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ViRUS

wenn Träume töten
von

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Träume gehn vorbei

.oO° Samstag °Oo.
 

„Ein weiteres Mal wurde eine Person gefunden, welche auf grausamste und wohl auch schmerzhafte Art und Weise Ihr Leben lassen musste. Dies ist nun schon der neunte Fall in diesem Monat und noch immer tappt die Polizei im Dunkeln, denn wie üblich wurden keine Spuren jeglicher Art hinterlassen. Wenn Sie Hinweise haben, die eventuell der Polizei verhelfen können, den oder die Täter ausfindig zu machen, wenden Sie sich bitte umgehend an die... Einen Moment, bitte... Wie ich soeben mitbekommen habe, handelt es sich um den Toten scheinbar um den Firmenchef Herr Ikatasawa, welcher nach einer kleinen Kneipentour einfach verschwand. Des Weiteren......“
 

Verärgert warf ein, nicht gerade unbekannter, junger Mann die Fernbedienung mit voller Wucht in den Fernsehrapparat, welcher darauf hin sofort den Geist aufgab. Erschrocken zuckte der kleine Junge, welcher es sich im Sessel bequem gemacht hatte, zusammen und schaute zu den Älteren hinauf. Sagen tat er allerdings nichts, denn er wusste, dass das die Laune des anderen noch mehr reizen würde.

Schweigend stand er deshalb auf, verließ den Raum und ging die Treppe hinauf, verkroch sich vorsichtshalber lieber in seinem Zimmer.
 

Seufzend ließ sich der Ältere zurück auf die Couch fallen, in voller Länge. Seine Beine baumelten noch am Ende hinunter und auch sein linker Arm hing schlaff neben seinem Körper herab zu Boden, wo er mit den Fingern auf dem teuren Laminat tippte.
 

Nervös?

Nein, irritiert!

Wie konnte das sein?

Das war doch schon längst kein Zufall mehr!

Einen Monat geht das ganze schon so. Einen Monat, in dem immer wieder Männer gefunden werden, die in seiner Branche arbeiteten. Immer wieder Männer, mit denen er vorher noch zu tun hatte, mit denen er zuvor noch Meinungsverschiedenheiten hatte, bis hin zu Stress, welcher meist mit Drohungen aller Art zu tun hatte. So wie auch mit Herrn Ikatasawa!
 

Schicksal?

Nein, Absicht!

Aber wer könnte das gemacht haben?

Das war doch schon nicht mehr normal!

Wer sollte so etwas tun?

Und dann auch noch für ihn?

Und woher sollte dieser jemand denn wissen, mit wem er sich im Moment nicht so pralle verstand?

Er selbst hatte nie jemanden etwas erzählt, über seine Arbeit, seine Höhen und Tiefen. Nicht einmal sein Bruder wusste davon etwas, auch wenn er wusste, dass er es so oder so immer irgendwie raus bekam. Aber sein Bruder wäre zu so etwas niemals fähig! Und seine rechte Hand?

Sein treuster Angestellter und ständiger Begleiter?

Nein, er war zwar loyal bis in den Tod, aber über Leichen würde selbst er nicht gehen, dafür war er zu sensibel.
 

Zufall?

Nein, gekonnt!

Und irgendwie hatte er auch schon so einen gewissen Verdacht, wer etwas damit zu tun haben könnte, jemand, den er selber nur flüchtig kannte, aber dennoch so gut, dass er ihn für eine Menge kleiner krummer Dinger hinter Gitter setzen könnte. Wenn er es wollte...

Jemand, der ihn in letzter Zeit ständig in seinen Träumen heimsucht, ihn daran hindert, ruhigen schlaf zu finden.
 

„Mokuba, ich gehe kurz weg! Ich möchte dich bitten, den Rest des Tages zu Hause zu bleiben. Und warte nicht mit den Abendbrot auf mich, kann spät werden!“

„Ja, aber...“
 

Doch er war schon weg.

Der kleine Junge setzte sich auf die Treppenstufe und starrte die Tür an. Ein flaues Gefühl machte sich in seiner Magengegend breit, doch hatte er auf seinen Bruder zu hören. Er würde hier bleiben und warten, warten bis er wiederkommt, soviel stand fest!
 

