen zu werden? Oder nutzte er die scheinbare Angst seiner 'Opfer' aus, die gerade neu an der Schule waren und sich schnell einschüchtern ließen?
 

"Entschuldigung, aber ich geh mal schnell auf Toilette", murmelte Chiaki, um erstmal aus der Gefahrenzone zu kommen. Hijiri zeigte undurchdringend lächelnd auf eine Tür und ließ den Blonden erstmal von dannen ziehen. Dieser nahm natürlich seine Tasche mit... man konnte ja nie wissen. Und wenn er im Bad einen guten Platz fand, wo er die Kamera positionieren konnte, sodass Hijiri sie nicht fand, konnte er den Mädels ja immernoch sagen, dass er keinen besseren Platz finden konnte, beziehungsweise nicht die Chance dazu hatte, die Kamera an einem lukrativeren Platz zu installieren.
 

Seufzend ließ er sich auf dem Klodeckel nieder und stützte den Kopf in die Hände. Die Ellenbogen hatte er auf seine Oberschenkel gestützt. Er war irgendwie ziemlich fertig, obwohl ihn Hijiris Berührung auf seiner Schulter vor ein paar Minuten noch in Ausnahmezustand versetzt hatten. Nun hatte er den Kopf auf einmal wieder voll mit schlechten Gedanken. Er hatte Angst... und war unentschlossen. Und er wollte einfach nicht glauben, dass Hijiri Shikaidou ein schlechter Mensch war, der Mädchen - insbesondere Schülerinnen - nicht gut behandelte, nur weil er sich in einer Machtposition ihnen gegenüber befand. In so einen Mann konnte er sich doch nicht verliebt haben, oder? Aber warum waren dann diese Playboy-Sprüche des Rothaarigen so eindeutig und offensichtlich, sodass sie kaum Luft zum Atmen ließen, wenn er sie zu ihm sagte?

Chiaki versuchte, sich wieder zu fassen, atmete tief durch, stand auf und betätigte die Toilettenspülung, damit sein Lehrer auch wirklich dachte, dass Chiaki auf dem Lokus gewesen war. Sonst wurde er vielleicht noch misstrauisch und dachte sonstwas von ihm. Vielleicht tat er das ja schon, aber der Blonde wollte es nicht darauf ankommen lassen.
 

"Da bin ich wieder", meinte er mit einem gewinnenden Lächeln, was er ganz hinten in seiner Trickkiste gefunden hatte und setzte sich wieder neben den Rothaarigen, "fangen wir jetzt mit dem Unterricht an?"
 

"Wenn du dich noch kurz gedulden würdest... ich müsste auch noch einmal auf Toilette."
 

Als Hijiri aufstand, kam es Chiaki vor, als hätte die Hand des Lehrers mit Absicht sein Knie gestreift. Er spürte einen wohligen Schauer über seinen Rücken laufen und stellte aber sofort wieder seine Sinne auf seine Mission: Kamera verstecken, sodass sie zwar das Zimmer filmte, als das wichtigste später nicht auf dem Film zu sehen war - nämlich er und Shikaidou. Wie er von Rikumi erfahren hatte, handelte es sich bei der Kamera um ein Gerät, welches nur Bild aufnahm, keinen Ton. Das kam ihm natürlich sehr gelegen, denn falls sich etwas zwischen ihm und Hijiri ereignen sollte - wozu es eh niemals kommen sollte, außer dann, wenn er sich unbedingt enttarnen wollte - konnte man sie weder sehen noch hören, wenn sie es gleich im Wohnzimmer taten.
 

Argh! Und warum mussten seine Gedanken so schnell in eine bestimmte Richtung abschweifen, wo er sich doch auf andere Dinge konzentrieren musste?! Mit einem bestimmten Kopfschütteln entfernte er alle behindernden Gedanken aus seinem Kopf und überlegte nun krampfhaft, wo er die Kamera am besten verstecken konnte. Das kleine Ding war gerade mal fünf Zentimeter lang und auch nicht viel mehr breit und hoch. Eine richtige, kleine Pocket-Kamera, perfekt für Spionage oder eine Beweisaufnahme. Schließlich entschied sich der Blonde, das kleine Ding, welches auch noch wasserdicht war, ganz geschickt in einen Blumentopf einzugraben, sodass nur noch die Linse über den Rand des Topfes heraus lugte und perfekt von den Blättern der Pflanze verdeckt wurde, sodass sie auch nicht beim Gießen auffallen würde. Natürlich vergaß er "ganz ausversehen", sie anzuschalten... so war schon einmal der erste Tag gesichert und er hatte eine gute Ausrede für seine Mädels: Er war ja so aufgeregt...! Und das stimmte ja sogar.
 

Er war genau im richtigen Moment fertig und begab sich gerade wieder auf den Rückweg zur Couch, als der Riegel der Badezimmertür von seinem Lehrer aufgeschoben wurde und dieser heraustrat. Er lächelte ihm zu und beide setzten sich wieder auf die gemütliche Couch. Chiaki war fast schon überrascht, als keine weiteren Anzüglichkeiten fielen und sie direkt mit dem Nachhilfeunterricht begannen. Irgendwie schade... doch es war schon schön genug, überhaupt etwas Zeit mit seinem Lehrer zu verbringen. Wer konnte das schon von sich behaupten? Gut, mal abgesehen davon, dass das vielleicht gar nicht so viele wollten - hätten sie einen Lehrer wie Shikaidou würde die Lage ganz anders aussehen...
 


 


 

Nach einer guten Stunde rauchte Chiakis Kopf bildlich und die Kapazität seines Gehirns war fast vollständig ausgenutzt worden. Da ging nichts mehr hinein an Wissen. Er hatte zwar alles ganz gut verstanden, doch er stellte sich lieber ein bisschen dümmer als er war, das konnte nie schaden... und einige Stunden Nachhilfe mehr waren da natürlich auch drin.
 

