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Der Grüne Stein

- ein Märchen -
von

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Akt 1

Kapitel 2
 

Der nächste Tag wartete ihr mit lauten Geräuschen aus der Küche auf. Schnell sprang sie auf und eilte in den anliegenden Raum. Der Ofen glühte und Wasser kochte, bildete kleine Nebelschwaden über dem verbeulten Topf, verlor sich anschließend in der erhitzten Luft des Zimmers. Heela blickte sich um, ihre Stiefmutter fluchte über den Braten, der verkohlt vor ihr auf dem Tisch ruhte, und bedachte das Mädchen nicht einen Blickes. Ihr Vater lag auf der harten Holzbank und Speichel rann sein unrasiertes Kinn hinab. Der Tumult neben ihm schien ihn herzlich wenig zu stören. Besorgt lief Heela auf ihn zu und versuchte ihn wach zu rütteln, doch Olivia meinte nur: „Der wacht nicht auf, bevor er seinen Rausch ausgeschlafen hat!“ Bestürzt betrachtete die Tochter ihren verwahrlosten Vater, dessen beleibter Körper die gesamte Bank einnahm.

„Was ist mit dem Schwein?“, fragte sie schließlich und musterte den geschwärzten Braten.

„Ach, was interessiert dich das schon, aber ich weiß was du mal machen könntest. Wenn du einen Mann bekommen willst, musst du auch kochen können. Nehme dir Geflügel und bereite es schmackhaft zu.“, damit stand sie auf und ließ Heela ohne sie eines Blickes zu würdigen, in der verräucherten Küche stehen.

„Na toll!“, knurrte das Mädchen und machte sich daran, die Reste des Schweins zu entfernen.

Sie warf sie kurzerhand in den Ofen und lief hinaus um ein Hühnchen für das Mahl auszuwählen. Es war Sonntag, eigentlich hätten sie in der Kirche sein müssen, doch der betrunkene Vater, die verstreuten Kinder und die sture Stiefmutter machten den Gang dorthin unmöglich. Seufzend lief sie in die Ställe und schnappte sich den nächst besten Hahn, der ihr in die Quere kam. Zeo eilte ihr zu Hilfe und übernahm das Schlachten, Heela war es gleichgültig wer sich darum kümmern würde und so bereitete sie alles für das Essen vor. Sie schaffte Holz für den Ofen herbei und sammelte Gemüse aus ihrem Garten. Ihre Geschwister spielten mit den Hunden, oder ärgerten die Hühner. Bis auf Zeo half ihr nur Mana, dadurch, dass sie die drei ältesten und somit die Kinder ihres Vaters und nicht ihrer Stiefmutter waren, waren sie für die meisten Arbeiten verdonnert worden. Alleine Zeo, da er ein Junge war, hatte Ansehen bei Olivia erhalten und würde später den Hof übernehmen müssen, und sollte sich eigentlich von ihnen fernhalten, hielt sich aber nicht daran.

Einige Zeit später war der Braten angerichtet und auch ihr Vater war wieder zu sich gekommen. Obwohl er noch immer wie benebelt auf der Bank saß und Löcher in die Luft starrte, sollte er an dem Essen teilnehmen. Zeo hatte sich neben ihn gesetzt und hielt ihn gerade. Rasch hatten die drei Kinder ihre Familie zusammengetrommelt und am Tisch Platz genommen. Nachdem Heela das Tischgebet gesprochen hatte, stürzten sie sich wie ausgehungert auf das Essen. Alleine Peters Anwesenheit, hatte möglich gemacht dass auch Heela mitessen konnte und nicht wie sonst, vor die Tür mit einer Schale Hafersuppe gesetzt wurde.
 

Pferde waren zu hören, sie schienen geradewegs auf ihren Hof zu zukommen. Heela spähte nach draußen, um etwas erkennen zu können. Sie und Mana mussten die Teller waschen und hatten eigentlich die Aufgabe sich nicht davon zu entfernen.