„Pass auf dich auf, Seto...“

...

..

.
 

Wohin Seto Kaiba ging, wusste er selber nicht...

Es war mehr wie im Halbschlaf passiert, dass er sich auf einmal vor dem Schultor wider fand. Seufzend wand er sich dem Gebäude zu und starrte in die Dunkelheit. Seine Blicke schweiften über jedes Fenster, ließen keine Tür aus, die zum Notausgang führte.

Nichts...

Was hatte er auch erwartet?

Nichts hatte er nichts erwartet.
 

Kehrt machend schielte Kaiba noch einmal nur flüchtig zu dem Gebäude hinüber und blieb wie angewurzelt stehen.

War das eben ein kleines Licht gewesen?

Ja, das war es. Kurz, aber was war da, hundertprozentig!

Über das Schultor kletternd, nach dem sich Kaiba vergewissert hatte, das auch niemand da war, rannte er zum Eingang hin.

Verschlossen...

Was hatte er auch erwartet?

Verschlossen hieß aber nicht gleich auch uneindingbar.
 

Seine Blicke schweiften an der Hauswand entlang und fanden, was er suchte. Eines der Fenster stand leicht offen. Es war nur auf Kipp, aber da sich daneben gleich noch ein Fenster befand, war eine Leichtigkeit, dieses Fenster aufzubekommen.

Mit seiner Hand und einen Teil der Armes durch den kleinen Spalt schlüpfend, griff Kaiba nach dem Hebel des anderen Fensters, legte diesen so um, dass sich das Fenster ganz aufmachen ließ und zog seinen Arm wieder zurück.

Leicht gegen das Fenster stoßend, öffnete sich dieses. Eine Gänsehaut breitete sich auf Kaibas Haut aus, als ihm ein leichter Windzug entgegen kam, der einen gewissen Geruch der Verwesung mit sich brachte.

Sich wie ein Einbrecher vorkommend, stieg Kaiba durch das Fenster in das Gebäude. Er hatte sich genaustens gemerkt, wo dieses Licht her kam, immerhin kannte er diesen Raum nur all zu gut, handelte es sich hierbei doch um seinen Klassenraum. Vorsichtig die Gänge entlang schleichend und die Treppen hinauf steigend, befand sich Kaiba in Kürze auch schon vor dem besagten Raum. Die Tür zu diesem stand einen Spalt offen.

Mit größter Vorsicht schritt Kaiba in den Raum hinein, sah sich kurz um, ehe er ein bekanntes Geräusch hörte. Mokuba gab jenes immer von sich, wenn er vor etwas große Angst hatte.

Es war das aufeinander schlagen von dem Unter- und Oberkiefer.

Jemand klapperte heftig mit den Zähnen, dass es schon recht schmerzlich klang.
 

Leise ging Kaiba auf das Lehrerpult zu.

Nichts...

Was hatte er auch erwartet?

Nichts hieß aber nicht, dass da nichts war.
 

Einmal um den Pult herum gehend fand Kaiba, was er suchte.

Unter dem Schreibtisch saß jemand, zusammengekauert, zittern und mit den Zähnen klappernd, dass dieser jemand zu Halloween sicherlich ein 1A Gespenst abgegeben hätte.

Sich ein wenig nach vorne beugend, nahm Kaiba endlich Konturen dieser Person wahr. Und was er da sah, erschrak ihn mehr als erwartet.
 

Da saß doch tatsächlich „sein Streunder“, zusammengekauert und zitternd unter diesem Pult versteckt, hatte sich eine Kerze angezündet und starrte diese völlig weggetreten an. Auch viel Kaiba auf, dass sich dieser „Köter“ die Hände vor die Ohren hielt, mit seinen Fingernägeln sich tief in das Fleisch ringsherum gekrallt hatte, als würde er versuchen krampfhaft einen Gedanken fest zu halten.
 

„Wheeler...“, flüsterte Kaiba kaum hörbar. Etwas näher herangehend, stand er nun direkt vor dem, den er eben angesprochen hatte, ging in die Hocke und versuche die Blicke des Jungen auf sich zu ziehen. Doch jener reagierte absolut nicht. Ebenso gut hätte eine Atmbombe auf dieses Grundstück einschlagen können, es wäre dem Jüngeren im Moment wohl vollkommen egal gewesen.
 

