Verachtung
8. Verachtung
Sie erreichten die Zelle ohne ein weiteres Wort miteinander gewechselt zu haben. Ihre Schritte, die im
Gang wider hallten, waren das einzige gewesen, dass die Stille, die sich um sie gelegt hatte,
durchbrochen hatte.
Mit einem Wink seines Zauberstabs öffnete Draco die schwere Holztür und schob den willenlosen
Schwarzhaarigen vor sich her in die Zelle. Er hätte sofort wieder gehen können, doch er musste dafür
Sorge tragen, dass Harry versorgt war, nicht auszudenken, wenn ihnen der Junge vorzeitig weg starb.
Voldemort würde ihn auf der Stelle töten. Ihn und den Rest seiner Familie.
Seine grauen Augen huschten kurz über den schmalen Rücken des Jungen vor ihm. Er war verdammt
dünn geworden in den letzten Tagen, vielleicht sollte er ihm etwas mehr Essen zukommen lassen. Und
etwas wärmere Kleidung wäre auch nicht schlecht, denn in der Zelle war es empfindlich kalt geworden.
Auch wenn er eine Ausbildung zum Heiler machte, eine schwere Erkältung war trotz allen Tränken
immer noch etwas ziemlich unangenehmes und langwieriges, die sich Potter im Moment sicherlich nicht
leisten konnte. Gerade in seinem psychisch sehr kritischen Zustand war es fatal wenn auch noch ein
körperliches Leiden hinzukam.
Denn Heilung hatte immer auch etwas mit Willen zu tun und das war genau das, was Potter so gar nicht
mehr hatte, wie es schien. Er stand reglos vor ihm, seit er aufgehört hatte ihn voran zuschieben und
wartete offensichtlich darauf zu hören was er als nächstes zu tun hatte.
Wenn er wollte, könnte er ihm alles befehlen. Potter lag vollkommen in seiner Hand, so sehr wie noch
nie in der ganzen Zeit hier. Noch nicht einmal, wie Potter bewusstlos gewesen war, war er derart hilflos
gewesen wie in diesem Moment. Dieser Gedanke gefiel Draco, wenn auch ein unterschwelliger, bitterer
Nachgeschmack dabei war, den er sich nicht zu erklären wusste, aber auch nicht weiter darüber
nachdachte.
Es war faszinierend, wie schnell aus einem stolzen, arroganten, sich selbst überschätzenden Wesen ein
gebrochenes, willenloses wurde. Er hatte es schon bei so vielen gesehen, wie sie anfangs zu Voldemort
kamen und sich fühlten als wären sie jetzt die tollsten und größten überhaupt und schon nach einer
Woche realisierten, was sie wirklich waren, nämlich nichts.
Durch seinen Vater hatte er unzählige Männer unter Voldemort zerbrechen sehen, doch bei niemandem
war es derart extrem gewesen wie bei Potter. Selbst er hatte sich noch seine eigenen Gedanken und
seinen eigenen Willen behalten, auch wenn er vor dem Lord kuschte und alles tun würde, um in seiner
Gunst anzusteigen.
Natürlich hatte er den Inhalt des Briefes gehört, er hatte ja bei den ganzen anderen Todessern
gestanden und den Worten gelauscht, doch er persönlich verstand nicht ganz, warum Potter so
wahnsinnig fertig deswegen war. Sie hatten ihm eine Abfuhr erteilt, sie würden ihn nicht retten
kommen, doch was hatte Potter eigentlich erwartet?
Dass sie kommen würden und ihn ohne jeglichen Verlust hier herausschlagen würden? Sogar er hatte
gewusst, dass sie das nicht tun, noch nicht einmal den Versuch dazu starten würden. War Potter
wirklich so naiv und selbst verliebt gewesen, zu denken, ohne ihn ginge gar nichts mehr?
Wenn man es genauer betrachtete, waren sie alle nicht mehr als Bauern in einem Spiel zweier Parteien,
der weißen und der schwarzen. Und die Seite auf der man sich dabei befand war im Prinzip vollkommen
egal. In Voldemorts Utopie war kein Platz für Menschen wie ihn.
