Verhandlungen
Even Angels fall first
Level 10
Verhandlungen
Der Prozess war im vollen Gange und die anderen Engel erwarteten nur noch Ariels Urteil. Dieser aber war nach draußen gegangen um nachzudenken.
Ihm war schlecht und er war über sich selbst schockiert, dass es ihm doch soviel ausmachte über seinen Geliebten zu richten.
Fieberhaft überlegte er ob es keinen anderen Weg gäbe?
„Doch natürlich gibt es den…“
Er drehte sich um und sah in Azraels lächelndes Gesicht. Ariel hasste es wenn man seine Gedanken las.
„Was willst du Azrael? Ist es nicht zu gefährlich für dich sich hier aufzuhalten? Du Verräter…“
„Verräter, das sagst ausgerechnet du.“ Er grinste amüsiert.
„Nein, ich bin gekommen um Lonas einen letzten Freundschaftsdienst zu erweisen. Er gab mir dies, damit ich es dir bringe.“
Ariel sah ihn verständnislos an, bekam dann aber kurz darauf einen silbernen Ring in die Hand gedrückt.
„Was ist das?“ „Kannst du es dir nicht denken? Dies ist dein Ticket für die Freiheit. Lonas letzter Liebesbeweis an dich.“
„Er hat das nicht wirklich getan, oder?“
Ariel war einfach schockiert, wenn er sich nicht täuschte, dann hielt er hier in seiner Hand…
„Lonas Seelenüberreste, genau.“
Er schüttelte den Kopf und lachte heiser.
„Das ist nicht dein ernst?!“
„Doch vollkommen… Lege den Ring an und du wirst nicht dein Leben verlieren, wenn er stirbt. Ist doch gut für dich, oder? Du hattest bestimmt nicht vor, mitten in deiner Glücksträhne zu sterben, nicht wahr?“
Der Engel verzog wütend das Gesicht.
„Was weißt du denn schon? Verschwinde, such dir ein Versteck oder was auch immer, bevor ich die Wächter rufen lasse!“
„Alles was ihr befiehlt, liebster Ariel…“
Er grinste erneut, deutete eine Verbeugung an und verschwand im Schatten. „Idiot!“
Ariel fluchte und biss die Zähne zusammen um nicht laut zu schreien. Er war unbeschreiblich wütend. Er merkte nicht einmal, dass ihm heiße Tränen über die Wange liefen, sondern starrte immer noch auf den kleinen, unscheinbaren Ring in seiner Hand. Damit war es offiziell. Lonas würde sich für ihn opfern und riskierte mit dieser Aktion sein Recht wiedergeboren zu werden. Nun würde er einfach ins nichts verschwinden.
Ariel hingegen würde ewig leben, mit zwei Seelen in seiner Brust und wenn er sich anstrengte, könnte er sogar Gott als direktem Nachfolger folgen. Was auch immer das heißen sollte, denn er selber hatte diesen „Gott“ auch noch nicht gesehen.
„Lonas…“, schluchzte er trocken, wischte sich die Tränen von der Wange und beschloss noch ein letztes Mal stark zu sein, den Ring steckte er in seine Tasche. Wenn Lonas gehen würde, würde er ihn begleiten, soviel war sicher.
„Du Idiot…“, wisperte er noch einmal und betrat den Verhandlungssaal. Sein Blick fiel direkt auf Lonas, welcher ihn durchdringend musterte.
Täuschte er sich oder lag in seinem blick etwas warmes, liebevolles, während sein ganzer Körper nur zu verdeutlichen schien das es ihm egal war, was mit ihm geschah.
„Die Verhandlung kann weitergehen…“
Es wurde still im Saal. Hatte vorher noch Unruhe geherrscht, sahen nun alle gespannt auf Ariel.
„Es läuft wie bisher… Der Hohe Rat und ich haben uns beraten und entschieden Lonas… entschieden das…“
Er schluckte, riss sich zusammen und fügte schnell hinzu:
„Das es besser ist, wenn wir seine Existenz vorerst auf Eis legen… Wie wir wissen kann er nicht mehr sterben, darum wird seine Seele aus seinem Körper entlassen und darf in einen neuen Körper verpflanzt werden…“
Es brach wieder Unruhe aus, doch Ariel bemerkte sie nicht. Sein Blick galt ganz alleine Lonas, der ihn aufmunternd zulächelte, fast als wolle er sagen:
„Nimms nicht so schwer, du bist ein guter Herrscher.“
Ariel riss sich zusammen. Bis vor kurzem hatte er sich noch so gut unter Kontrolle gehabt, nur diese eine Nacht hatte alles zerstört…
Die Höflichkeit verlangte es und somit schritt er auf Lonas zu, deutete eine leichte Verbeugung an gab ihm seinen Segen.