Sie saßen beide noch auf dem Sofa und hatten ein lockeres Gespräch über die Schule begonnen. Es war mehr Smalltalk als irgendetwas besonderes, aber Chiaki fühlte sich trotzdem wohl und genoss jedes Wort, was Herr Shikaidou mit seiner tollen Stimme nur für ihn sprach.
 

"Sag mal, Chiaki?"
 

"Ja, Herr Shikaidou?"
 

"Denkst du, du könntest etwas für dich behalten?"
 

Chiaki sah den anderen etwas verwirrt an, weil dieser so schnell das Thema in eine andere Richtung gewendet hatte, doch er nickte langsam und meinte:
 

"Ich denke schon. Bei mir sind Geheimnisse sicher."
 

Würde ihm Hijiri jetzt etwas anvertrauen, was sonst keiner oder nur sehr wenige wussten? Chiaki fühlte sich irgendwie stolz und ein bisschen geehrt.
 

"Gut, dann wird das unter uns bleiben", meinte der Rothaarige leise, weil sich sein Gesicht schon direkt vor Chiakis befand und er im nächsten Moment dem Jungen seinen ersten Kuss raubte. Der Jüngere keuchte überrascht auf und verkrampfte sich komplett - er war einfach zu überrascht und überrumpelt, um besser reagieren zu können. Das war so... plötzlich! Und fühlte sich so gut an! Die Schmetterlingkolonne in seinem Magen war wie auf Drogen und bescherte ihm ein ganz irres Kribbeln. Dort wo Hijiris Zunge seine eigene berührte, spürte er Stromschläge von Lust und Verlangen in seinem Innersten, ihm wurde bei jedem Zungenschlag heißer... Wenn dieser Kuss noch sehr viel länger ging, starb er entweder an Luftmangel oder an der Hitze, die seine Wangen zum Pochen brachte.
 

"Mmmh!", seufzte er ungeschickt in den Kuss hinein und stemmte sich schwach gegen die Brust des anderen. Er atmete schnell und senkte seinen Kopf, als er sich von dem Größeren gelöst hatte. Nur nicht noch einmal in sein Gesicht schauen, das war seine Devise für die restliche Zeit, die er heute noch hier sein würde. Sein erster Kuss... hatte ihm Appetit auf mehr gemacht.
 

Als er bemerkte, wie /sehr/ es ihm Appetit gemacht hatte, stockte seine Atmung und sein Blick glitt ganz unaufmerksam zu seiner Körpermitte. Sein Mund wurde mit einem Mal trocken, als er das Malheur sah: Sein kleiner Freund, der durch das Tragen von Kleidern leider nicht verschwand, hatte sich dazu entschlossen, gerade jetzt der Welt zu zeigen, dass er ganz groß sein konnte - und das sah man durch den Stoff seines Jeans-Rocks! Wie konnte er denn das jetzt verstecken?!
 

'Gar nicht!', entschied sein Gehirn und entgegen seines Willens stand Chiaki gehetzt auf und packte schnell seine Tasche, um mit ihr in den Korridor zu rennen. Er zog seine Schuhe in Windeseile an und verabschiedete sich mit einem knappen "Auf Wiedersehen" von Hijiri, der immernoch ziemlich perplex auf seiner Couch saß und sich noch nicht bewegt hatte. Chiaki war einfach viel zu plötzlich aufgestanden als dass er die Blonde hätte aufhalten können...
 

'Warum gerade jetzt?!'
 

Das war doch irgendwie total unfair! Chiaki war fast den Tränen nahe, als er nun wieder auf der Straße stand. Zwar war er nun in sicherer Entfernung von seinem Schwarm, sodass dieser nicht mehr sehen konnte, was sich da in Chiakis unteren Körperregionen regte; er hatte auch die Kamera gut verstecken können, doch erstens konnte er nun nicht mehr bei Hijiri sein und zweitens wusste er nicht, wie er seinem Lehrer das nächste Mal wenn sie sich sahen wieder in die Augen sehen sollte. Zwar war nun erstmal Wochenende und er hatte Zeit, um über alles nachzudenken, doch trotzdem... er wusste schon ziemlich sicher, dass ihm nichts einfallen würde. Viel mehr würde er von dem Kuss träumen, den er und sein Lehrer hatten. Aber vielleicht gab sich Herr Shikaidou damit zufrieden, wenn er ihm sagte, dass er einfach zu aufgeregt gewesen war, weil es nun mal nicht jeden Tag passierte, dass man von dem Lehrer geküsst wurde, in den man sich auch noch verliebt hatte. Letzteres würde er ihm natürlich nicht unter die Nase reiben! Und er würde ihm versichern, dass er es nicht weitersagen würde.
 

Er kam auf die Idee beziehungsweise sein Pflichtbewusstsein erinnerte ihn daran, dass er den Vorfall wohl auch den Mädchen aus seiner Klasse - seinen Verbündeten - berichten müsste. Er müsste ja noch gar nicht sagen, dass er vergessen hatte, die Kamera anzuschalten, denn sie wäre nun sowieso über das ganze Wochenende gelaufen und so lange hätten die Batterien nicht gehalten. Es war effektiver, sie erst in der nächsten Nachhilfestunde anzuschalten, sodass sie mehr Material hatten - oder auch nicht. Denn das einzige, was sie zu sehen bekommen würden, wäre das terracottafarbene Innere des Blumentopfes, welches die Linse der Kamera im Bild hatte. Tragisch...! Chiaki kicherte. Der Schock war inzwischen schon wieder aus sämtlichen Gliedern gewichen und auch ein bestimmtes Glied hatte sich wieder beruhigt. Schließlich war es etwas frisch nur mit einem Rock und diesen Hotpants bekleidet...
 

