Ratlos
Zuerst möchte ich mich bei euch entschuldigen, dass ich im vergangenen Jahr so wenige Kaps hochgeladen bzw. auch geschrieben habe. Ich hoffe, das ändert sich wieder. Immerhin, dies ist nicht das erste Kap das ich dieses Jahr hochlade und ich hoffe, es wird noch das ein oder andere folgen. Wenn nicht bei dieser ff, dann wenigstens bei einer der anderen beiden.
Zum letzten Kap möchte ich sagen, dass ich verstehe, dass ihr etwas anderes erwartet hattet, ich übrigens auch, aber es wollte nicht so recht klappen. Nun hoffe ich aber, dass ich euch noch auf anderem Wege das präsentieren kann, was noch an diesem Abend passierte. Mal sehen.
Dennoch, nicht in diesem Kap. Ich hoffe, ihr mögt es dennoch.
LG
Stoechbiene
32. Sanji Ratlos
Wenn ich das Drehen des Schlüssels im Schloss höre, wie leise die Tür zu meiner Wohnung geöffnet und anschließend wieder geschlossen wird, dann erst beginne ich mich wirklich zu entspannen. Die Gewissheit, dass Zorro wohlbehalten zurückgekehrt ist, legt sich wie ein warmes Tuch um mein Herz.
Dieser Job ist eben auch nicht ganz ungefährlich. Zum einen sind es die Männer, die den Callboys ganz gerne auflauern sobald sie herausgefunden haben, dass ihre Herzensdame sich mit einem solchen trifft, zum anderen sind es aber auch die Frauen, selbst die plötzlich gar nicht mehr lieb und nett sind, wenn sie nicht bekommen was sie wollen.
Ich weiß wie es ist in solch einer Situation zu stecken; Alvida im Nacken, die nur an den Profit denkt und diese Frauen, die einen Callboy dazu drängen wollen ihnen mehr zu geben als vor dem Treffen vereinbart wurde. Es fällt nicht immer leicht nein zu sagen, trotz aller Prinzipien, denn das zusätzlich verdiente Geld ist ein weiteres winziges Stück, das die Freiheit ein klein wenig näherbringt.
Nichts ist befreiender als Alvida das Geld auf den Tisch zu knallen, es ihr sprichwörtlich vor die Füße zu werfen und ihr anschließend zu sagen, dass sie zur Hölle fahren soll. Doch es gibt auch nichts Niederschmetternderes als dabei seinen besten Freund zurücklassen zu müssen.
Ich hatte Glück, dass Jeff mich damals recht schnell auslösen konnte, auch wenn das für ihn bedeutete seinen Kredit, der auf dem Baratie lastete, aufstocken zu müssen. Natürlich würde ich jeden Cent mobilisieren den ich auftreiben kann, um Zorro ebenfalls freizukaufen, doch Alvida weiß um mein Vorhaben, weshalb sie Zorro’s Preis ordentlich in die Höhe treibt. Er ist ihr Vorzeigecallboy, attraktiv, gebildet, höflich, besitzt zudem Witz und Charme. Sie würde einen großen Verlust hinnehmen, der mit Geld kaum zu kompensieren wäre, sollte sie ihn eines Tages gehen lassen müssen.
Die anderen Thirds blicken zu ihm auf, versuchen ihn sogar zu imitieren, denn dass er unter ihnen ihr Liebling ist steht außer Frage. So kann man zwar sagen, dass er von Glück reden kann nicht als Second arbeiten zu müssen, doch durch sein Engagement das er an den Tag legen musste, hat er sich selbst nahezu unentbehrlich werden lassen.
Müde reibe ich mir über die Augen, möchte nicht länger diesen trübsinnigen Gedanken nachhängen, die mich ohnehin oft genug einholen. Mein Blick wandert zu den roten Ziffern meines Radioweckers die mir verraten, dass Zorro doch etwas auf sich warten lässt. Normalerweise braucht er nicht lange für umziehen und duschen, doch heute scheint er zu trödeln. Ob ich nach ihm sehen sollte?
