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Spherium

Kaiba/Yuugi
von

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Kapitel 23

Die Tage vergingen. Yuugi hatte zwei Seminare nun hinter sich und mehr über sich selbst erfahren, als es ihm lieb war. Mittlerweile versuchte er viel mehr, sich in Gespräche einzubinden und wenn Kaiba etwas sagte, nahm er dies entweder schweigend hin oder gab Kaiba einen ebenso fiesen Konter zurück, so dass dieser entweder genervt mit den Augen rollte und aufgab oder aber anfing, mit ihm zu diskutieren.
 

Vielleicht war es nur seine Einbildung. Kaiba wirkte zunehmend freundlicher und erklärte auch von sich aus Dinge, die Yuugi nicht verstand. Ihre Zusammenarbeit war nicht optimal, aber schon so viel besser geworden, dass Kaiba das Gefühl bekam, sich auch auf seinen neuen Partner verlassen zu können.
 

„Kaiba-kun, ich bin fertig.“, kam es routiniert von Yuugi. Mittlerweile hatte er sich an den Arbeitsablauf gewohnt.
 

„Gut, dann bring diese Unterlagen in die Entwicklerabteilung.“ Kaiba zeigte, ohne von seinem Bildschirm aufzusehen, auf mehrere Umschläge auf seinem Schreibtisch. Zaghaft griff Yuugi nach den Unterlagen. So ganz geheuer war ihm nicht bei den Gedanken, wieder auf Nomura zu treffen. Die ausgesprochene Drohung hatte er nicht vergessen und er hoffte sehr, dass es zu keinen unnötigen Streit kam, wenn Yuugi ausgerechnet diesem die Unterlagen überbrachte.
 

Dass Kaiba für einen Moment hochgeschaut hatte und Yuugi musterte, bekam dieser nicht mit. Aus irgendeinem Grund schien sich Yuugi nicht wohl zu fühlen, aber Kaiba sah keinen weiteren Grund, dessen eigenartiges Verhalten weiter zu ergründen. Er musste lernen mit den Angestellten klar zu kommen. Als Yuugi das Büro verließ, hielt Kaiba in seiner Bewegung inne und öffnete das Überwachungssystem auf seinem Bildschirm. Sämtliche Abteilungen waren vernetzt und notfalls konnte er einen Blick über die Schulter seiner Angestellten werfen. Es war nicht seine Art, diese auszuspionieren und es kam extrem selten vor, dass er dies tat und trotzdem sagte ihm irgendetwas, dass er einen Blick riskieren musste.
 

Wie so oft stand Yuugi einfach nur da. Man hätte meinen können, er hatte vergessen, was er tun sollte, da er seinen Kopf hin und herbewegte und es so aussah, als würde er etwas Bestimmtes suchen, von dem er nicht einmal mehr selbst wusste, was es war. Dann fasste er sich ein Herz und trat in die Arbeitsfläche. Die meisten Entwickler hatten Yuugis Präsenz nicht einmal bemerkt. Leider musste er zugeben, dass er nur wenig Eindruck hinterließ, da er sich meist zurückhielt. Trotzdem kämpfte er sich weiter durch und lief Slalom um die Arbeitsgeräte und Bürotische.
 

Vor einem jungen schwarzhaarigen Mann blieb er dann stehen.
 

Kaiba stellte den Ton nun auch ein, um alles mitzubekommen. Er erwartete, dass Yuugi ihm einfach nur die Unterlagen übergab und sich dann zurückzog, doch Nomura ignorierte Yuugi mit Absicht. Mehrmals sprach Yuugi ihn beim Namen an und Nomura machte sich einen Spaß daraus, so zu tun, als wäre der Jüngere gar nicht da. Dieser umklammerte die Unterlagen vor seiner Brust, nur wenige Millimeter über seinem Gesicht und erklärte, dass er diese Unterlagen selbst angefordert hätte und sie nun auch annehmen müsste, wo Kaiba sie extra für ihn zusammengestellt hatte.
 

Dann griff er nach seiner Kaffeetasse und drehte sich mit dieser um. Heißer Dampf stieg aus der Tasse empor, das Getränk musste frisch gebrüht gewesen sein. Mit einer hastigen Bewegung hob er den Becher so, dass die heiße Flüssigkeit sich auf Yuugi ergoss. Er hatte mit Absicht auf sein Gesicht gezielt. Yuugi schrie kurz auf und ließ die Unterlagen nun fallen.
 