Er nahm sich vor, beim nächsten Mal bestimmte Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, bevor er zu Shikaidou ging. Vielleicht konnte er sein bestes Stück abbinden, sodass es bei Erregung nicht /so/ deutlich zu sehen war, wie heute. Eine kleine Abzeichnung unter einem Rock oder einer Hose war vielleicht nicht so aufsehenerregend, aber heute war er wirklich unvorsichtig gewesen! Hoffentlich hatte Herr Shikaidou nicht dorthin gesehen, auch wenn er es ganz einfach hätte tun können, schließlich war er direkt vor seinem Lehrer aufgestanden und hatte ihm eine gute Möglichkeit gegeben, in seinen Schritt zu sehen. Er wünschte sich eine göttliche Fügung, die ihn aus der Misere zog und gleich noch eine dazu, die bewirkte, dass das, was gerade eben geschehen war, so wenig schlimme Auswirkungen hatte wie nur möglich.
 

Das war doch nicht zuviel verlangt, nicht?

Entscheidung

Leider konnte einem keine göttliche Fügung, wie toll sie auch war, Entscheidungen abnehmen. Chiaki musste

selbst entscheiden, ob er diese intimen Erlebnisse vom Freitagnachmittag Rikumi und den anderen Mädchen

anvertraute. Er war schon kurz davor, denn immerhin wollten sie ihm ja helfen und hatten ein edles Ziel: Einen

perversen Lehrer zu enttarnen und ihm die Unterrichtsgenehmigung zu entziehen. Jedoch war dieser perverse

Lehrer vielleicht gar nicht so triebtäterhaft und sie taten ihm die ganze Zeit unrecht? Genauso gut konnte es

aber auch sein, dass er direkt in sein Unglück hineinstürzte und dem Falschen half, indem er Herrn Shikaidou

deckte und die ganze Spionage der Mädels zunichte machte. Er hatte die komplette Handlung der Geschichte

in der Hand... und so wie er momentan agierte, verhalf er seinem Lehrer dazu, sich an ihn ranmachen zu

können. Er handelte aus egoistischen Motiven, denn er wusste genau, was passierte, wenn sie den Lehrer

wegen sexueller Belästigung dran bekamen: Entweder sie hatten der Welt etwas gutes getan oder aber er

hatte seiner unschuldigen Liebe vors Schienbein getreten und konnte sich ein gemeinsames Leben in Einklang

und Harmonie abschminken, genauso wie sein Make-up und seine falschen Wimpern und die Weiber-

Klamotten, die er nach diesem Desaster bestimmt auch ablegen würde. Da hatte es ja nun keinen Sinn mehr,

sie zu tragen. Das Objekt der Begierde war fort.
 

Dies war wohl der entscheidende Grund, den Mädchen nicht allzu ausführlich von der letzten Nachhilfestunde

zu erzählen, immerhin ging es hier um sein Herz... und nach dem entschied er. Herr Shikaidou war vielleicht

etwas pervers und nutzte es aus, wenn eine neue Schülerin in die Klasse kam, jedoch hatte er ihnen nichts

böses gewollt und auch ihm wollte er nichts tun. Die Mädchen konnten bestimmt nicht abstreiten, dass sie

auch ein bisschen verliebt in den rothaarigen, jungen und gutaussehenden Lehrer waren, der seinen

Unterricht so nett und witzig gestaltete, so gut das eben mit so einem trockenen Fach wie Geschichte ging.

Gekränkt waren sie, weil er sie zurückweisen musste - schließlich ging das gegen die Vorschrift, keinen

intimen Kontakt mit den Schutzbefohlenen zu haben, sodass sie sich solche Schauermärchen einfallen ließen -

aber nichts weiter.
 

Warum malte er sich eigentlich gerade Chancen aus, dass er das Herz des Lehrers für sich gewinnen konnte?!

Wieso hatte er keine Angst davor, ebenso enttäuscht zu werden wie die anderen Mädchen? Er war doch ein

Junge... auf ihn stand Herr Shikaidou doch gar nicht und er hatte es nur einem Zufall zu verdanken, dass er

so weiblich aussah. Er müsste sich nicht einmal sonderlich verkleiden und würde als sehr flachbusiges

Mädchen durchgehen, das einen etwas zerzausten Eindruck machte. Trotzdem war seine Anatomie die eines

Mannes: Er hatte weder breite Hüften noch eine ausgeprägte Taille - und zwischen seinen Beinen baumelte

etwas, was kein Mädchen hatte. Sein Geschlechtsteil konnte er sich ganz bestimmt nicht abreißen, um

weiblicher zu sein...
 

Verdammt...
 

"Chiaki, ist dir nicht gut?", fragte Rikumi besorgt und streichelte dem Blonden über den Rücken. Er seufzte tief

und schüttelte den Kopf, um ihr damit das Besorgnis aus dem Gesicht zu wischen und hatte sogar recht guten

Erfolg. Riku lächelte ihn liebevoll an und umarmte ihn dann völlig unerwartet.
 

"Wir sind ja so stolz auf dich! Wir hätten ja nie gedacht, dass du es fertig bekommst, die Kamera zu

installieren! Wenn die Woche um ist, kannst du sie wieder mitnehmen und wir schauen uns das Material an,

ja? Wir können uns bei mir treffen - ich kann die Bilder zur Not noch etwas mit dem Computer aufmöbeln,

wenn es sein muss."
 

'Oh, bitte nicht... du siehst eh nur den Rand eines Blumentopfes!'
 

Trotzdem hatte Chiaki ein schlechtes Gefühl dabei, dass Riku solche guten Kenntnisse in Sachen Video hatte,

denn so konnte er sie nicht hinters Licht führen, wenn sie etwas entdeckte und er sich nicht aus der Affäre

ziehen konnte.
 

"Schade dass die Kamera keinen Ton hat", seufzte Malice leise, "dann hätten wir noch viel mehr

Beweismaterial, weißt du?"
 

