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"Was muss passieren?" Kritische Fragen zur Berichterstattung über den Zusammenhang von Death Note zu dem Mordfall Lena in Emden Death Note

Autor:  Babel-2




"Was muss passieren" fragt die Moderatorin zu Beginn der MAZ, "damit ein Jugendlicher zum Mörder wird?" Diese Frage, was passieren muss, stelle ich mir auch, allerdings in einem etwas anderem Zusammenhang.

Nämlich was passieren muss, damit Berichterstattung endlich so funktioniert wie sie soll: sachlich, wert- und vorurteilsfrei. Vor allem aber weniger polemisch. Denn wieder einmal war der Täter "regelmäßig in sozialen Netzwerken (...) unterwegs" und hatte eine "auffällige Vorliebe für Ego-Shooter, wie Resident Evil oder Counter Strike".
Gezeigt wird die Favouriten-Liste des Täters, auf der etliche Kanäle stehen, aber nur diese zwei, wieder einmal, fokussiert werden.
Die einzige Regelmäßigkeit die mir hier auffällig erscheint, ist das beinah schon Mantra-ähnliche vorbeten dieser Zusammenhänge bei Berichterstattungen in jüngster Zeit. Gamer/Internetuser = potentieller Mörder. Und nun hat dieser echte Mörder vorher Death Note gesehen.
Interessanterweise wird dem dazugehörigen Trailerschnippsel ausführlich Zeit gelassen zu erklären, dass es in diesem "Mangazeichentrickfilm" darum geht nach Belieben Menschen zu töten. Auf mich wirkt das, als soll dem Betrachter genügend Zeit gelassen werden, dem Bild ein weiteres Puzzleteil beifügen zu können. Nämlich dem Bild des Schema-F-Jugendmörders in den Köpfen der Allgemeinheit, welches von den Medien derzeit bei jedem Vorkommnis durch den Äther getrötet wird. Doch dazu später mehr.

Auffallend ist, dass der Death Note Trailer scheinbar nur deswegen eingebunden wurde, weil es der letzte Eintrag des Mörders auf Facebook war. Es steht sonst in keinerlei Kontext zu den davor gezeigten, bzw. den nachfolgenden Informationen - und damit ist er nicht allein. Bereits in der nachfolgende Szene spricht wieder der Obligatorische Experte darüber, dass Jugendliche ihre Gewaltphantasien im Internet entwickeln. Direkt im Anschluss wird mit Rückblenden zu einem ähnlichen Fällen in der Vergangenheit wieder das Thema Jugendliche Straftäter behandelt.
Eine völlig zusammengewürfelte Aneinanderreihung von Einzelthemen, die, jedes für sich, inhaltlich sicherlich für eine mehrstündige Reportage reichen würde.

Vom Zeitfaktor her gesehen ist es schon verständlich, dass hier gekürzt werden muss, weil nicht auf alles explizit eingegangen werden kann. Auf mich wirkt das aber eher wie: Hauptsache alles mal drin gehabt. Da ist ein minderjähriger Mörder, Hauptschüler, Killerspieler, Fantasy Freak und vergeht sich an einem Kind. Aber es ist nicht per se die beiläufige Erwähnung von Death Note, die mich hier so auf die Palme bringt, sondern das offensichtlich absichtliche Einstreuen aller Klischees in diesen Bericht. Und was diese Einstreuungen eigentlich Bewirken. Bei uns.

Mich als Organistor einer Anime-Convention macht es unzufrieden und wütend. Es ist bereits schwer genug für die Szene etwas auf die Beine zu stellen, deren Mitglieder durch das Verhalten einiger Wenigen auf Außenstehende pauschal so wirkt, wie schlecht verkleidete Geburtstagskinder mit Verhaltensstörung auf Speed mit Rudelgeschrei. Ja, das gibt es in jeder Szene. Ja, es sind teilweise auch Personen im "echten" Kindesalter dabei, wo es noch "dazu gehört" laut zu sein, aber darum geht es mir nicht.