„Was ist da draußen los?“, fragte Mana ihre ältere Schwester.

„Frag mich nicht!“, entgegnete Heela und winkte sie herbei, „Schau doch selber!“

Eine Gruppe Reiter, bei der es sich um Ritter handeln musste, galoppierte auf die Hütte zu.

„Was die hier wohl wollen?“

Mana zuckte mit den Schultern und ging zurück an die Arbeit. Erst als die Gruppe näher kam, erkannte Heela sie wieder, es waren die Männer, die sie am Vortag auf ihrem Rückweg getroffen hatte. Erschrocken wich sie ein paar Schritte zurück. Sie hatten sie, ihrer Meinung nach, für eine Adlige gehalten. Sie musste sich unbedingt verstecken. Mana musterte ihre Schwester verwirrt.

„Ist irgendetwas?“, fragte sie schließlich.

Heela schüttelte den Kopf und trat an die Schüssel Wasser, die vor ihnen auf dem Tisch stand. Sie wandte der Tür ihren Rücken zu, um nicht erkannt zu werden. Nur das Kleid, falls sie sich daran erinnern würden, könnte sie verraten.

„Gut, dass Ihr endlich da seid!“, begrüßte Olivia die Männer und lächelte verräterisch.

„Ja, es hat zwar etwas länger gedauert als erwartet, aber nun sind wir da.“, der vorderste Reiter, dessen silberne Rüstung im Sonnenlicht glänzte, sprang von seinem Pferd und trat auf die Frau zu.

Er klappte sein Visier hoch und lächelte, „Wo ist sie?“

Olivia nickte und führte den Mann zur Hütte. Heela und Mana hatten gerade ihre Arbeit beendet, als der Ritter samt ihrer Stiefmutter eintrat. Letztere ließ zufrieden ihren Blick durch die gesäuberte Küche schweifen und zeigte mit ihrem Finger auf Heela. Diese fuhr erschrocken hoch, die Frau klopfte ihr auf die Schulter.

„Komm schon, Heela. Es wird Zeit!“, sie drehte das Mädchen um und musterte ihre dreckige Kleidung genugtuend. „Du hast dich wieder mal von oben bis unten bekleckert!“

Heela ließ ihren Kopf sinken. Mana konnte ihrer Schwester nicht helfen. Was auch immer die Männer von ihr wollten, es schien ihrer Stiefmutter zu gefallen. Heela starrte Olivia abfällig an.

„Wir werden uns ihrer annehmen!“, versprach der Mann, verneigte sich kurz und ging.

Heela hatte nicht einmal mehr die Zeit gefunden, den Fremden zu mustern, dies tat sie sonst bei jedem, denn ihr Gefühl sagte ihr schon vorher, was grob auf sie zukommen würde. Olivia lief ihm hinterher und diskutierte noch einige Dinge mit ihm aus.

„Wer war das?“, durchbrach Mana die entstandene Stille.

„Ich weiß nicht!“, log Heela, es entsprach schließlich teilweise der Wahrheit.

„Ich werde mich mit den Kleinen beschäftigen!“, schlug Mana vor und verließ die Küche.

Nun war Heela allein, konnte in aller Ruhe ihren Gedanken nachhängen. Kopfschüttelnd trat dann auch sie an die frische Luft und atmete laut ein. Der laue Tag war angenehm und machte ihren Kopf für allerlei neue Dinge frei, die bestimmt kommen würden.

Ihre Aufmerksamkeit wurde auf die Gruppe der Reiter gelenkt. Der Mann von vorhin stieg auf seinen prächtigen Rappen und drehte sich zu Olivia um, um sich zu verabschieden. Danach wandte diese sich von ihm ab und eilte ihrem Mann nach, der sich auf den Weg in die Stadt machen wollte. Der Ritter in der silbernen Rüstung nickte Heela zu, sein Visier wieder herunter geklappt, und spornte seinen Hengst an, sie galoppierten davon. Schweigend sah sie ihm nach, irgendetwas musste es sich mit ihm aufhaben…etwas Negatives…

Plötzlich kam Mana mit drei kleinen zappelnden Wesen an ihren Händen klebend zu ihrer Schwester zurück und meinte: „Und du weißt wirklich nicht wer das war?“

„Nein!“, versicherte Heela, doch erntete nur ein ungläubiges Grinsen.