Chiaki nickte zustimmend, doch in seinem Kopf breitete sich eine Woge des Glücks aus, dass sie keine bessere

Kamera hatten. Dann hätte er es nicht so leicht, wie er es jetzt eigentlich hatte. Warum beschwerte er sich

eigentlich? Die Sache mit der Kamera lief doch wie geschmiert: Wenn er sie über die ganze Woche

ausgeschaltet ließ, konnte er seine Aufgeregtheit immernoch als Grund davor schieben - er konnte ja die

ganze Woche einfach nicht bemerkt haben, dass das Gerät aus war - das konnte ja jedem passieren! Und in

der nächsten Woche würde er sie zwar einschalten, aber genauso wieder positionieren, sodass sie nichts

sehen konnten. So hätte er insgesamt zwei Wochen Zeit geschindet und konnte in dieser Zeit vielleicht die

Gunst des Lehrers auf sich ziehen.
 

Vielleicht hatte er die ja schon. Immerhin war er ihm heute auf dem Gang begegnet und wenn er sich nicht

täuschte - was allerdings leicht sein konnte, weil er so eine dicke rosarote Brille trug - hatte ihm Herr

Shikaidou zugezwinkert, so dass nur er, Chiaki, es sehen konnte.
 

Allerdings machte er sich mal wieder große Sorgen um die Zukunft. Ja, wer hatte die nicht?! Aber wenn man

ein Junge in Mädchenkleidern war, der nicht enttarnt werden sollte, aber mit einem anderen Mann eine intime

Beziehung eingehen wollte, so war das etwas problematisch. Denn Intimität setzte meist auch einen

erheblichen Grad an Nacktheit voraus, den er nicht bieten konnte, ohne zu zeigen, dass der Schein trog.

Entweder war seine sich hoffentlich bald erfüllende Liebe dazu auserkoren, sich niemals zu ereignen oder aber

er musste sich als Junge zeigen. Je mehr er darüber nachdachte, desto mehr Lust hatte er, sich mal wieder

als Junge auf der Straße zu zeigen. Ja... endlich wieder eine Hose für Männer tragen, ein Hemd, bei dem er

die oberen Knöpfe auflassen konnte, damit jeder seine MÄNNLICHE Brust sah - ja, auf einmal fühlte er sich

richtig süchtig nach dem Gefühl, ein Mann zu sein.
 

Dumm nur, dass er gerade Sportunterricht hatte und den Anweisungen der Turnlehrerin folgen musste, die der

kleinen Mädchengruppe rhythmische Sportgymnastik beibringen wollte. Er stellte sich ja ehrlich gesagt nicht

schlecht dabei an, aber momentan hatte er eher Bock auf ein Football-Spiel oder so. Irgendwas was Jungs

machten. Er war nun schon fast eine Woche als Mädchen herumgelaufen, doch langsam reichte es ihm... fürs

erste, denn wer wusste denn schon, ob Shikaidou nicht doch auf seine weibliche Variante stand.
 


 

Zuhause angekommen wurden die Schulsachen wie Wegwerfspielzeug in die Ecke geworfen und der Blonde

schälte sich eiligst aus dem Rock und dem engen T-Shirt, was er an den richtigen Stellen ausgestopft hatte.

Er entfernte die Stoffbahnen, die er sich heute um den Hintern und somit auch an der Vorderseite seines

Körpers über sein Geschlecht gebunden hatte, seufzte erleichtert auf. Endlich war diese Qual - zumindest für

heute - vorbei. Er würde jetzt wieder ganz einfach wie ein Junge auf die Straße gehen und irgendwo ein Bier

trinken - männlicher ging es ja wohl kaum. Vielleicht sprach er ein Mädchen an... nein, das war schon wieder

/zu/ männlich. Dass er nicht auf Mädchen stand, dafür konnte er ja nichts. Aber er würde so männlich sein,

wie er nur konnte.
 

Schnell hatte er sein Gesicht - schon fast routiniert - von Make-up und seine Fingernägel von Nagellack

entfernt, damit auch nichts mehr darauf hinwies, dass er gerade eben noch ein Mädchen gewesen war -

zumindest äußerlich. Dann zog er sich eine dunkelblaue Jeans und dazu ein beigefarbenes Hemd an, was sich

auf der Haut samtig anfühlte. Es hatte auf der rechten Brusttasche eine Stickerei in Form eines Tigers, der

Flügel hatte und diese spreizte. Es war eines seiner Lieblingshemden, die er eigentlich nur zu besonderen

Anlässen trug. Doch so ein Anlass war jetzt, denn schließlich feierte er einen Nachmittag lang, wieder ein

Junge zu sein. Er freute sich schon, auf die Männertoilette gehen zu können, als würde er nach langer Zeit in

seine Heimatstadt zurückkehren. Endlich wieder diese typisch männliche Geruch auf diesen besonderen

öffentlichen Einrichtungen... aber gut, das waren nun wieder zu viele Informationen.
 

Es verschlug ihn in die Stadt, wo er ziellos herumlief, hier und da in ein paar Läden schaute und sich aber

hauptsächlich nach einer Bar oder Kneipe umsah, wo er sich hinsetzen und etwas trinken konnte. Vielleicht

auch irgendwen kennenlernen... was auch immer geschehen mochte.
 

Was ihm aber dann noch an diesem Nachmittag passieren sollte, damit hätte er nie und nimmer gerechnet.

Eine Kneipe war doch recht schnell gefunden und er hatte es sich direkt an der Bar gemütlich gemacht. Hier

war das Licht gerade richtig - nicht zu dunkel, aber auch gemütlich warm, der Barkeeper war ein lustiger Kerl,

der am laufenden Band Witze und urkomische Sprüche zum besten gab, sodass Chiaki nach kurzer Zeit eben

diese vergaß und es ihm sogar schon egal war, dass er mit niemandem direkt sprach. Dafür war er in kürzerer

Zeit mit den anderen Männern und Frauen an der Bar auf Du und Du gestellt und sie erzählten sich

Geschichten aus ihrem Leben und tranken nebenbei sehr gut. Natürlich dachte Chiaki nicht im Traum daran,

seine Geschichte mit der Verkleidung als Mädchen zu erzählen, denn so viel er auch trank - es war ihm am

wichtigsten, dass niemand diesem Geheimnis auf die Spur kam.
 

