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Michael der Vampir

Aus der Chronik der Unsterblichen
von

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Die Geburt

Seid gegrüßt! Da ihr diese Seiten vor euch habt, habt ihr euch wohl entschieden, meine Geschichte zu hören...

Nun, wo soll ich anfangen? Sinnvoll wäre vielleicht, bei meiner Geburt zu beginnen, aber bei welcher? Ich entscheide mich für die 'zweite', da der interessante Teil meines Lebens dort erst beginnt:
 

13. Juli 2001 - Eine schwüle Nacht, die Luft lag schwer. Ich hatte es nicht ausgehalten, im Bett zu liegen und von der Hitze wach gehalten zu werden, darum entschloss ich mich etwas spazieren zu gehen... Wenn ich geahnt hätte, wie diese Entscheidung sich auswirken würde...
 

Es war die Nacht in der mein Leben endete... und begann! Ob mein Leben nur sprichwörtlich endete? Nein, ich starb - Oder zumindest starb mein Körper. Wie das möglich ist? Dazu komm ich gleich. Wer ich bin? Unwichtig! Ich bin der Erzähler dieser Geschichte. Wenn es ein Name ist, den ihr mir geben wollt, nennt mich Michael, nach dem Erzengel. Nicht, weil dieser Name zu mir passen würde (und das tut er weiß Gott nicht!), sondern einfach weil er mir gefällt.

was ich bin? Diese Frage habe ich mir seit dieser Nacht sehr oft gestellt. Ich denke, die passendste Bezeichnung für meinen momentanen Zustand wäre wohl - nein, ich bin das, was man 'Vampir' nennt! Eigentlich bin ich 29, aber da ich äußerlich wohl nicht mehr altere, bleibe ich bei dem Alter, welches ich bis dahin erreicht hatte, was ich auch als angenehmer empfinde: Ich bin 23!
 

Mein Schöpfer? Ha, ich widme ihm nicht mehr als folgende Zeilen:

Er war selbst noch ein Welpe und er hatte keine Ahnung. Er hatte in dieser Nacht bereits einige Opfer 'gerissen' - unvorsichtig - hatte ihre Leichen einfach liegen gelassen, wo sie ihm zum Opfer gefallen waren und hätte ihm nicht jemand erzählt, dass etwas großartiges geschähe, wenn er einem Opfer nach dem Mahl von seinem Blut gäbe, wäre es mir ebenso ergangen. Doch so wurde ich geschaffen. Mit dem unedlen Blut eines unerfahrenen Idioten. Ich wünschte ich könnte das irgendwie ausschmücken, aber es war so und nicht anders. Mein Schöpfer starb übrigens zwei Nächte darauf, im Streit mit einem anderen Wertlosen.
 

Da mein Körper starb, nachdem ich das dunkle Blut erhalten hatte, wandte sich mein Schöpfer gelangweilt und in dem Glauben ich sei endgültig tot von mir ab, wodurch ich alleine war, als ich erwachte. Ich genoss die restliche Nacht, obwohl ich etwas verdutzt war: Irgendwas schien anders und ich wusste nicht was. Es war als würde ich die Welt mit anderen Augen sehen, was ich natürlich auch tat - Ich sah die Welt das erste Mal mit den Augen eines Vampirs.
 

Und so beginnt meine Geschichte...

Die erste Nacht

Noch nie zuvor in meinem Leben war meine Heimatstadt mir so schön vorgekommen! Ich befand mich auf einer kleinen Anhöhe, kurz vor der Stadt - ah, die Stadt! Sie erstrahlte in Farben, schöner als Pastellfarben und die Wasserspeier auf den Dächern schienen mich mit ihren Augen zu verfolgen - ja, sie schienen zu leben. Ich vernahm Stimmen von Menschen überall in der Stadt. Ich konnte die einzelnen Fenster der Häuser, sogar die Menschen problemlos ausmachen. Und es muss an dieser Stelle angemerkt werden, dass sich besagte Anhöhe etwa zwei Kilometer außerhalb befindet. Meine Sinne waren geschärft, mehr als man sich vorstellen kann.
 

Aber da war noch etwas: Hunger oder... Durst - ich war damals nicht in der Lage es genauer zu bestimmen, aber es musste sich wohl um Durst gehandelt haben, das war mir klar, denn ich sehnte mich nach dem süßen Geschmack von chinesischem Shunji. Ja, ich wollte Wein!

So machte ich mich auf, in Richtung Stadt, leere Taschen da mein Schöpfer mich gierig geplündert hatte.

Etwa fünfhundert Meter vor den ersten Häusern der Stadt begegnete mir ein verwahrloster Penner - wen hätte ich mitten in der Nacht, hier auch sonst erwartet? Ich sah ihn und mir fiel sofort seine Hauptschlagader auf. Sie schien mir doppelt so dick zu sein, wie gewöhnlich und ich konnte sehen und hören, wie das Blut ohne Nachlass durch sie gepumpt wurde. Seine Haut schien besonders rosig zu sein, da ich das Blut darunter ebenfalls erkennen konnte und mein Hals wurde zunehmend trockener...
 

Ich roch seinen Schweiß und den Gestank vom billigsten Schnaps, der sich in einer runtergekommenen Tanke hatte auftreiben lassen und dennoch zog er mich wie magisch an. Darum ging ich auf ihn zu und begrüßte ihn freundlich, mein Hände verschwitzt und zittrig. Er erwiderte zwar meinen Gruß, jedoch wesentlich weniger freundlich und eher genervt. Ich wusste nicht, was mich so anzog, aber ich musste ihn dabehalten und so bat ich ihn mir etwas zu erzählen. Zwar sträubte er sich zunächst, doch schien ihn der Gedanke zu faszinieren, dass jemand seine Geschichten hören wollte und so erzählte er.

Er erzählte mir, dass er ein Soldat in 'Vietnam diesem gottverdammten Höllenloch' gewesen war und man ihn jetzt mit einer Billig-Beinprothese weggeworfen hätte. Er erzählte auch von der 'verkorksten Politik' und vielen anderen Dingen, doch es fiel mir außerordentlich schwer, ihm zuzuhören.
 

Es war sein Puls, der mich so in seinen Bann gezogen hatte, das erkannte ich nun. Er hämmerte, wie ein Gong oder eine Kirchturmglocke, die mich fast wahnsinnig machte. Ich ertappte mich, wie ich seine Ader fixierte und sich meine Augen weiteten, Schweiß perlte auf meiner Stirn. In diesem Moment schien nicht ich, sondern 'etwas' in mir Herr über meinen Körpers zu sein... DURST!

Plötzlich stürzte sich mein Körper auf ihn, warf seinen Kopf nach hinten, wobei sein Genick unter einem lauten Knacken brach und ich biss ihn. Ich gab mich dem Geschehen einfach hin, spürte wie sein heißes Blut meine Kehle hinunterschoss und sog sein Leben heftig in mich auf... der Gong - er wurde langsamer und leiser und als es vorbei war, war der Durst zwar noch lange nicht gelöscht, aber ich war wieder Herr meiner selbst. Und ich war enttäuscht, dass es so schnell vorbei gewesen war.

Ich erkannte, was ich war und ich fand mich damit ab! Ich musste immer wieder daran denken, dass die atemberaubende Schönheit, die mich umgab nun selbstverständlich für mich sein würde und mir gefiel der Gedanke. Und was waren schon die Menschen, die ich von da an töten würde?

Gottes Gnade unterlag ich so oder so nicht mehr, selbst wenn ich an ihn geglaubt hätte.
 

Ich riss - und reißen ist wohl der einzig passende Ausdruck - in dieser Nacht noch ungefähr zehn Menschen. Ich sog nicht nur ihre Leben, sondern auch ihre Erinnerungen gierig in mich auf!

Danach war ich mehr als satt und musste mich hinlegen. Also ging ich nach hause, doch ich sollte es nicht bis ins Bett schaffen: Bereits im fensterlosen Treppenhaus, des sechsstöckigen Mehrfamilienhauses überkam mich eine solche Müdigkeit, dass mir schwarz vor Augen wurde und ich einschlief... Ich hatte die erste Nacht, nach meiner 'zweiten Geburt' überstanden.

Die Qualität des Blutes

Ich erwachte erst am frühen Abend, mit Schmerzen am ganzen Körper. Irgendetwas war mir offensichtlich in meinem Schlaf nicht bekommen. Außerdem stank ich erbärmlich, mein Hemd war zerrissen, mein Geld weg und sowohl mein Hemd, als auch meine Hose waren voll von vertrocknetem Blut. Allerdings hatte man sich an mir scheinbar nicht weiter gestört, man hatte mich lediglich an die Seite geschoben, da ich den Durchweg versperrt hatte.
 