„Bestimmt.“ Mana entfernte sich und Heela konnte sich wieder ihrer geliebten Beschäftigung widmen, dem Lesen.

Sie hatte es von ihrer Mutter gelernt, als sie noch ein kleines Kind gewesen war. Auch wen es nicht üblich war, dass eine Bäuerin lesen konnte, ließ sie sich nicht davon einschüchtern. So setzte sie sich an den Tisch und nahm sich den Haufen Blätter, der kaum gebunden in einer Blechrolle ruhte, die sie stets bei sich führte. Auf diese Dinge war sie stolz und hoffte auch mal andere Bücher lesen zu können.

Sie überflog die letzten Zeilen, an denen sie irgendwann in der letzten Zeit mit lesen aufgehört hatte:

…Es ist ruhig, die Wolken wirken weich, wie samt und der Regenbogen scheint in allen erdenklichen Farben…

Gerade als sie fortsetzen wollte platzte Zeo herein und sprang neben sie auf die Bank.

„Na, bist du schon weiter?“, fragte er neugierig und musterte sie erwartungsvoll.

Heela verneinte, „Es ist zum verrückt werden, ich komme einfach nicht weiter, und jetzt störst auch noch du!“

Ihr Bruder nickte grinsend, „Wie wäre es, wenn du mir etwas vorliest, dafür hau ich auch ab?!“

„Zeo!“

„Warum nicht?“, er überlegte und fuhr fort: „Komm schon…“

„Du willst es doch gar nicht mal lernen, nicht einmal wenn ich es dir anbiete, aber vorlesen soll ich!?“, rief Heela grimmig und lächelte. „Bitte geh jetzt!“

„Na gut!“, er grinste.

Heela gab ihm einen Klaps auf den Hinterkopf und scheuchte ihn nach draußen.

„Überarbeite dich nicht!“, warf er ein und rannte in die Ställe. Das werde ich schon nicht, dachte sie und legte sich ihr zerfledertes Buch in die Handflächen:

…Prächtige Vögel gleiten durch die warme Luft und Grillen zirpen, als seien sie elegante Minnesänger…

Auf einmal horchte Heela auf, fremde Geräusche vernahm sie, sodass sie aufsprang, um nach der Ursache zu suchen. Der Lärm drang aus den Ställen und als sie eintrat, sah sie Zeo, der sich abmühte mit einem Eimer Futter die Tiere zu versorgen. Wütend ließ er ihn neben einen der Tröge fallen und spähte hinein.

„Was ist?“, rief Heela ihm verwundert zu und beugte sich ebenfalls über den gefüllten Trog.

„Ich glaube die müssen nicht mehr gefüttert werden!“, mutmaßte sie und grinste.

„Das denkst du, aber ich habe noch kein einziges Vieh gefüttert!“, erklärte er.

„Das kann nicht sein.“

„Doch!“, versetzte er stur und stemmte sich die Hände in die Seite.

Heela zuckte mit den Schultern und verließ den Stall.

„Und ich habe doch recht!“, rief er ihr hinter her, um seine Aussage zu bekräftigen.

„Ist mir auch egal!“, flüsterte Heela und verschränkte selbstbewusst ihre Hände hinter dem Rücken. Nachdenklich widmete sie sich wieder ihrem Buch, das ausgebreitet auf dem Tisch lag. Eigenartiger Weise befand sich das zuletzt gelesene Blatt am Obersten; und nicht mehr dem Stuhl, sondern der Bank gegenüber.

