Zum Inhalt der Seite

Ai No Kiseki

Wunder der Liebe
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Ernste Gespräche

„Du kommst doch, oder?“ fragte Michiru am Telefon, und sie hörte sich sehr aufgeregt an.

Haruka lehnte sich gegen die Wand und wickelte das Kabel des Telefons spielerisch um ihren Finger. „Klar“, lachte sie. „Wann geht’s denn los?“

„In einer Stunde“, lautete die Antwort. „Es tut mir leid, daß ich dir erst so spät Bescheid sage, aber Nerissa hat mich aufgehalten. Wir waren einkaufen, und sie hat ewig gebraucht, um sich zwischen zwei Röcken zu entscheiden.“

„Nein, das ist schon in Ordnung, Michiru. Bis dann.“ Haruka legte auf und wollte nach oben gehen, um sich umzuziehen, als Mrs. Tenô aus der Küche kam. Fiffi schlich hinter ihr her. Als er Haruka bemerkte, knurrte er, kniff den Schwanz ein und machte einen Rückzieher.

„Wer was das?“ fragte Mrs. Tenô geschäftig und ordnete ein paar Blätter, die auf der Anrichte lagen.

„Michiru“, antwortete Haruka. „Sie hat mich zu ihrem Violinkonzert heute abend eingeladen.“

Mrs. Tenô drehte sich um und musterte Haruka von oben bis unten. „Aber bitte nicht so“, mahnte sie und deutete auf das Hemd und die Leggins.

Haruka verdrehte die Augen, murmelte etwas und machte, daß sie wegkam. Ganz so blöd wie Tante Himeko glaubte, war sie nun auch wieder nicht. Sie ging nach oben und holte gerade ihr violettes Ballkleid aus dem Schrank, das ihr Michiru damals geschenkt hatte, als ihr eine viel bessere Idee kam. Sie warf das Kleid auf ihr Bett und zog statt dessen ihren schicken schwarzen Smoking an, der ihr sehr gut stand. Sie sah jetzt aus wie ein richtiger Junge.

Obwohl Haruka versuchte, möglichst leise die Treppe herunterzugehen, hörte ihre Tante sie dennoch und kam aus ihrer Wohnung, um zu sehen, ob sie sich umgezogen hatte. Sie schnappte entgeistert nach Luft, als sie ihre Nichte so sah. „Haruka! Du wirst sofort... Haruka, hörst du nicht!? HARUKA!“

Aber Haruka war bereits geflüchtet. Wenig später saß sie in ihrem Wagen und fuhr in Richtung Nagareboshie-Hotel, wo das Konzert stattfinden sollte. Als sie sagte, wer sie war, ließ man sie ohne weiteres ein und zeigte ihr einen Tisch, an den sie sich setzen konnte. Entweder hatte Michiru vorgesorgt oder es lag einfach daran, daß Himeko Tenô ihre Tante war.

Das Konzert begann pünktlich. Haruka konnte von ihrem Platz aus die Bühne gut sehen. Sie sah auch Nerissa, die weiter vorne saß.

Der Hoteldirektor, ein kleiner, dicker Mann mit Glatze, betrat die Bühne. Er räusperte sich ein paar Mal und sagte dann durch ein Mikrofon: „Verehrte Gäste! Ich habe heute die Ehre, Ihnen einen ganz speziellen Gast anzusagen: Eine junge Dame, die es mit ihrer Kunst als Violistin noch sehr weit bringen wird! Begrüßen Sie mit mir Miss Kaiou Michiru!“

Der Vorhang schwang auf, und der Hoteldirektor trat diskret zur Seite. Michiru lächelte. Sie trug ein schulterfreies, weißes Seidenkleid, das bei jedem Schritt geheimnisvoll raschelte und knisterte. Am Ausschnitt trug sie eine kleine Brosche in Form einer roten Rose. Am Handgelenk hatte sie ein goldenes Armband mit einem Herzmedaillon. Das Kleid war ziemlich lang und bedeckte einen Teil des Bodens. Ihre langen Locken trug Michiru offen.