Einen Moment noch lausche ich der Stille, warte auf ein Geräusch das mir bestätigt, dass es Zorro gut geht, er sich vielleicht noch mit einer Flasche Bier vor den Fernseher gesetzt hat, um noch ein bisschen abzuspannen, doch nichts dergleichen dringt an mein Ohr.
Möglichst leise erhebe ich mich von meiner Matratze, um Diego neben mir nicht zu wecken. Es reicht schon, wenn ich mich um einen Lorenor kümmern muss, zwei können mitunter recht anstrengend werden, besonders wenn einer von ihnen aus dem Schlaf gerissen wurde.
Langsam tapse ich durch die Dunkelheit, betrete den kleinen Flur, in den ein schmaler Lichtstrahl aus dem Wohnzimmer fällt. Mein Appartement ist nicht allzu groß, etwas mehr als vierzig Quadratmeter, zwei Zimmer, Küche, Bad, ein kleiner Abstellraum, aber für einen überzeugten Single wie mich ausreichend.
Als nach dem Tod von Kuina und ihrem Vater das Dojo auf die Bank überging um den Kredit auszulösen, nahm ich Zorro und Diego bei mir auf. Es war eigentlich eine recht nette Zeit, in der Zorro immer mehr in die Rolle einer jungen Mutter schlüpfte und ich als der Familienversorger arbeiten ging. Eine Patchworkfamilie der besonderen Art, könnte man sagen.
Die Sache hatte nur einen Haken: Zorro benahm sich zwar mitunter wie eine Frau, aber er ist nun mal keine und wird vermutlich nie eine sein. Aber Zorro und ich lieben Frauen, keine Männer. Ich liebe ihren Duft, ihr Haar, ihre zarte Haut und natürlich all die schönen körperlichen Attribute, die sie von uns Männern unterscheiden. Zorro mag vielleicht den gleichen Brustumfang wie Pamela Anderson haben, aber das bestimmt nicht deshalb, weil er Körbchengröße E sein Eigen nennt, sondern er stahlharte Muskeln vorzuweisen hat.
Ausgelöst durch meinen eigenen Vergleich ziert ein breites Grinsen mein Gesicht, das mich weiter dazu animiert beschwingt die Wohnzimmertür aufzudrücken, um Zorro mit einem freudigen: „Hallo, meine kleine Pamela!“ zu begrüßen. Doch die Worte bleiben mir sprichwörtlich im Halse stecken, als ich meinen Freund auf dem Sofa sitzend vorfinde.
Auch wenn meine Augen sich noch nicht ganz an die Lichtverhältnisse angepasst haben, so lässt das wenige das ich sehe mich doch erahnen, dass nun eher mein Rat als mein Humor gefragt ist.
Ein wenig blinzle ich, bis mein Blick wieder klar und deutlich wird. Kurz registriere ich Zorro’s leicht nasses Haar und seinen Short&T-Shirt-Look, eigentlich ein eindeutiges Indiz dafür, dass er auf dem Weg war sich schlafen zu legen. Etwas scheint ihn aufgehalten zu haben.
Etwas? Eben die gleichen Gedanken die ihn immer plagen, wenn es um seinen Job geht. Für ihn stellt es jedes Mal eine enorme Überwindung dar zu einem dieser Treffen zu gehen und das, obwohl er sich nun schon vier Jahre mit diesem Thema konfrontiert sieht. Zudem wird das heutige Treffen bestimmt alles andere als angenehm für ihn gewesen sein.
Zorro übt, trotz seiner Aversion, diesen Job äußerst gewissenhaft aus. Er ist eben in vielerlei Hinsicht ein Perfektionist, selbst wenn ihm sein eigenes Tun im Grunde widerstrebt. Aber gerade das ist auch der Grund, weshalb ihn diese Frauen so sehr begehren, weil er sich keine Schwächen erlaubt.
Nun könnte man natürlich auf die Idee kommen und Zorro raten wollen sich bei seinen Verabredungen etwas weniger Mühe zu geben, doch wer Alvida kennt weiß sofort, dass sie dies nie zulassen würde. Es ist noch niemandem gut bekommen sich ihrem Befehl zu widersetzen und zu unserem Pech weiß sie ganz genau was zu tun ist, um Zorro gefügig zu halten. Folglich wird uns gar nichts anderes übrigbleiben, als ihr das Geld zurückzuzahlen.