Wie viele auch aus den eigenen Reihen für den Traum des Lords sterben würden, daran hatte natürlich
keiner gedacht, doch Draco wollte sich gar nicht vorstellen was passierte, wenn der Fall tatsächlich
eintrat, dass sie gewannen. Er war Voldemort treu ergeben, doch nicht aus Gründen des Idealismus.
“Setz dich.”, murmelte er und zog seinen Zauberstab, um etwas Essen herbei zu zaubern. Potter lies
sich langsam in das Heu sinken und blickte aus seinen leeren Augen zu ihm auf. Das Essen, das sich
neben ihm befand, nahm er gar nicht wahr. Dieser Blick, aus den Augen, die ihn früher immer so zornig
und stolz angefunkelt hatten, ging Draco durch Mark und Bein.
Er hatte Potter noch nie gemocht, er hatte ihn gehasst und er tat es immer noch, doch eine lebende
Leiche konnte man nicht hassen. Man hasste den Inhalt eines Menschen, das wofür er stand, wie er
redete, _was_ er redete, wie er handelte, aber man hasste nicht seine Hülle.
Teilweise war er angewidert von den toten Augen, die ihn förmlich anflehten, ihm zu sagen was er tun
sollte, die ihn fast schon anflehten seiner Existenz ein Ende zu setzen. Doch auf der anderen Seite war
da eine Stimme in ihm, die ihm zuflüsterte, dass es eine Schandtat war, einen Mensch auf diese Art und
Weise zu quälen.
Denn sie tat so viel mehr weh als körperlicher Schmerz und man konnte die Qualen bis ins Unendliche
ausdehnen, ohne dass es ein Ende für die betreffende Person gab. Bei physischem Schmerz, gab es
einen Ausweg, ein Ende, den gnadenvollen Tod. Doch so konnte Harry alt werden, ohne je wieder ein
Lächeln zustande zu bringen oder auch nur einen vernünftigen Gedanken zu fassen.
Er war gefangen in sich selbst und genau das hielt Draco für eine Strafe, die niemand erleiden sollte.
Auch für seinen erbittertesten Feind sollte man ein Ende der Qual bereithalten, egal was dieser
verbrochen hatte.
“Iss, Potter.”, befahl er um sicher zu gehen, dass Potter etwas zu sich nahm. Doch Potter rührte sich
kein Stück. Auch wenn er alles tun würde, er wollte nicht essen, das war der letzte Wille den er sich
behalten hatte. Es war der Wille, endlich zu sterben und niemandem mehr eine Last zu sein.
Essen das bedeutete Leben und Leben war ihm mehr als alles andere zuwider, vor allem sein Leben.
Langsam schüttelte er den Kopf, die erste Bewegung seit mehreren Stunden, die er aus freien Stücken
getan hatte.
Fassungslos beobachtete Draco was sich ihm bot. Er fragte sich, wie es möglich war, dass ein
Gebrochener, der sonst alles tat was ihm befahl, sich ihm widersetzte. Mit einem Kopfschütteln lies er
sich neben Potter ins Stroh sinken und griff nach dem Teller. “Doch, du wirst essen und wenn ich
nachhelfen muss.”, bestimmte er mit einer Stimme, die keinen Widerspruch zuließ.
Doch Potter zeigte noch immer keine Regung. Entnervt griff Draco den Löffel, stellte sich den Teller auf
den Schoß und packte mit seiner freien Hand das Kinn des Kleineren. “Mach den Mund auf.”, zischte er
bedrohlich. Doch er wartete gar nicht erst darauf, dass Potter seinen Mund öffnete, sondern drückte
ihm den Daumen und Zeigefinger in die Kuhle zwischen der beiden Kiefern, so dass er seinen Mund
zwangsläufig öffnen musste.
Ein widerwilliger Laut, irgendwo zwischen Schmerz und Unmut entwich Harry, als ihm ohne Zögern ein
Löffel Nudeln in den Mund geschoben wurde. Er wollte sie schon wieder ausspucken, doch Draco
presste mit einer Hand am Kiefer seinen Kopf nach hinten gegen die Wand, so dass er ihn nicht mehr
öffnen konnte und hielt ihm mit der anderen die Nase zu.