Als ich mich aufrappelte, steigerten sich die Schmerzen - besonders die in meiner Brust. Es fühlte sich beinahe an, als habe man mein Herz mit einem glühenden Schürhaken durch meinen Brustkorb gerissen. Ich schleppte mich mit Mühe und Not in meine Wohnung im dritten Stock. Ich musste duschen! Meine Kleidung warf ich in den Müll.
 

Das Duschen tat mir gut, denn die Schmerzen ließen ein wenig nach, wenn sie auch nicht gänzlich auszumerzen waren.
 

Ich nahm all das Geld, das ich mir zusammengespart hatte und 'kreativerweise' unter meinem Kopfkissen versteckt hatte, sowie das Geld, welches ich in der vorherigen Nacht erbeutet hatte und zog mir mein bestes Hemd und eine gute Hose an. Ich hatte vor, diese Nacht in vollen Zügen zu genießen. Ich konnte bereits durch mein Fenster wieder diese einzigartige Farbenpracht sehen, deren Schönheit mich beinahe zu erdrücken drohte und die mir als Sterblicher verborgen geblieben wäre. Geschmälert wurde meine Vorfreude allerhöchstens durch den, noch immer anhaltenden Schmerz.

Doch auch dieser würde sicherlich ausbleiben, sobald ich nur einen Schluck kostbaren Blutes gekostet hätte.
 

Es mag zugegebenermaßen naiv klingen, sich darauf verlassen zu haben, dass mir etwas Blut (so gut es auch schmecken mochte) diese extremen Schmerzen zu nehmen imstande war, aber dieses war das einzige, neben der Schönheit der mich umgebenden Welt, woran ich mich zur Linderung, in diesem Moment hatte klammern können und abgesehen davon, war es tatsächlich so:
 

Mein erstes Opfer in dieser Nacht war ein Banker in einem maßgeschneiderten Nadelstreifenanzug und mit einem dementsprechend gepflegtem Äußeren. Ich wollte den Geschmack von räudigem Bettlerblut, der schon so berauschend auf meine Sinne wirkte, noch übertreffen.

Bereits als der erste Tropfen seiner Vitae meine trockenen Lippen benetzte, spürte ich wie ein unbeschreibliches Wohlbefinden einsetzte und mein Körper sich schwerelos anfühlte.

Wieder hatte ich mich kaum mehr unter Kontrolle, wieder sog ich ihn gierig, voll und ganz auf und wieder umspülten mich seine Erinnerungen, die sich mit dem hallenden Gong von zuvor mischten, der jedoch diesmal sanfter und äußerst angenehm ausfiel. Diesmal achtete ich jedoch darauf, nicht einen einzigen Tropfen zu verschwenden.
 

Als ich (leider viel zu schnell) wieder in die Realität gerissen wurde war der, eben noch so unbarmherzige Schmerz weg. Das Blut, das mich wie eine Droge abhängig zu machen schien, hatte also eine äußerst positive Wirkung auf mich.
 

Ich jagte in dieser Nacht nur die edelsten und erfolgreichsten, doch mir fiel auf, dass selbst unter ihnen die Qualität des Blutes stark variierte.

Etwas anderes, was mir in dieser Nacht auffiel, war dass ich weit mehr Stimmen wahrnahm, als tatsächlich gesprochen wurde, was verwunderlich war.

Ich beschloss der Sache in den nächsten Tagen und Nächten nachzugehen, doch morgen würde ich erstmal Uriel einen Besuch abstatten... schließlich musste er auch von dem mir widerfahrenen erfahren!
 

Als ich wegen Müdigkeit gegen vier Uhr nachts nach hause kam und mein Fenster sah, verspürte ich eine seltsame Abscheu dagegen, die ich mir nicht erklären konnte. Und Fenster waren fast überall...

So legte ich mich in meinem Schrank zur Ruhe - unbequem, aber in vollkommener Finsternis.

Ich würde ohnehin nur fünf oder sechs Stunden schlafen, da ich ja tagsüber zu Uriel wollte.
 

Diese Stimmen... ich hörte sie immer noch - wirr durcheinander - bis ich einschlief. Das ging mir nicht aus dem Kopf...

Neue Erkenntnisse

3. I.: Uriel
 

Es gelang mir nicht, wie geplant vor Sonnenuntergang zu erwachen, trotz meiner unbequemen Unterkunft. Die Schmerzen des Vorabends holten mich, ganz gemäß meinen Erwartungen, von neuem ein - nicht schlimmer, aber leider eben auch nicht weniger schlimm als zuvor. Es war lediglich ein stechender Schmerz in meiner Unterlippe merkbar und als ich die Stelle mit meiner Zunge befühlen wollte, wurde mir klar, worauf der Schmerz zurückzuführen war, denn ich schnitt mir die Zunge an meinen Eckzähnen. Das Blut war ein Segen, wenngleich es meinen Durst nicht stillen konnte, aber zum Thema: meine Eckzähne waren tatsächlich noch gewachsen. Und vermutlich waren sie noch nicht damit fertig...

Naja, größer als zu meiner Zeit als Mensch waren meine Eckzähne logischerweise ohnehin gewesen, aber es gab ungeachtet dessen eine weitere immense Änderung im Vergleich zu meinem ersten vampirischen Tag:

Ich erinnerte mich in meinem Schlaf etwas geträumt zu haben... Ich vermochte mich zwar nicht an den Inhalt zu erinnern, doch eines war mir sehr bewusst: Es war ein Traum, den ein Sterblicher niemals hätte träumen können und der sich unmöglich in etwas so simples wie Worte hätte fassen lassen, da er solch eine immense Komplexität und ein solches Ausmaß besaß.
 

Ich beschloss, diese Gedanken fürs erste beiseite zu lassen und nach einem kleinen 'Imbiss' gegen die Schmerzen, wie geplant meinen besten Freund Uriel zu besuchen.
 

Da ich das vorhatte, machte ich mir selbstverständlich keine große Mühe, ein bestimmtes Opfer auszumachen (ich hatte ja ohnehin noch kein Kriterium zur Auswahl gefunden, da es sich nicht am Status festmachen ließ, wer wie schmeckte), sondern nahm mir den erstbesten Passanten. Wieder wurde der Schmerz in angenehmer Wärme ertränkt.
 

Uriel wohnte etwa fünfzehn Minuten Fußweg von mir, die ich an diesem Abend in knapp fünf Minuten zurücklegte. Dennoch behagte mir die Strecke nicht so ganz... Irgendwer oder irgendwas beobachtete mich, das konnte ich spüren. Nur konnte ich niemanden ausmachen. Ich schenkte dem keine weitere Beachtung... vorerst!
 

Uriel war gerade erst einige Minuten zu hause gewesen, als ich bei ihm ankam.

Er freute sich sichtlich über meinen unerwarteten Besuch, wenngleich er etwas verwundert über die Uhrzeit war. Viel mehr jedoch schien ihn mein bloßer Anblick zu verwundern - beinahe schon zu erschrecken.

Ich hatte zwar keine Probleme ihn zu erkennen, doch er musste seine Augen sichtlich anstrengen, um mehr als meine Silhouette zu erkennen, da wir uns noch vor seiner Haustür befanden. Er zog mich ins Licht.
 

Seit ich ihn kannte, war er mir körperlich stets überlegen gewesen und dennoch konnte ich in diesem Augenblick keine Kraft, keine Überlegenheit von ihm ausgehen merken und hätte ich seinem Wunsch, mich ins Licht zu ziehen nicht einfach nachgegeben, wäre er wohl - selbst mit all seiner Kraft - unmöglich in der Lage gewesen, mich auch nur einen einzigen Millimeter vom Fleck zu bewegen. Ich genoss diesen Augenblick meiner Überlegenheit sehr, da mir davor nicht bewusst gewesen war, dass meine Kräfte überhaupt angestiegen waren.

Uriel hatte mich noch nie (und auch später nie wieder) so angesehen wie nun, im Licht seiner Wohnung... Er machte einige Schritte um mich herum, wobei er mich genau musterte, ganz besonders mein Gesicht.

Mir wurde dabei klar, dass ich mich seit der verhängnisvollen Nacht, in der sich alles geändert hatte, nicht mehr selbst gesehen hatte (Ich wusste zwar, dass meine Eckzähne ungewöhnlich lang geworden waren, aber da mein Mund in diesem Moment geschlossen war, konnte das nicht Auslöser für Uriels... Erstaunen sein!).

Ich schob den - immer noch sprachlosen - Uriel sanft beiseite und ging mit den Worten "Entschuldige mich, bitte!" in sein Bad.