Inzwischen war sein Alkoholpegel drastisch gestiegen und auch seine Übel ahnenden Gedanken an den

morgigen Schultag waren wie weggespült. Es interessierte ihn gar nicht mehr, dass er morgen früh aufstehen

und sich wieder als Mädchen verkleiden musste. Das lag alles in weiter Ferne. Die fröhlichen, ausgelassenen

Menschen um ihn herum hatten ihn vollends in ihren Bann gezogen. Er war in Feierstimmung und hatte das

Gefühl, grenzenlose Macht in seinen Händen zu halten.
 

Als dann eine unbestimmte Zeit später an diesem Abend schon etwas länger ein junger, großer Mann mit ihm

quatschte und sie sich immer besser verstanden, sah er das als ganz normal an. Zwar hatte ihn der Name

Hijiri an irgendwas erinnert, aber was zählte, was das gute Gespräch, was sie führten. Es ging um Gott und

die Welt, Existenzängste - und vor allem die Liebe. Chiaki wusste zwar nicht mehr, was der andere an

Klamotten trug, aber er wusste noch ganz genau, dass sie sich mit ihren Blicken ziemlich heiß umgarnt hatten.

Und er musste immernoch lachen, als er an das Gesicht dachte, was der Rothaarige gemacht hatte, als er ihm

seinen Namen verriet. Es sah so aus, als würde der andere überlegen - als hätte er diesen Namen schon

einmal gehört, aber dann war er auch wieder voll auf ihr Gespräch konzentriert. Es ging ihm scheinbar

genauso wie Chiaki, der auch bei Hijiris Namen einen Blitz in seinem Kopf hatte zucken sehen.
 

Doch was genau das bedeutet hatte, wusste Chiaki erst wieder, als er am nächsten Morgen in der Schule

über den Gang lief und ihm Herr Shikaidou entgegenkam. Erneut durchdrang seine Gedanken ein gleißender

Blitz und er musste sich beeilen, um in sein Zimmer zu kommen, denn er musste sich dringend setzen.

Außerdem war er auf den Gedanken gekommen, dass Herr Shikaidou ihm vielleicht ansehen konnte, dass er

etwas viel getrunken hatte und deswegen heute aussah wie ein Guppy im Mixer. Und davon könnte der Lehrer

ja schließen, dass seine weibliche Identität und der Junge von gestern eine und dieselbe Person waren.

Schließlich brauchte es nicht viel, ihn äußerlich in ein Mädchen umzuwandeln - und es brauchte auch nicht

viel Fantasie, in seinem weiblichen Auftreten den Jungen wiederzuerkennen. Deswegen sollte er lieber Vorsicht

walten lassen.
 

Das Glück war auch auf seiner Seite und Hijiri bemerkte ihn wahrscheinlich gar nicht, denn er ging weiter,

ohne anzuhalten oder sich zu ihm zu drehen. Chiaki seufzte erleichtert und ging in das rettende

Klassenzimmer. Zum Glück hatte er heute keinen Geschichtsunterricht, denn dann wäre er seinen Blicken ja

ausgeliefert gewesen - was ja an sich keine schlechte Sache war, aber nicht in diesem Moment. Denn Herr

Shikaidou war ein guter Menschenkenner - wie er ja gestern in diesem hervorragenden Gespräch

mitbekommen hatte - und würde bald bemerken, dass Chiaki mehr als ein bisschen müde war. Ungut.
 

Der Schultag verging schnell und Chiaki nahm sich vor, den Nachmittag und Abend wieder als Junge zu

verbringen. Seitdem er gestern wieder die Sau - oder besser gesagt den Eber, um beim Thema zu bleiben -

rausgelassen und sich so gut mit den vielen netten Menschen in der Bar verstanden hatte, ohne etwas

vorzuspielen, konnte er gar nicht genug von der Freiheit kriegen, die zwar eigentlich für jeden normal war, die

er sich aber selber genommen hatte, um sein Ziel zu erreichen. Jedoch wollte er heute nicht ausgehen,

sondern zuhause bleiben, einfach ein bisschen den Rest des Tages genießen - und seine tolle Hose, die zwar

eng saß, aber nicht weiblich war - und die er deswegen ganz besonders mochte.
 

Später am Abend, als er sich zuvor im Supermarkt noch etwas leckeres zu trinken - einen Rosé-Wein aus

Frankreich - und eine große Packung Tiefkühlpizza gekauft hatte, saß er nun auf seiner großen, bequemen

Couch, aß genüßlich Pizza und trank dazu den Wein. Das passte zwar nicht wirklich zusammen, aber ihm

schmeckte es ausgezeichnet. Außerdem war es doch egal, schließlich war er ein Junge und durfte sich so

einen faux pas leisten. Gut, als Mädchen vielleicht auch, aber er war einfach nur froh und fühlte sich

wahnsinnig wohl so. Als dann aber so ein paar Minuten vor um acht seine Türklingel schellte, war er schon

etwas angepisst, da er sich eigentlich einen gemütlichen Abend leisten wollte. Wenn es so ein bekloppter

Versicherungsvertreter war oder so ein Typ, der ihm einen günstigen Telefontarif verticken wollte, knallte er

einfach die Tür zu.
 

Aber es war weder ein Versicherungsvertreter noch ein Typ von der Telekom, sondern Herr Shikaidou. Chiakis

Gesicht wurde erst kalkweiß, dann ungesund rot, bis es sich wieder einigermaßen normalisierte. Also es war

rosig. Seine Augen flackerten nervös und er sagte:
 

"Äh... ja?"
 

Der Rothaarige lehnte am Türrahmen und blinzelte Chiaki belustigt an, weil er seine Ratlosigkeit bemerkt

hatte:
 

"Chiaki! Guten Abend. Du siehst ja ganz schön verdattert aus... hast du etwa vergessen, dass ich dich heute

besuchen kommen wollte? Wir wollten unser Gespräch fortsetzen, weil du gestern abend meintest, dass du

nicht mehr in der Lage wärst, meinen Gedanken zu folgen."
 

