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Angel or Demon?

von

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#3: Annäherungen

Seit schätzungsweise zehn Minuten rannten sie nun in der sengenden Hitze ihre Runden um das Schulgebäude. Tetsu hoffte der Rest der Stunde würde so schnell wie möglich vorübergehen. Er hielt es in seiner Jacke jetzt schon kaum aus. Dazu kam noch das hartnäckige Gefühl, sich jeden Moment übergeben zu müssen… Zwar hatte er es – mit Glück – geschafft sich ohne Hideto's Blicke umzuziehen, doch das seltsame Gefühl in der Magengegend war noch immer nicht verschwunden. Wenn er ehrlich sein sollte, war ihm richtig schlecht.

Nichts desto trotz lief er weiter, immer weiter den Blick stur geradeaus. So merkte er nicht einmal wirklich, dass er immer langsamer wurde, dass seine Muskeln förmlich vor Schmerzen aufschrien und nicht mehr weiter wollten, sich einfach dagegen sträubten. Schon bekam er kaum noch Luft. Jeder Atemzug war eine einzige Qual, doch er rannte weiter. Sein Magen verkrampfte sich, doch er rannte weiter. Seine Gesichtsfarbe verschwand fast vollständig, doch er rannte weiter. Er konnte von weit her das Pfeifen aus seinem Mund, welches wohl der kümmerliche Rest seines Atems war, hören, doch er rannte weiter…

Auch bemerkte Tetsu nicht, wie Hideto an ihm vorbei zog und ihm noch zurief, er solle doch endlich diese blöde Jacke ausziehen. Er bekam rein gar nichts mehr mit, zu sehr drückte die Hitze. Sein Kopf war total leer, sein Blick starr und seine gesamten Bewegungen schienen automatisch zu sein – fast wie die eines Roboters. Immer einen Fuß vor den anderen. Nur weiter, immer weiter…

So dauerte es nicht lange, bis sein Körper aufgab, seine Beine nachgaben und er krachend zu Boden stürzte. Dort blieb er keuchend liegen. Er lag einfach nur da und rings um ihn herum wurde es schwarz. Ein dunkler Vorhang senkte sich über ihn und er fühlte nichts mehr, schien nur im Nichts zu schweben…
 

Gerade war Hideto an dem Wahnsinnigen, der bei dem Wetter die langen Klamotten immer noch nicht abgelegt hatte, vorbei, als er hinter sich ein seltsames Geräusch wahrnehmen konnte und abrupt stehen blieb. Was war…? Mit einer schleichenden Vorahnung wandte er sich um und… seufzte innerlich auf.

Tetsu war wirklich ein VOLLtrottel. Irgendwie hatte Hideto das aber kommen sehen. Es war schlicht und ergreifend unausweichlich gewesen. Kein normaler Mensch war in der Lage das durchzuhalten. Auch jemand namens Tetsu nicht, obwohl der das ganz offensichtlich zu können glaubte…

Und so kniete sich der Blonde neben den reglosen Körper, der schwer nach Atem rang, drehte ihn vorsichtig auf den Rücken und wollte den Anderen von der Jacke befreien, als dieser ihn aufhielt, indem er Hideto's Hand festhielt. "Nicht…", murmelte der am Boden liegende fast tonlos, dafür aber mit nur halb geöffneten Augen, einem seltsam starren Blick und zittrigen Fingern. Hideto wollte gerade etwas darauf erwidern, doch dann sah er an den schon glasig gewordenen Augen, dass jetzt wirklich nicht der richtige Zeitpunkt für endlose Diskussionen war.

Kurzerhand hob er den Anderen auf seine Arme und brachte ihn so schnell wie möglich ins Krankenzimmer. Dort war natürlich gerade wieder niemand anzutreffen – wie immer, wenn man mal dringend Hilfe brauchte! Aber jetzt durfte keine Panik aufkommen. Zunächst legte er Tetsu auf eines der Betten, betrachtete ihn noch kurz und wischte ihm eine Haarsträhne aus dem verschwitzten Gesicht. Danach strich er ihm etwas über die Wange.