Als der Applaus langsam verklang, schloß Michiru konzentriert die Augen und fuhr sanft mit ihrem Fiedelbogen über die Geige. Und während sie so spielte, vergaß sie alles um sich herum. Sie fühlte sich frei und leicht, und ihr war, als glitte sie schwerelos durch Raum und Zeit.

Haruka saß auf ihrem Stuhl und beobachtete sie. Diese Michiru spielte besser als jede Violistin, die Haruka jemals gehört hatte. Und es schien, als habe sie alles um sich herum vergessen.

Die Leute am Nachbartisch fingen an zu tuscheln.

„Man sagt, sie hat keine Freunde“, sagte eine kleine, dicke Frau leise zu ihrer Nachbarin.

Diese nickte. „Ja, sie ist immer allein. Und ihre Bilder sind auf eine geradezu selbstquälerische Weise zerstörerisch.“

„Es heißt, sie haßt die Menschen“, behauptete eine dritte Frau.

Michiru spielte und spielte, und die Rhythmen ihrer Geige erinnerten Haruka irgendwie an das Klatschen von Wellen und an die See. Mal spielte sie zackig und voller Schwung und Energie, dann wechselte sie ins Langsame, und die Melodien wurden sanft und betörend.

Als Michirus Auftritt vorüber war, mußte Haruka feststellen, daß sie noch stundenlang hier sitzen und ihr zu hören gekonnt hätte. Aber nach einer kleinen Zugabe und einem donnernden Applaus ging Michiru von der Bühne. Nach ihr trat eine Mila Emerold auf, aber ihr Gesang war so schrecklich, daß Haruka bald aus dem Raum flüchtete. Sie beschloß, ins Erdgeschoß zu gehen und an der Bar noch etwas zu trinken.

Oberhalb der Treppe, die ins Erdgeschoß führte, hing ein großes düsteres Gemälde, auf dem eine zerstörte Stadt zu sehen war. Alles grau in grau, trostlos ragten die Trümmer gen den dunklen Himmel. Ein mächtiger, drohender Wirbel schien alles verschlingen zu wollen. Es war ein schreckliches, mit soviel Haß gemaltes Bild, eines von denen, die einem noch im Traum verfolgen konnten, wenn man zart besaitet war. Aber es war beeindruckend, und Haruka stand lange davor und prägte sich jede Einzelheit genau ein.

„Gefällt dir das Bild?“ fragte plötzlich eine helle Mädchenstimme.

Haruka drehte sich um. Unten an der Treppe stand in ihrem langen Kleid Michiru. Ihre meerblauen Augen schimmerten sanft, und ihre weichen Züge wirkten verträumt.

„Es ist ein schreckliches Bild“, antwortete Haruka. „Hast du es gemalt?“

Michiru ging nicht auf ihre Frage ein. „Du weißt es vielleicht nicht - jeder in dieser Stadt kennt dich“, sagte sie. „Und wenn manche es auch nicht gern zugeben, du wirst von vielen bewundert. Ich... kenne ein Mädchen, die würde alles dafür geben, wenn sie nur ein einziges Mal mit dir am Strand spazierengehen könnte.“

Haruka lachte. Dann wandte sie sich wieder dem Bild zu. „Was soll dieses Bild eigentlich darstellen? Das Ende der Welt, der Untergang der Menschheit oder sowas? Wie kann ein so unschuldiges Mädchen so eine häßliche Fiktion haben?“

Michiru seufzte. „Das ist keine Fiktion! Das ist die Wirklichkeit! Die Welt wird eines Tages genauso aussehen, wenn die Menschen nicht endlich damit aufhören, überall ihre riesigen Skyscraper aufzubauen und mit dem stinkenden Qualm aus ihren häßlichen grauen Fabrikschloten die Umwelt zu verpesten - von den Abgasen erst gar nicht zu reden.“

„So ein Unsinn!“ bemerkte Haruka hart. „Wenn du wirklich glaubst, daß das die Wirklichkeit ist, daß die Welt untergeht, dann kannst du ja versuchen, das zu verhindern! Mich geht das jedenfalls nichts an, und es interessiert mich auch nicht! Also laß mich mit diesem Unsinn in Zukunft bitte in Ruhe!“