Schnell schiebe ich die trübsinnigen Gedanken zur Seite, denn wie soll ich jemanden aufheitern, wenn ich selbst niedergeschlagen bin? Ich verpasse mir geistig einen gezielten Tritt in den Hintern, ehe ich mich zu Zorro aufs Sofa lümmle und versuche ein Gespräch mit ihm anzufangen. Immerhin ist es nicht gewährleistet, dass er mir antworten wird.
„Willst du darüber reden?“ Ein leises Brummeln, ein Seufzen, bevor mein Gegenüber murmelt: „Ich bin so ein Idiot.“ „Das mag dich jetzt vielleicht überraschen, aber das ist für mich keine Neuigkeit.“
Sein Blick verrät mir, dass ich ihn nerve. Gut so! Je unbeherrschter er wird, desto leichter ist es die Wahrheit aus ihm herauszubekommen. Außerdem verspüre ich nur wenig Lust dazu den Rest der Nacht damit zu verbringen ihm jedes Wort einzeln aus der Nase zu ziehen.
„Was hast du angestellt, dass du dich selbst beleidigen musst?“
Er schweigt, doch er scheint über sein Problem reden zu wollen, andernfalls hätte er mich schon angeschnauzt. Vermutlich ringt er mit den Worten, scheint sich nicht sicher zu sein. Diesbezüglich ist Zorro ein waschechter Skorpion, vermutlich mit Aszendent Felsbrocken. Nur kein unnötiges Wort verlieren! Wörter stehen unter Naturschutz und der Umgang mit ihnen muss wohl überlegt sein! Zum Glück bin ich zu müde, um zynisch zu werden.
„Manchmal kann ich es noch immer nicht fassen, dass Kuina tot ist, auch wenn ich schon so lange ohne sie zurechtkommen muss. Doch in letzter Zeit denke ich immer öfter über einen Neuanfang nach. Ich kann mich nicht ewig verkriechen, außerdem wird Diego mich irgendwann nicht mehr brauchen und was dann? Soll ich dann von einer Brücke springen und mir das Leben nehmen, weil ich keine Aufgabe mehr habe?“
Entsetzt starre ich ihn an, suche in seiner Mimik nach einem kleinen Hinweis darauf, dass er sich eben bloß einen Scherz erlaubt hat, aber ich finde keinen.
„Ich möchte mein Leben wieder genießen, möchte Glück empfinden, ohne dabei Angst haben zu müssen, dass es mir jeden Moment wieder genommen werden könnte. Ich möchte nicht länger diese Rolle spielen, mich verstecken müssen. Wenn ich doch bloß einen Ausweg wüsste…“
Müde fährt er sich mit der Hand übers Gesicht, was ihn nur noch verzweifelter und hilfloser wirken lässt. Meine eigene Hilflosigkeit versetzt mir einen Stich.
„Rein rechnerisch müsste ich noch etwas mehr als drei Jahre für Alvida arbeiten, um meine Schulden bei ihr zu tilgen. Sollte ich wirklich noch so lange den Callboy spielen müssen, könnt ihr mich hinterher in die Klappsmühle stecken.“
Entschlossen öffne ich meinen Mund, um Zorro zu widersprechen und ihn wieder aufzubauen, doch meine Worte verpuffen, noch bevor ich sie ausgesprochen habe.
Es gibt nichts, dass ich für meinen Freund tun könnte und nett gemeinte Floskeln lassen eine ausweglose Situation nur selten besser werden. Fakt ist, Alvida will Geld sehen und das nicht gerade wenig. Es genügt ihr schon längst nicht mehr, dass Zorro ihr seine Schulden zurückzahlt, sondern sie verlangt von ihm außerdem die Summe die ein kinderloses Ehepaar für Diego geboten hatte. Hinzu kommt, dass diese alte Hexe nur zu gut weiß, dass Jeff und ich beabsichtigen Zorro so schnell wie möglich auszulösen, folglich für sie ein Grund mehr den Preis ordentlich in die Höhe zu treiben.
Möge sie an ihrer Geldgier ersticken!