Fever
Er tastete sich durch die Dunkelheit.
Der Rauputz zerkratzte immer wieder seine Hände, wenn er zufällig mit ihnen gegen die weiß getünchten Wände stieß. Endlich fühlte er kühles glattes Holz unter seinen Fingerkuppen, als Ray zum wiederholten Male vorsichtig in die Finsternis fuhr. Er ließ seine Hände über das Holz gleiten und tastet nach der Türklinke. Langsam drückte er sie herunter, um kein unnötiges Geräusch zu verursachen. Schließlich wohnte Ray hier nicht allein und wollte keinen seiner Mitbewohner unnötigerweise durch ein unachtsames Geräusch wecken. Er schlüpfte durch den Spalt in das Badezimmer hinein und schloss die Tür genauso leise, wie er sie geöffnet hatte.
Im Bad war es um einiges heller, als im übrigen Haus, denn eine Straßenlaterne warf ihr schmutziges gelbes Licht durch das Fenster hinein. So fiel es Ray auch leicht sich zurecht zu finden. Zielstrebig ging er auf das Waschbecken zu und drehte den Wasserhahn voll auf. Das kühle klare Wasser lief über seine zerkratzten Finger. Dann bildete Ray mit den Fingern eine Mulde und sammelte das Wasser darin um es sich anschließend ins Gesicht zu spritzen. Ray stützte sich mit beiden Armen auf das Waschbecken und sah eine Weile dem Wasser zu, wie es aus dem Wasserhahn strömte, sich im Waschbecken sammelte um dann langsam im Abfluss verschwand. Er schreckte auf, als er plötzlich zwei kalte Hände in seinem Rücken spürte.
Adrenalin schoss in seinen Blutkreislauf.
Die Hände fuhren über seinen Körper und zogen ihn in eine sanfte Umarmung. Als Ray in dunkeln Spiegel blickte, sah er wer sich da von Hinten an ihn herangeschlichen hatte, und das trug nicht gerade zur Beruhigung seines Herzschlages bei. Niemand Fremdes stand hinter Ray. Im Gegenteil sah er wie zwei rote Augen ihn belustig anblitzten, als der gelbe Schein der Straßenlaterne über sie glitt.
Er wollte sich umdrehen doch Kai hielt ihn in seiner Umarmung gefangen. " Nicht weglaufen, mein Kätzchen! Bleib bei mir!" wurde Ray von einer rauen Stimme ins Ohr geflüstert. Kais Stimme. Dabei rollt Kai das "r" von "mir" so, dass es wie ein leichtes Knurren klang.
Ray erstarrte. Was sollte der Mist?
Er spürte wie sich eine von Kais Händen von ihm löste, nur um gleich darauf sacht das Haar aus Rays Nacken zu streichen. Ray sog scharf die Luft ein. Dann spürte er wie Kais kühle Lippen seinen Nacken zu liebkosen begannen.
"Hey, lass den Scheiß!" presst Ray hervor. Er wand sich aus Kais Griff, stellt sich mit dem Rücken zur Wand und starrte seinen Freund entsetzt an. Doch der grinste nur schelmisch und sah sich kurz im halbdunklen Badezimmer um, bevor er zur Dusche ging in sie aufdrehte, sich aber nicht darunter stellte.
Das Rauschen des Wassers erfüllte nun den Raum und nahm somit den Platz der nächtlichen Stille ein.
Kai ließ Ray nicht aus den Augen, als er die Badtür abschloss. "Wir wollen doch sicher nicht, dass jemand hier unerlaubt hereinplatzt oder uns hört." sagte Kai, während er sich langsam auf seinen Freund zu bewegte, der sich noch keinen Zentimeter von der Stelle gerührt hatte.
Ray sah die schattenhafte Gestalt Kais langsam auf sich zu gleiten und ein merkwürdiges Kribbeln erfasste seinen Körper. Ein Kribbeln, das ganz unterschiedlicher Natur war, zum einen Anspannung in der Ungewissheit, was kommen würde, zum anderen .... Vorfreude. Ein Gefühl, von den Ray nicht wusste ob es ihn in seiner jetzigen Situation angebracht war.
Doch ehe sich Ray seinen Kopf darüber zerbrechen konnte, war Kai schon bei ihm und streichelte sanft über seine Wange.
Der Schwarzhaarige blickte in die Augen seines Freundes, die vor Sinnlichkeit glitzerten. Langsam kamen die Gesichter der Jungen sich immer näher und Ray spürte Kai kühle Lippen auf seinem Mund.
Er schloss die Augen und intensivierte den Kuss, den Kai ihm gab. Eine kleine Stimme in Ray Hinterkopf fragte noch: "Was machst du hier eigentlich gerade?", doch sie wurde zurückgedrängt und Ray gab sich dem Moment hin....
Er schreckte so plötzlich aus seinen Träumen auf, dass er mit samt Bettdecke auf den Boden landete.
In seinem Zimmer war es noch stockdunkel. Schlaftrunken rieb er sich den Kopf, mit dem er schmerzhaft auf dem Boden aufgekommen war. Ray warf einen Blick auf seinen Wecker, der neben seinem Bett stand. " Erst drei Uhr morgens." Stöhnte er, als er sein Bettzeug aufsammelte um sich zurück ins Bett zu legen. Dabei fiel sein Blick auf das Sammelsurium an kleinen Flaschen, die auch auf seinem Nachttisch Platz gefunden hatten.
Seit einer knappen Woche lag er nun schon den ganzen Tag im Bett und kurierte eine Grippe aus, die er sich geholt hatte als er unvorsichtiger Weise im Regen nach Hause gelaufen war. Kai, sein Teamchef, war nicht gerade erfreut gewesen, als hörte, dass Ray nicht am Training teilnehmen konnte.
Ray fuhr sich mit der Hand an die Stirn. Er fand, dass sein Fieber, das sich als unerfreuliche Nebenerscheinung der Grippe eingestellt hatte, schlimmer geworden war. Ray griff nach einer kleineren roten Flasche und nahm sich aus ihr zwei kleine, weiße Kapsel, die er mit etwas Wasser schluckte.
Als er sich zurück in sein Bett legte, kamen Rays Gedanken wieder zu Kai zurück. "Ist Kai nicht in meinem Traum vorgekommen? Da war doch was." Fragte er sich selbst, doch diese Erinnerung entzog dem Jungen immer wieder. Wasser hatte sanft in Hintergrund gerauscht, dessen konnte Ray sich noch entsinnen, aber sonst war da nur dieses Kribbeln auf der Haut, an das er sich erinnern konnte.
" Ist ja auch egal." Seufzte Ray und schlief wieder ein ...