Vorsichtig und so langsam wie es nur ging, erhob Kaiba seinen rechten Arm, streckte seine Hand der Person vor sich entgegen und berührte jenen sachte an der Schulte. Aufs Heftigste zusammenzuckend richtete dieser nun seinen Blick auf, starrte völlig perplex und ängstlich in die eisblauen Opale. Aber weder das Zittern hörte auf, noch das Zähneklappern. Auch seine Hände nahm er nicht von Ort und Stelle. Wie unter zwang fing Joey an seinen Kopf zu schütteln. Tränen liefen seine Wangen hinunter. Erst jetzt bemerkte Kaiba, wie Joey seine Kleidung aussah.

Blut...

Was hatte er auch erwartet?

Blut musste aber rein gar nichts zu bedeuten haben.
 

„Wheeler... beruhige dich, ich bin es doch, Seto...“
 

Jener sprach mit einer solchen Sanftheit in der Stimme, dass Joey nur noch verwirrter zum Stillstand kam. Die Augen weit aufgerissen hatte es den Anschein, dass Joey erst jetzt realisiert hatte, dass es sich hierbei wirklich um Kaiba handelte, der vor ihm hockte.
 

„H... hi... hil... Hilf mir...“, wisperte Joey unter krächzender Stimme, ehe er die Augen schloss und sich gegen den Pult lehnte.

Kaiba rüttelte noch einige Male an den Jüngeren und war erschrocken, wie kalt dieser war. Die Kerze aufhebend hielt er sie Joey entgegen. Sämtliche Farbe war aus dem sonst so braungebrannten Gesicht entwichen, die Lippen bläulich gefroren und Blut... überall war Blut zu sehen.

Schnell zog Kaiba sein Handy aus der Tasche, rief Roland an und bat ihn, sich auf den schnellsten Weg zum Schulgebäude zu bewegen. Auch gab er die Anweisung, eine Wärmdecke einzupacken und auch ein paar Heizkissen, ehe er wieder auflegte und den so leblos wirkenden Körper vor sich betrachtete.

Sachte, als hätte er Angst gehabt, den zierlichen und recht mageren Körper zu zerbrechen, zog Kaiba Joey hinter dem Pult hervor, hob ihn an und schaute ein weiteres Mal erschrocken zu Joey.
 

„Der wiegt ja so gut wie nichts...“, flüsterte Kaiba sich selber zu, ehe er den Raum verließ. Im Treppenhaus war schon wieder dieser Geruch, der Geruch von Verwesung. Es war eklig, irgendwie. Doch war es auch vertraut, so, als würde er gar keinen anderen Geruch kennen, als sei er ihn gewohnt. Hatte das vielleicht etwas mit seinen Träumen zu tun?

Ein Zucken durchfuhr seinen Körper, als er an seinen letzten Traum dachte.

Es war Joey, den er da gesehen hatte, der diese Morde begangen hatte. Und nun?

Nun fand er ihn wie ein Häufchen elend vor, blutbekleckert und total verstört.

Ein Traum...

Was hatte er auch erwartet?

Ein Traum kann aber auch wahr werden.
 

„Master Kaiba, ich habe mich so schnell wie möglich... Oh mein Gott, Sir, ist das Master Wheeler, den Sie da...“
 

„Ja...“, unterbrach Kaiba Roland und schritt an ihm vorbei, stieg in die Limousine ein und wickelte Joey sogleich in die Heizdecke ein. Roland, der auch wieder eingestiegen war, wand sich kurz Kaiba zu.
 

„Zu Wheeler?“, fragte er ein wenig kleinlaut. Kaiba schüttelte den Kopf.

„Nein, zurück nach Hause. Und verständigen sie den Hausarzt, ich will, dass Wheeler von oben bis unten durchgecheckt wird.“
 

Roland folgte dieser Anweisung, fuhr die Trennwand hoch und fuhr los. Nebenbei verständigte er das Kaiba-Anwesen, sie sollen den Hausarzt rufen und dass er sich bitte beeilen möchte. Sofort herrschte Unruhe im Hause Kaiba.