Hijiri grinste leicht, doch dann lächelte er verständnisvoll.
 

'Ja klar, ich glaube, das war ich schon eher', dachte Chiaki immernoch geschockt und bat dann schließlich den

Rothaarigen herein.
 

"Entschuldigen Sie, aber ich hab das wirklich ganz vergessen - oder gar nicht erst mitgekriegt", versuchte

Chiaki sich zu entschuldigen. Sein eigentlicher Lehrer, der davon aber gar nichts wusste, grinste ihn jetzt

wieder an:
 

"Da hast du wahrscheinlich doch einiges über den Durst getrunken... ach übrigens, wir waren schon beim Du."
 

Das darauffolgende Lächeln war wieder so ein Moment für Chiaki, der sein Herz höher schlagen ließ. Verlegen

hustete er und geleitete seinen unverhofften Gast dann ins Wohnzimmer, wo noch eine halbe Pizza auf einem

Teller auf dem Tisch stand. Daneben war die fast zur Hälfte geleerte Weinflasche, aus der er direkt getrunken

hatte. Warum auch nicht? Schließlich war er ja allein. Bis jetzt natürlich.
 

"Setz dich ruhig... und entschuldige die Unordnung."
 

Chiaki war wirklich heftig verwirrt, dass Hijiri für heute Abend sein Gast war, denn das war etwas, was er sich

nicht erträumt hätte. Wahrscheinlich hatte es sich auch so ergeben, denn meistens geschahen die Dinge,

wenn man gar nicht daran dachte. Alles Zufälle.
 

"Kann ich etwas von dem Wein haben?"
 

"Ja, natürlich, ich..."
 

Bevor Chiaki dem Älteren ein Glas anbieten konnte, hatte dieser schon die Flasche angesetzt und trank einen

kräftigen Schluck. Der Blonde musste unwillkürlich lachen und grinste dann:
 

"Ich hätte ja beinahe auch vergessen, dass ich nicht der einzige war, der wie blöde gebechert hat. Aber du

hast mich gerade wieder daran erinnert."
 

Seine Stimme klang fröhlich und nicht vorwurfsvoll. Jetzt, wo die ersten qualvollen Minuten des unverhofften

Besuchs vorbei waren, traute Chiaki sich auch, neben den anderen auf die Couch zu setzen.
 

"Wollen wir das von gestern nun fortsetzen? Wo du dich schon hingesetzt hast?", meine Hijiri plötzlich und aus

heiterem Himmel. Chiaki sah ihn etwas verwirrt an und blinzelte, keine Ahnung habend, was Hijiri damit meinte.

Als er in den Augen des anderen nach einer Antwort suchte, traf er dort auf keine Hilfe - der Blick verdutzte

ihn noch mehr. Was sollte das denn?! So etwas konnte man keinem sagen, der unkeusche Gedanken hegte!

Das gab viel Stoff für Missverständnisse!
 

"W-wie meinst...?"
 

Einfach mal versuchen, eine Frage zu stellen. Er musste ja antworten - schließlich war er wohl erzogen, dieser

Herr Shikaidou. Man sollte es zumindest hoffen - in dieser Hinsicht.
 

"Na, ich hatte dir doch gestern gesagt, dass du einer meiner Schülerinnen ähnelst. Und als ich das zur

Sprache brachte, warst du so verwirrt, dass du gesagt hast, dass wir das lieber auf heute verschieben."
 

Ungeahnt breitete sich Enttäuschung in Chiaki aus. Dieses Gefühl war echt gemein. Er trank einen Schluck

aus der Weinflasche, doch es half nichts. Es fühlte sich immernoch beschissen an. Warum hatte er denn auch

daran geglaubt, dass sich sein Lehrer für einen Jungen interessieren würde?! Binnen von Sekunden hatte sich

seine Euphorie und Hoffnung in ein tiefes schwarzes Loch verwandelt, was ihn nun zu verschlingen drohte.

Wenn der Rothaarige kein Interesse an Jungs hatte, würde er wohl nie eine Chance bei ihm haben - egal wie

gut er sich als ein Mädchen verkleiden konnte. In seinem tiefsten Inneren und seinen eigentlichen

Äußerlichkeiten würde er immer ein Mann bleiben, der keine Chance bei Hijiri haben würde.
 

Scheiß Zufall. Scheiß Schicksal.
 

Scheiß Roséwein.
 

"Du heißt ja auch noch wie sie...", sinnierte Hijiri gerade, als er keine Antwort bekam und nur sah, dass Chiaki

sich den Wein hinterkippte.
 

"Das ist schon ein ganz schöner Zufall."
 

"Ja."
 

Chiaki hatte - etwas wortkarg - seine Sprache wiedergefunden und wollte wieder etwas mit dem anderen

kommunizieren. Sonst dachte der bestimmt, dass etwas mit ihm nicht stimmte oder dass er ihn verärgert

hatte. Letzteres stimmte zwar, aber Chiaki wollte seinen Ärger nicht so deutlich zeigen.
 

"Und weißt du, was mich am meisten verwirrt?"
 

"Was denn?", fragte Chiaki, nicht uninteressiert.
 

"Dass ihr die gleiche Adresse habt."
 

Chiaki schwieg entsetzt. Er hatte gestern Hijiri seine richtige Adresse gegeben - und in den Schulakten stand

sie natürlich auch. Das war ein beschissenes Problem. Denn es gab nämlich keinen Ausweg aus der Misere.
 

"Wieso verwirrt dich das?"
 

Wenn er anhand der Tatsache überrascht war, würde Hijiri gleich bemerken, dass er etwas verbarg. Aber

wenn er den Rothaarigen nun einen Grund gab, damit er nicht mehr verwirrt sein musste?
 