Das Gesicht, welches mich aus dem Spiegel anstarrte, war unverkennbar meines und mir dennoch so fremd, wie kein anderes:

Mein Haar schimmerte, wie Seide - nein schöner noch - es schien das Licht in alle Farben des Regenbogens aufzuspalten, vergleichbar mit einem Prisma. Meine Haut glänzte, unnatürlich wie Porzellan und dennoch so lebendig und zart. Die wenigen Falten, die sich bis zu meinem einundzwanzigsten Lebensjahr abgezeichnet hatten waren nicht mehr auszumachen, meine Augenbrauen schienen frisch gezupft, meine Lippen waren etwas femininer und dennoch kräftiger. Kurzum: Mein Gesicht schien perfekt. Ich war die Skulptur meiner selbst.

Was mich jedoch am meisten faszinierte, waren meine Augen! Sie waren rot, suou-rot und schienen das Innerste meiner Seele - wenn ich so etwas jemals besessen hatte - wiederzuspiegeln. Sie phosphoreszierten und schienen einen leichten Violettschimmer zu besitzen. Ich war zutiefst entzückt.

Uriel schob sich in den Türspalt, sah mich fragend an. Ich erwiderte ihm ein breites Grinsen. Mir war nach tanzen zumute...

Endlich fragte er mich, was denn eigentlich los sei.

"Für meine Erklärung sollten wir uns wohl lieber hinsetzen...", sagte ich ihm, wobei ich auf sein Sofa deutete und peinlichst vermied, ihn meine Eckzähne sehen zu lassen.

Das Licht schmerzte meine scheinbar für die Nacht geschaffenen Augen, darum bat ich ihn, es zu dämpfen. Nachdem wir auf dem Sofa Platz genommen hatten, erzählte ich ihm alles, was mir in den letzten Nächten widerfahren war in chronologischer Reihenfolge und ohne ein Detail auszulassen und immer noch ohne ihm meine unnatürlichen Zähne zu entblößen. Zwar bereitete es mir irgendwie Unbehagen - schnürte mir seltsam die Brust zu, darüber zu reden, doch tat es auch gut!

Ich war durch unsere Unterhaltung oder vielmehr meine Erzählung etwas verwundert, denn Uriel fing weder lauthals zu lachen an, noch bekam er es mit der Angst zu tun. Er hörte einfach nur zu, nickte an der einen oder anderen Stelle verständnisvoll, grade so als habe ich ihm etwas vollkommen Ordinäres erzählt. Das einzige, wovon ich ihm nicht erzählen konnte, waren meine gnadenlose Willkür bei der Wahl meiner Opfer, meine Gleichgültigkeit über deren Tod, sowie diese... Präsens, die mir selbst jetzt noch gefährlich nah schien.

Achja!... Die Präsens! Ich musste noch rausfinden, wer oder was mein 'Begleiter' nun war. Außerdem brannte ich darauf, meine neue Kraft und meine neuen Fähigkeiten auszuprobieren. Ich wollte grade aufstehen und mich auf in die Stadt machen, als Uriel mich durch ein "Warte!" davon abhielt. Ich ließ mich sanft wieder auf sein Sofa fallen und gab ihm durch meinen Blickkontakt zu verstehen, dass er reden konnte, ich würde zuhören.

Obwohl ich während meiner gesamten Erzählung nicht einmal explizit Gebrauch von diesem Wort gemacht habe, sagte er es jetzt: "Vampir!"

Ich zuckte, seltsam berührt, als sei das nicht eh offensichtlich gewesen, zusammen. "Du bist wirklich ein Vampir!", sagte er nun. Ich nickte still. 'Vampir'...hallte es in meinem Kopf... ja, das war ich nun!

Uriels Worte durchbrachen meine Gedanken: "Dann mach mich auch zu einem! Würdest du das tun? Ach was red ich? Du musst einfach! Schließlich sind wir beste Freunde!"

Dieser letzte Satz versetzte mir einen Schlag, der mich in die Knie gezwungen hätte, hätte ich nicht bereits gesessen. beste Freunde... keine Frage, das war er immer für mich gewesen - praktisch seit ich denken konnte, doch nun? Hatte ich so etwas wie beste Freunde, nun da ich nicht länger Teil der Welt der Sterblichen war? Ich könnte ihn wohl sicherlich zu einem Vampir machen, doch sollte ich ihm das antun? Sollte ich der jenige sein, der ihn, der sich als mein bester Freund sah, aus dem Kreislauf von Leben, Tod und Wiedergeburt reißen würde?

Ich war unsicher, ob ich ihm diesen irrationalen Wunsch erfüllen konnte, was mich sehr schmerzte, da ich ihn nur zu gerne weiterhin als besten Freund sehen wollte!

Natürlich hatte ich nicht die Absicht, ihm von diesem inneren Konflikt meinerseits zu erzählen, darum sagte ich ihm nur, dass ich am nächsten Abend wiederkommen würde und dass ich mich nun aufmachen müsse. Er hinderte mich nicht weiter am Gehen, gab mir lediglich zu verstehen, dass er am darauf folgenden Abend das 'dunkle Blut' erwartete...
 

3. II.: Die Ausmaße der Verwandlung
 

Es war gegen ein Uhr nachts, als ich Uriels Wohnung verließ. Ich brannte darauf, meine Grenzen, vor allem aber die neuen Möglichkeiten zu testen, die sich mir eröffnet hatten...

Ich rannte los, aus der Stadt und auf den nahe gelegenen Wald zu. Es war unbeschreiblich: Ich rannte so schnell, dass mein Sichtfeld sich verzerrte und zuerst die Häuser und dann, nachdem ich die Stadt hinter mir gelassen hatte, die Bäume und alles andere wie Streifen an mir vorbei rasten. Meine Reflexe wurden das erste Mal, seit meiner Verwandlung wirklich gefordert.

Als ich an eine Lichtung gelangte, machte ich Halt. Ich schloss die Augen und legte meinen Kopf in den Nacken, atmete tief ein. Nicht, dass ich außer Atem gewesen wäre, ich wollte lediglich die Abendluft genießen, die in dieser Nacht das erste Mal seit Tagen angenehm kühl war. Das Atmen an sich... schien nur ein Luxus zu sein, nicht notwendig zum Überleben...

Ich stand etwa eine viertel Stunde still da, hielt nun den Atem an.

Als mir das nicht mehr reichte und ich ohnehin sicher war, dass ich die Luft auch ewig anhalten könnte, probierte ich etwas anderes: Ich sprang. Mehr nicht! Ich sprang einfach... machte einen Satz. Aber es war ein Sprung, wie ich noch nie gesprungen war. Ich konnte die Lichter der Stadt ausmachen - mitten im Wald. Ich konnte durch die lichten Baumkronen blicken! Das war unglaublich! Ich sprang also aus dem Stand problemlos an die drei Meter hoch... ich begann einfache Salti zu schlagen, dann doppelte, zum Schluss sogar rückwärts, doppelt und dreifach, lies auf diese Art einige Stunden vergehen, nicht gewahr, wie viele es waren, da ich grundsätzlich keine Uhr bei mir hatte. Ich würde das demnächst sicher ändern, aber in diesem Augenblick war die Zeit der, für mich unwichtigste Faktor. Meine Kondition war beinahe göttergleich, aber ich stellte fest, dass ich auch jetzt noch erschöpfen konnte und so lag ich irgendwann einfach nur da - auf dem Waldboden, die Arme ausgebreitet und blickte in den Nachthimmel.
 

Die Sterne begannen schon, zu verblassen und mit dem heller werdenden Morgenhimmel zu verschmelzen. Mich packte bei diesem Anblick blankes entsetzen, was ich nicht verstand.

Plötzlich, völlig unverhofft stand er da - über mich gebeugt und schüttelte den Kopf.

"Du hast keine Ahnung, oder?" maulte er selbstgefällig und irgendwie überlegen. Wer war dieser Kerl?

Er trug einen edlen Anzug, der ein ganzes Vermögen gekostet haben musste, von der Art wie ihn wohl nur Opernsänger oder ähnlich bedeutende Leute tragen würden. Seine Haare waren wasserstoffblond, fast weiß und seine azurblauen Augen waren schwarz umrandet. Außerdem führte er einen schwarzen Spazierstock, mit silbernem Griff, der ebenso schlicht, wie edel war. Unter seinem Anzug ragten weiße Rüschen hervor und er trug ein rotes Halstuch aus Samt oder Seide. Seine Schultern waren mit einem Umhang behangen. Seine Hände waren in weiße Samthandschuhe geschmiegt, was ziemlich warm gewesen sein musste, selbst in dieser relativ kühlen Nacht. Er war, seinem Aussehen nach wohl um die zwanzig Jahre alt.

Er streckte mir seine Hand entgegen. "Steh auf, Welpe! Du musst schleunigst hier weg!"

"Wer bist du und was soll das?", fragte ich fast zornig. Aber mir war klar, wer er war: Er war die Präsens gewesen! Und er war sicherlich kein Mensch, allein schon weil es mich nicht nach seinem Blut verlangte - ich konnte es nicht einmal wahrnehmen.