Mir geht es um das Bild unserer Szene in der Öffentlichkeit, was durch solche Verhaltensweisen extrem torpediert wird und das Organisieren von Veranstaltungen und Events extrem erschwert.
Und dann kommen Berichte wie dieser von Spiegel TV und heiße Animebabes aus dem Jambalaya Sparabo. Sowas kann man echt nicht gebrauchen und umso schlimmer ist eigentlich, dass das jetzt nicht der erste und nicht der letzte Bericht sein wird, der die "Akzeptanz" von Anime und Manga durch solch halbgare Berichterstattung belastet. Sponsoren springen ab, Räume werden nicht mehr vermietet, Kautionszahlungen werden gefordert, Auflagen des Ordnungsamtes. Auf Dauer trägt sowas mit dazu bei, dass alle halbwegs fähigen Orgas aus der Szene nach spätestens 5 Jahren die Schnauze voll haben.

Zwei Punkte möchte ich aber noch zu dem Spiegel Bericht sagen. Zuerst meine Enttäuschung, die dieser Bericht bei mir ausgelöst hat. Spiegel TV galt für mich immer als eine Art Qualitätsmerkmal. Recherchierte Sachverhalte, die dort als erstes aufgedeckt werden. Aber hier ist nun ein Beitrag wo man weiß, dass nur an der Oberfläche gekratzt wurde und das das, was man fand, entsprechend passend zurecht geschraubt wurde. Aber als Folge davon: Wenn das in diesem Fall nicht stimmt - wo stimmt es dann überall noch nicht mehr? Dort wo ich es nicht merke, weil mir der Background fehlt? Welche Berichte kann ich noch ernst nehmen? Und das nicht nur bei Spiegel, sondern generell?

Zweitens möchte ich noch einmal kurz auf den Inhalt des Beitrags eingehen, die zu Beginn der MAZ angekündigt werden und die ich in dieser Reportage erwartet hätte:
- das stümperhafte Vorgehen der Beamten bei der Festnahme des zu Unrecht beschuldigten Jugendlichen, der nun unter Polizeischutz genommen werden musste, nachdem Facebook User zur Lynchjustiz aufgerufen hatten und das anschließende Versagen des deutschen Behörden den dafür verantwortlichen User dank der Datenschutzpolitik Facebooks ausfindig und verantwortlich machen zu können.
- Wie der Jugendliche tatsächlich zum Mörder wurde. Ich halte weder Facebook, noch Death Note, noch ein Computerspiel für so mächtig, das Gehirn eines 17 jährigen so zu waschen, dass dieser vom Musterschüler zum Mörder wird. Vor allem wenn jetzt nachweislich schon fast bewiesen ist, dass es sich bei ihm um einen psychische Störung handelt. Dann wären die ganzen oben genannten Zusammenhänge sowieso haltlos.
- Aber selbst ohne eine psychische Erkrankung in diesem Fall gibt es Umwelteinflüsse auf Jugendliche, die m.E. wirklich so mächtig sind um Mörder zu machen: Mobbing, mangelnde Betreuung durch die Eltern (die habe ich übrigens noch nirgendwo erwähnt gefunden, ihr??), schlechte Vorbilder und soziales Umfeld. Wo sind diese Informationen in dem Beitrag?
Schlechter Familienstatus, weil die Eltern den ganzen Tag schuften müssen, oder arbeitslos und besoffen sind und den Kindern keine Perspektive geben. "Falsche" Freunde, weil in den Stadtbezirken das Geld für soziale Projekte fehlt. Mobbing in der Schule, weil die Lehrer bei 30+ mehr Schülern in der Klasse hilflos sind. Da wären die echten Probleme gewesen, über die es sich gelohnt hätte zu sprechen!

