Erhebe Dich
Nachdem er seine Rache an Mal'Ganis geübt hatte, wanderte Prinz Arthas in die eisigen Einöden von Northrend hinaus.
Warcraft III: Reign of Chaos
~Arthas, mein Krieger!~ Die Stimme in seinem Kopf schloss alle anderen Geräusche aus, selbst den Wind, der wie mit eisigen Fingern nach dem jungen Mann griff, welcher sein Königreich gegen jede Erlaubnis betreten hatte.
"Geh, geh und komm nie wieder!" schienen die sanften Brisen zu wispern.
"Komm, komm zu mir!" war die Nachricht, die der Sturm von den eisigen Gipfeln des Eiskrone-Gletschers brachte.
Doch Arthas hörte beides nicht. Seit Tagen vernahm er nur noch die körperlose Stimme Frostmournes in seinen Gedanken.
Selbst im Schlaf ließ ihn das Schwert keine Ruhe finden.
~Arthas, komm zu mir! Mein Krieger. Kämpfe für mich!~
Erschöpft stolperte der Mann durch den Schnee. Er wusste nicht, wie lange er nicht geruht hatte. Die Stimme in seinem Kopf trieb ihn weiter und weiter.
Längst hatte er die Orientierung verloren und er wollte in ein warmes Zelt, sich dort ausruhen. Doch die Stimme trieb ihn weiter, immer weiter. Schritt folgte auf Schritt und wenn der junge Paladin sich setzen wollte, hörte er die strafenden Worte der Stimme.
~Arthas, Arthas. War die Rache nicht süß?~
Ja, das war sie wohl. Unbewusst schlich sich ein Lächeln auf die Züge des jungen Mannes. Das Gefühl, das er gehabt hatte, als er Mal'Ganis endlich gestellt hatte und ihm seine gerechte Strafe zugeführt hatte, konnte wahrlich als süß beschrieben werden.
~Mein Krieger, du genießt es.~
Warum sollte er auch nicht? Die Gedanken Arthas' liefen langsamer als noch vor ein paar Tagen. So antwortete er der Stimme nicht mehr. Doch sie schien immer noch zu wissen, was der junge Mann dachte.
~Mal'Ganis ist gerichtet. Du hast dein Ziel erreicht.~
Auch da hatte die Stimme Recht. Der Dämon war tot, sein Körper war der Gnade der wütenden Elemente Northrends überlassen.
~Ich habe dir geholfen!~
"Ihr habt mir geholfen." Ohne es zu merken sprach der Paladin diese Worte nach, bevor er stolperte und in den kniehohen Schnee fiel.
~Steh auf, jetzt ist es an mir, der deine Hilfe braucht.~
"Ihr seid es, der meine Hilfe braucht..."
Müde schloss Arthas seine Augen. Endlich lag er. Die Kälte bemerkte er nicht einmal mehr. Seine Glieder waren schon vor Tagen erfroren, so schien es.
"Ihr braucht meine..." Die Worte des jungen Mannes gingen gänzlich in dem Heulen des Sturmes unter, doch die Stimme ließ ihm keine Ruhe. Es schien, als wolle sie ihn nicht einmal sterben lassen.
~Steh auf, Arthas. Erhebe dich. Komm zu mir.~
Eine tröstende Brise wehte über den erschöpften Mann hinweg und mit ihr schien wieder etwas Kraft in dessen Glieder zu fahren.
~Arthas, komm. Ich brauche deine Hilfe!~
Mühsam stemmte sich Arthas auf seine Unterarme und verengte die Augen. Der Schneesturm tobte nach wie vor mit unverminderter Kraft um ihn herum.
~Mein Krieger!~
Wieder bohrte sich die Stimme Frostmournes tadelnd in die Gedanken des Mannes.
"Ich komme..." Leise murmelte er diese Worte und erhob sich.
Es überstieg beinahe seine Kräfte, doch irgendwoher nahm er die Kraft sich gegen den heulenden Wind zu behaupten und gerade zu stehen.
~Komm!~
Fast wie ein Schlafwandler setzte Arthas nun wieder einen Fuß vor den anderen. Den Blick gesenkt, ging er weiter, wie die Tage vorher.
Wie viel Zeit wirklich vergangen war, seit der Schlacht in Mal'Ganis' Lager wusste er nicht. Tage waren in Nächte übergegangen, waren in Tage übergegangen.
Doch Zeit war unwichtig. Alles, was zählte, war die Stimme Frostmournes.
Der Paladin senkte den Kopf. Eine nutzlose Geste aus der Zeit, als er noch die Kälte der Winde verspürt hatte. Nun war alles, was diese Bewegung brachte, eine kurze Unsicherheit, da er einen Fels übersah und beinahe wieder im Schnee gelandet wäre.
~Du bist fast da!~
Doch auch das hatte für Arthas kaum mehr Bedeutung und so merkte er nicht, wie der Boden sich langsam unter ihm erhob und ihn auf eine Eisdüne führte.
In der Ferne schien eine Zitadelle in den Horizont zu ragen und die eisigen Winde kamen von ihren Zinnen.
~Nun blicken deine Augen auf Eiskrone und es ist Zeit, dass du verstehst.~
Bei diesen Worten verließ den jungen Mann die sonderbare Kraft, die ihm seit Mal'Ganis' Lager innegewohnt hatte und ihn dazu gebracht hatte ununterbrochen zu wandern. So geschwächt, brach Arthas zusammen in den frischen Schnee.
"Jetzt sterbe ich", murmelte er, doch es bedeutete nichts mehr für ihn. So schloss er nur die Augen.
Doch statt der erwarteten Ruhe, empfing ihn wieder einmal nur die Stimme Frostmournes.
~Ich bin Ner'zhul, der Lich-König. Ich bin dein Herr!~
Arthas hörte zu. Er war zu schwach, um irgendetwas anderes zu tun.
~Ich schmiedete die Runenklinge Frostmourne mit meinem Willen. Ich habe dir mit ihr deine Rache ermöglicht. Nun ist es an dir, mir bei der meinen zu helfen. Führe die Geißel, stärke sie und führe deinen Kreuzzug gegen alles Leben Azeroths. Erhebe dich Arthas, mein Krieger, mein Todesritter.~
Wie lange Ner'zhul gesprochen hatte, wusste Arthas nicht, doch nun spürte er wieder, wie die Kraft in seine Glieder zurückkehrte.
~Erhebe dich und führe meinen Auftrag aus.~
Ein Lächeln, kalt wie der Wind Northrends, umspielte die Lippen des jungen Mannes, als er sich in dem Schnee aufsetzte und sich schließlich ganz erhob.
"Ja, mein König. Ich werde Euch nicht enttäuschen!"
Wie zur Antwort legte sich der grauenvolle Sturm und eine beinahe bedrohliche Stille legte sich über den Eiskrone-Gletscher.
~Dann geh. Du kennst deine Befehle!~
Bei diesen Worten verneigte Arthas sich etwas und wandte sich um. Nun war es endlich an der Zeit, nach Lordaeron zurückzukehren.
~+~ The End... or is it? ~+~
