Zum Inhalt der Seite

Roisin Dubh

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Chapter 1+2

Chapter 1

Robin saß im Flugzeug und dachte nach – über den Tod.

Der Tod bedeutet für sie nichts. Noch nie war jemand aus ihrer Familie gestorben. Die Chance dazu war auch relativ gering. Ihre Familie bestand aus Mutter und Vater.

Bis jetzt war Robins Leben ereignislos gewesen. Sie hatte einen Teilzeitjob in einem netten Cafe, stritt ab und zu mit ihren Eltern und machte sich keinen Kopf über das, was es außerhalb Londons, ihrem Wohnort, noch gab.

Das war jetzt vorbei.
 

Denn vor zwei Wochen kam ein Brief von einer gewissen Frau Emilia Curtis. Noch nie hatte Robin von ihr gehört oder gelesen. Der Brief war an Robins Mutter gerichtet.
 

„Liebe Maria,

du magst vielleicht überrascht sein, diesen Brief zu erhalten, aber keine Angst, es geht nicht um dich.

Ich bin kein Mensch, der lange um den heißen Brei herum redet. Der Grund meines Schreibens ist Robin. Mein Mann ist vor drei Tagen gestorben und in seinem Testament steht, dass er Robin bei seiner Beerdigung dabei haben will. Außerdem erbt das Kind die gesamte „Weeping Willow“. Sobald sie ihr 17. Lebensjahr erreicht hat, darf sie die Erbschaft annehmen.

Ich möchte, dass Robin nach Dublin kommt. Sie kann solange bei mir wohnen, bis sie ihren 17. Geburtstag gefeiert hat.

Flugtickets liegen bei.
 

Mit freundlichen Grüßen,

Emilia Curtis.“
 

Robin wusste nicht, warum sie nach Dublin kommen sollte. Weder das Begräbnis noch die Erbschaft interessierte sie und auch Dublin war nicht gerade das, was sie sich unter einem Traumurlaub vorstellte.

Der einzige Grund für die Reise konnte sein, dass ihre Eltern sie loswerden wollten. Aber das machte ihr nichts. Sie hatte sich an das Gefühl von Hass und Abneigung gewöhnt. Liebe ging ihr nicht ab.

Jetzt saß sie auf jeden Fall in einem Flugzeug nach Dublin und dachte über den Tod nach.

Oft hatte sie von verstorbenen Meerschweinchen gehört und von deren Besitzern, die dann Monatelang todunglücklich waren.

Robin konnte sich das einfach nicht vorstellen.
 

Als sie in der Flughalle war schaute sie sich suchend um. Sie hatte ein Foto von Emilia dabei: Eine alte, versnobte Dame, cirka 55 Jahre alt und viel zu stark geschminkt.

Nach drei Stunden Suchen gab Robin es auf. Sie ging zu einem Schalter und fragte, ob man ihr da helfen könnte. Die Dame vom Schalter war sehr höflich. Sie bot ihr ein Telefon an um Emilia anzurufen oder ein Taxi zu rufen. Doch Robin hatte weder die Telefonnummer von Emilia, noch wusste sie, wo sie mit einem Taxi hinsollte.

Also blieb Robin nichts anderes übrig als zu warten. Sie setzte sich auf eine Bank und las.

Lesen war ihr Leben. Nichts tat sie lieber, als sich in ein Buch zu vertiefen und mit den Helden mitzufiebern um sich in einer anderen Welt wieder zu finden.

Plötzlich wurde sie unterbrochen: „Hi.“

Vor ihr stand ein gut aussehender Junge, die Hände in den Hosentaschen. Er war vielleicht 18 Jahre alt.

„Hi“, grüßte Robin zurück.

Endlich sagte er etwas: „Bist du Robin Agatha Curtis?“ Robin nickte.