Was war geschehen?

Ging es um Master Kaiba?

Was hatte er?

War es schlimm?
 

Währenddessen hatte Kaiba auch die Heizkissen unter die Decke geschoben, in die er Joey eingewickelt hatte. Noch immer hatte sich Joey nicht um einen Zentimeter bewegt gehabt. Selbst, als Kaiba ihn trug, bebte der zierliche Körper, klapperten seine Zähne und seine Hände wichen von seinen Ohren nicht mal für eine halbe Sekunde zurück. Kaiba war überfordert...

Was konnte nur geschehen sein, dass Joseph J. Wheeler, der sonst nie ein Blatt vor den Mund nahm, immer für eine Prügelei gut war und sich sogar mit ihm, Kaiba, anlegte, so verstört war?

Aber was auch immer es war, es muss es echt in sich gehabt haben, soviel stand für Kaiba fest. Denn nicht ohne Grund war es „der Köter“, der es als Einziger es schaffte, sogar Kaiba seine Geduld zu rauben, ihn zur Weißglut zu treiben und manchmal gerade darum bettelte, dass er einen Schlag direkt in sein vorlautes Mundweck bekam. Nichts bekam diesen Jungen unter, absolut nichts...

Also was war geschehen?
 

„Master Kaiba, wir sind da...“, sprach Roland im recht ruhigen Ton zu Kaiba, welcher darauf hin aus seinem, nun schon zweiten Halbschlaf an diesen Abend, erwachte.

„Bitte tragen Sie den Jungen ins Haus. Aber seien Sie bitte vorsichtig, er ist... zerbrechlich...“
 

Als hätte sich ein großer, schwerer und erstickender Klos in Kaibas Hals gebildet, hauchte er das letzte Wort gerade so noch heraus, ehe alles andere sich nur noch herunter schlucken ließ.
 

Kaum, dass Kaiba die Tür erreicht hatte, sprang diese auch schon auf und ein kleiner Junge schmiss sich um den größeren Körper vor ihm. Kaibas kleiner Bruder wäre vor sorge fast gestorben und war deswegen heilfroh, seinen großen Bruder unversehrt wieder zu sehen. Umso tiefer saß der Schock in ihm, als er sah, was Roland da auf seinen Armen trug.

Stotternd zeigte Mokuba auf das ängstlich zitternde Häufchen und Kaiba nickte nur, nahm seinen Bruder in eine sanfte Umarmung und bat diesen, erst einmal in seinem Zimmer zu warten, da dass, was sich eventuell herausstellen oder ans Tageslicht kommen könnte, etwas erschreckend sein könnte.

Zwar hatte Kaiba so genau noch nicht nachgeguckt gehabt, doch er war sich sicher, dass das ganze Blut eigentlich nur von Joey stammen konnte.
 

In der Zwischenzeit hatte Roland den Jungen auf eins der Gästebetten gelegt. Auch der Hausarzt kam keine zwei Minuten später ins Kaiba-Anwesen gestürmt und fragte sogleich nach Mokuba. Es war meist so, dass wenn er so spät am Abend gerufen wurde, es sich um den jungen Herrn Kaiba handelte. Umso fragwürdiger blickte er, als man ihm sagte, dass es um einen „Freund“ des Hauses ging.

Ein Freund?

Was hatte er erwartet?

Ein Freund musste aber nicht unbedingt auch gleich ein guter Freund sein.
 

„Kommen Sie, seine Temperatur fällt immer weiter!“, schrie Roland aus dem ersten Stock nach unten, worauf sowohl der Arzt als auch Kaiba die Treppenstufen gerade zu übersprangen. Im Zimmer angekommen, in dem es mehr als nur warm war, schauten alle drei auf den bebenden Jungen, der auf das Bett gebettet wurde. Sofort ging der Arzt auf ihn zu. Sein Puls war schwach, aber noch vorhanden, was man bei dem Anblick eigentlich ehr bezweifelte.