Sein Überlebensinstinkt sagte ihm zu kauen und zu schlucken, auch wenn er hier lieber erstickt wäre.
Aber sein Körper schien sich nicht wirklich mehr an seine Befehle zu halten und schluckte die Nudeln
nur halb zerkaut herunter. Draco blickte zufrieden und lies seinen Kopf wieder frei.
“So, wirst du jetzt freiwillig essen, oder muss ich weiter nachhelfen?!”, fragte er und griff wieder den
Löffel. Kein Wort drang über Harrys Lippen. Er wollte nicht essen, er wollte nicht dazu gezwungen
werden und sein ganzer Hass galt Draco, der ihn mit seiner vollkommen überflüssigen Fürsorge zum
Leben zwang.
Potters Gesicht blieb ausdruckslos. Wieso konnte er sich nicht einfach fügen und essen, wie jeder
andere Mensch es in seiner Situation auch getan hätte? Wollte er ihm das Leben mit Absicht schwer
machen, sozusagen als Strafe für die jahrelangen Hänseleien? Der Löffel scharrte mit einem ekligen
Kratzen über den Teller, als Draco ihn in die Nudeln rammte und eine weitere Fuhre Nudeln auf den
Löffel lud.
Wieder zwang er Potter zum Essen, noch ein wenig grober als vorher. Er hatte keine Lust sich jetzt mit
Potters Allüren herumzuschlagen, sie hatten alle ihr Päckchen zu tragen und niemand außer Potter
zickte so herum. Wenn er in Potters Lage wäre, wäre er froh über etwas Essen und Versorgung, auch
wenn sie von seinem Feind kam.
Als Potter auch den dritten Löffel verweigerte warf Draco ihn erzürnt in den Teller. “Was glaubst du
eigentlich, wer du bist?!”, fuhr er ihn an und warf den Teller an die nächste Wand, wo er zu Bruch ging
und seinen Inhalt auf dem Boden verteilte. Potter zuckte nur kurz zusammen, schien aber sonst
vollkommen unbeteiligt. Er sprang auf und stemmte die Hände in die Hüften.
“Du kannst froh sein, überhaupt noch am Leben zu sein, verdammt noch mal und alles was du tust ist
hier herum zu sitzen und dich in deinem verdammten Selbstmitleid zu suhlen! Du widerst mich an
Potter. Nur weil deine beschissenen Freunde dich im Stich lassen, na und? Für wen lebst du eigentlich?!
Wie kann man nur so schrecklich dämlich sein und seinen Wert an anderen Leuten festmachen?!”, seine
Stimmte wurde immer lauter und aggressiver.
“Echt mal, du kotzt mich einfach nur an! Da zeigt sich mal wieder, was ihr Gryffindors wirklich seid,
feige, kleine Ratten, die sofort den Kopf in den Sand stecken, wenn es mal ein bisschen schwieriger im
Leben wird. Was willst du jetzt machen, Potter, hm, sag es mir!”, fauchte er und riss Potter nach oben.
Der jedoch schwieg nur beharrlich und starrte Draco mit einem undurchschaubaren Blick an. Was sollte
er denn schon groß sagen? Doch Draco lies nicht locker. Er schüttelte ihn, dass Harrys Kopf fast gegen
die Steinmauer geknallt wäre. “Sag es mir! Was willst du tun?!”, beharrte er.
Das Schweigen Potters machte ihn noch aggressiver, er kochte vor Wut. “Du verdammter Bastard, mach
dein beschissenes Maul auf und sag was du jetzt vorhast zu tun! Willst du hier verrecken?! Ja, das sähe
euch ähnlich, immer fliehen, wenn es erst wird!”
Mit einem heftigen Stoß vor die Brust wurde Harry gegen die Wand geschubst, dass es ihm die Luft aus
den Lungen trieb. Es war ihm absolut unverständlich, wieso Draco jetzt auf einmal so austickte, vor
allem wegen ihm, einen solchen Gefühlsausbruch hatte er bei dem jungen Malfoy noch nie gesehen.