„Gut, dann kommst du mit mir mit. Emilia Curtis hat mich geschickt um dich von Flughafen abzuholen. Deinen Koffer müssen wir noch abholen. Dann können wir ins Hotel fahren. Komm mit.“

Robin saß noch immer da, verwundert über den Auftritt des Burschen, stand dann aber doch auf und ging ihm nach. Sie wollte schließlich nicht auf dem Flughafen übernachten.
 

Mit einem Taxi wurde sie ins Hotel gebracht. Takeo, so hieß der Junge der sie abgeholt hatte, musste noch etwas erledigen und fuhr deshalb nicht mit.

Obwohl Dublin nicht Robins bevorzugte Stadt war, gefiele ihr dieser Ort doch ganz gut. Vor allem die alten Häuser beeindruckten sie sehr.

Das Hotel in dem sie untergebracht war, war klein und niedlich. Es war wirklich niedlich. Überall waren Spitzendeckchen und Blümchen. Auch auf der Tapete waren Blumen und kleine Marienkäfer.

Mrs. Hudson führte das Hotel. Sie war eine nette, schrullige alte Dame, die wohl nie richtig erwachsen geworden war und mit einem ständigen Grinsen durch die Gegend lief.

Wieder musste Robin eine Stunde in ihrem Zimmer warten, bis sie endlich ihre Großtante zu Gesicht bekam.

Sie sah genauso aus, wie sie auf dem Foto aussah. Normalerweise sehen die Leute auf Fotos anders, irgendwie fremder aus als in der Wirklichkeit. Bei Emilia Curtis war das nicht so.

Ohne anzuklopfen trat sie in Robins Zimmer ein.

„Guten Tag, Agatha. Endlich bist du hier.“

Zwei Sachen regten Robin schon bei Emilias ersten Worten auf. Erstens hasste sie ihren zweiten Namen – Agatha – und wollte auch nicht so angesprochen werden und zweitens war nicht sie endlich hier, sondern Emilia. Das konnte ja lustig werden.

„Wie du weißt ist dein Großonkel gestorben und du bist seine Erbin“, sagte sie, während sie Robin ein Glas mit Wasser in die Hand drückte. „Du hast ein Haus geerbt - Die „Weeping Willow.“ Sie zeigte auf das Glas. „Trink, du siehst durstig aus.“ Robin trank. Sie hatte wirklich durst. Bis jetzt wusste sie nur nicht, dass man das Menschen ansehen konnte.

Emilia redete weiter: „Du wirst dir morgen das Haus ansehen. Ich schicke Takeo um dich abzuholen.“

Mit diesen Worten verschwand sie wieder. Eine eigenartige Frau, dachte Robin.

Von einer Sekunde auf die Andere überkam sie ein Gefühl von Müdigkeit. Sie hatte nur noch das Bett vor Augen, den gemütlichen Polster und die weiche Matratze. Schon schlief Robin seelenruhig und ohne einen weiteren Gedanken ein.
 

Wie abgemacht holte Takeo sie am nächsten Tag ab. Kein Wort sagte er zu ihr. Wirklich kein Wort. Er deutete nur, dass sie mitkommen sollte und mehr auch nicht.

Beim Haus angekommen hatte Robin ein mulmiges Gefühl. Ein Gefühl der Einsamkeit und des Wohlbefindens zugleich.

Auch beim Betreten des Hauses hatte sie dasselbe Gefühl. Das änderte sich aber schlagartig als Emilia in die Eingangshalle kam und Robin mit einem Blick ansah, der… nein, eigentlich war es kein Blick. Es waren zwei kalte, dunkle Augen, die des Lebens müde waren. Bemitleidenswert, dachte Robin.

„Guten Tag, Agatha. Ich hoffe, du hattest eine angenehme Fahrt. Ich werde dir kurz das Haus zeigen. Danach wirst du ein paar Leute kennen lernen - Interessenten für das Haus. Ich nehme nicht an, dass du das Haus behalten willst.“

Irritiert durch dieses Auftreten sagte Robin einmal nichts. Konnte sie auch gar nicht, da Emilia ununterbrochen weiterredete. Doch Robin hörte nicht zu. Das Haus faszinierte sie zu sehr. Es hatte eine magische und gleichzeitig furchtbar realistische Ausstrahlung. Nicht sehr angenehm waren auch die Ritterrüstungen, die einen von allen Ecken und Winkeln entgegen starrten.
 