Ich wies seine Hand unsanft ab und stand auf.

"Was für ein kleiner Sturkopf! Jetzt mach schon hin und folge mir. Ich erklär dir später alles - und ja: Ich bin die 'Präsens', wie du es nennst. Allein deine übermenschliche Neugier sollte genügen, damit du jetzt endlich mitkommst... du bringst uns beide noch in die Urne!", sagte er ungehalten, aber dennoch gelassen, stilvoll.

Ich beschloss, ihm tatsächlich zu folgen. Was konnte er mir schon anhaben?

Ich hatte größte Mühe, ihm folgen zu können so schnell rannte er... und ich wusste, dass er Rücksicht auf mich nahm. Scheinbar hatte ich ihn unterschätzt. Na und - schnell kann jeder sein, das heißt nichts!
 

Er machte - ganz entgegen meinen Erwartungen - in einem ziemlich ärmlichen Viertel Halt. Wir gingen durch eine dreckige, rattenbewohnte Gasse zum Hintereingang eines baufälligen Hauses, welches vermutlich nur noch wegen Denkmalschutz stand und dann eine lange Kellertreppe hinunter. Er öffnete die Tür am Ende und gewährte mir als erstem Einlass. Als ich die Schwelle gerade passieren wollte übermannte mich die Müdigkeit und mir wurde schwarz vor Augen.
 

Als ich die Augen wieder öffnete hatte sich nichts daran geändert: Mir war immer noch schwarz vor Augen. Abgesehen davon fühlte ich mich etwas eingeengt und konnte mich nicht rühren, was mir natürlich Unbehagen bereitete. Ich presste mit all meiner Kraft gegen die Decke, die sich nur etwa zehn Zentimeter über meinem Gesicht befand und schaffte es sogar sie etwas zu bewegen, wenn auch nicht viel. Als ich nachließ, sank sie wieder in ihre ursprüngliche Position zurück. Gerade mal einen halben Zentimeter hatte ich sie bewegen können.

Als ich gerade am Verzweifeln war, bewegte sie sich plötzlich - ganz unverhofft - zur Seite und er stand über mich gebeugt da, lächelte fast menschlich.

"Steh auf! Es ist Zeit... Zeit zu lernen."

Ich richtete mich auf und erkannte meine Unterkunft für den Tag: Es war ein massiver Sarg aus dickem Stein, der Deckel, der eben noch meine Decke gewesen war, war etwa dreißig Zentimeter dick und mit stählernen Verzierungen beschwert. Ein gewöhnlicher Mensch wäre wohl nicht in der Lage, das zu heben.

"Nein, sicher nicht!" sagte er, als habe er meine Gedanken vernommen. "Das ist ja der Sinn und Zweck daran. Tagsüber sind wir ihnen ausgeliefert, wenn wir uns nicht zu schützen wissen."

Ich vernahm seine Worte, sah mich bloß nicht imstande zu antworten. Mein Blick wanderte wie gebannt im Raum umher. Dieser... Keller war einfach riesig und hätte unmöglich zu dem Haus gehören können, welches wir am Morgen betreten hatten. Außerdem war er mit edlen, goldenen Kerzenständern ausgestattet, die den Raum im dämmrigen Licht hielten. Der Boden vermittelte einem - selbst mit Schuhen - das Gefühl, auf einer Wolke zu laufen, denn er war mit dem wohl weichsten roten Teppich ausgelegt, der existierte. An der Wand fanden sich alte Anrichten mit Spiegeln und kleinen Kommoden, sowie ein antiker Kleiderschrank. Einen Kamin gab es auch. "Wo sind wir hier?"

"Wo wir sind?". Er lächelte, "Das ist dir doch bewusst, wenn du ehrlich zu mir und dir selbst bist. Aber das ist ohnehin belanglos - wir bleiben nicht lange."

Während er das sagte, ging er - die Arme hinter dem Rücken verschränkt - zu dem Schrank. Ich stand immer noch regungslos da und sah mich um, sog die vielen Eindrücke, die mir so fremd waren, förmlich auf.

Ohne tatsächlich mit mir zu reden, wies er mich an ihm zu folgen. Ich stutze erneut, machte zögerlich einige Schritte auf ihn und den Schrank zu. Und versteht mich nicht falsch: Ich fürchtete ihn oder die sonderbare Situation, in der ich mich befand, auch die Tatsache, dass er mit mir... sprach ohne seine Lippen tatsächlich zu bewegen nicht im Geringsten. Ich verstand es lediglich noch nicht voll und ganz und das hasste ich! Für mich musste schon immer alles logisch nachvollziehbar sein und davon war das hier weit entfernt! Wieder lachte er, wodurch ich aus meinen Gedankengängen gerissen wurde.

All diese Gedanken! - Ich zuckte zusammen.

Es missfiel mir, dass er es scheinen ließ - nein dass meine Gedanken tatsächlich offen wie ein Buch einsehbar waren, sobald er es wollte.

Er trat jetzt einen Schritt vom Schrank zurück und machte ihn somit frei. "Zieh dir erst mal etwas Vernünftiges an. Alles im Schrank steht zu deiner Verfügung. Ich hoffe darunter findet sich auch solche Kleidung, die deinem Geschmack angemessen ist." Er wies auf eine der Anrichten: "Außerdem findest du in dieser Kommode Schmuck und etwas Geld, das du ebenfalls ganz nach deinem Ermessen nutzen kannst. Ich werde vor der Tür auf dich warten."

Nachdem er den Raum verlassen hatte, öffnete ich eine der drei Schranktüren und was ich sah, versetzte mich in Entzücken: Dieses Schrankdrittel war voller Hemden. Schlichte schwarze, weiße mit Rüschen, Hemden aus gewöhnlichem Stoff, Hemden aus Satin,...

Für einen Außenstehenden musste ich wie hypnotisiert ausgesehen haben. Nach einer Weile entschied ich mich für ein rotes aus Satin. Es passte nahezu perfekt und ich liebte seine Sanftheit auf meiner Haut. In den anderen Schrankteilen fand ich Shirts, für die ich mich nicht weiter interessierte und Hosen, von denen ich mir eine schwarze mit "normalem" Schnitt anzog. Danach machte ich mich an, die Kommode zu durchstöbern: In der ersten Schublade waren diverse Ketten, Ringe und Armbänder. Silber

Ich zögerte... Was war dran, an den Vampirgeschichten?

Als ich schließlich eines der Armbänder nahm passierte jedoch nichts.

Ich nahm mir also ein silbernes Armband für mein linkes Handgelenk, zwei Ringe - jeweils einen pro Ringfinger und eine Halskette, die mir besonders zusagte. Als ich in die zweite Schublade schaute, traute ich meinen Augen kaum, da sie fast bis zum Rand mit Geldscheinen gefüllt war. Das war es, was er unter 'etwas Geld' verstand?

Ich steckte mir einige Scheine in die Taschen und verließ dann den Raum.

Mein noch namenloser Wohltäter stand geduldig an die Wand gelehnt da, mit den Armen vor seiner Brust verschränkt. "Also können wir jetzt..."
 

3. III.: Die Lehre beginnt
 

Wir gingen die lange Treppe, die ich noch vom Morgen in Erinnerung behalten hatte hinauf und traten durch die Tür am Ende tatsächlich in den Hinterhof über den wir gekommen waren. Diesmal ging er jedoch nicht durch die Gasse, wie am Morgen zuvor sondern machte einen Satz auf den Absatz der Feuerleiter und ging nach oben. Ich tat es ihm gleich. Das Haus war klein - gerade mal zwei Stockwerke hoch, doch hatte man einen relativ guten Ausblick und ich konnte das geschäftige Treiben unzähliger Ahnungsloser Menschen beobachten. Ich leckte mir die Lippen, da ich den Geschmack des süßen Lebensnektars schon förmlich auf meinen Lippen schmecken konnte.

"Sie sind köstlich, nicht wahr? Daran wird sich niemals etwas ändern. Blut hat keinen Geschmack, an den man sich gewöhnen kann. Aber wir sind nicht nur hier um zu jagen."

Ich nickte leicht, wandte meinen Blick jedoch nicht von den wandelnden Blutkonserven.

"In erster Linie bist du hier um zu lernen. Zum Beispiel willst du sicher wissen, woher deine Schmerzen kommen und wie du sie loswirst, nicht wahr?" fuhr er fort. Jetzt konnte ich nicht anders, als ihn anzusehen. Meine Augen wurden größer, als ich das gehört hatte, denn diese Schmerzen waren seit meiner zweiten Geburt das schlimmste, was ich kannte und auch in diesem Moment quälten sie mich noch.

Ich wurde ungeduldig. "Sag es mir! Ich muss es wissen! Wenn ich diese Schmerzen erst los bin, bin ich vollkommen!"