Eine etwas paradoxe Situation, wenn man bedachte dass Ariel ihn ja auch gerade zum Tode verurteilt hatte.
Trotzdem antwortete Lonas mit fester Stimme:
„So sei es, ich werde das Urteil widerstandslos annehmen und mich auf den Tag meines Todes vorbereiten. Sagt, wann wird es soweit sein?“
Die Himmelsbewohner stutzen.
Täuschten sie sich oder war in Lonas Stimme Spott herauszuhören? Wie konnte dieser Teufel es wagen das Urteil ihres Meisters nicht ernst zunehmen?
Alle sahen gespannt auf Ariel, aber er ignorierte das herausfordernde funkeln in den Augen seines eigentlichen Gegners.
Es war eher ein Spiel, beide wussten was als Einsatz galt, sie mussten den Leuten eine Show liefern, keiner wollte einen glanzlosen Abgang des Phasmaregenten sehen, sie würden jubeln wenn er handgreiflich werden würde…
Ariel seufzte leise, zum Glück war der Hohe Rat soweit vernünftig, dass sie sich nicht zu diesem niveaulosem Verhalten hinreißen ließen. Nein, so waren eher die anderen, durchschnittlichen Engel.
So sagte auch keiner was, als Ariel sich vorbeugte und Lonas vor allen Anwesenden einen Kuss auf den Mund gab, sie taten es als Geste unter Herrschern ab. Des weiteren wurde auch keiner misstrauisch, als Ariel den gefesselten Lonas umarmte und ihm ins Ohr flüsterte:
„Netter Versuch, aber ich sagte doch schon du wirst mich nicht los…“
Schnell hatte er den Ring in Lonas Tasche verschwinden lassen und sah ihn eindringlich an.
„Ich meinte es ernst, ich werde dir folgen… Aber ich habe schon eine Idee…“
Lauter sagte er:
„Das Urteil wird in 3 Erdtagen ausgeführt, solange steht er unter persönlichem Arrest.“
Plötzlich schien es, als ob jeder die Luft anhielte. Lonas unter persönlichem Arrest? Das würde bedeuten er würde sich nur noch in Ariels Gemächern aufhalten dürfen… Wie kam Ariel auf sowas? Sogar Lonas starrte ihn ungläubig an. Dieses Verhalten konnte Ariel seinen Kopf kosten, allerdings strahlte er soviel Entschlossenheit und Würde aus, dass keiner der Anwesenden es wagte ihm zu widersprechen.
Einer von Ariels Vertretern tupfte sich Schweiß von der Stirn und meinte sich wieder fassend:
„Ihr habt Ariels Anweisungen gehört! Bringt ihn in Ariels Zimmer und kettet ihn dort an!“
Lonas warf ihm einen mehr als fragenden Blick zu. Was hatte sein Engel vor? Er musste einen verdammt guten Plan haben, denn solch eine Aktion ungeplant, konnte wirkliche Schwierigkeiten bedeuten.
Ariel sah ihnen hinterher, als er weggebracht wurde und wandte sich wieder dem Hohen Rat zu.
„Gibt es bis hierhin noch Fragen?“
Die anderen Engel starrten ihn immer noch an.
„Nein Herr…“
„Gut, dann werde ich mich jetzt um meinen Gast kümmern, bereitet alles für die Zeremonie vor.“
„Jawohl Herr…“
Ariel nickte ihnen noch einmal zu und machte sich dann auf den Weg…
Es gab noch viel vorzubereiten…
Es war Zeit vergangen, deutlich viel Zeit und wie hieß es so schön? Die Zeit heilt alle Wunden…
Zumindest sollte sie, was bei Maive aber nicht der Fall war.
Er saß die meiste Zeit auf Loniceras Bett und starrte vor sich hin.
Lonicera und er hatten beschlossen, dass sie vorerst bei ihm bleiben würden.
Ja, Maive wirkte so verloren auf dem großen Bett, aber es hatte sich tatsächlich etwas verändert. Er fing an Lonicera zu vertrauen.
