Zum Inhalt der Seite

Andenken

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Der Schrein

Der kalte Morgenwind zerrte heftig an ihren Kleidern. Obwohl sie einen langen Mantel trug fror sie erbärmlich. Keira stellte missmutig fest, dass es nun wohl entgültig Herbst geworden war. Keine Abendspaziergänge mehr im warmen, roten Sonnenlicht; keine verträumten Nachmittage, an denen sie einfach nichts tun, ins Schwimmbad gehen oder ihre Freunde treffen konnte. Für dieses Jahr war das jetzt wohl vorbei.

Das Mädchen fragte sich zum hundertsten Mal, was sie hier eigentlich tat. In aller Früh, die Morgendämmerung war noch nicht einmal angebrochen, stand sie hier am Waldrand und wartete auf eine ihrer Freundinnen, die sich hier mit ihr treffen wollte. Wer konnte so verrückt sein, sich um diese Zeit und an diesem Ort zu verabreden? Sie! So etwas brachte wirklich nur Lilly fertig! Und dann verspätete sie sich auch noch. Keira hatte wirklich keine Ahnung, weshalb sie sich nicht bei ihr treffen konnten, in ihrem Zimmer, wo es jetzt sicher wunderbar warm war…

Was hätte sie jetzt dafür gegeben, irgendwo in einem heißen Land zu sein. An irgendeinem Strand zu liegen, das Meer rauschen zu hören und die unendliche Weite des Ozeans vor sich zu haben.

„Keira! Entschuldige, dass ich ein wenig spät komme.“ Lilly kam auf sie zugerannt und riss sie somit aus ihren Gedanken.

„Sag mal, was wollen wir hier eigentlich?“, entgegnete sie schroff.

Ihre Freundin schenkte ihr nur ein verschmitztes Lächeln. „Wirst du schon noch sehen. Komm mit!“
 

Etwas widerwillig folgte sie dem anderen Mädchen in den Wald hinein. Unter den dichten Bäumen war es noch stockdunkel und Keira klammerte sich ängstlich an den Arm ihrer Begleiterin.

Lilly war ein Stück größer als Keira, hatte langes, braunes Haar, welches sie, wie so oft, zu einem Pferdeschwanz zusammen gebunden hatte. Sie trug eine leichte Jacke, worauf sich Keira immer wieder wunderte, wie sie so herumlaufen und doch nicht frieren konnte.

Langsam wurde es dem jungen Mädchen zu blöd und es blieb abrupt stehen.

„Was hast du?“, fragte Lilly verdutzt.

„Wohin bringst du mich?“ Keira war zwar nicht direkt misstrauisch, denn wenn sie jemandem vertraute, dann waren es ihre Freundinnen, allerdings befand sich ein gewisser wütender Unterton in ihrer Stimme.

Lilly blieb jedoch völlig gelassen. „Wenn ich dir das jetzt verrate, ist es doch keine Überraschung mehr!“

Keiras Laune war mittlerweile rapide gesunken. Hatte sie denn zur Zeit nicht schon genug Probleme? Musste sie auch noch mit irgendwelchen vollkommen verrückten Ausflügen belästigt werden? Sie hakte sich wieder bei ihrer Freundin unter und versuchte, in ihre Gedankenwelt hinüber zu gleiten. Wenn sie einmal dort war, konnte sie nichts und niemand so schnell wieder da wegholen.
 

Weicher Sand wurde unter ihren Füßen behutsam von den immer wiederkehrenden Wellen weggespült. Der zarte Abendwind spielte sanft mit ihrem langen Haar. Vor sich sah sie am Horizont die blutrote Sonne untergehen. Am rosafarbenen Himmel befand sich keine einzige Wolke, die schlechtes Wetter hätte ankündigen können. Irgendwo in der Ferne glaubte sie, ein paar Schiffe vorbeifahren zu sehen. Sie stand einfach nur still da und bewunderte die herrlich friedliche Atmosphäre. Nach einiger Zeit nahm sie leise Geräusche hinter sich wahr. Sie drehte sich vorsichtig um, wobei ihr Herz zu rasen begann. Dann erblickte sie ihn. Hinter ihr stand ein Mann mit langem Haar und recht schäbigen Klamotten. Keira hatte nicht die geringste Ahnung, wer dieser Typ war oder wie er in ihren Gedanken auftauchen konnte, wo sie ihn doch gar nicht kannte. Sie empfand allerdings eine gewisse Ehrfurcht vor ihm und fühlte sich auf unbestimmte Weise zu ihm hingezogen. Er trat langsam auf sie zu, berührte behutsam ihre Wangen…
 