Chapter 2

„Wie oft hab ich dir gesagt, dass du den Köter nicht füttern sollst?!“

„Entschuldige, aber er hatte Hunger und ich dachte…“

„Ja, das ist dein Problem! Du denkst! Hör auf zu denken und mach deine Arbeit – und Finger weg vom Hundefutter!“

Hundegebell. Ein übler Geruch erfüllte die Luft. Zwei Männer stritten.

Der Raum war dunkel. Er sah aus wie ein… ein Keller oder so etwas in der Art. Fenster gab es keine. Nur eine Glühbirne hang von der Decke. Sie spendete allerdings wenig Licht.

Die zwei Männer machten sich wieder an die Arbeit.

Der eine ging zu einem vollgeräumten Tisch.

Irgendwo unter diesem Chaos versteckte sich ein Bildschirm.

Der Mann zündete sich eine Zigarette an und starrte auf den Monitor. Viele Zahlen waren drauf zu sehen und dazwischen immer wieder dieselben Wörter: Hund, SDAF 68605, Mäuse, Ratten und Futter.

Jetzt setzte sich der Mann auf einen Sessel und fand – erstaunlicherweise – eine Tastatur.

Er tippte etwas ein.

Der andere Mann nahm einstweilen einen Besen und machte sauber.

Um besser sehen zu können wo er kehrte, drehte er eine Taschenlampe auf. Nun sah man den Raum deutlicher.

Er war nicht sehr groß. In der Mitte stand ein kleiner Käfig neben dem anderen. Es war auch etwas drinnen, aber man konnte nicht genau erkennen, was es war.

Der Mann am Schreibtisch verschwand im Schatten der aufeinander gestellten Käfige. Nur noch das Glühen seiner Zigarette war zu sehen.

In einer Ecke stapelten sich Kartons bis zur Decke.

Immer wieder steckte der kehrende Mann etwas in die Käfige, der Mann am Computer merkte davon nichts.
 

Auch Robin bekam von dem ganzen nichts mit.

Sie bekam die Hausführung von Emilia. Das Haus war groß, hatte viele Räume, war aber im Grunde wie jedes andere.

Das einzige was so ganz anders war als bei jedem anderen Haus war das Gefühl. Das Gefühl das Robin hatte, wenn sie auf dem knarrenden Holzboden ging. Das Gefühl, dass Robin hatte, wenn sie eine alte Kommode anfasste und das Gefühl das Robin hatte, wenn sie hinauf schaute und die wunderschönen Verziehrungen auf der Decke sah, die liebevoll ins Holz eingeschnitzt wurden.

„…und hier haben wir die Bibliothek. Die Bücher sind wahrscheinlich Millionen wert.“

Emilia redete ununterbrochen. Es störte Robin nicht. So konnte sie sich wenigstens in Ruhe alles genau anschauen.

Die Bibliothek war atemberaubend. Bücher stapelten sich bis an die Decke. Robin war sich nicht sicher, ob sie überhaupt in einem Bücherregal standen, da sie so dicht nebeneinander angereiht waren, dass man nichts zwischen ihnen sehen konnte.

Emilia riss sie aus ihren Gedanken.

„Robin, komm! Die Küche fehlt noch. Und wenn du willst, auch der Dachboden.“

Die Küche war wie jede andere. Ein Herd, eine Abwasch, ein kleiner Tisch mit zwei Sesseln und ein sehr großer, brauner, ekelhafter, alter Kasten.

Es roch nach Kaffee, Käse und morschem, feuchten Holz. Nicht sehr einladend, dachte Robin.

Ganz im Gegensatz zum Dachboden.

Robin erwartete sich ein heilloses Durcheinander, vielleicht mit vielen Spinnweben und Ratten oder so etwas in der Art.