„Merkwürdig!“, murmelte sie und ließ sich auf ihren Platz fallen.
 

Einige Zeit später, trafen Heelas Vater und Olivia wieder auf dem Hof ein. Die Hufen der beiden schweren Hengste schlugen dumpf auf den Feldweg auf und verhallten kurz darauf. Erschrocken fuhr das Mädchen hoch und packte eiligst die teilweise losen Blätter zurück in die Blechrolle, die sie anschließend an ihren Gürtel hing. Überrascht spielend sprang sie auf, als ihre Stiefmutter eintrat.

„Tz, tz, tz. Heute wurde schon wieder in der Stadt eine Hexe verbrannt, langsam nimmt das eindeutig überhand….“, sie sah sich suchend um.

„Oh, Heela. Du scheinst mit nichts beschäftigt zu sein?“, bemerkte sie streng. „Geh und hol Wasser, wir wollen etwas trinken!“

Sie machte eine scheuchende Handbewegung und ließ sich erschöpft auf die Bank fallen. Heela nickte gehorsam und lief hinaus. Ihr Vater spannte gerade die Pferde ab, achtete nicht auf seine vorüber eilende Tochter. So konnte sie ungestört Wasser aus dem tiefen Brunnen schöpfen und sputete sich, mit dem leckenden Eimer zurück zur Hütte zu gelangen.

Olivia scherte sich nicht um sie, sondern las einen Zettel, den Heela auf dem Tisch vergessen haben musste. Erschrocken ließ diese den Eimer fallen, der daraufhin krachend auf dem Boden zerschellte. Übersensibel erhob sich Olivia, „Du bist wirklich zu nichts zu gebrauchen. Du Nichtsnutz, es wird wirklich das Beste sein, dich wegzuschicken, um dir wenigstens etwas Benehmen angedeihen zu lassen, sonst bekommst du nie einen Mann und hängst uns für immer hier rum.“

Heela drückte sich die Hand vor den Mund, um nicht in Tränen auszubrechen. Was hatte ihre hinterhältige Stiefmutter bloß vor?

„Schau nicht so überrascht! Du hast doch nicht wirklich gedacht, dass du hier bleibst, bis wir einen passenden Mann für dich gefunden haben!“, sie schüttelte ihre braunen Haare, die schon sachte ins Graue übergingen, und starrte verärgert auf den Boden. „Aber das du mir das noch wegmachst, und neues Wasser holst!“

Heela nickte, bückte sich resignierend über den kaputten Eimer und las die einzelnen Teile auf, die sie anschließend in den Ofen warf. Olivia drängte sich an ihrer Stieftochter vorbei und knüllte das Blatt Papier, das sie noch immer in ihren Händen hielt, zusammen, wollte es auch in die Glut werfen.

„Nein!“, entfuhr es Heela.

„Was nein?“, hakte Olivia nach.

„Nicht wegwerfen. Meine Mutter hat es mit hinterlassen!“, seufzte Heela.

„Mir doch egal!“, entgegnete Olivia unnachgiebig und öffnete den Ofen. Doch Heela ließ es nicht damit auf sich bewenden und hielt den Arm ihrer Stiefmutter fest.

„Das wagst du nicht!“

„Oh, doch!“, knurrte das Mädchen zurück und drehte den Arm der Frau auf deren Rücken. „Rück das Blatt raus, aber sofort!“, befahl sie und drückte fester zu.

Olivia versuchte sich aus dem Griff ihrer Stieftochter zu befreien, was ihr allerdings misslang, und biss verkrampft die Zähne aufeinander. Dann, endlich ließ Olivia den Zettel fallen, rasch bemächtigte sich Heela darüber und rannte aus der Küche. Wutentbrannt stürmte sie hinaus auf das Feld, versuchte sich abzureagieren und schleuderte einen Stein mit einem Fußstoß in die Büsche.