Egal wie sehr er ihn auch früher gehasst hatte, Draco hatte ihm noch nie solche Dingen an den Kopf
geworfen. Er war immer beherrscht, wenn auch bissig und provokant gewesen, einen Gefühlsausbruch
diesen Ausmaßes war so absolut untypisch für Malfoy. Doch es war Draco in diesem Moment
wahnsinnig egal, was typisch für ihn war und was nicht.
Er war dazu erzogen worden, sich immer zu beherrschen und sich immer gewählt auszudrücken, doch
sein gesamtes Denken war überschwemmt von Zorn auf Potter, der ihn immer noch aus seinen großen,
grünen, toten Augen ansah und nichts, aber auch wirklich gar nichts tat um sich gegen die gegen ihn
gerichtete Wut zu schützen.
Nicht nur, dass er in den letzten Tagen kaum ein Auge zugetan hatte, aus Angst die Bilder seiner
Vergewaltigung würden wieder in ihm hochkommen, was sie dennoch jeden Abend, wenn er das Licht
ausschaltete und Zeit hatte zu denken, taten, nein, jetzt musste ihm auch noch Potter auf seinen eh
schon labilen Nerven herum trampeln.
Aber Potter gab ein wirklich perfektes Ziel für seinen Zorn ab, die ideale Gelegenheit um alles
loszuwerden, was ihn in den letzten Tagen bedrückt hatte und eine Chance, durch seine Wut, alles
andere in ihm zu überdecken. “Du bist so was von schwach, Potter, so schrecklich dumm und
überheblich, du weißt gar nicht wie sehr du mich anwiderst mit deinem scheiß Selbstmitleid!”
Harry schlug die Augen nieder und fixierte einen Punkt auf dem Boden neben Draco. Wenn er ihn
anschreien wollte, dann sollte er das tun. Seinetwegen könnte er ihn auch schlagen, treten oder gar
töten, alles was ihn nur irgendwie dem Tod näher brachte, war ihm recht. Und alles andere war ihm
egal.
Was Draco zu ihm sagte traf ihn nicht im geringsten. Dann sollte er ihn doch widerlich finden, er hätte
nur zustimmen können. Zu jedem einzelnen verdammten Punkt von Dracos Rede hätte er nur nicken
können.
Blind vor Wut holte Draco mit der Hand aus, die Harry nicht an die Wand presste und verpasste ihm
einen Kinnhaken, der Harrys Kopf gegen die Wand schleuderte. In Harrys Ohren klingelte es. Für einen
Moment sah er nur schwarz vor Augen, als hätte jemand kurzzeitig das Licht ausgeschaltet. Erst als er
wieder Dracos Wut verzerrtes Gesicht sehen konnte, spürte er den siedend heißen Schmerz, der durch
seinen Hinterkopf schoss.
Es fühlte sich an, als wäre sein Kopf vom Aufprall auf der Mauer in viele kleine Stückchen zermatscht
worden und von jedem einzelnen Splitter ging pulsierender, reißender Schmerz aus, der ihm die Kraft
aus den Gliedern zog.
Seine Knie gaben nach, so dass er nach vorne umgefallen wäre, hätte Malfoy ihn nicht durch seinen
unerbittlichen Griff an der Wand gehalten. Etwas warmes, zähflüssiges rann über seinen Nacken herab,
doch er konnte nicht genau einordnen was es war.
Ein gequälter Schmerzenslaut kam über seine Lippen. Es war der erste Laut, den er seit über einer
Stunde von sich gegeben hatte. Doch dieser vermeintliche Fortschritt fand bei Malfoy keinerlei
Beachtung. Schwer atmend stand er vor Potter und beobachtete jede Regung, die sich auf dessen
blassem Gesicht abspielte.
Doch mehr als Schmerz war dort nicht zu lesen. Bei jedem anderen hätte man noch eine Spur Wut,
Betroffenheit oder Angst gesehen, doch bei Potter war es der blanke Schmerz, verursacht durch den
harten Schlag und nicht durch irgendeine Form psychischer Reaktion auf den Schlag.