Doch als sie die steile Wendeltreffe hinaufstieg merkte sie schon, dass etwas anders war.

Es war plötzlich viel heller, freundlicher und einladender. Es roch nach frischer, kühler Frühlingsluft.

Der Dachboden war auch ganz anders eingerichtet als die anderen Räume. Helle Möbel mit viel leichtem Stoff und ein großes Fenster an der Dachschräge.

Robin kamen die Fragen wieder in den Sinn, die ihr die ganze Zeit im Kopf herum spukten. Wieso wohnt Emilia nicht in diesem Haus, wo es doch ihrem Mann gehörte? Wieso war dieses Zimmer so ganz anders als alle anderen? Wieso hat Emilia schon Interessenten für das Haus gesucht? Wollte sie Robin loswerden?

Wieder einmal wurden ihre Gedanken unterbrochen. Doch dieses Mal nicht von Emilia, sondern von einer wohlklingenden, ruhigen aber bestimmten Männerstimme.

„Miss Emilia, der Salon wäre vorbereitet.“

Robin drehte sich um. Hinter ihr stand Takeo. Der Takeo, der sie vom Flughafen abgeholt hat und der ihr von Anfang an komisch vorkam.

„Bitte folge mir in den Salon, Robin. Das Mittagessen ist fertig“, bat Emilia sie mit ihrer kalten, rauen Stimme.

Als Emilia Robin den Salon gezeigt hatte, war er nur ein großer Raum, ohne viel Schnickschnack.

Jetzt stand mitten im Zimmer eine wundervoll gedeckte Tafel. Robin zählte neun Gedecke.

„Emilia, darf ich dich was fragen?“

„Nur zu mein Kind, nur zu.“

„Wir sind doch nur zu zweit. Wer kommt denn noch und isst mit uns?“

Emilia sah sie zuerst nur komisch an. Dann fing sie an aufzuzählen: Ein Ehepaar - Interessenten für das Haus; ein Ehepaar mit Kind - ebenfalls Interessenten; ein Mann namens Henry Fanmeo - ein alter Bekannter der Curtis’; und der letzte ist…sie schwieg kurz…auch ein alter Bekannter.

Mit Robin und Emilia waren das also neun Leute.

Das kann ja lustig werden, dachte Robin. Ihre Essmanieren waren nicht die Besten und sie hatte Angst das viele Besteck durcheinander zu bringen.
 

Das Essen war schnell vorbei. Robin aß nicht viel.

Das mit den Manieren war kein Problem. Anscheinend kannte keiner die wirkliche Reihenfolge des Bestecks – bis auf Emilia (manchmal verzog sie das Gesicht sehr eigenartig, wenn jemand das Falsche nahm).

Der Einzige, der wirklich störend war, war der „alte Bekannte“ ohne Namen. Er rauchte ständig und das hasste Robin.

Nun standen alle auf und gingen in die große Vorhalle. Emilia unterhielt sich noch kurz mit den Interessenten und verabschiedete sich dann von allen. Von Robin nahm keiner Notiz.

Als alle Personen das Haus verlassen hatten, kam Emilia auf Robin zu.

„Ich hoffe, du hast einen schönen Vormittag verbracht. Ich werde mich wieder auf den Weg nach Hause machen. Draußen steht ein schwarzer BMW, der wird dich ins Hotel fahren.

Hast du noch Fragen? Du hast ja am Vormittag kaum die Möglichkeit gehabt welche zu stellen.“

Viele Fragen vielen Robin ein. Aber eine interessierte sie besonders:

„Wieso wohnst du eigentlich nicht hier, das war doch das Haus von deinem Mann, oder?“

Einige Sekunden sahen sie sich nur an. Hatte Robin etwas Falschen gefragt? War sie unhöflich?

Als Robin die Antwort hörte, sah sie das erste Mal so etwas wie Emotion in Emilias Augen. Einen Anflug von Trauer und sanfter Liebe.

„Es tut zu weh, Robin.“ Mit diesen Worten ging sie aus dem Haus.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück