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Ai No Kiseki

Wunder der Liebe
von

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Im Schwimmbad

„Machst du eigentlich auch noch was anderes, außer dein Motorrad zu pflegen?“ fragte Michiru fassungslos. Sie sah unheimlich süß aus in ihrem weißen schulterfreien Pulli und dem langen dunklen Rock.

Haruka kniete mitten auf dem Hof und werkelte an ihrem Bike herum. Daß ihr grauer Rollkragenpulli und die dunkle Leggins dabei ein paar Ölflecken abbekamen, interessierte sie nicht.

„Was soll ich denn deiner Meinung nach tun, hm? Klavier spielen?“ spottete sie.

Michiru lachte und strich sich eine Haarsträhne zurück. „Nein, natürlich nicht. Aber du könntest mal mit mir ins Schwimmbad gehen. Oder schwimmst du nicht gern?“

„Doch, ich schwimme ganz gern, wenn ich mir auch im Badeanzug lächerlich vorkomme. Die Leute starren mich immer so an.“

„Wieso das denn?“

„Frag mich was leichteres. Anscheinend halten sie mich für einen Jungen oder was weiß ich.“

„Also, ich könnte fragen, ob wir ins oberste Stockwerk gehen können. Dort ist das Becken, wo ich normalerweise Schwimmtraining habe. Da ist dann sonst niemand.“

Haruka sah sie fragend an. „Scheint ja ungeheuer wichtig für dich zu sein, daß ich mitkomme. Aber warum eigentlich? Frag doch eine deiner Freundinnen und laß mich hier in Ruhe weiterarbeiten.“

„Ich... ich würd dich aber gern näher kennenlernen, Haruka“, stotterte Michiru und wurde rot. „Ich meine, wir wohnen nebeneinander und gehen auf die gleiche Schule, da können wir doch auch mal ab und zu was zusammen unternehmen. Oder nicht?“

Haruka hob die Schultern. „Klar. Warum nicht. Ich bin das nur nicht gewohnt, weißt du. Wenn du magst, können wir mit dem Motorrad fahren.“

Michiru strahlte. „Oh ja – bitte!“ rief sie. „Ich find das Feeling so irre! Ich glaube, ich könnte mich an dein Motorrad gewöhnen.“

„Ich sagte doch, daß das ein tolles Gefühl ist“, lachte Haruka.

Michiru stürzte sofort los, um ihre Badesachen zu packen. Als sie zurückkam, hatte Haruka bereits den Motorradanzug über die ölverschmierte Kleidung gezogen und ihre Sachen gerichtet. Freudestrahlend kletterte sie hinter Haruka auf das Motorrad und hielt sich an ihr fest.

„Sieht mir ganz danach aus, als würdest du mich demnächst fragen, ob es einfach ist, einen Motorradführerschein zu bekommen“, grinste Haruka.

Überrascht sah Michiru sie an. „Meinetwegen gern, aber ich hab im Moment genug Stunk mit meinen Eltern, da muß ich ihnen nicht auch noch damit kommen“, antwortete sie.

„Halt dich fest“, lachte Haruka. „Ich geb Gas.“

„Warte, da kommt deine Tante.“

Mrs. Tenô fuhr mit ihrem Wagen auf den Parkplatz und stieg aus. „Haruka, ich hatte eben ein äußerst unerfreuliches Gespräch mit deinem Schuldirektor“, sagte sie eisig. „Ich wünsche dich zu sprechen. Sofort!“

„Das geht leider nicht, wir gehen jetzt schwimmen“, erklärte Haruka ruhig, klappte das Visier ihres Helmes herunter und gab Gas. Der Motor röhrte, und Mrs. Tenô wich zurück und runzelte mißbilligend die Stirn.

Michiru schlang ihre Arme um Harukas Taille, und das Motorrad verschwand bald aus Mrs. Tenôs Sichtweite.
 

Die Schwimmhalle war ein riesiges, mehrstöckiges Gebäude nahe dem Stadtzentrum von Tokio West. So etwas hatte Haruka noch nie gesehen. Sie stieg vom Motorrad und nahm den Helm ab.

„Wow“, meinte sie anerkennend, „das ist ja ein riesiges Gebäude! Darin kann man sich glatt verlaufen!“

„Das stimmt“, gab Michiru zu. „Ich bin meistens im oberen Stockwerk, wo ich Training habe. Unten sind mir zu viele Leute.“

Sie verließen den Parkplatz und gingen durch die gläserne Schwingtür in die Halle. Michiru zeigte der Frau am Empfang ein kleines Plastikkärtchen, woraufhin diese sie passieren ließ.

„Ist ja fast wie beim Geheimdienst“, spottete Haruka.

„Nicht ganz“, lachte Michiru. „Das hier ist keine NERV-Kennkarte aus „Neon Genesis Evangelion“, sondern lediglich ein Berechtigungsausweis zur Benutzung des Beckens, das sonst nur für Trainingsstunden zugänglich ist.“

Sie fuhren mit dem Lift nach oben und zogen sich in den Umkleidekabinen um. Haruka trug einen blauweißgestreiften Badeanzug, den sie immer beim Sportunterricht im Internat hatte tragen müssen. Michiru hatte einen gelben, weit ausgeschnittenen Badeanzug mit orangenen Rüschen an. Sie trug ihr Haar mit einer roten Schleife zu einem Pferdeschwanz aufgesteckt und sah richtig niedlich aus. Um ihren Hals baumelte eine goldene Kette mit einem Dreizack-Anhänger.

„Dann will ich Miß Meisterschwimmerin mal zusehen“, sagte Haruka, als sie durch eine gläserne Tür in die Halle traten.

Das Blau des Beckens schimmerte und funkelte. Es war ganz still hier, niemand war da. An der Seite standen ein runder weißer Tisch und zwei weiße Liegestühle. Am hinteren Ende des Beckens gab es ein hohes Sprungbrett und mehrere Sprungtürme.

Michiru war über die Leiter ins Becken geklettert und hatte sich abgekühlt. „Das tut gut“, murmelte sie entspannt. „Paß auf, ich springe mal!“

Sie sprang mit einem Satz an den Rand und lief zum Sprungbrett hinüber, das hoch über dem Becken aufragte. Geschickt wie eine Bergziege turnte sie die lange Leiter hinauf, rannte bis nach vorn und sprang ein paar Mal auf und ab, während das Brett hinauf und hinunter federte.

„Achtung, ich springe!“ rief sie ausgelassen, schloß die Augen und sprang. Als sie in der Luft war, zog sie die Knie an und preßte den Kopf gegen den Körper. In dieser zusammengekauerten Haltung wirbelte sie durch die Luft. Kurz bevor sie dann die Wasseroberfläche erreichte, entrollte sie sich und tauchte mit einem sauberen und akkuraten Kopfsprung ins Wasser hinein. Sie tauchte die ganze Bahn entlang und wieder zurück, ohne einmal Luft zu holen. Dann schwamm sie an den Rand, hielt sich dort fest und zwang sich dazu, ruhig und gleichmäßig zu atmen.

„Du schwimmst gern, nicht wahr?“ fragte Haruka.

Michiru nickte. „Ja. Sehr gern.“ Sie sah die Freundin herausfordernd an. „Los, komm rein!“ forderte sie sie auf. „Wie wär’s mit einem Wettschwimmen?“

„Na gut“, sagte Haruka. „Meinetwegen.“ Sie ging zur Leiter und fing an, sich abzukühlen.

„Beeil dich!“ rief Michiru ungeduldig und lehnte sich zurück. „Das Wasser ist herrlich! Sei kein Feigling!“

„He!“ Lachend sprang Haruka mit einem kurzen Anlauf ins Becken, und die Wellen schlugen über ihr zusammen.

Haruka und Michiru schwammen zum Start hinüber. Michiru sah ihre Freundin an. „100 m Freistil?“ fragte sie. „Bist du einverstanden?“

„Ja!“ erwiderte Haruka energisch.