"Schließlich ist sie meine Cousine!"
 

Ob Hijiri ihm das abkaufen würde? Chiakis Blick war fest auf den des anderen gerichtet und er hoffte, dass

seine Entschlossenheit, diese blöde Lüge durchzuziehen, auch seinen Blick beeinflusste.
 

"Sie ist deine Cousine?!"
 

Okey, der Blonde hatte nicht wirklich gehofft, dass ihm Hijiri seine Märchen sofort abkaufen würde, doch dass

es so schwer sein würde, diesem durchdringenden Blick des Menschen standzuhalten, in den man auch noch

über beide Ohren verknallt war - das war hart.
 

"Ja. Meine Tante, also ihre Mutter, hatte mit ihrer Schwester - also meiner Mutter - ausgeheckt, dass sie uns

den gleichen Namen geben könnten. Es war auch irgendwie ein Zeichen ihrer Verbundenheit als Schwestern.

Das hat mir meine Tante mal erzählt... da war meine Mutter aber schon nicht mehr da..."
 

Ja, es war fies, jetzt den Tod seiner Mutter in die vollkommen erfundene Geschichte einzubinden, doch es war

eine sichere Methode, Hijiris Aufmerksamkeit jetzt wieder nur auf ihn zu lenken. Er sprach auch nicht davon,

um Mitleid zu erregen - zwar war der Verlust seiner Mutter immernoch so, als hätte er seinen Gott, seine

sichere Behausung verloren, doch es war schon viele Jahre her und er hatte sich so langsam daran gewöhnt.

Er brauchte keine Tränen und keine lieben Worte. Wenn es sein musste, weinte er selber.
 

Hijiri sagte zu seinem Erstaunen - oder hatte er es gehofft? - gar nichts zu dieser Sache und nahm nur einen

Schluck aus der Flasche.
 

"Also bist du sozusagen nur zu Besuch hier?"
 

"Genau."
 

Chiaki war erleichtert, dass der Rothaarige seine Geschichte akzeptierte. Ob er sie glaubte, was sein Brot -

dem Blonden ging es auf jeden Fall besser. Hijiris Stimme klang nicht mehr so interessiert wie am Anfang des

Gespräches, deswegen empfand es Chiaki als das Beste, das Thema zu wechseln.
 

"Und du bist also Lehrer?", fragte er, nicht ohne die Antwort zu kennen. Als Hijiri nickte, fragte er nach seinem

Fach und nach den Klassenstufen, die er unterrichtete. Er erfuhr, dass es die komplette Oberstufe seiner

Schule war, die in den Genuss kam, von Hijiri unterrichtet zu werden. Wie viele wohl das Vergnügen hatten,

mit ihm auf der Couch zu sitzen, Wein zu trinken und sich gut zu unterhalten? Und wie viele von denen, die

das konnten, waren in den Rothaarigen verliebt...? Wie viele hatten sich schon von ihm verführen lassen? Wie

vielen Versuchungen hatte er widerstehen können... wollen?
 

Die weiteren Konversationen des Abends waren trotz Roséwein von keinerlei Tiefgang und Chiaki fühlte sich

richtig beschissen. Es war zwar schön, mit seinem Angebeteten hier bei sich zu Hause zu sitzen, doch da er

wusste, dass es sowieso zu keinerlei tiefgründigen Tätigkeiten kam, verging ihm langsam die Lust. Nicht dass

er nur mit Hijiri in die Kiste hüpfen wollte - das zwar auch - aber ihm fehlte heute irgendwie das besondere

Etwas an ihrer Konversation... was war - ausgenommen des Alkohols - gestern in der Bar anders gewesen?

Das ungezwungene Ambiente? Die anderen Leute?
 

Er fühlte sich plötzlich auf die Couch gedrückt und aus seinen Gedanken gerissen, als Hijiris Lippen an seinen

saugten.
 

Ja! Das war es gewesen! Das hatte gefehlt...
 

Chiaki erinnerte sich plötzlich wieder an den gestrigen Abend - in allen Farben und Facetten...! Hijiri und er

hatten sich eine stille Ecke in der Kneipe gesucht, ein Tisch für zwei in den hinteren Räumen der

Gastronomieeinrichtung... fernab von der Bar und den lauten Menschen. Und dort hatten sie nur noch ihre

Lippen sprechen lassen. Sie hatten zwar das Gespräch über Hijiris Schülerin namens Chiaki abgebrochen

beziehungsweise verschoben, aber sie waren danach nicht ihres Weges gegangen, wie Chiaki erst

angenommen hatte. Nun hatten sie erst richtig angefangen zu "reden".
 

Chiaki seufzte in den Kuss hinein und bemerkte mit Entsetzen, dass er fast schon gestöhnt hatte. Hastig stieß

er Hijiris Zunge wieder zurück in dessen Mund, doch dieser sah das als ein neues Spiel auf und kämpfte sich

wieder zurück. Dem Blonden wurde ganz heiß von diesem Hin und Her, sodass sein ganzes Gesicht glühte.

Schließlich gab er dem Älteren aber doch zur Genüge zu verstehen, dass er nicht mehr lange so unterdrückt

atmen konnte und sie lösten sich voneinander.
 

"Das war aber plötzlich...", stammelte Chiaki, nur um die Stille zu unterbrechen und war selbst von seinen

Worten erstaunt. Dass er so ehrlich sein würde, hätte er nicht gedacht. Hijiris Arm umschlang vorsichtig und

wärmend um seine Taille, so als hätte auch er keine Ahnung, ob Chiaki all das wirklich gefiel, was sie taten.
 

"Naja, hätte ich es mit Worten einleiten sollen?"
 

Chiaki überlegte kurz und schüttelte dann den Kopf:
 

"Nein... das hättest du nicht."
 

"Das beruhigt mich", lächelte Hijiri und neigte seinen Kopf zu Chiakis. Der Junge dachte, dass sie sich wieder

küssen würden und reckte ihm seinen Mund entgegen, doch Hijiri legte bloß seine Stirn an die des Blonden und

sah ihm in die Augen.
 