Wieder lachte er.

"Der Trick ist einfach: Töte deine Opfer nicht beim Trinken! Totes Blut verträgt dein Körper nicht. Das ist alles. Natürlich darfst du sie nach dem Trinken gerne töten oder einfach verbluten lassen, aber das ist auch nicht unbedingt nötig: Wenn du in Maßen trinkst, nämlich so, dass deine Opfer nicht daran sterben, erinnern sie sich danach an nichts und die Wunde verheilt innerhalb von Sekunden, wenn du etwas von deinem eigenen Blut auf die Wunde tropfst."

Ich kann nicht sagen, dass mich diese Worte sonderlich interessierten, da es mich nicht wirklich kümmerte ob meine Opfer lebten oder starben, allerdings wäre es auf Dauer wohl ratsamer, behutsam vorzugehen und dass ich in der Lage war, dieser schrecklichen Schmerzen Herr zu werden, waren allerdings verlockende Aussichten. Ich gab ihm durch ein Nicken zu verstehen, dass seine Worte Eingang in mein Gehör gefunden hatte und machte sofort einen Satz vom Dach, nachdem ich mir ein Opfer auserwählt hatte.
 

Es war eine junge Frau, um die fünfundzwanzig Jahre. Ich landete hinter ihr und sie drehte sich erschrocken um. Wir befanden uns nicht grade in einer freundlichen Gegend und ich konnte in ihrem Gesichtsausdruck Angst ablesen. Ich hatte all diese schöne Kleidung und dennoch fürchtete sie sich vor mir, wie vor einem gewöhnlichen Handtaschenräuber. Es beleidigte mich und dennoch amüsierte es mich.

Ich legte den Zeigefinger auf den Mund.

"Du musst keine Angst vor mir haben." Ich guckte ihr tief in die Augen und ging auf sie zu. Sie war nicht in der Lage, sich von der Stelle zu rühren und als ich direkt vor ihr stand, schloss sie die Augen. Eine Träne rollte über ihre Wange. Keine Angst hauchte ich auf ihren Hals, bevor ich meine Eckzähne in sie grub. Wieder der Gong, wieder schoss diese himmlische Süße meinen Hals hinunter, wieder schien die Welt um uns sich aufzulösen, und ich trieb schwerelos in angenehmer Wärme, begleitet durch sinnliches Kribbeln. Es glich - wie jedes Mal - einer Ekstase und als der Gong fast abgeklungen war und die Realität wieder begann, mich zu umgeben, ließ ich von ihr ab. Ich leckte über die Wunde, biss mir dann auf die Zunge und lies einige Tropfen meines unsterblichen Blutes auf die Wunde tropfen. Sofort schloss sie sich, doch... sie war tot. Ich hielt sie in meinen Armen und war mehr wütend als alles andere. Ich blickte auf das Dach, doch es war leer. Er stand bereits hinter mir. "Du hast die Grenze überschritten. Du musst noch lernen, wo sie liegt." Ich drehte mich zu ihm um, die Leiche immer noch in meinen Armen. "Aber ich habe von ihr abgelassen, bevor sie tot war! Warum ist sie gestorben?"

Er lachte - Ich hasste es, wenn er lachte!

"Du bist wie ein Kind! Wie soll sie denn leben, wenn sie nur noch einen halben Liter Blut in sich hat? Sie musste sterben, weil du kein Maß der Dinge hast. Du stellst dir alles zu einfach vor. Du musst genügsamer sein und dein Körper braucht ohnehin bei weitem nicht die Unmengen Blut, die du trinkst. Aber zumindest hast du diesmal kein totes Blut getrunken."

Ich warf ihm die Leiche entgegen und ging in die entgegengesetzte Richtung. Entgegen meinen Erwartungen, verfolgte er mich nicht, was mir nur zu recht war. Als ich jedoch mein nächstes Opfer gefunden hatte, wusste ich dass er mich wieder beobachtete. Ich ließ etwas früher von meiner Beute ab, als zuvor und wieder hatte ich übertrieben. Es missfiel mir mehr und mehr, mitten in der Ekstase des Trinkens von meinen Opfern ablassen zu müssen, ganz davon ab, dass es mir höllisch schwer fiel.
 

Dann durchzuckte es mich: Uriel!

Es war bestimmt schon um die drei Uhr nachts. Ich hatte mein Versprechen, ihn aufzusuchen gebrochen. Aber das würde ich gleich am nächsten Tag nachholen.

Tag? Ist dir etwa immer noch nicht klar, was du bist, Welpe?

Schon wieder dieses rechthaberische Getue und die Unverschämtheit, meine Gedanken zu lesen! "Was bin ich denn, bitte? Ein Vampir, na und?" Und wieder lachte er. Zorn kochte in mir auf. "Und hast du noch nie einen Vampirfilm gesehen, Möchtegern-Daywalker? Du kannst nicht im Sonnenlicht rumspazieren. Was glaubst du, warum du in einem Sarg aufgewacht bist? Das ist der nächste Teil deiner Ausbildung: Einige der dämlichen 'Fakten' aus den Filmen und Romanen sind nämlich durchaus wahr. Allerdings längst nicht alle. Du musst also keine Angst vor Knoblauch haben, außer wenn dir der Geruch missfällt. Und Kreuze, Weihwasser, Silber und was den Spinnern sonst noch so einfällt - harmlos! Pflöcke - nicht gefährlicher als Dolche! Aber das Sonnenlicht und Feuer sind tödlich! Und wenn du nicht in einem Sarg schläfst, leidet deine Kraft darunter."

Gelangweilt nickte ich. "Außerdem solltest du dir eine Uhr besorgen. Es ist nicht drei sondern kurz vor fünf, was bedeutet, dass wir zurück zur Gruft gehen sollten."

Ich hatte keine Lust auf weitere Diskussionen mit dem Besserwisser und so folgte ich ihm zur Gruft, wie er es nannte. Als ich ihn unterwegs fragte, wie ich weitere Vampire schaffen kann, lachte er und erzählte mir nichts. Ich begann ihn mehr und mehr zu hassen, doch wollte ich lernen, was er mir zu sagen hatte, also blieb ich bei ihm - vorerst.
 

In der Gruft versuchte ich meinen Sarg zu öffnen, doch ich schaffte es nicht. Grade mal zehn Zentimeter hatte ich den Deckel bewegt, wenn überhaupt. Plötzlich bewegte er sich, ging auf. Der Kerl hatte ihn scheinbar Kraft seiner Gedanken bewegt. Ich legte mich hin und der Sarg schloss sich. Mein Leben lag in seinen Händen. Ich hasste es. Ich hasste zu dieser Zeit viel, wie mir klar wurde.

Es dauerte noch etwa eine Stunde bis ich einschlief. Auch dieses Mal träumte ich einen Traum, der sich jeder Beschreibung, jeder sterblichen Erfahrung entzog und wieder würde ich nicht in der Lage sein, mich am folgenden Abend an den Inhalt zu erinnern.

Liebe

Am folgenden Abend war ich wieder auf den Klugscheißer angewiesen um meinen Sarg verlassen zu können. Mich störte, dass er scheinbar ein Langschläfer war, denn ich lag über eine Stunde da und versuchte den Deckel zu bewegen. Als er den Sarg dann endlich geöffnet hatte, ging ich an ihm vorbei und blockte seine ersten Worte mit einem "keine Zeit, ich habe zu tun" ab. Ich wollte immerhin zu Uriel, wie ich es ihm versprochen hatte. "Und heute will ich nicht beobachtet werden oder sonst was. Ich will diese Nacht ohne dich verbringen!"

Keine Antwort.

Ich ließ ihn und die Gruft hinter mir und rannte zu Uriel. Als er mir die Tür öffnete, entschuldigte ich mich bei ihm, bevor er irgendwas sagen konnte, dafür dass ich am Abend davor nicht gekommen war und ihn damit warten ließ. Er begrüßte mich.

"Wo warst du denn bloß? Ich war auch bei dir und du warst nicht zuhause. Aber komm erst mal rein." Ich ging an ihm vorbei, in sein Wohnzimmer. Er möchte sicher nichts trinken, was ich da habe. Ich hörte seine Gedanken. Ein Lächeln zeichnete sich auf meinen Lippen ab. Nachdem er sich gesetzt hatte, erklärte ich ihm alles von... ihm - verdammt, ich kannte nicht mal seinen Namen - und der letzten Nacht. Leider musste ich ihm auch klar machen, dass ich noch nicht wusste, wie ich ihn unsterblich machen konnte. Ich war mir inzwischen jedoch sicher, dass ich ihn zu einem Vampir machen würde. Wir unterhielten uns noch eine ganze Weile, bevor er dann 'meine' Gruft sehen wollte. Ich musste ablehnen, allein schon weil der Klugscheißer sicher abgeschlossen hatte. Abgesehen davon wollte ich ihm den Typen nicht zumuten und der hätte es wiederum nicht gutgeheißen, wenn ich einen sterblichen mitgebracht hätte.
 