“Lässt du dich jetzt einfach so von mir schlagen? Ich könnte dich töten Potter, und du würdest dich
wahrscheinlich nicht wehren, oder sehe ich das falsch?”, fragte Draco erzürnt und schüttelte den
kraftlosen Leib, so dass Potters Kopf unkontrolliert herum schlackerte. Wahrscheinlich war das nicht
unbedingt das Beste für eine Kopfverletzung, aber das war das Letzte auf das Draco jetzt achten würde.
Ihn töten? Malfoy wollte ihn töten? Malfoys Worte hallten in seinem Kopf nach als würde er sie immer
und immer wieder sagen, die Betonung immer mehr auf das ‘töten’ gelegt. Langsam richtete Harry
seinen undifferenzierten Blick auf den blonden Jungen.
Draco erstarrte in der Bewegung, als er sah, dass Harry ihn plötzlich wieder ansah. Es kam ihm so vor,
als hätte sich sein Blick etwas geklärt, auch wenn er immer noch nicht den Eindruck machte, wirklich
präsent zu sein. “Was, Potter?! Was siehst du mich so an?”, fauchte er.
Harry senkte sofort wieder seinen Blick, wollte nicht, dass er noch einmal geschlagen wurde. Malfoy war
für ihn zu einer unberechenbaren Größe geworden, seine Reaktionen waren zwar schon früher nicht
unbedingt vorhersehbar gewesen, doch jetzt war alles, was Malfoy tat, einfach nur absurd. Dass seine
Gedanken immer noch von der Tatsache, dass er vollkommen alleine war, gelähmt waren, spielte wohl
auch mit hinein.
Doch die Chance dieser schrecklichen Einsamkeit durch seinen Tod zu entkommen trieb ihn dazu,
seinen Blick langsam wieder zu heben. Sein Blick traf die harten, von Zorn durchzogenen grauen Augen,
die ihn unentwegt anstarrten und scheinbar immer noch auf eine Antwort warteten.
“Du...”, Harry stockte kurz. Sollte er Draco wirklich darum bitten? Würde er ihm diesen Gefallen tun,
obwohl er genau wusste, dass Harry es als eine Bereicherung sehen würde? Oder war Dracos Hass ihm
gegenüber so tief verwurzelt, dass er ihm auch das verwehren würde?
Nicht dass er Draco plötzlich mögen würde, er war nur einfach zu müde, um noch irgendjemandem
Hass entgegenbringen zu können.
“Du würdest mich... töten?”, fragte er leise mit rauer Stimme. Doch zu Dracos Entsetzen sah er keine
Angst in Potters Augen, sondern neu entflammte Hoffnung und ein Flehen, das er nie in den grünen
Augen des Jungen zu sehen geglaubt hatte. Geschockt löste Draco seine Hände von Harry und trat
einen Schritt weg von ihm.
Der Schwarzhaarige schwankte kurz, in dem aussichtslosen Versuch, sich auf den Beinen zu halten, und
rutschte dann kraftlos an der Wand herab. Den Blick hatte er immer noch auf Draco gerichtet. Draco,
der ihn erlösen würde. Draco, der ihm das geben würde, was das einzige war, wonach er sich noch
sehnte.
Auf Knien und Händen kroch er ein Stück auf den Zurückweichenden zu. “Bitte...”, seine Stimme war
nicht mehr als ein Hauchen. Sie lies Draco einen kalten Schauer über den Rücken laufen. Wie konnte es
sein, dass ein so stolzer Junge jetzt vor ihm am Boden kroch und ihn anflehte?
Würde er auch so enden? Er hatte Potter immer für stark und unzerbrechlich gehalten, genauso wie sich
selbst. Wenn sogar er sich hatte brechen lassen, was sagte ihm dann, dass er selbst bei Voldemort noch
lange stand halten können würde? Mit einem Funken Panik in den Augen blickte er auf den völlig
zerstörten Jungen herab, der ihm mit einem mal erschien wie ein Tier, so wie er auf ihn zu kroch und
ihn anflehte.
Gequält schloss er die Augen und wich bis zur nächsten Wand zurück. “Bitte... beende es... Draco...”,
flehte Harry, nur noch ein einziges Ziel vor Augen habend. Niemand sollte so enden, niemand sollte so
leiden, hallte es in Dracos Kopf wieder. Das hier war schlimmer, als alles andere, was er in seinem
bisherigen Leben gesehen hatte.