"Ich hoffe, das ging dir alles nicht zu schnell... vor allem wo ich es so schamlos ausgenutzt habe, dass du

dich nicht mehr an so viele Dinge von gestern erinnern konntest. Aber ich mag dich sehr..."
 

Chiaki konnte vor Freude gar nichts sagen und schwieg nur glücklich. Das war alles zu viel für ihn. Von einem

Moment auf den anderen war seine Liebe in Erfüllung gegangen... und er stellte fest, dass er dazu nicht

einmal als Mädchen in die Schule hätte kommen müssen...
 

Es gab schon seltsame Dinge im Leben...



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Kommentare zu dieser Fanfic (9)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Schizophreny
2008-12-31T15:26:37+00:00 31.12.2008 16:26
mach mal weiter....*pöpel*
Von: abgemeldet
2008-08-25T14:19:27+00:00 25.08.2008 16:19
oh, seh grad ich hab schon mal geschrieben. Ich hoffe du schreibst mal weiter, bin doch gespannt was mit den beiden jetzt ist.
lg Dark_providence
Von: abgemeldet
2008-07-19T16:24:17+00:00 19.07.2008 18:24
Hallo=]
Ich find die Geschichte voll Süüüüüüüüüüß! Chiaki als Mädchen, oh man^^
MAg deine ffs sehr, weil sie fast alle mit chiaki und Hijiri sind. Lieb die beiden
lg Dark_providence
Von:  Schizophreny
2008-07-10T15:18:19+00:00 10.07.2008 17:18
Ey mach mal weiter...jeze hab ich mir das hier durchgelesen...und nicht schlecht dori......WANN GEHTS ENDLICH ZUR SACHE!!!
Von:  Izumi-chan
2008-04-08T16:00:42+00:00 08.04.2008 18:00
Was soll man da noch ergänzen?^^
Die Geschichte ist gut geschrieben, an nem tollen Punkt aufgehört (Warum nur TT_TT)
joa...einfach gut =)

Bis zur Fortsetzung
=^-^=
Von:  Droite
2008-02-08T21:30:13+00:00 08.02.2008 22:30
weiterschreiben ;______;"
Chiaki als Mädchen sieht man nicht oft.
Aber das er dann als Junge au noch seinem Schwarm so nahe kommt... Wer hätte das gedacht?

Freu mich auf n nächste Kappi, wenns eins geben wird.

Cyra
Von:  saspi
2007-08-19T10:36:41+00:00 19.08.2007 12:36
Hey!!!
Klasse kappi!!!
Bitte schreib schnell weiter!
Bin schon gespannt wie 's weiter gehen soll!!!

Freu mich aufs nächste kappi.
Bye

Von: abgemeldet
2007-05-28T04:20:10+00:00 28.05.2007 06:20
Jo hi ^.^

Gott Mensch D-Chan deine ideen sind einfach immer sowas von....mmmh wie soll ich sagen,fesselnd, aufregend,spannend, und uebelst lustig, nicht ausser Acht zulassend die Storylines sind grandios!!

Bin immer noch am grinsen, xDD, und das kommt nicht alleine von dem Gedanken Chiaki in Maedchen Klamotten zu sehen, viel mehr finde ich Gefallen dran wenn Hi-Chan so versaut ist. *lol* *auch wenn es diesmal auf eine ziemlich schlimme art und weise ist*

Nenene Hi-Chan als Perverser Lehrer, "auf ihn Maedels mit gebruell". Auch wenn ich Hi-Chans einfach nur geil finde, in dieser Story glaube ich fest daran das er eine Strafe verdient hat! Die Sacche mit den Maedchen verfuehren und sie dann mit Noten zu erpressen stinkt gewaltig. *_*

Wobei man dan ja auch noch sagen muss, dass spaetestens nach dem 3. Girl das Nachhilfe bei ihm hatte die ander wohl bemerkt haben mussten was abgeht, haetten sie halt irgendwie Nachhilfe verweigern solln, eine schlechte Note kostet nicht die Welt, und dan kann man immer noch nach Testungen machen. Und da die meisten ja sowieso am Anfang ihren Spass hatten, sind sie selber Schuld, wenn man sich auf sowas einlaesst, kann man auch nichts mehr machen.>.>
*Natuerlich gibt es da auch wieder ausnahmen*

Ich bin sehr gespannt wie sich die Sache mit Chiaki, der alten Schnapsdrossel /wie ich ihn liebevoll nenne, seit deiner Story hier/ und Hi-Chan endwikelt. Stehen ja schon gleich mehrere Probleme vor der Haustuer.

Er geht als Maedel zur Schule, hat den anderen Girls versprochen ihnen zu helfen, ist aber gleichzeitig hoffnungslos in ihn verschossen. Dann hat der Liebe Herr Lehrer ihm im Auge als Maedhen und Junge, sein Kuehlschrank ist leer und seine Note immer noch im Keller......ach bin schon ganz gespannt. ^.^ *freu*

Ich kann diesmal nicht so viel Anlysieren irgendwie *lol* ^^

Is einfach mal wieder nur uebelst interesting,
"Weid Manns heil" wuensche fuer dich das dir bald wieder neues einfaellt!!

Bis bald
Die Geisti

*um die Egge lug* *Chiaki hinter her staar* //Mensch der sieht ja sogar als Weib geil aus// xDD

Ps: *Chiaki patt* mach dir nichts draus bin auch blond, blauauegig und schusselig. ;-]
Von:  saspi
2006-12-03T21:15:16+00:00 03.12.2006 22:15
Hey!!!
Klasse kappi!!!
Bitte schreib schnell weiter!
Bin schon gespannt wie 's weiter gehen soll!!!
wann wird Shikaidou rausfinden das chiaki in wirklichkeit ein junge ist??
Freu mich aufs nächste kappi.
Bye


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