Gegen drei verließ ich Uriel, da ich auch noch jagen musste. Als ich vor seiner Tür stand und diese hinter mir ins Schloss fiel, vernahm ich für den Bruchteil einer Sekunde ein Gefühl, wie eine Wolke. Ein himmlisch süßer Duft umfing meine Nase und ich hörte eine Stimme, so engelsgleich wie keine andere. Dann war es wieder weg und die ganze Nacht, während ich jagte, versuchte ich, dieses Gefühl noch einmal zu erhaschen, vielleicht zu erahnen wo der Ursprung war, doch vergeblich.
 

Diese Nacht kam ich äußerst unzufrieden in der Gruft an. Ich redete nicht mehr als nötig mit dem Klugscheißer und ging früh schlafen. Es war seit meiner Verwandlung das erste Mal, dass ich mich wenigstens an Bruchstücke meines Traumes erinnerte: Ich träumte von der Sonne. Von saftigen grünen Gärten und einem Bach. Ich träumte von einem warmen, wohligen Licht, dass mir... unbeschreibliches Wohlbefinden vermittelte und noch soviel mehr, dass sich nach wie vor jeder Beschreibung entzog. Bei Anbruch der nächsten Nacht, fragte ich den Klugscheißer schließlich nach seinem Namen. Er lautete 'Patrice', ein Name um den ich ihn nicht besonders beneidete. Für mich war er weiterhin nur der Klugscheißer, soviel war klar. Allerdings hatte ich diese Nacht nichts dagegen, wenn er mich begleitete – es war mir egal um genau zu sein, da ich so oder so nichts Besonderes vorhatte. Ich jagte, und warf förmlich mit Geld um mich. Ich ließ mir die Haare schneiden, obwohl mir Patrice ausdrücklich davon abriet, ich ließ mir meinen Namen auf Japanisch auf die Brust tätowieren (wogegen er seltsamerweise nichts hatte) und ich bestellte in einem China-Restaurant mein Leibgericht nur um die zwei Happen, die ich nahm auf der Toilette blutig auszukotzen. Alles in einem war es eine amüsante Nacht, weil ich mich in einer Tour über den Klugscheißer hinwegsetzte und er in seiner

Machtlosigkeit nahezu verzweifelte.

Ansonsten verbrachte ich die Nacht mit der Jagd. Am nächsten Abend wurde mir klar, warum er mir vom Friseur abgeraten hatte: Meine Haare waren wieder auf ihre volle Länge angewachsen, lag sogar exakt wie zuvor. Er sagte mir in seinem typisch-rechthaberischen Ton, dass ich mich daran gewöhnen müsste und das normal wäre. Ich verbrachte viele Nächte auf diese Art: Haute Geld auf den Kopf und jagte. Einmal gelang es mir sogar, dass eines meiner Opfer überlebte, aber der nächste starb schon wieder in meinen Armen. Langsam betrachtete ich das beinahe auch schon wieder mit Gleichgültigkeit, da die bestialischen Schmerzen, die mich zuvor immer gequält hatten, wirklich nicht mehr heimsuchten.

Was ich in all den Nächten nie wieder wahrnahm, waren dieser himmlisch süße Duft, sowie die Engelsstimme. Dennoch konnte ich weder das Eine noch das Andere vergessen.
 

Das verlief noch bis zum 18. August so ähnlich. Es war ein Samstag. Ich saß gerade in einer kleinen Kneipe, die mehr Restaurant als Kneipe war (ich glaube, der Name war ‚Kanapee’, was durchaus passte: Zahllose gemütliche Sitzecken, Gerichte die der Besitzer selbst kochte, Billard, Dart, Musik nach Wahl, wenn auch nicht von einer Jukebox, sondern einem Computer, sowie zahllose nette Gesichter, die hier scheinbar täglich eingingen) und trank von einer jungen Blondine, die ich eingeladen hatte, als ich sie hörte: diese Stimme!

Ich blickte mich um und sah, wie gerade noch die Tür zufiel. Ich legte deutlich zuviel Geld auf den Tisch, da ich keine Zeit zum Zahlen hatte und eilte durch die Tür nach draußen. In der frischen Abendluft schwebte dieser verführerische Duft, der mir schlaflose Tage bereitet hatte. Ich sog ihn in mich auf, versuchte mir jede Einzelheit, jede Eigenart einzuprägen, konservierte den Duft förmlich in meinem Gedächtnis, doch ich konnte niemanden sehen, konnte den Ursprung nicht ausmachen, so sehr ich auch suchte. Ich hörte die Stimme in dieser Nacht noch zwei Male, einmal so nah, dass ich dachte sie wäre direkt vor meiner Nase, doch das war sie nicht.

Jetzt konnte ich das erst recht nicht ignorieren. Ich suchte jede Nacht nach ihr, vernahm sie immer wieder, bis ich eines Nachts ein Gesicht sah... na ja nicht tatsächlich sah, sondern eher vor meinem inneren Auge wahrnahm. Es war ein Mädchengesicht, höchstens so alt wie ich selbst, aber von solcher Schönheit, dass ich stutzte. Ich versuchte mir in dem Bruchteil, der Sekunde in dem ich es erhaschte, so viele Details wie möglich einzuprägen. Es war vollkommen. Die dunklen Haare saßen perfekt – eine Strähne hing ihr ins Gesicht und ein Zopf über ihre Schulter. Und ihre Augen – sie waren blau oder grün oder etwas ähnliches – drückten Reife und Ehrlichkeit aus. Ihre zarten Lippen waren von Lippglosse angehaucht und ihre Wimpern waren so sanft, dass sie ebenso gut aus feinster Seide hätten sein können. Abgesehen davon habe ich niemals eine schönere Stirn gesehen. Wie mich so etwas Schlichtes wie eine Stirn doch so faszinieren konnte. Ich war verliebt. Verliebt in eine Person, die ich noch nie tatsächlich gesehen hatte – außer natürlich in meinen Gedanken, für den Bruchteil einer Sekunde.
 

Einige Nächte darauf, als ich allein unterwegs war, weil der Klugscheißer jagen musste und es vorzog, das allein zu tun, wurde ich wieder von einem Vampir beobachtet. Allerdings war der Versuch im höchsten Maße lächerlich: Ich war inzwischen schon relativ geübt darin gezielt Gedanken zu lesen, sowohl bei den Sterblichen, die mich umgaben, als auch bei Patrice (wenn auch sehr selten) und meine Gedanken entsprechend einigermaßen vor ihm zu verbergen, aber der Kerl der mich jetzt beobachtete verriet sich voll und ganz. Ich sah ihn nicht als Bedrohung, da er mir unterlegen war und mich eh nur beobachten wollte. Ich faszinierte ihn, mit meiner edlen Kleidung und der Schnelligkeit und Anmut, mit denen ich mich inzwischen bewegte. Sollte er mich doch beobachten, ich sah ihn als so etwas wie einen Fan, was es recht gut traf, da ich unglaublich überlegen auf ihn wirkte, das verrieten mir seine Gedanken.

Und sie verrieten mir noch soviel mehr:
 

Sein Name war Sascha und es war seine zweite Nacht als Vampir. Im Gegensatz zu mir quälten ihn nicht die Schmerzen, die ich anfangs erleiden musste, da er noch nichts getrunken hatte. Er konnte es einfach nicht übers Herz bringen, Unschuldige zu töten.

Wie mich das amüsierte!

Ich konnte sogar genau sagen, wo er sich grade befand. Jetzt wusste ich, wie sehr Patrice diese Überlegenheit genossen haben musste. Ich ließ den kleinen Sascha, der übrigens mit vierzehn seinen letzten Atemzug getan hatte, nicht merken, dass ich von ihm wusste.
 

Ich jagte, mit einer Freude, wie ich sie lange nicht bei der Jagd gespürt hatte – wenn überhaupt schon mal. Ich ließ es nicht an Stil mangeln, verführte meine Opfer mit all dem unsterblichen Charme, den ich auffahren konnte und Sascha vergötterte mich dafür förmlich.

Ich war vollkommen in meinem Element, als ich wieder ihren Duft vernahm. Er war so schwach, dass er auch ein Wunsch meiner hätte sein können, aber Sascha vernahm ihn auch – stärker noch als ich, was mich verdutzte. Ich blickte zu dem Dach auf dem er saß und ihm direkt in die Augen, mehr Reflex als alles andere, weil ich es nicht begriff, dass er einen so schwachen Geruch wahrnehmen konnte, ohne ihn zu kennen, in einer solchen Stärke, dass es mich wahrscheinlich um den Verstand gebracht hätte. Er erschrak nichtschlecht, als ich ihn mit aufgerissenen Augen ansah und rannte so schnell er nur konnte über die Dächer. Und wieder verwunderte er mich: Er rannte kaum schneller als ein Sterblicher, was gemessen an der Dunklen Gabe langsam war.

Doch für den Augenblick hatte ich das Interesse an ihm verloren. Ich wollte sie endlich finden. Es verlangte mich so stark nach ihr, wie ich es sonst nur von der Vitae der Sterblichen kannte. Ich schloss die Augen und konzentrierte mich auf den Geruch, so lange bis ich mir der Richtung gänzlich sicher sein konnte und der Geruch deutlicher wurde. Als ich näher kam, hörte ich wieder ihre Stimme und ich wollte sie für mich haben, diese Sirenengesänge jede Nacht hören und mich von ihnen in Verzückung versetzen lassen! Es kam annähernd einer Besessenheit gleich. Ich bog hastig um eine Häuserecke und rannte in sie, von all den Menschen hinein. Tracy
 

Für den Bruchteil einer Sekunde, unkontrolliert wie ein Welpe, las ich ihre Gedanken. Ich wollte sie nicht ihres gedanklichen Guts berauben, fand dass es sich nicht schickte, darum kniff ich die Augen zusammen und unterdrückte ihren Gedankenstrom. Was ich erfahren hatte, waren ihr Name, die Tatsache, dass sie einen Freund hatte, ihre Adresse und dass sie mich wegen dem Anrempeln für einen perversen oder einen Dieb hielt. Sie hatte mich noch nicht gesehen.

Ich öffnete meine Augen und sie blickte langsam zu mir auf. Als unsere Blicke sich trafen, fühlte ich mich lebendiger, als ich es im Leben je getan hatte. Ihre Augen schimmerten so wunderschön, dass ich mich wieder an jene wunderschönen Himmel erinnerte, die man nur tagsüber sieht. Sie war so viel schöner, als das aufflackernde Bild von ihr, in das ich mich so unsterblich verliebt hatte und ich wollte sie - mehr als jemals zuvor etwas - für mich haben. Ihr Blick wandelte sich als sie mein Gesicht gesehen hatte und obwohl ich ihre Gedanken bewusst nicht las, wusste ich dass jegliche Befürchtung, ich sei ein Dieb oder ein Perverser von ihr abgefallen waren. Sie lächelte und für mich ging das erste Mal seit über einen Monat wieder die Sonne auf. Ich half ihr schnell auf die Beine. Sie war äußerst schlicht gekleidet, aber selbst das wirkte irgendwie... erhaben. Ich wollte sie noch nach hause begleiten, doch sie lehnte ab. Sie wollte nicht nach hause, sondern zu ihrem Date. Ich entschuldigte mich wieder und wieder und sie versicherte wieder und wieder, dass es nicht schlimm sei. Dann ging sie und ich stand – völlig überwältigt und gleichzeitig hilflos – da. Ich war mir sicher, dass ein Wesen – sterblich oder unsterblich – nicht mehr Liebe hätte ertragen können, als ich es gerade tat. Das war zugegeben übertrieben, aber ich liebte sie.
 

Ich begab mich in die Gruft, da ich mich außerstande sah, noch zu jagen. Nachdem ich etwa eine Stunde nur im Kreis gelaufen war, wieder und wieder mit Tracys Gesicht vor Augen, verließ ich die Gruft noch einmal, auf der verzweifelten und dringlichen Suche nach Ablenkung. Ich begab mich vorrangig in jene Viertel der Stadt, welche mir noch unbekannt waren, da dieses, so dachte ich, die größtmögliche Ablenkung darstellte. Ich lag damit nicht falsch, denn ich fand einen stadtbekannten Verrückten, der von Vampiren und derlei faselte. Er war ein alter, harmloser Obdachloser, den jeder wegen seiner Geschichten als Spinner abgestempelt hatte. Ich allerdings – selbst unsterblich geworden – fand Interesse in seinen Erzählungen und beschloss ihm meine verbleibende Zeit dieser Nacht zu widmen. Und was er mir erzählte, faszinierte mich in der Tat, denn erzählte mir von einem Vampir.

Nicht irgendeine unglaubwürdige, langweilige Geschichte über irgendeinen Vampir, sondern er erzählte mir von einem mächtigen, alten Vampir. Und das er die Wahrheit sagte konnte ich in seinen Gedanken ablesen.

Zwar übertrieb er mit seinen Erzählungen Maßlos und behauptete zu Unrecht, dass er einst sein Mitstreiter - ja sogar sein Lehrmeister - gewesen sei, sodass mich die Frage beschlich, ob der billige Alkohol oder seine noch billigeren Lügen mehr stanken, doch stimmte zumindest der Kern der Geschichte.

Er konnte mir auch noch sagen, wo der letzte Aufenthaltsort dieses Vampirs, der im Übrigen Gabriel hieß, war.

Ich hatte, was ich brauchte... die Nachricht über einen solchen Vampir erfreute mich natürlich ungemein, da ich des Klugscheißers mehr als überdrüssig war.

Immer noch in Gedanken an meine neugewonnene große Liebe, machte ich mich auf den Weg zurück in die Gruft...

Die Reise

5. I.: Die Suche beginnt
 

Am nächsten Abend war ich bereits auf den Beinen, als nur wenige trübe Lichtpunkte am Firmament zu sehen waren und die letzten Sonnenstrahlen noch die Spitzen der Dächer kitzelten und die sonst so kalten Häuserfassaden in ein warmes angenehmes Licht tauchten. Es lag inzwischen ein leicht herbstlicher Duft in der Luft und ich sog ihn tief in mich auf. Der Duft von sich langsam verfärbenden Blättern, angenehmer Wärme und vom Regen, der am Tage wohl gefallen war umschmeichelte mich und verschaffte mir ungeheures Wohlbefinden.

Um diese Uhrzeit war es geradezu ausgeschlossen, dass Patrice wach war.

Und das war es auch, was ich wollte: Auf seine 'Lektionen' konnte ich gut und gerne verzichten und auch über meinen Aufbruch musste er nicht unbedingt bescheid wissen. Aufbruch darum, weil ich vorhatte diesen Gabriel zu finden. Und ich wusste sogar, wo ich anfangen würde: Der Alkoholiker, der mir die Geschichte erzählt hatte, hatte in seiner Erzählung erwähnt, dass Gabriel zuletzt in Frankreich, Guadeloupe gesehen worden war. Dahin würde mich meine Reise führen.

Dank dem Klugscheißer hatte ich ja ausreichend gute Kleidung, Schmuck und genügend Geld zu meiner Verfügung. Welche Ironie, dass ausgerechnet er mir half, ihn loszuwerden!

Vorher musste ich mich selbstverständlich noch von Uriel verabschieden. Ich beschloss, dies in schriftlicher Form zu tun, da ich ihn andernfalls kaum davon hätte abbringen können, mich zu begleiten und ich hatte vor, diese Reise allein zu tätigen.

Ich hinterließ ihm also einen Brief in seiner Wohnung - ich wusste, dass er um diese Uhrzeit noch beim Krafttraining in seinem Studio war. Ich teilte ihm mit, dass ich verreisen müsse und dass ich eine Weile weg sein würde, allerdings keine genauen Details über mein Reiseziel oder meine Gründe. Anschließend begab ich mich zum Bahnhof um mit dem Zug zum Flughafen zu gelangen. Natürlich konnte ich mir ohne Probleme den Flug leisten und so saß ich wenig später schon im Flugzeug. Nach dreieinhalb Stunden Flug, die glücklicherweise nachts stattfanden, erreichte die Maschine sicher ihr Ziel. Ich wartete geduldig, bis alle anderen Passagiere ausgestiegen waren, da ich den Flieger als letzter verlassen wollte. Das war im Übrigen mein erster Flug und hätte ich nicht die Unsterblichkeit erlangt, hätte ich dieses Unterfangen niemals auf mich genommen, denn wir befanden uns inzwischen im Oktober und wie Sie sicherlich wissen, haben in besagtem Jahr, nur einen Monat zuvor, die Terroranschläge auf das World Trade Center stattgefunden, die die Welt erschütterten. In diesem Zusammenhang wundern mich übrigens zwei Dinge:

Als ich so kurz nach dieser Katastrophe geflogen bin, war meine Maschine voll besetzt, es schien sich niemand zu kümmern. Und was mich viel mehr wundert ist, dass heutzutage zwar jeder mit den Begriffen 11. September und Terroranschläge etwas anfangen kann, aber ansonsten keiner mehr daran denkt. Beides zeigt mir in erschreckendem Maße, wie Dumm die Menschen eigentlich sind. Ich hatte diese bedauernswerten Kreaturen schon immer gehasst und nun konnte ich stolz sein, keiner mehr von ihnen zu sein!