„Keira! Schläfst du etwa im Gehen?“ Lillys Gebrüll riss sie unsanft aus ihrer Traumwelt. Mit zornigem Gesichtsausdruck blickte sie in die verblüfften Augen ihrer Freundin. Wegen ihr hatte sie nun nicht erfahren, wer dieser Kerl war, der sich so einfach in ihre Phantasie schleichen konnte. Sie zitterte ein wenig, denn wirklich geheuer war ihr das nicht.
 

„Sind wir jetzt endlich da?“, entgegnete sie genervt.

Lilly zeigte mit ausgestrecktem Finger nach vorne. Keira sah in die angegebene Richtung und erblickte vor sich eine Reihe alter Birken, die ihre weichen Äste über den Boden breiteten. Die beiden Mädchen traten unter den Bäumen hindurch. Auf der anderen Seite befand sich eine riesige Lichtung, die von allen Seiten von den Birken eingerahmt wurde. In ihrer Mitte war eine Art See, über den ein schmaler Steg ans andere Ufer führte. Dort bot sich Keira ein wundervoller und zugleich doch recht unheimlicher Anblick. In einem Kreis aus aufeinandergelegten Steinen stand eine Art Schrein, der ebenfalls aus Felsen errichtet worden war. Lilly führte Keira näher an das seltsame Gebilde heran. Sie betraten das Monument, worauf Keira allerdings sogleich schreiend wieder hinaus stürmte.

„Komm schon! Sieh es dir mal näher an!“, beruhigte Lilly ihre Freundin, welche darauf erneut den Schrein betrat.

In seinem Inneren waren auf einer hohen, hölzernen Bank, auf der eine blaue Samtdecke lag, allerlei eigenartige Gegenstände aufgebart. Rechts außen lag ein langes Schwert, wie es schien, das in einer meisterhaft gearbeiteten Scheide steckte. Danach kam ein komisches, in ein rotes Tuch eingewickeltes Päckchen. Die Mädchen betrachteten es staunend, trauten sich jedoch nicht, es aufzumachen, um sich den Inhalt anzusehen. Links befand sich eine lange, reich verzierte, aber unglaublich alte Pistole, daneben ein Haufen undefinierbarer Stofffetzen, die wohl einst Kleider gewesen waren. In der Mitte dieser Holzpritsche lag das, weswegen Keira vorher schnell wieder das Weite gesucht hatte. Es handelte sich um einen Totenschädel, unter dem wiederum zwei überkreuzte Men-schenknochen lagen – das Zeichen der Piraten!
 

„Und? Was sagst du dazu? Was das wohl zu bedeuten hat?“ In Lillys Gesicht waren tausend Fragen abzulesen, wobei Keira sich nicht minder über die hier aufgereihten Artefakte wunderte. Wofür das gut sein sollte? Und weshalb hier, mitten im Wald in einem uralten Schrein Spuren von Piraten zu finden waren? Dieser Ort war ja wohl der letzte, der etwas mit dieser Gesellschaftsschicht des 18. Jahrhunderts zu tun hatte. So etwas würde man doch eher in Hafenstädten oder wenigstens an der Küste erwarten.

Dennoch, es war eben hier und Keira fragte sich, weshalb es bis heute noch keiner entdeckt hatte, denn dieses Denkmal schien hier schon eine unglaublich lange Zeit zu stehen, obwohl es nicht so aussah, als sei innerhalb der letzten hundert Jahre jemand dort gewesen. Die Mädchen empfanden dies alles als äußerst eigenartig. Allerdings waren beide viel zu neugierig um diesen Ort einfach sich selbst zu überlassen. Sie wollten wissen, was für Geschichten, Legenden oder Sagen sich da-hinter verbargen, wollten diesen Platz erkunden, einfach alles darüber erfahren. Und je geheimnis-voller es war, desto besser! Die Beiden liebten solch mystische Dinge. Es gab wohl kaum etwas, das sie mehr faszinierte.
 