Zeo beobachtete seine Schwester, trat letztendlich in die Küche, wo noch immer Olivia stand und ihren eigentlich unverletzten Arm, als hätte sie einen Bruch erlitten, vorsichtig drehte, wendete und von allen Seiten musterte. Der Junge klopfte der Frau auf die Schulter, um ihre Aufmerksamkeit zu erhalten. Erschrocken fuhr sie herum, hielt den Sohn für Heela und wich einige Schritte zurück.

„Was ist passiert?“, er deutete mit einem Daumen nach draußen.

„Ich…“, Olivia stockte und schritt an Zeo vorbei, spähte aus der Tür, „Sie hat mich angefallen!“

„Angefallen?“, hinterfragte er ungläubig.

„Ja!“, versicherte sie ihm.

„Heela doch nicht, sie ist so sanft wie ein Lamm!“

„Nein!“, korrigierte sie ihn, „Sie ist so unberechenbar, wie ein Wolf!“

Zeo grinste, „Das glaubst du doch nicht wirklich, oder? Die ist doch so schwach, dass sogar ich sie zu Boden niederringen könnte!“

Olivia trat näher an den Jungen heran, „Habt ihr euch denn schon geprügelt?“

„Quatsch, ich meine bloß!“, er zuckte mit den Achseln, „Na ja, auch egal, ich werde mich dann mal um die Tiere kümmern. Heela wird das jetzt bestimmt nicht machen!“

Damit verließ er seine Stiefmutter und begab sich in den Stall.

Die Pferde warteten schon sehnsüchtig auf ihr Futter, das Peter ihnen nicht gebracht hatte. Kopfschüttelnd machte sich der Junge an die Arbeit, schleppte Eimer mit Wasser und Hafer herbei, das er anschließend in die Tröge der Hengste und Stuten füllte. Eine der Pferdedamen hatte vor zwei Tagen gefohlt und brauchte eine größere Ladung an Wasser und Nahrung. Zeo goss die Tränke, bis knapp unter den Rand voll, und häufte eine extra große Heumenge im Stall der Stute an. Das zarte Fohlen, stakste noch immer etwas unbeholfen hinter seiner Mutter her und fiel bei dem kleinsten Stoß um. Es schien Zeo zu schwach, als dass es den kommenden Winter überleben könnte. Zwar war es noch Sommer, doch das Jahr würde in Windeseile verfliegen, ehe der kleine Hengst stark genug sein würde, sich durch die kalte Zeit zu bringen.

„Es ist schon traurig!“, flüsterte Zeo nachdenklich und streichelte die Stute behutsam.

Ihr weißes Fell war verschmutzt und struppig, ähnlich dem Fell der Hunde, und hatte eine Reinigung dringend nötigt. Doch sie würde noch niemanden in den Stall lassen, ihr Junges war noch zu klein, als das sie jemanden an es heran gelassen hätte. Auch wenn man nur das Muttertier putzen wollte, kam man automatisch ihrem Fohlen zu nahe, es war ein verflixter Kreislauf. Zeo betrachtete den kleinen Hengst ein letztes Mal, verließ dann den Stall, um seine große Schwester aufzusuchen. Sie liebte den kleinen Rappen über alles und wollte ihn auf keinen Fall verlieren.

„He, Heela!“, brüllte Zeo ihr zu.

Sie lehnte an einem Baum und kaute auf einem Grashalm. Als sie ihn hörte löste sie sich aus ihrer träumerischen Haltung und schlenderte los.

Rasch schloss er zu ihr auf und fragte energisch: „Was war denn los?“

„Hat dir Olivia es noch nicht erzählt. Ich bin brutal gewesen, na und? Was macht das schon? Sie ist auch brutal, auf eine seelische Weise…“

Zeo hörte ihr aufmerksam zu, nickte anschließend.