Weiterhin hätte ich erwartet, dass diese Themen irgendwie eingebunden worden wären, denn wie gesagt: Normalerweise hat Spiegel solche Informationen immer vor allen anderen.
- Das Lob des niedersächsischen Innenministers Uwe Schünemann zur Festnahme des falschen Verdächtigten "Die Mordkommission hat sehr professionell gearbeitet" (Zitat: Focus, hr-info) - und der dafür nun selbst in die Kritik gerät.
- Das der echte Mörder sich vor Monaten bereits selbst angezeigt hat, wie sich heute heraus stellte - und die Behörden wegen Zuständigkeitsproblematiken auf lokaler Ebene nicht gehandelt haben - obwohl der richterliche Beschluss zur Wohnungsdurchsuchung bereits vorlag (Quelle: hr-info). Der Hammer oder? Da merkt der Jugendliche sogar, dass mit ihm etwas nicht stimmt und zeigt sich sogar selbst an.

Abschließende Worte fallen mir nach diesem Text leider keine ein, außer, dass mich die Berichterstattung und alle damit zusammenhängenden Fakten sehr, sehr nachdenklich gemacht haben.
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Datum: 04.04.2012 18:52
Leider nichts neues und ein Kampf gegen Windmühlen, den wir nur führen, aber nie gewinnen können.
Denke nicht, ich hätt mich damit abgefunden und aufgegeben, ich sehe es nur nicht mehr ein, mich darüber aufzuregen, wie die großen Medien ihre Macht missbrauchen (denn als nichts anderes empfinde ich eben DAS da).

Wenn sie nicht hören wollen was wir, ihre Kunden, ihre Konsumenten, ihre Zielgruppe, über sie denken und zu sagen haben, mach ich das einzige, was in der Masse Wirkung zeigt: Abschalten.
Wenn das mal mehr tun würden, sich versuchen,freier zu informieren und nicht einfach zu konsumieren, könnten sie solche Berichte nicht mehr bringen.

Lulz, Taku auf Facebook ^Ò,.,Ó^ /人◕ ‿‿ ◕人\
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Datum: 04.04.2012 22:44
>Welche Berichte kann ich noch ernst nehmen? Und das nicht nur bei Spiegel, sondern generell?

da stellst du die relevanteste Frage überhaupt.

Ich glaub dem Sauhaufen von Journalisten gelinde gesagt GARNICHTS mehr. Ich hab ne breite Allgemeinbildung und deswegen zu vielen Themen ein zumindest so tief gehendes Wissen, dass ich Inkonsistenzen in Beiträgen des "professionellen" Journalismus entdecken kann. und sie sind ÜBERALL. Von den ewigen peinlichen Versuchen, wie Journalisten in Interviews die Fragen noch suggestiver machen als eh schon, ganz zu schweigen. (Wannimmer ich Politikerinterviews lese oder im Fernsehen sehe, denke ich mir nur: "Glaubst du Volltrottel von einem Reporter WIRKLICH, dass Politiker xy auf DIESE Frage antworten wird? Du gibts ihm schließlich nur zwei Möglichkeiten zu antworten, die beide nicht dem entsprechenn, was er denkt und will!" Weil die das dauernd machen. überall. richtig dreist fand ich ein Interview mit Sabine Leutheuser-Schnarrenberger kurz bevor Guido Westerwelle abgesägt wurde - wo die Interviewerin DREI MAL in anderer suggestiver Formulierung wissen wollte, wie unzufrieden Leutheuser-Schanrrenberger mit Westerwelle ist. Die Frau ist doch keine dumme Lokalpolitikerin, die man mit sowas in eine Falle locken kann! es war einfach nur peinlich, wie sich die Journalistin in dem INterview aufgeführt hat...)

Zum allgemeinen Thema: Wirklich gute Aufklärung funktioniert als erstes mal auf direkter Ebene. Dafür muss man in die nachbarschaft hinausgehen und den leuten zeigen "Hey wir sind bunt, aber wir sind trotzdem "normal" und haben nichts böses im Schilde!". Ich finde es unglaublich toll, dass das Auricher Animexx-Treffen auf einem Stadtfest mit einem Stand vertreten sein wird, das sind genau die Dinge, die es meines Erachtens nach braucht.

Eine Sache, die ich persönlich sehr sinnvoll fände, wäre auch ein reflektiertes Einbringen des Themas Manga in den Unterricht an Schulen, denn wenn Lehrer unverkrampft an das Thema heran gehen, dann wird sowas auch als normale Mitte der Gesellschaft anerkannt.