Warum das so war, wusste er selber nicht so ganz genau, aber es war so und das war gut. Als sie vor einiger Zeit aufgewacht waren, kurz nach Lonas Festnahme, waren sie nicht allein gewesen. Sie wurden bereits von zwei jungen Männern erwartet. Sie stellten sich ihnen als Kamil und Luca vor.
Sie erklärten ihnen, dass sie von Lonas beauftragt worden waren, sich um ihre Abreise in die Menschenwelt zu kümmern und dass sie sie solange auch betreuen würden. Maive nahm die beiden kaum zur Kenntnis, dabei gaben sie sich wirklich alle Mühe.
Wenn Lonicera das Haus verließ um sich zusammen mit Kamil um diverse Sachen für die Flucht zu kümmern, dann war Luca die meiste Zeit bei Maive und sprach mit ihm, auch wenn er nie eine Antwort erhielt.
Es machte Luca nichts aus, er kam aus einem Land das aus Eis bestand, da schockierten ihn schweigsame Engel auch nicht mehr.
„Hm du bist bestimmt aufgeregt oder? Bald gehst du wieder in die Menschenwelt… Kamil hat mir erzählt das du noch Erinnerungen an dein Leben hast. Eine wirklich spannende Sache! Ich meine, ich weiß nicht mal, ob ich jemals gelebt habe, streng genommen bestehe ich aus verzaubertem Wasser…
Irgendwie merkwürdig wenn ich so darüber nachdenke…
Eigentlich wollten euch die Saikoros noch besuchen kommen. Vorletzte Nacht war Jieji hier und hat uns das gesagt.“
Maive sah ihn nur ausdruckslos an. Er wusste nicht mal ob Maive ihn gehört hatte… Luca lehnte sich an das Bett und lächelte. Es war gut zu sehen, dass seine Augen zumindest wieder etwas von ihrer ursprünglichen Lebhaftigkeit zurückbekamen, wenn Lonicera mit ihm sprach.
Kamil kam herein und bat Luca um ein Gespräch unter 4 Augen.
Dieser folgte ihm und sah Kamil fragend an.
„Was ist los?“
„Sie haben das Urteil eben ausgesprochen…“
„Und?“
„Tot… aber erst in 3 Erdtagen…“
„Das heißt uns bleibt nicht viel Zeit.“
Kamil schüttelte den Kopf und meinte dann mit einem Nicken in Richtung Maive:
„Wir müssen ihn fit kriegen, damit die beiden spätestens übermorgen los können! Wir könnten auch nachreisen, das sollte kein Problem sein.“
„Ja in Ordnung. Hast du es Lonicera schon gesagt?“
„Er war dabei, als es sich rum gesprochen hat, aber es geht ihm gut, besser als erwartet. Ich denke er hat’s innerlich gewusst…“
Luca nickte zustimmend und senkte seinen Blick.
„Und Maive?“
„Lonicera ist grad bei ihm.“
„In Ordnung…“
Beide sahen sich an und gingen nach draußen. Vielleicht ergab sich ja doch noch etwas…
Lonicera betrat zögernd Maives Zimmer und sah zu dem blassen Jungen.
„Hey Mai…“
Maive sah auf und lächelte leicht. Er schien aus seiner Starre gelöst zu sein.
„Hey Lonicera, gibt es was Neues?“
Lonicera verzog kurz das Gesicht als ob er was bitteres gegessen hatte und meinte kopfschüttelnd:
„Nein, aber wir reisen spätestens übermorgen ab, also in die Menschenwelt.“
„In Ordnung, und was passiert dann?“
Lonicera lächelte gequält, Maive war wirklich immer kalt wie ein Fisch.
„Naja ich hoffe mal… das ergibt sich dann von alleine.“
Maive lächelte und schmiegte sich an Lonicera, sicherlich würde er gerne wissen was jetzt mit Lonas war und er wusste das Lonicera wusste was mit Lonas passiert war, trotzdem schwieg er und genoss die Streicheleinheiten die ihm Lonicera gab.
An sich hatte sich nichts zwischen ihnen geändert, oder?
Maive stand plötzlich auf, streckte sich, dass die Knochen knackten und meinte:
„Dann auf geht’s. Wir sollten noch ein paar Sachen packen.“
Lonas ging derweilen in Ariels Zimmer unruhig auf und ab.