Keira streckte vorsichtig die Hand nach dem in rotes Tuch gewickelten Gegenstand aus. Als sie den Stoff berührte, lief ihr ein kalter Schauer den Rücken hinunter. Sie zuckte kurz zurück, nahm dann ihren ganzen Mut zusammen und griff nach dem Ding. Es fühlte sich ziemlich schwer an, dafür, dass es nur etwa die Größe eines Kompass’ hatte. Lilly kniete sich auf den Boden, gespannt, was ihre Freundin nun tun würde. Diese gesellte sich jedoch sogleich zu ihr um das Päckchen mit ihr gemeinsam zu öffnen. Die Zwei stellten fest, dass auch das Tuch, so wie alles in diesem Raum, schon ziemlich kaputt und schäbig aussah. Sie wickelten es ab, worauf ihnen tatsächlich eine Art Kompass offenbart wurde. Entweder lag es am Alter des Instruments oder es hatte von Anfang an nicht funktioniert, jedenfalls zeigte die Nadel des Gerätes nicht nach Norden, sondern in irgendeine willkürliche Richtung. Die Mädchen sahen sich verblüfft an. Im Gegensatz zu den anderen Sachen, war dieser „Kompass“ geradezu lächerlich. Lilly stand auf und nahm sich als nächstes die Pistole vor. Sie verstand zwar nicht besonders viel von solchen Waffen, konnte aber dennoch erkennen, dass sie nicht geladen war. Währenddessen machte sich Keira daran, das Schwert zu inspizieren. Schwerter waren schon immer ihre Leidenschaft gewesen – nur hatte sie bis zum heutigen Tage noch nie eines in der Hand gehalten. Umso glücklicher war sie jetzt, da sie endlich die Gelegenheit dazu bekam. Die Klinge wog ziemlich leicht in ihrer Hand – leichter, als sie gedacht hatte. Sie war aus wunderbar glänzendem Metall gearbeitet, wenngleich Keira auch nicht wusste, was genau der Stoff war, aus dem es gefertigt worden war.
 

Diese Waffe schien das Einzige zu sein, was noch nicht vollkommen zerstört war von der langen Zeit, die diese Gegenstände wahrscheinlich hier unten gelegen hatten. Das Schwert glänzte, als wäre es erst vor kurzem geschmiedet worden.

Lilly hatte inzwischen die zerlumpten Klamotten aufgehoben und hob sie vor sich in die Luft.

„Scheint mal ein Mantel gewesen zu sein.“, erklärte sie ihrer Freundin.

„Und das war wohl ein Hut…“, mutmaßte Keira, während sie einen wirklich verkommenen, alten Filzlappen begutachtete.

Die beiden Mädchen sahen sich ernst an, dann fielen ihre Blicke auf die Gebeine, welche sie bis jetzt von ihrer kleinen Expedition ausgeschlossen hatten. Allerdings fiel ihnen auf, dass sie auch noch nichts wahnsinnig spannendes herausgefunden hatten. Sie nickten sich mutig zu und legten anschließend gleichzeitig die Hände auf den Totenkopf, um ihn gemeinsam aufzuheben. Ein helles Licht erfüllte den Raum, was die Beiden dazu veranlasste, augenblicklich den Schädel loszulassen, worauf das Leuchten sogleich wieder erstarb.

„Was war das?“ Keira blickte angsterfüllt in die funkelnden Augen ihrer Gegenüber, die als Ant-wort nur den Kopf schüttelte um zu zeigen, dass sie es auch nicht wusste.
 