„…aber auch so, ich meine…sie zwingt mich zu schuften, nur damit sie ein schönes Leben haben kann, sie weiß wie gerne ich bei meinem Vater und dir, Mana und den Kleinen bin, dass ich sie nicht allein lassen will. So kann sie mich zu allem nur erdenklichen zwingen, was ich auch ausführen kann!“

Sie schwiegen, trotteten nebeneinander her, den schmalen Feldweg zum See entlang.

Angekommen, ließ sich Heela auf einen Baumstumpf fallen und löcherte ihre Umgebung mit starren Blicken. Zeo, neben ihr sitzend, angelte sich einen kleinen flachen Stein und ließ ihn über die Wasseroberfläche gleiten. Er sprang zweimal, ehe er von den Tiefen des Sees verschluckt wurde. Heela lächelte und griff ebenfalls nach einem Steinchen, dass sie sogleich in dem stillen Gewässer versenkte. Es plätscherte nur leise und ein paar Tropfen spritzten in die Höhe. Die beiden Geschwister lauschten der Natur, den Bienen, die emsig ihren Tätigkeiten nachgingen und den Vögeln, die in den Bäumen nisteten, oder auf einem Ast saßen und sangen. Ihre zauberhaften Melodien hallten durch die Berge wider, die sich um das gesamte, weite Tal legten. Auch die Bäume machten wunderliche Geräusche, das sanfte Rauschen der Blätter musste auch noch aus einiger Entfernung zu hören sein.

Etwas kitzelte Zeo in der Nase, worauf er niesen musste, Krähen wurden aufgeschreckt und flüchteten tiefer in den Wald.

„Ich glaube wir sollten uns langsam auf den Rückweg machen!“, nutzte Zeo die Chance, da die Ruhe für einen Moment unterbrochen war.

Heela nickte bedächtig, „Ja, lass uns gehen!“

Sie standen auf und folgten dem Pfad zurück zu ihrem Hof. Olivia erwartete sie schon und schien nicht gerade gut auf das Problem mit Heela zusprechen zu sein. Zeo verdrückte sich unauffällig und ließ sich mit der Ausrede Durst zu haben, in der Küche nieder, beobachtete von dort das Geschehen.

„Peter und ich haben uns überlegt, dass es für dich das Beste wäre, unseren Hof zu verlassen und auf einen anderen, etwas wohlhabenderen zu gehen. Dort werden sie dich erziehen und du wirst ihnen gehorchen, und nicht solche Dinge, wie du dir vorhin geleistet hast, anstellen.“, gab Olivia ihre Idee kund. Heela sah ihre Stiefmutter verbittert an, „Das kannst du nicht machen…“

„Doch, Peter hat zugestimmt. Ich habe ihm von deiner Fahrlässigkeit erzählt und sofort hat er eingewilligt. Du wirst eine Magd in…“

„Ich werde nirgendwo irgendetwas und ich werde auch nicht mehr auf euch hören!“, Heela war außer sich vor Zorn und Angst zugleich, sie war schwere und häufige Arbeit zwar gewohnt, doch wollte sie das einzig und allein für ihre Familie machen und nicht für irgendjemanden, der nur eine Menge Geld besaß, aber ihr völlig gleichgültig war und sie wie Mist behandeln würde.

Wütend stieß sie Olivia aus dem Weg und rannte los, das zweite Mal an diesem Tag und an allem war nur ihre gemeine Stiefmutter schuld. Tränen standen Heela in den Augen. Doch das war ihr egal, sie wollte ihren Vater und Zeo und die Kleinen nicht allein lassen, nicht Olivia überlassen, die gewiss nichts Gutes mit ihnen anstellen würde. Nun lag es an Zeo auf ihre Geschwister Acht zu geben, auf die Tiere und alles andere, wovon Olivia keine Ahnung hatte. Schluchzend ließ sich das Mädchen auf ihr Lager fallen, drückte ihr verweintes Gesicht in das stechende Stroh, die äußerlichen Schmerzen waren ihr jedoch gleichgültig, nur ihre seelischen Verletzungen machten ihr schwer zu schaffen.



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