Sofort begann er mit seinen Untersuchungen und schrak zurück, als er die blutverschmierten Kleidungsstücke sah, nachdem er die Bettdecken angehoben hatte. Ohne zu zögern zog er sie dem Jungen aus und war erleichtert, dass es nicht das Blut seines Patienten war. Hätte dieser nämlich so viel Blut verloren, wäre es nur ein Wunder, dass er noch leben würde.
 

Fast eine ganze geschlagene Stunde verbrachte der Hausarzt mit Untersuchungen, verpasste Joey ein paar Spritzen und legte auch ein paar Medikamentschachteln auf den Nachttisch, schrieb ein paar Zahlen drauf und legte danach ein weiteres Schächtelchen hinzu.

Als er sich dann endlich erhob, fragte Kaiba sofort, wie es um den Jungen stand.
 

„Ich will ehrlich zu ihnen sein, Herr Kaiba. Er hat zwar keine Äußeren oder inneren Verletzungen, soweit, wie ich das zumindest im Augenblick, mit den mir zu Verfügung stehenden Mitteln feststellen konnte, aber...“, er stockte.

„Was aber?“, hackte Kaiba nach und war sichtlich aufgebracht.

„Ich habe ehrlich gesagt schon Leichen gesehen, die eine bessere körperliche Verfassung hatten, wie ihr junger Freund hier...“, beendete er den Satz und deutete auf die Tabletten, „Ich habe dort draufgeschrieben, wie viel er in welchen Zeitabständen einnehmen muss. Und hierbei betone ich: Muss! Sie wissen ja, wie Sie das zu lesen haben. Außerdem sollte er so gut wie möglich warm gehalten werden und sich bloß nicht zu sehr bewegen.“
 

Kaiba nickte immer, als Zeichen, dass er verstanden hatte und geleitete den Arzt zur Tür.
 

„Noch etwas, Herr Kaiba? Können Sie mir vielleicht sagen, warum der Junge sich so verkrampft die Ohren zuhält? Ich habe sie nicht um einen Millimeter von dort entfernen können...“
 

Kaiba seufzte und schüttelte mit dem Kopf. Nein, er wusste auch nicht, warum Joey das tat, er wusste ja noch nicht einmal, was geschehen war, was der Arzt sich schon denken konnte und deshalb gar nicht erst großherrlich nachfragte. Er wusste aber auch, dass sobald Kaiba mehr wusste, ihn sofort verständigen würde. Immerhin, kannten sie sich schon seit Kaiba noch klein war. Damals waren Roland und er die Einzigen, mit denen Kaiba sprechen konnte, ohne, dass sie es seinem Stiefvater gesagt hatten. Ja, sie waren ihm schon immer eine große Stütze gewesen!
 

Sich verabschiedend schloss Kaiba die Tür und begab sich in die Küche, wo sich die Angestellten alle gesammelt hatten.
 

„Ich möchte Sie alle bitten, jetzt nach Hause zu fahren. Ich bin ihn dankbar dafür, dass sie so schnell reagiert und auch mitgewirkt haben, dass ich ihnen als Anerkennung den Rest des Abends frei gebe. Auch möchte ich morgen nicht gestört werden. Danke.“
 

Wie, als hätte er gerade eine Konferenz gehalten, machte Kaiba kehrt und ging ein weiteres Mal die Treppe hinauf. Mit jedem Schritt wurde er langsamer bis er in der Mitte stehen blieb. Eigentlich hatte er jetzt vor gehabt, einen Moment lang zur Ruhe zu kommen, wäre da nicht Rohland rückwärts die Tür hinausgestolpert oder besser gesagt, geflogen. Mit einen Keuchen knallte jener gegen die nächste Wand und rutschte an dieser hinunter.
 

„Roland!“
 

Zu besagter Person stürmend half er diesem wider auf die Beine.
 

„Master Kaiba, Master Wheeler, er... ich weiß es nicht...“, stotterte Roland und Kaiba wand sich dem Gästezimmer zu. Es war kalt, eiskalt in diesem Zimmer. Es erinnerte Kaiba an etwas, es war nicht ganz dasselbe, aber wenn Kaiba mitten in der Nacht wach wurde, herrschte immer eine enorme Hitze. Der totale Kontrast zu der jetzigen Temperatur. Und dieser Geruch. Da war er schon wieder, dieser Geruch von totem Fleisch.