Er hatte schon oft gesehen, wie Menschen gefoltert und getötet worden waren, doch einen Menschen
zuerst zu brechen und ihn dann in seiner Welt der Agonie zurück zulassen, ohne die Perspektive auf ein
Ende, das war das grausamste was er sich vorstellen konnte. “Nein...”, hauchte Draco entsetzt.
Harry riss seine grünen Augen auf und starrte zu dem jungen Malfoy empor. “Aber du hast es gesagt!”,
entgegnete er mit Verzweiflung in seiner Stimme, “Du hast gesagt, du würdest mich töten, bitte, tu es
jetzt, steh zu deinem Wort!”
Er konnte niemanden töten. Zweimal bereits war er daran gescheitert, jemanden umzubringen und auch
dieses Mal würde er seinen Zauberstab nicht ziehen, um sich selbst über die Natur zu erheben und das
Leben von jemanden zu beenden. Schon gar nicht, weil er Harry kannte.
Er hatte viel Zeit seines Lebens damit zugebracht, sich mit ihm zu streiten, zu duellieren, zu
beschimpfen, sich nette kleine Gemeinheiten für ihn auszudenken, er war eine Konstante in seinem
Leben und er würde ihn nicht einfach so umbringen können. Zudem wollte er gar nicht wissen, was
Voldemort mit ihm anstellen würde, wenn er Harry um brächte.
Wahrscheinlich das gleiche wie mit Harry.
Natürlich würde ihm das nicht gelingen. Er würde sich nicht so einfach brechen lassen wie Harry, sagte
er sich, doch eine leise Stimme in seinem Hinterkopf flüsterte ihm zu, dass er das nicht wissen konnte.
Er wusste, dass Harry schon viel in seinem Leben durchgemacht hatte, den Tod seiner Eltern, den Tod
seines Paten, die ständigen Anfeindungen seinerseits.
Und doch war er immer ein selbstbewusster, aufgeweckter junger Mann gewesen, der allem die Stirn
geboten hatte. Und jetzt? Er flehte nach seinem Tod und würde dafür wahrscheinlich alles tun.
Draco biss sich auf die Lippen. Er wollte das nicht länger sehen. Er wollte das nicht länger hören. Mit
einem Zischen riss er Harry nach oben und drückte ihn abermals an die Wand. Der Junge wehrte sich
nicht. Ein Funken Hoffnung blitzte in seinen Augen auf. Würde er ihn jetzt endlich töten? Wäre sein Leid
nun endlich zu ende?
Doch alles was kam war eine schallende Ohrfeige. “Ich töte dich nicht, hörst du?! Schlag dir diesen
Gedanken aus dem Kopf. Du bist widerlich, so wie du herum kriechst wie ein Tier! Bitte Voldemort um
deinen Tod, nicht mich. Er ist dafür zuständig. Und es wird ihn erfreuen zu sehen, dass du aufgegeben
hast.”
Mit Abscheu spuckte er vor Harry auf den Boden. “Ich verachte dich, du hast uns alle getäuscht, mit
deiner vorgegebenen Stärke. Eigentlich bist du so was von schwach und klein und unbedeutend und
jede Minute hier drin mit dir, zeigt mir, dass ich schon immer Recht hatte! Ich werde dich nicht töten,
denn dann würde ich dir einen Gefallen tun und Leute wie du, die sich einfach so aufgeben, verdienen
nichts anderes!”
Er packte Harry bei den Schultern und schubste ihn zur Seite weg, wo er ins Stroh fiel und regungslos
liegen blieb. Ohne ein weiteres Wort verschwand er aus der Zelle und lies Harry in seiner Qual alleine.
tbc
so da wäre es das lang ersehnte 8. Chapter. sry, dass ich wieder mal so lange gebraucht habe, ich weiß,
das sage ich jedes mal, aber es tut mir wirklich leid, dass ihr immer so lange darauf warten müsst, dass
ich endlich mal wieder Zeit dazu finde zu schreiben. Ich hoffe ihr bleibt mir trotzdem treu.
Liebe Grüße
dark