Doch da war etwas, dessen waren sich die jungen Frauen nun sicher. Und bei ihrem grenzenlosen Drang nach Abenteuern, war es natürlich selbstverständlich nur eine Frage der Zeit, bevor sie sich wieder gefasst hatten, um es erneut zu versuchen. Obwohl sich in Keiras Blicken immer noch die Furcht spiegelte, berührten sie den Gegenstand noch einmal. Auch diesmal erschien wieder dieses grelle, alles verschlingende Licht, doch jetzt waren sie darauf vorbereitet. Keira, die von Natur aus zwar kein Feigling, aber etwas furchtvoll und schreckhaft war, klammerte sich mit dem freien Arm um Lillys Hüften. Plötzlich erhob sich in dem engen Raum ein regelrechter Orkan. Alles um sie herum begann sich zu drehen, flog wirr durch die Gegend, wobei schon bald der feste Boden unter ihren Füßen verschwand. Keira stieß einen verzweifelten Schrei aus, als sie auf einmal in der völligen Leere schwebte und sich noch dazu nicht bewegen konnte. Lilly, die in diesem Moment wahrscheinlich genauso viel Angst hatte, wie ihre Freundin, drückte diese fest an sich, um sie zu beruhigen.

Nach kurzer Zeit wurde ihnen schwarz vor Augen und sie wussten nichts mehr, außer, dass sie fielen…



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (11)
[1] [2]
/ 2

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Aranori
2007-01-16T15:25:39+00:00 16.01.2007 16:25
Beim Lesen hat mich echt die Abenteuerlust gepackt! Ich liebe "Fluch der Karibik", und die Geschichte auf so eine Weise aufzuwickeln (mit den Mädels aus der Zukunft) finde ich interessant.
Von: abgemeldet
2007-01-02T20:18:46+00:00 02.01.2007 21:18
ich bins nochmal die B-Rose. Also ich hoffe, dass du sehr bald weiterschreibst und wenn dann würde ich gerne benachrichtigt werden, ja? Ic find die ff nämlich voll HAMMER! Also ciao ICh ziehe den HUt vor dir!!!
Von: abgemeldet
2007-01-02T19:27:15+00:00 02.01.2007 20:27
hy deine ff trifft genau meinen geschmack, supi gemacht nya mach weiter ciao
Von:  RyuAsuka
2006-09-23T21:00:08+00:00 23.09.2006 23:00
Soooooooooo~, hier kommt mein schon längst überflüssiger Kommi zu dieser Fanfic.
Also, wenn ich so kühn sein dürfte, meine fachmännische Meinung ein zu bringen...
In einem Satz gesagt:
Ich find diese Story einfach nur geil.

Wie du ja weißt, liebe ich deinen Schreibstil und deine Art, Dinge zu beschreiben. Ja, ich weiß: *schleim* *schleim*
Na ja, wie auch immer; ich bin gespannt, wie es weitergeht und hoffe natürlich, dass du, trotz Schule, dazu kommst, ein wenig weiter zu schreiben^^"

Lieb dich!
Deine Pani^-^v
Von: abgemeldet
2006-08-26T08:33:43+00:00 26.08.2006 10:33
diese FF ist ercht super!
es hört sich schon mal sehr interessant an.
ich bin mal gespannt wie es weiter geht.^^
Von: abgemeldet
2006-08-19T10:20:58+00:00 19.08.2006 12:20
Ich will ja etz nix sagen, aber die KOMPLETTE FANFIC IS DER ABSOLUTE HAMMER!!!! Und wenn ich das so sage, dann is das mein voller, totaler Ernst!! XDDD hdl und mach weiter so! XDD
Von:  Spiegelfee
2006-08-10T08:32:46+00:00 10.08.2006 10:32
Hi; dein Schreibstil und die Idee gefällt mir wirklich sehr gut^^ bin schon gespannt auf weitere Kapitel.
Von: abgemeldet
2006-08-09T17:16:15+00:00 09.08.2006 19:16
deine geschichte is sau geil!!! also ich mag sie und sie gibt mir selbst ideen um ein schiff zu benennen!!XDDDD ich ssag nur fdk rpg...XDD
Von:  Nubes
2006-08-07T18:29:16+00:00 07.08.2006 20:29
juhu ^^
Endlich da XDDD
Hat ja auch lang genug gedauert ^v^
Wann kommen die anderen denn nach??
*knutsch* hab dich lüüüüüb Hanny ^^
Von: abgemeldet
2006-08-07T13:06:46+00:00 07.08.2006 15:06
Hey mach schnell weiter das hört sich aber wirklich
sehr interessant an.

Bye


Zurück