Nun hieß es so schnell wie nur irgend möglich den Schularzt finden, wo auch immer der gerade stecken mochte. Hideto hatte ihn schneller gefunden, als er gedacht hätte, denn gerade, als er wieder zur Tür hinaus wollte, kam der Arzt mit einer Tasse Kaffee in der Hand herein. Auf die Frage, was passiert sei, berichtete Hideto kurz von Tetsu's Zusammenbruch. Der Doktor setzte sich an den Schreibtisch und erkundigte sich noch nach dem Namen seines Patientens und holte dessen Akte hervor. Kurz überflog er sie und schickte Hideto danach wieder in den Unterricht.

Den ganzen restlichen Tag fehlte Tetsu in der Klasse. Hideto starrte die ganze Zeit den leeren Platz neben sich an und hing seinen Gedanken nach. Er dachte darüber nach, was mit dem Anderen los war, was er für ein Problem hatte. Und er hatte eins, das stand für Hideto zweifellos fest. Nur… was konnte das sein? So sehr er es auch drehte und wendete, ihm fiel keine passende Erklärung ein.
 

Nur wenige Stunden später stand Hideto vor der Tür, in die er Tetsu immer hatte verschwinden sehen und drückte den Knopf, auf dem 'Ogawa' stand. Er wusste nicht wirklich, was er hier überhaupt wollte. Seine Füße hatten ihn wie von selbst hierher gebracht. Und was sollte er nun sagen? Mit welchem Vorwand sollte er diese fremde Wohnung betreten? Er konnte schließlich nicht behaupten, er hätte sich nur Sorgen gemacht…

Da wurde die Tür auch schon aufgemacht und ein bekanntes Gesicht sah ihn etwas überrascht an. "Hideto…?", murmelte Tetsu nur. Einen Augenblick später hatte er sich wieder gefangen und wies den Blonden ohne eine weitere Frage an, einzutreten. "Ich hoffe, es macht dir nichts aus, dass außer mir keiner zu Hause ist…", erklärte Tetsu noch kurz. "Möchtest du etwas trinken?" "Nur etwas Wasser…", entgegnete Hideto nach einer kleinen Pause. Er hatte sich Tetsu ein wenig genauer angesehen. Der Junge trug schon wieder ein langärmeliges Hemd. Dieses schien zwar aus dünnem Stoff zu bestehen, aber trotzdem…

Während Tetsu in der Küche verschwunden war, sah sich Hideto etwas um. Alles wirkte irgendwie hell… Das Sonnenlicht blendete schon fast. Er stellte seine Tasche ab und schlenderte in das Zimmer, das allem Anschein nach Tetsu’s sein müsste. Langsam ließ er den Blick umher schweifen. Ein Schrank, ein Schreibtisch mit Computer, ein ziemlich großes Bett und viele volle Bücherregale an den Wänden. Im Grunde war es eine ähnliche Einrichtung wie seine eigene… Aber dennoch schien es hier wesentlich freundlicher. Woran das wohl liegen mochte…?

Gerade wollte Hideto sich ein paar der eingerahmten Bilder auf den Regalen ansehen, als Tetsu auch ins Zimmer kam. "Fühl dich hier ruhig wie zu Hause…", meinte dieser noch, während er sich an den Schreibtisch setzte und Hideto ein Glas Wasser reichte. "Mach es dir bequem…", wurde der Blonde freundlich aufgefordert. Nach kurzem Überlegen setzte sich dieser einfach auf den Boden neben Tetsu und wurde fragend angeschaut. "Das ist bequem…", erwiderte Hideto nur. Tetsu sagte daraufhin gar nichts dazu und erkundigte sich nach dem Grund dieses Besuchs. Kurz darauf bekam er Notizen aus dem Unterricht in die Hand gedrückt und nickte. Er hatte verstanden… "Ich beeile mich mit Abschreiben.", murmelte er noch und holte seine Hefter hervor. "Lass dir Zeit…", meinte Hideto gelassen, legte sich auf den Boden, verschränkte die Arme unter dem Kopf und starrte an die Decke. "Werden deine Eltern nicht sauer, wenn du zu spät nach Hause kommst…?", wunderte sich Tetsu, fragte aber mehr beiläufig… "Nein, ich wohne allein. Theoretisch könnte ich die ganze Nacht hier bleiben…", kam als Antwort. "Was ist mit deinen Eltern? Wann werden sie ungefähr hier sein…?", ging dann die nächste Frage an Tetsu. In diesem verkrampfte sich für einen Augenblick alles und er musste die aufkommende Leere im Kopf schnell wieder verscheuchen. "Gar nicht…", versuchte er dann so normal wie möglich zu antworten, "Sie sind tot. Ich lebe hier mit meinem Onkel und meiner Tante… Deshalb gehe ich jetzt auch hier zur Schule." Dabei sah er nicht von den Aufzeichnungen vor sich auf.