Fühlen Sie sich nun bitte nicht persönlich angegriffen, sollten Sie ein Mensch sein - Ausnahmen bestätigen bekanntlich die Regel und solange Sie nicht grade Politiker sind, haben Sie sicherlich einen 'guten' Kern, mit eben diesem 'Ausnahmecharakter'.
 

Doch zurück zu meiner Erzählung. Unmittelbar nach meiner Landung, musste ich mich jedenfalls als allererstes um ein Quartier für die 'Übertagung' kümmern und da ich finanziell keine Probleme hatte, beschloss ich, das richtig auszukosten.

Ich fuhr deshalb mit einem Taxi zur nächsten Bank, denn amerikanische Dollar würden mich hier nicht viel weiter bringen. Den Taxifahrer wies ich an, vor der Filiale zu warten.

Es ist übrigens äußerst amüsant, wie ich auf meinen Reisen feststellen durfte, im Ausland Taxi zu fahren, denn fast überall auf der Welt hat man eine größere Chance einen Fahrer zu erwischen, der englisch spricht, als in den Amerikanischen Großstädten, wo die Fahrer Namen, wie 'Akhbar' haben. Ich hatte mit diesem hier jedenfalls das Glück, dass ich ihn und, was noch viel wichtiger war, er mich verstand. Ich konnte nicht darauf hoffen, dass es mir hier mit jedem so gehen würde, also musste ich mir etwas überlegen, auch wenn ich ohnehin nicht vorhatte, viele soziale Kontakte zu knüpfen...



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Kommentare zu dieser Fanfic (56)
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Von:  vampireMiyu
2009-01-23T14:29:28+00:00 23.01.2009 15:29
Also. Das erste kapitel gefällt mir jetzt noch viel mehr als der Prolog! Der Stil ist zwar ein wenig anders, aber man kann sich besser hineinfühlen, auch die Irritaion, die den Durst betrifft, hast du sehr gut hinbekommen! Respekt *keks schenk*
Ansonsten, ist es mir ein wenig zu kurz, aber wenigstens etwas ^.~
Die nächsten Kapitel lese ich mir dann auch alles mal durch x3
Von:  vampireMiyu
2009-01-22T18:56:02+00:00 22.01.2009 19:56
Alsooooo. Ich habe den Prolog nun gelesen und muss sagen, dass er mir außerordentlich gut gefällt. Der Schreibstil ist sehr flüssig und weckt Interesse in dem Lesen, auch sind kaum Rechtschreibfehler zu finden, was sehr positiv zu sehen ist ^^
Ich habe zwar jetzt keine Zeit, freue mich jedoch schon die nächsten Kapitel zu lesen *o*
Von:  Aluca
2008-07-17T15:07:04+00:00 17.07.2008 17:07
So, jetzt habe ich alle Kapitel gelesen! ^^
Du hast wirklich einen sehr sauberen (keine Grammatik- und Rechtschreibfehler) und flüssigen Stil, der sehr angenehm zu lesen ist. Meiner Meinung nach müssten die vielen Auszeichnungen (fett, kursiv) nicht sein, aber auch das gehört natürlich zu deinem Stil.
Ich finde es gut, dass du dich im Bezug auf die vampirischen Eigenschaften so stark an Anne Rice orientierst (nicht so wie in einer gewissen Moonlight-Serie auf Pro7, in der die Vampire fröhlich in der Sonne herum spazieren können <_<'')

Über einen Hentai-Beitrag bei meinem WB würde ich mich wirklich sehr freuen, du hast auf jeden Fall gute Chancen! ^_^
Von:  Aluca
2008-07-16T17:20:09+00:00 16.07.2008 19:20
So, hab jetzt mal das erste Kapitel bzw. den Prolog gelesen und er gefällt mir richtig gut. Die leichte Ironie, mit der Michael seine Geschichte beginnt, ist wirklich klasse. Vor allem als er über sein Alter redet XDD
Man merkt, dass Anne Rice dein Vorbild ist, allerdings ist dein Stil moderner und lockerer, das finde ich sehr schön zu lesen.

Morgen werde ich mir dann den Rest der FF reinziehen ^^
Von: abgemeldet
2007-12-10T12:52:37+00:00 10.12.2007 13:52
Ich habe mich richtig in die Story versetzt und es war als wäre ich mit dabei gewesen.
Ich habe mir die Umgebung vorgestellt und hatte alles bildlich vor Augen.
Fastzinierend fand ich die Stelle wo du beschrieben hast wie ihm das Blut die Kehle hinuntergelaufen ist.
Also ich finde das man sich in die Story gut hineinversetzen kann und es macht Spaß sie zu lesen.Der Typ gefällt mir auf jedenfall und ist mir iwie recht sympathisch.
Er hat so eine interessante Art an sich das ihn iwie sexy macht.
Von: abgemeldet
2007-12-07T16:41:22+00:00 07.12.2007 17:41
Einfach der wahnsinn wie du schreibst.
Ich weiß nicht was ich dazu sagen soll bzw. wie ich anfangen soll.
Dieser Vampir oder besser gesagt Michael, gefällt mir von seiner Art zu reden sehr gut.
Ich finde er wirkt etwas kühl und das gefällt mir an ihm.
Das macht ihn nämlich irgendwie interessant.
Bei einem Satz hatte ich wieder Probleme ihn zu verstehen.
Bei dem hier:
Er war selbst noch ein Welpe und er hatte keine Ahnung. Er hatte in dieser Nacht bereits einige Opfer 'gerissen' - unvorsichtig - hatte ihre Leichen einfach liegen gelassen, wo sie ihm zum Opfer gefallen waren und hätte ihm nicht jemand erzählt, dass etwas großartiges geschähe, wenn er einem Opfer nach dem Mahl von seinem Blut gäbe, wäre es mir ebenso ergangen.
So was meine ich mit zu langen Sätzen.
Aber mir gefällt die Story und ich werde sie auf jedenfall weiter lesen.
Von: abgemeldet
2007-08-10T21:59:21+00:00 10.08.2007 23:59
so lang... ._.''' Aber ich habe mich durchgequält! HA! Wenn man es denn quälen nennen kann (naja, nicht wirklich, denn sonst hätte ich wohl aufgehört, wa?).
ES ist noch immer sehr interessant, scheiß Cliffhanger (ich mag die nicht, ich will gleich das nächste lesen, aber es ist schon so spät. Du doofes du du |D) und langsam kriege ich die Befürchtung, dass du doch erfolgreicher wirst als ich. Scheiße... >___>''' Naja, ich krieg ja was vom Geld ab, ne? : D *morgen weiter lesen geh*
Von: abgemeldet
2007-08-04T20:36:28+00:00 04.08.2007 22:36
Nicht einmal viele RFs machst du *neid* T__T
Sehe keine, deine Grammatik ist gut, die Wortwahl ebenfalls und passend gehoben, aber doch irgendwie sympatisch und nicht kalt.
Es ließt sich flüssig und angenehm. Imemr schön geschmeidig bleiben XP!!
Auch, wenn ich heute nicht mehr lesen werde, ich denke, ich werde dran bleiben ^-^
Von: abgemeldet
2007-08-04T20:29:26+00:00 04.08.2007 22:29
Soll ich erhlich sein. Es ist sehr geil. Es gefällt mir mehr als der Prolog noch. Schön fesselnd teilweise geschrieben. Ich hoffe, dass es sich noch weiter steigern wird ^-^ *weiter lesen wird*
Vielleicht, wenn es noch besser wird, hassu mal n kleinen Fan in mir gefunden <3'
Ist sowas nich fein? *ugly* '_'
Und spannend ist es. Mal schauen, was der Plot jedoch sein wird. ^^
Von: abgemeldet
2007-08-04T16:20:34+00:00 04.08.2007 18:20
Zitat: "Manchmal werden wir einfach zu dem gemacht, was wir sind. Manchmal zu dem geboren. Einige Menschen erschaffen sich ihr Ich selbst.
Zu welcher Art Mensch ich gehöre? Wahrscheinlich zu keiner. Denn ich wurde durch den Tod zu dem, was ich bin." *ugly* ~

Du hast eine interessante Schreibweise bisher. Ich-perspektive ist eigentlich schwerer, es auch interessant auf Dauer zu gestalten, aber mal schauen, was daraus wird. Werde es wohl auch weiterhin lesen. ^^
Also mich erstmal jetzt durch die anderen Kapitel quälen *hrhr* T__T *lese faul, aber lesen liebt (passt das zusammen? XD)*
Eigentlich bin ich sehr kritisch, aber das einzige ist, dass du nicht mehr diese gehobene Sprache gegen Ende benutzt.
Es ist mehr alltäglich ja, weil du die Person vorstellst, aber das hättest du auch mit der selben Schreibweise wie vorher machen können ^-^


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