Er blickte zum Bett hinüber und sah Joey, wie er sich hin und her wand, die Hände noch tiefer in das Fleisch um seine Ohren herum bohrte, wie sein Atem in kleinen, wolkenförmlichen Nebel aus seinem Mund stieß. Und die Tränen, die sich aus Joeys zusammengekniffenen Augen stahlen und sich ihren Weg über seine Wangen suchten.

Tränen...

Was hatte er erwartet?

Tränen waren doch nicht nur ein Zeichen der Freude.
 

„Joey!“, schrie Kaiba den Angesprochenen an, packte diesen an den Schultern und schüttelte ihn kräftig durch. Erst jetzt öffnete er die Augen, schaute wie ein geschundenes Kleinkind in die Augen über sich, ehe er seine Hände von den Ohren nahm und sie stattdessen hinter den Nacken von Kaiba legte, diesen fest an sich zog und in dessen Hemd weinte. Kaiba ließ alles mit sich geschehen, strich Joey ein paar Mal durch die Haare, ehe er in den Bereich der Ohren kam und sich die Wunden ansah. Besser gesagt, ansehen wollte. Da war nichts, absolut nichts. Aber er hatte es doch gesehen, die Fingernägel, fast schon die Fingerkuppen, festgebohrt in die empfindliche Haut, hatte gesehen, wie er sie eben von dort heraus gezogen hatte.

Wie konnte es sein, dass dort jetzt nichts zu sehen war?

Sehen...

Was hatte er erwartet?

Sehen hieß nicht gleich finden.
 

„Roland, bringen Sie bitte die Medikamente in mein Zimmer. Des Weiteren würde ich Sie gerne um einen Gefallen bitte.“

„Der wäre?“. Fragte Roland, während er die Medikamente nahm.

„Könnte Mokuba über Nacht bei Ihnen bleiben? Ich weiß nicht warum, aber ich hätte ihn gerne in sicherer Obhut.“
 

Roland nickte verständnisvoll und brachte die Medikamente in Kaibas Zimmer, ehe er sich zu dem jungen Herrn begab und den über die Anweisung von seinem Bruder in Kenntnis setzte. Zwar verstand Mokuba nicht so ganz, doch wenn Seto ihn wegschickte, dann hatte es schon etwas zu bedeuten. Deswegen kam er der Bitte seines Bruders ohne wenn und aber nach.
 

Derweil hatte Kaiba Joey in sein Zimmer gebracht. Die Heizung war auf die höchste Stufe gestellt und glich schon eher einer Sauna, als einem normal beheizten Zimmer. Vorsichtig bettete er den Jüngeren auf sein Bett nieder, welcher aber nicht mal die Anstalt machte, sich von Kaiba zu lösen.
 

„Pscht... Ich hole nur einen Schlafanzug für dich. Da, siehst du den Schrank? Das sind drei Meter, nicht mehr, dann bin ich sofort wider da... OK?“
 

Warum er so liebevoll mit seinem sonstigen Rivalen umging, konnte Kaiba nicht sagen, es war so ein Gefühl, dass er das machen musste, mehr nicht. Man hätte es auch als geteiltes Leid beschreiben können, denn selbst Kaiba hatte vor einigen Wochen für fünf Minuten lang einen ähnlichen „Anfall“ gehabt. Doch im Vergleich zu Joey, war das nur ein Witz ohne Worte gewesen. Langsam löste sie die Verklammerung hinter Kaibas Nacken, woraufhin dieser sich wieder aufrichtete, rückwärts sich zum Schrank bewegte und Joey somit nicht mal für den Bruchteil einer Sekunde aus dem Auge ließ. Er zuckte zusammen, als er hörte, wie die Eingangstür ins Schloss fiel. Dennoch atmete er erleichtert auf, seinen kleinen Bruder in Sicherheit zu wissen. Denn sein Traum, er ließ ihn einfach nicht los und er wusste, dass es irgendetwas mit Joey zu tun hatte. Was, das wusste er wiederum nicht, nur, dass es ihm irgendwie das Gefühl gab, dass es nicht sicher für Mokuba war, in der Nähe von Joey aber auch von ihm selbst zu sein.