Hideto aber hatte sich wieder aufgesetzt und sah Tetsu nun prüfend an. Diese Sache war ihm anscheinend nicht so egal, wie er alle anderen – Hideto eingeschlossen – gern glauben machen wollte, das konnte er ihm deutlich ansehen. Doch Hideto war sehr unsicher, was er nun tun sollte. Er hatte die Wahl zwischen Weiterfragen und Ignorieren. Beides erschien ihm jedoch nicht besonders taktvoll. Doch da wurde ihm die Entscheidung abgenommen, denn Tetsu ergriff das Wort wieder: "Was ist mit deinen Eltern? Warum lebst du allein…?" Kurz schwieg der Blonde, bevor er zur Antwort ansetzte. "Sie… waren nie das, was man im Allgemeinen 'vorbildliche Eltern' nennt… Sobald ich die Möglichkeit hatte, bin ich ausgezogen.", erklärte er kurz und knapp. Er hatte keine große Lust das noch weiter auszubauen… Er wollte die ersten seiner Lebensjahre nur so schnell wie möglich vergessen… "Vermissen sie dich denn nicht…?", kam es dann etwas zögerlich von Tetsu. "Keine Ahnung…", gab Hideto zurück, "Ich glaube es aber nicht…" Hätte seine Mutter ihn jemals vermisst, hätte sie in all den Jahren, in denen sie ihren Sohn und dessen Vater im Stich gelassen hatte, zumindest von sich hören lassen und den Kontakt gesucht. Doch das hatte sie nicht… Und sein Vater selbst vermisste ihn höchstens, weil er niemanden mehr hatte, an dem er seine Wut – durch gezielte Schläge – auslassen konnte.

Was sollte er jetzt dazu sagen? Er hatte noch nie offen mit jemandem über seine Familie geredet. Entweder die Leute um ihn herum wussten bereits von dieser Sache – meistend war es an Verletzungen Hideto's erkannt worden – oder niemand hatte nachgefragt. Und nun interessierte sich jemand dafür? Dass er diese Situation nicht gewohnt war, schien man Hideto anzumerken, denn Tetsu fragte nicht weiter nach. Oder er wusste nicht genau, was er dazu sagen sollte. Für Tetsu war es einfach unvorstellbar, dass man sein eigenes Kind so schlecht behandeln konnte, dass es nur noch von einem weg wollte. Er wusste zwar genau, dass es solche Familien gab, doch verstehen konnte er es noch nie. Es wollte es auch gar nicht verstehen können! Dafür hatte er zu viel Liebe von seinen eigenen Eltern erfahren.

Seine Eltern… Der Gedanke an sie schmerzte unglaublich! Tetsu bemerkte die Träne nicht einmal, die ihm langsam die Wange hinab lief. Hideto hatte da besser aufgepasst. Ohne ein Wort hatte er sich erhoben und wischte seinem neuen Mitschüler das Gesicht wieder trocken. Tetsu war zwar zunächst etwas erschrocken gewesen, ließ es aber geschehen. Es war lange her, seit er das letzte Mal getröstet wurde. Einen kurzen Augenblick ließ er sich gehen, ließ sich von Hideto umarmen und lehnte sich an ihn. Doch schon wenige Sekunden später löste er sich wieder von ihm. Er durfte Hideto auf keinen Fall zu nahe kommen, sonst würde er es wohlmöglich noch bemerken. Heute morgen hatte er so viel Glück beim Umziehen gehabt, da wollt er das nicht durch eine kleine Unachtsamkeit zunichte machen.