Michiru hob die Hand. „Auf die Plätze! Fertig! Los!“

Zisch! Die beiden schienen durch das Wasser zu fliegen. Die Wellen spritzten hoch hinauf, als sie durch das Becken kraulten. Beide keuchten vor Anstrengung, aber sie waren im Wasser ebenso fix und wendig wie Fische, und so machte das nichts aus.

Sie ist schnell, dachte Haruka bewundernd.

Ich wußte, daß sie gut ist, dachte Michiru. Aber ich werde mich nicht geschlagen geben! Sie lächelte Haruka zu.

Sie lächelt, wunderte sich Haruka. Ich hatte recht, dachte sie, sie ist eine schnelle Schwimmerin! Sie könnte mich besiegen!

Haruka keuchte, während sie versuchte, mit Michiru Schritt zu halten. Ihre Arme wurde immer schwerer. Warum strenge ich mich eigentlich so an, fragte sie sich. Weil ich nicht verlieren will? NEIN! Ich will mich ihr stellen! Wenn ich mich nicht anstrenge, ist es wie weglaufen! Ich will den Dingen nicht mehr ausweichen! Ich will mich ihnen stellen!

Michiru gewann. Sie erreichte den Rand, zog sich hoch und legte den Kopf keuchend auf die nassen Platten. Ihr Atem kam stoßweise. Sie stöhnte vor Anstrengung. Sie hatte sich völlig verausgabt.

Haruka schwang sich an den Rand. Sie war lange nicht so erschöpft wie Michiru, weil sie stärker und durchtrainierter war wie sie. Dennoch - mochte sie besser Motorradrennen fahren - im Schwimmen aber war ihr Michiru Kaiou weit überlegen! „Das war nicht schlecht!“ sagte sie beeindruckt und zog sie aus dem Becken an den Rand. „Du kannst doch noch mehr wie Geige spielen und anderer Leute Hunde baden!“

Michiru hob den Kopf und grinste schwach, konnte aber nicht antworten. Sie war ganz aus der Puste und preßte ihre Hände gegen das Herz, das wie verrückt pochte.

„Hier, dein Handtuch.“ Haruka warf es ihr über die Schultern, und sie lächelte sie dankbar an und rieb sich damit das nasse Gesicht ab.

„Na, was sagst du? Es ist doch nicht schlecht, sich sportlich zu messen, oder?“ fragte sie keuchend.

Haruka lachte. „Ja“, entgegnete sie, überrascht, wieviel Spaß es ihr gemacht hatte. „Vielen Dank!“

„Ich muß mich bedanken! Es hat mir Spaß gemacht!“ sagte Michiru und löste die Schleife in ihrem Haar, so daß es ihr über die Schultern herunterfiel.

Jetzt streckte sich Haruka lang auf den Platten aus. „Kommst du oft hierher zum Schwimmen, Michiru?“

„Zum Training ja, aber in der Freizeit habe ich nicht so viel Zeit. Leider. Schwimmen ist ein schöner Sport. Wenn ich wütend bin, kraule ich mit aller Kraft und höre nicht eher auf, bis ich total kaputt und am Ende bin. Dann bin ich hinterher richtig entspannt und fühle mich besser. Wenn ich traurig bin, lasse ich mich im Becken treiben und denke nach. Das hilft ungemein.“

Die beiden schwiegen eine Weile. Michiru setzte sich an den Rand des Beckens und ließ die Füße hineinhängen. Sie sah bezaubernd aus, wie sie da so saß, angestrahlt durch das Licht der untergehenden Sonne, die durch das große Seitenfenster einfiel.

Wie ein Gemälde, dachte Haruka und mußte bei dem Gedanken grinsen.

Im selben Augenblick wurde die friedliche, fast schon romantische Atmosphäre gestört, als eine dritte Person die Halle betrat. Es war Goku Nerissa, die Freundin von Michiru. Sie hielt ihre langen Locken mit einer lila Schleife aus dem Gesicht und trug einen äußerst knapp geschnittenen rosafarbenen Badeanzug.

Überrascht sah Michiru auf. „Nerissa!“

„Deine Mom hat mir gesagt, daß ich dich hier finde“, sagte Nerissa und warf Haruka einen unfreundlichen Blick zu. Offenbar störte sie ihre Anwesenheit.

„Schön, daß du gekommen bist“, versuchte Michiru die gespannte Stimmung etwas aufzubessern. „Ich habe Haruka gerade bei einem Wettschwimmen besiegt. 100 Meter Freistil.“

Nerissa warf Haruka einen hochmütigen Blick aus ihren großen blauen Augen zu. „Was zu erwarten gewesen ist“, meinte sie eisig. „Keiner kommt gegen dich an, und schon gar nicht so eine.“

Das war ja nun deutlich genug. Mehr als deutlich. Haruka mußte sich beherrschen, um dieser arroganten Schnepfe nicht eine runterzuhauen. Sie runzelte die Brauen, und ihre Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen.

„Nerissa!“ sagte Michiru, und es klang schockiert. „Was soll das denn?“

„Ich sagte doch schon, deine Freundin hat etwas gegen mich“, sagte Haruka gereizt. „Oh ja, nimm sie nur wieder in Schutz, mir ist das völlig egal, ich gehe nämlich jetzt. Wenn du mitwillst, dann sieh zu, daß du dich beeilst, andernfalls mußt du dir eine andere Heimfahrgelegenheit suchen.“

„Wir nehmen ein Taxi“, erklärte Nerissa kühl und schleuderte ihre lange Mähne in den Nacken.

Wahrscheinlich kommt sie sich jetzt unheimlich toll vor, dachte Haruka grimmig. Aber ihr arrogantes Getue wird ihr schon noch vergehen! Verdammt, ich muß zusehen, daß ich hier rauskomme, oder ich vergesse mich und hau ihr am Ende doch noch eine rein!

Michiru sah verzweifelt aus. „Haruka! Bitte bleib doch noch hier!“ bat sie. „Es war doch gerade so schön! Oder hat’s dir nicht gefallen?“

Haruka hielt es für zwecklos, noch mehr zu sagen. Sie drehte sich auf dem Absatz um und verschwand durch die Glastür in den Umkleideraum. Als sie in ihrer Kabine stand und den nassen Badeanzug auszog, konnte sie Nerissas laute Stimme hören.

„Wie kannst du dich nur mit so einer abgeben, Michie!“ rief sie vorwurfsvoll.

Michiru sprach leise wie gewohnt, so daß Haruka nicht verstehen konnte, was sie erwiderte.

„So einen Unsinn habe ich ja schon lange nicht mehr gehört!“ fauchte Nerissa. Offenbar hatte Michiru es gewagt, ihr zu widersprechen. „Dieses Mädchen ist nicht ganz richtig im Kopf, sonst würde sie sich anders verhalten! Überleg doch mal, ein Mädchen, das Motorrad fährt! Sie trägt eine Jungenschuluniform und einen Haarschnitt wie ein Junge und hat Muskeln wie einer! Findest du das normal?“

Es war dasselbe. Es war immer dasselbe. Warum verdammt noch mal wollen alle aus mir ein „richtiges“ Mädchen machen? dachte Haruka wutentbrannt und schlug mit der Faust gegen die Wand der Umkleidekabine. Die im Internat, die in der Schule, meine Tante, Nerissa Goku, alle! Michiru... ich weiß es nicht, wie sie darüber denkt. Aber wahrscheinlich denkt sie genauso! Aber das ist mir egal!

Haruka biß sich auf die Unterlippe, bis sie blutete. Es ist mir egal, redete sie sich zornig ein. Sowas von egal! Ihr könnt mich doch alle mal! Ich bin nicht auf eure Freundschaft angewiesen! Ich komm allein sowieso viel besser klar! Was wollt ihr nur alle? Ich bin, wie ich bin, und ich finde es richtig so!

Und damit stopfte sie ihren Badeanzug und das Handtuch in die Tasche und verließ das Schwimmbad.



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