Ich hab nur leider keine Ahnung, wie man da flächendeckend vorgehen könnte - ne Liste mit Manga-Leseempfehlungen für Schulen ließe sich zusammenstellen, nur wie bringt man die unters Lehrervolk?

Gegen die Negativberichterstattung kann man in meinen Augen nichts machen, es ist auch sinnlos, es zu versuchen, weil man sich damit tendenziell nur weiter ins Aus befördert. Wenn man sich wütend oder empört wehrt, bietet man meist leider nur weitere Anriffsfläche für sensationsgeile Journalisten. In der veröffentlichten Meinung ist für mich sowieso Hopfe und Malz verloren, der ganze Laden lebt so sehr fr Auflage und Einschaltquote, selbst die "Qualitätsgaranten" sind keine solchen mehr (ich hab seit Jahren ein Spiegel-Abo, hohle Lobbygefütterte Artikel sind auch dort an der Tagesordnung).

Deswegen: rausgehen und es RICHTIG machen. Sich konsequent positiv präsentieren.

Was generell sinnig wäre - für alle äußeren Auftritte gegenüber Publikum, das das Thema noch garnicht kennt, eine Infobroschüre zu haben. Wir hatten mal angefangen, an sowas zu arbeiten, sind aber nicht fertig geworden. Leider hab ich nie Zeit garnciht mehr, mich darum auch noch zu kümmern...

Aza.
Hetalia-Cosplayer aus Bayern aufgepasst!
http://animexx.onlinewelten.com/zirkel/hetaliamuc/beschreibung/
Euer neues Event in München, mit mehr als nur Cosplay, und einem kompletten Hetalia-Programm!
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Datum: 05.04.2012 00:41
Ich rege mich über sowas gar nicht mehr auf.
Sollen die doch von uns Anime- und Manga-Fans denken, was sie mögen.
Ich weiß, dass mich persönlich solche Animes nicht zu solchen Taten verleiten.
Vor allem nicht DN, da gibt es weitaus krankere Animes... o.O

Nun, dass unsere 'Szene' wieder mal schlecht gemacht wird, ist natürlich nicht schön, aber als könnten wir was ändern daran.
Emos werden immer ritzende Heulsusen sein, Gothics immer den Teufel anbetende Sekten-Mitglieder und wir Anime- und Manga-Fans halt Freaks mit dem Hang zu perversen Fantasien.

Steht einfach darüber!
Izaya Orihara ist mein Gott ♥

... Eifersucht ist eine Leidenschaft,
die mit Eifer sucht,
was Leiden schafft ...

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Datum: 06.04.2012 16:00
Es gab doch schonmal einen ´Death Note´ Mord in Amerika oder einem anderen Land, hatte das nur am Rande mitbekommen.
Und einmal hatten zwei Jugendliche eine Familie mit einem Messer/Schwert schwer verletzt oder gar getötet und da wurde Final Fantasy VII in den Dreck gezogen weil Sephiroth ja auch so ein mega langes Schwert besitzt.
Irgendwas muss man ja immer die Schuld geben.

Ich finde wer krank ist, ist eben irgendwie krank und bestimmte Games und Trickfilme KÖNNEN das evtl. zusätzlich beeinflussen, aber dann liegt es nicht grundsätzlich eben an diesen.
Wir sind ja auch nicht alle automatisch potenzielle Mörder.
Die sollten mal lieber die Vergangenheit des Jungen durchleuchten und die Beziehung zu Eltern und Verwandten, da die Erziehung auch eine große Rolle spielt.
Vllt wurde er als Kind mal missbraucht.
Die sollten sich lieber fragen, warum er keine Beziehung zu Frauen aufbauen konnte etc.
An sowas wie Death Note wird das wohl eher nicht liegen, da die Theamtik des Animes zwar schon das töten ist aber keine sexuellen Handlungen an Kindern und soweit ich es mitbekommen hab, hat er die Kleine ja auch vergewaltigt...
Naja, in ein paar Monaten ist das eh wieder fast vergessen, bis was neues aufkommt, dann wird es wieder rausgekrahmt.


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