Also tat Tetsu wieder so, als wäre alles in bester Ordnung und lächelte leicht. In den vergangenen Monaten hatte er gelernt, seine wahren Gefühle glaubbar hinter einem solchen Lächeln zu verbergen. Die Erwachsenen um ihn herum hatten es ihm auch abgenommen, andernfalls wäre er jetzt nicht einmal hier, sondern immer noch im Hospital. Ob Hideto dasselbe tat, konnte er jedoch nicht genau erkennen. Auch er schien sein Innerstes ungern preiszugeben und hatte eine Maske, die er auf- und absetzen konnte. Doch was wirklich in Hideto vorging, konnte Tetsu nicht wirklich ahnen.

"Wollen wir nicht Freunde werden…?", fragte der Blonde dann ganz direkt. Etwas ungläubig zog Tetsu die Augenbrauen nach oben. Wollte er ihn gerade verarschen? Wer war denn am ersten Schultag so unfreundlich zu ihm gewesen…? Oder… war das vielleicht nur ein Mittel, damit er doch bei diesen – wie hießen sie noch – 'Cats' einsteigen würde…? Wenn ja, fand Tetsu das nicht sehr toll… Als hätte Hideto Gedanken lesen können, sprach er nach einer kurzen Pause weiter: "Ich meine… einfach nur Freunde… Du musst auch nicht bei uns Mitglied werden, wenn du nicht willst. Ich zwing dich zu nichts. Aber…" Danach schienen ihm die Worte zu fehlen. Mit leicht betrübtem Gesichtsausdruck und kaum erkennbar geröteten Wangen ließ er den Kopf hängen. Er hatte sich mal wieder einer Peinlichkeit hingegeben und sich komplett zum Löffel gemacht. Wieso sollte sich Tetsu auch mit ihm anfreunden wollen? Ausgerechnet mit ihm… Auf so eine absurde Idee konnte auch nur er kommen! Es gab nicht einen ersichtlichen Grund… Gerade wollte sich Hideto für seinen blöden Gedanken entschuldigen, da spürte er Tetsu’s Hand an seinem Gesicht, wie sie es langsam und vorsichtig wieder nach oben zog, so dass er ihn wieder ansehen musste.

"Aber…?", wurde er vorsichtig aber gleichzeitig ermutigend gefragt. Doch damit wurde Hideto nur noch unsicherer. "Aber…", begann er vor sich hin zu stammeln, "Ich… also… Ich meine… Es… wäre nur schön… Aber wenn du nicht magst, ist auch okay! Ehrlich, ich kann das verstehen…" Himmel, er redete sich hier noch um Kopf und Kragen! Warum nur musste er sich immer wieder in solche Situationen bringen!? Konnte er denn wirklich nicht ein einziges Mal seinen Mund halten? Dass Tetsu ihn schweigend und mit ausdruckslosem Blick – fast schon durchdringend – ansah, half ihm nicht unbedingt viel weiter! Schon wieder wollte er sich dafür entschuldigen, was er da von sich gegeben hatte, da wurde er schon wieder unterbrochen. "Okay…", lächelte Tetsu ihn an, "Lass es uns ruhig versuchen…" "Versuchen?", fragte der Blonde leicht verwirrt. Was sollte man da versuchen? Freund war Freund, oder…?

"Freundschaften schließt man nicht von heute auf morgen oder von jetzt auf gleich.", meinte Tetsu, "Wenn du mir jetzt sagen willst, wir sind Freunde, nur weil wir das gesagt haben, dann wird das nichts. Solche Dinge brauchen Zeit, verstehst du? Lass uns einander besser kennen lernen und sehen, ob wir miteinander auskommen, okay?" Wie es aussah, hatte Hideto noch viel zu lernen, was zwischenmenschliche Beziehungen anging… Aber das machte nichts, Tetsu würde sich die Zeit für ihn nehmen. Er hielt dem Blonden die offene Hand hin, welcher dieser annahm. "Ist gut…"



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  queermatcha
2011-04-09T19:55:47+00:00 09.04.2011 21:55
Mwah, Hideto ist total schnuffig! Ich will ihn knuddeln! XD So, bin gespannt, wie das mit dem "Anfreunden" dann weitergehen wird. x3
Von:  devitto
2009-01-14T16:08:10+00:00 14.01.2009 17:08
Huch, da issa zusammengeklappt o.O
Howdy, Hyde ist süß.^^
Und jetzt sind sie schon fast Freunde, das ging ja schnell xD


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