Er kam sich vor wie ein eingesperrtes Tier, es erleichterte ihm einzig, dass Ariel die Fesseln gelöst hatte, da er annahm das Lonas nicht so dumm sein würde und versuchte zu fliehen.
„Ariel! Was hast du dir dabei gedacht? Das gibt einen unglaublichen Skandal. Du kannst dafür genauso drankommen wie ich!“
Ariel warf mit einer trotzigen Geste sein langes weißes Haar zurück.
„Na und? Ich werde sowieso sterben! Und was sollte das überhaupt mit dem Ring? Glaubst du so leicht kommst du von mir frei? Ich werde dir folgen, egal wohin du gehst.“
Lonas lächelte beschwichtigend.
„Weiß ich doch… Ich dachte nur es würde dich vielleicht freuen eine Alternative zu haben.“
Ariel zog ihn auf das weiße Sofa seines sehr hell gehaltenen Raums und ließ ihn auf seinen Schoss zu sitzen kommen.
„Das weiß ich auch sehr zu schätzen, danke. Ich wäre nur erfreuter gewesen, hättest du mich vorher schon eingeweiht.“
„Ich kann mich einfach noch nicht mit dem Gedanken anfreunden, dich streben zu sehen.“, meinte Lonas leise und sah Ariel in die hellen Augen.
„Das musst du vielleicht auch nicht…“
Lonas wurde hellhörig, etwas in Ariels Stimme sagte ihm dass der Gute einen Plan hatte.
„So? Ich höre? Was hast du gerissenes Engelchen jetzt wieder angestellt?“
„Was würdest du über einen kleinen Kurzurlaub sagen?“
fragte Ariel plötzlich abwesend und strich seinem Geliebten durch das Grüne Haar. Ariel lachte leise, etwas was er sonst nie tat.
„Ganz einfach… Als Azrael durch den Schatten verschwunden war, habe ich eine leichte Energieerhöhung gespürt. Jetzt bedenke, dass es einen unglaublichen Energiestau geben muss, wenn dein Schützling in die Menschenwelt reisen will. Überhaupt, wer ist er und wer kommt noch mit? Du lässt ihn nicht alleine gehen oder? Und keine Panik hier hört dich keiner, der Raum ist mit einem speziellen Bannkreis geschert… Jedenfalls, bei der Energiemenge die freigesetzt wird, werden wir beide ein Loch in die Zeit sprängen und in die Menschenwelt flüchten…“
Lonas starrte Ariel mit offenem Mund an, schluckte und meinte dann:
„Du bist genial!! So machen wir das. Es werden insgesamt 4 Leute Reisen.
Lonicera, sein Begleiter und 2 Junge Prinzen aus der Elementarwelt.“
„Elementarwelt? Du bringst sie um!“
„Ich habe ihnen vor Jahren nicht das Leben gerettet um sie jetzt wieder sterben zu lassen, ich bin auf alles vorbereitet…[*]“
Ariel nickte langsam und fragte dann:
„Der Begleiter… Ist er Loniceras Partner?“
„Ja… Ein junger Engel. Er ist ganz erstaunlich und erinnert mich sehr an dich früher… Er hat die Gabe der Erinnerung.“
„Oh, verstehe. Engel, wie er haben es nicht leicht in dieser Welt…“
Lonas nickte zustimmend und lehnte sich an Ariel.
„Nein, leicht hat er es nicht, keiner von ihnen.“
Ariel wollte ihn noch etwas fragen, zum Beispiel, ob er etwas mit dem Engel gehabt hatte, entschied es aber, zu ihrer allgemeinen Gesundheit, dass es besser wäre, er würde das Thema vorerst auf sich beruhen lassen.
„In Ordnung. Und was ist ihr erstes Ziel?“
Plötzlich fragte sich Lonas woher Ariel eigentlich wusste, dass Lonicera und Maive in die Menschenwelt reisen würden.
„Ich möchte dass sie zu Loniceras Sterbeort reisen…“
„Na du bist mutig… Du weißt was das für Konsequenzen haben kann.“
„Nicht andere als deine Aktion.“
„Stimmt… In Ordnung, dann werde ich den kleinen nachher noch einen Besuch abstatten…“
Ariel lächelte gespenstisch.
Kap. 11 Ende
TBC
Danke fürs lesen!!!
[*] Spielt auf Secret Game an