„Jetzt hab ich aber langsam genug von deinem Egoismus!“ sagte Michiru wütend. „Du bist nicht die Einzige, der es so geht! Ich hätte es auch gerne ignoriert! Ich träumte immer davon, eine große Geigerin zu werden - aber wie kann ich meinen eigenen Traum verwirklichen und glücklich sein, wenn um mich herum Leid und Elend herrscht?“

„Dann stimmt es also, was die Leute über dich erzählen?“ fragte Haruka. „Daß du die Menschen haßt?“

Michiru setzte sich nachdenklich auf eine Stufe. „Hassen? Nein, das ist nicht das richtige Wort. Aber ich mag keine Massenaufläufe und dergleichen. Und ich finde es schrecklich, wenn die Menschen ohne Rücksicht auf die nachfolgende Generation die Umwelt verpesten. Eines Tages wird diese Welt untergehen, und wir Menschen sind es, die daran schuld sind. Der Fortschritt ist das größte Ideal des Menschen, aber er bedenkt nicht, daß Fortschritt auch etwas zerstörerisches sein kann.“

„Du sprichst auf einmal so realistisch“, meinte Haruka verwundert. „Das paßt nicht zu dir.“

„Aber ich habe recht“, sagte Michiru bestimmt. „So ist es doch, meinst du nicht auch?“

„Ich habe noch nie so intensiv darüber nachgedacht.“ Haruka sah nachdenklich drein und setzte sich neben sie auf die Treppe. „Aber du hast wohl recht. Immer mehr Neues wird geschaffen, das Alte wird weggelacht. Vielleicht sollten viele Menschen ihre Grundeinstellung zum Leben einmal überdenken. Aber - denkst du nicht auch, daß jeder nur durch das Opfer anderer lebt?“

„Wie meinst du das, Haruka?“ fragte Michiru erstaunt.

„Na ja, sagen wir zum Beispiel... wenn jemand, den du sehr gut kennst, sich in größte Gefahr begibt, um dich zu beschützen. Und dabei ist es ihm vollkommen egal, was mit ihm passiert. Das einzige, was ihn interessiert ist, daß du in Sicherheit bist. Dieser Jemand könnte dein Geliebter sein, deine Freunde, deine Eltern... jeder lebt nur durch das Opfer anderer! Glaubst du nicht, daß es so ist, Michiru?“

Michirus meerblaue Augen blitzten. „Das finde ich nicht! Es ist vollkommen in Ordnung, daß jemand für den anderen eintritt, aber was ist mit denen, die sich aufopfern? Willst du damit sagen, daß es dir vollkommen egal ist, was mit denen passiert? Ich kann doch nicht mein eigenes Leben retten und einfach nur zusehen, wie dafür ein anderer Mensch sein Leben opfert, oder? Und wenn man es alleine nicht schafft, dann müssen mehrere zusammenstehen, und dann schafft man es auch ohne daß jemand geopfert werden muß, bestimmt!“

Haruka lächelte. „Ich muß sagen, du hast wirklich ein gutes Herz, Michiru!“

Sie lächelten einander an, und wieder hatte Haruka das Gefühl, in ihren Augen ertrinken zu können. Sie fühlte sich irgendwie merkwürdig, aber auch so verdammt glücklich. Es war ein Gefühl, das sie nur hatte, wenn sie in Michirus Nähe war. Aber sie konnte es nicht deuten – noch nicht.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: abgemeldet
2007-11-18T17:46:42+00:00 18.11.2007 18:46
Hi!^^
Bin zufällig auf die ff gestoßen und hab sie jetz mal bis hier hin gelesen, dachte ich meld mich jetz mal!xd
Bis hier her gefällt sie mir gut...nur Nerissa mag ich nich, aber dass is ja absicht!xd
Bin gespannt wan Haruka herausfindet, dass sie Michiro liebt!xD
Mach weiter so!
lg
*weiter lesen geh*


Zurück