Gefühle...

Was hatte er erwartet?

Gefühle sind meist eine Vorahnung, eine Warnung.
 

Schnell einen Schlafanzug heraussuchend, der zwar eindeutig zu groß war, aber dennoch einer seiner wärmsten, schritt er zurück zu Joey, der wie ein Brett auf dem Bett lag und die Decke anstarrte.

Ohne Murren und Knurren ließ sich Joey bis auf seine Unterwäsche ausziehen und wieder einkleiden. Eine flüchtigen Blick zu den Packungen werfend, las Kaiba schnell die darauf geschriebenen Zahlen und war fast erschrocken darüber, was Joey alles zu sich nehmen sollte.

Er griff nach dem Glas Wasser, welches einer der Angestellten zuvor hier abgestellt hatte und hob Joey ein wenig an, drängte sich hinter ihn und bettete Joey Kopf gegen seine Brust.
 

„Du musst das hier nehmen...“, flüsterte er den Blonden beruhigend zu, „...damit es dir wieder besser geht.“, führte er den Satz zu Ende. Joey schüttelte bloß mit dem Kopf.

„Das hilft nicht... sie gehen trotzdem nicht weg, sie kommen wieder... ich will nicht... ich will das nicht sehen... Kaiba, bitte, ich will das nicht sehen!“
 

Zum Schluss des Satzes wurde Joey immer lauter, schrie förmlich und krallte sich in den Stoff von Kaibas Hose. Die Tabletten und das Glas Wasser wieder zurück stellend, legte er sich neben Joey und zog die Decke über ihre Körper. Schutz suchend kuschelte sich Joey an den warmen Körper neben ihm. Es war ihm im Moment vollkommen egal, dass es sich hierbei um Seto Kaiba höchst persönlich handelte, er wollt nur nicht alleine sein, dass war alles.

Das Licht mit einem Klatschen der Hände ausschaltend, erwiderte Kaiba die indirekte Umarmung Joeys und kraulte diesem sachte durch die Haare. Dieser vergrub sein Gesicht in Kaibas Halsbeuge.
 

„Mach, das sie weg gehen... bitte...“, hauchte Joey Kaiba entgegen, ehe er vor lauter Erschöpfung und noch immer mit zitterndem Körper langsam einschlief.

„Was, Joey? Was soll weg gehen?“, fragte Kaiba noch, doch merkte er schnell, dass es keinen Sinn mehr hatte. Aber es war besser so, Joey sollte schlafen und versuchen, zu verarbeiten, zu vergessen.
 

Vergessen...

Was hatte er erwartet?

Vergessen heißt nicht gleich überwinden...

...Man kann nicht einfach so vergessen, sonst wären sie ja nicht da, unsere Erinnerungen.

...

..

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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von: abgemeldet
2007-04-24T15:09:13+00:00 24.04.2007 17:09
wey echt super...hast du super geschrieben...gefällt mir echt gut...die story ist auch fantastisch^^
Von: abgemeldet
2007-01-14T01:21:25+00:00 14.01.2007 02:21
ist dir super gelungen,
wird auch immer spannender,
hoffe mal das es bald weiter geht,
sagste mir dann wieder bescheid?danke,
lg kim
Von:  ninale
2007-01-14T01:06:21+00:00 14.01.2007 02:06
danke für die ens :3 *fluffz*
geil geschrieben
du bringst joeys angst sehr gut rüber. weiter so :3
ich freu mich auf die fortsetzung! b^^d

nina
Von:  vulkanier2
2007-01-13T22:45:25+00:00 13.01.2007 23:45
nicht schlecht. die spannung baut sich immer weiter auf.
find dein schreibstil auch sehr gut.
Von:  Dranza-chan
2007-01-13T21:37:24+00:00 13.01.2007 22:37
Das Kapi is echt gut geschrieben aber auch echt unheimlich!
Frag mich ob in der Nacht noch was passiert und ob es gut war Mokuba wegzuschicken!
Schreib bitte schnell weiter!
Bye Dranza-chan


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