Kaiba war instinktiv aufgestanden und schlug auf den Tisch. Was zum Teufel ging da vor sich?!
 

„Entschuldige, ich hab dich nicht gesehen.“, grinste Nomura und erhob sich von seinem Drehstuhl. Yuugi wich einige Schritte zurück und sagte nichts. Kaiba war außer sich vor Wut. Warum sagte er nichts!? Wieso ließ sich Yuugi das gefallen und was bildete sich Nomura ein, Yuugi so zu behandeln?
 

„Du bist so winzig, da passiert das schon mal. Aber mit deiner Größe passt du gut unter einen Schreibtisch. Kannst dich ja hochlutschen ohne auf die Knie zu gehen.“
 

Hier und da wurde leise gekichert. Kaiba bewegte sich von seinem Schreibtisch weg und steuerte die Abteilung an. Es war nicht seine Aufgabe, Yuugi zu beschützen, doch er war nun mal der Leiter dieser Firma und er konnte nicht zulassen, dass mit wichtigen Dokumenten so umgegangen wurde. Zumindest hatte er nun einen perfekten Vorwand dort aufzutauchen und die Situation auf seine Weise zu entschärfen. Innerlich brodelte er, weil Nomura Yuugi körperlichen Schaden zugefügt hatte und Yuugi das einfach mit sich machen ließ, ohne sich zu wehren.
 

„Wie bitte?“, empörte sich Yuugi und wischte sich noch einmal mit seinem Ärmel über sein Gesicht.
 

„Ach, komm schon! Tu doch nicht so. Du bist doch nur hier, um dich einzuschleimen. Denkst wohl ernsthaft, dass wenn du brav Kaiba-sama hinterherrennst und ihm die Füße küsst, dass er dir eine hohe Position gibt. Machst es dir ganz schön einfach, was?“
 

„So ein Unsinn! Kaiba-kun und ich sind Partner!“
 

„IIIIIHHH, eine Schwuchtel! Geh weh, sonst stecke ich mich noch an!“, brüllte Nomura und nun lachten fast alle Männer der Abteilung laut los. Sie alle sahen in Yuugi eine Gefahr. Jemand, der eine hohe Position erhalten hatte, ohne auch nur etwas dafür tun zu müssen. Ein widerlicher Schleimer, der nichts drauf hatte und seit fast zwei Wochen hier ein und ausging, ohne dass irgendwer wusste, was er hier zu suchen hatte.
 

Kaiba hatte sich nicht die Mühe gemacht, zu erklären, warum Yuugi hier war. Es kursierten so einige Gerüchte innerhalb des Firmengeländes. Kaiba wäre verrückt nach Mutou Yuugi gewesen und hätte nur diesem im Kopf gehabt und hatte sogar eine neue Schwarze Magier Reihe ins Leben gerufen, einzig und allein, um seinen Rivalen einen Gefallen zu tun. Und sogar einen exklusiven Dueldisk bekam dieser und ihre Duelle wurden extra prunkvoll inszeniert. Kaiba zeigte nie Interesse an seinen Mitarbeitern und wurde sehr schnell sehr laut. Er ließ keinen Fehler unbestraft und war niemand, mit dem man ruhig reden konnte.
 

Seit der Konferenz war das anders. Mutou Yuugi hatte sich ungefragt eingemischt. Und seine Meinung wurde von Kaiba geschätzt und das nervte die anderen Angestellten. Bisher hatten sie immer gehässig hinter vorgehaltener Hand über Kaiba geredet, doch nun tuschelten sie über den neuen Angestellten, der stets an Kaibas Seite war. Ein Mann, der wie ein braves Schoßhündchen seinem Herrchen hinterher hechelte.
 

Schon lange bevor Yuugi begann in der Kaiba Corporation zu arbeiten, waren deutlich Spannungen spürbar. Enormer Leistungsdruck, Stress und hartes Konkurrenzdenken. Kaiba war niemand, der Anerkennung zeigte oder gar ein Wort des Lobes übrig hatte. Für niemanden. Selbst bei seinem eigenen Bruder hielt er sich nicht zurück und kritisierte diesen genauso hart wie einen normalen Angestellten. Kaiba nahm keine Rücksicht. Er war immer geradeheraus und wenn ihn etwas nicht passte, dann sagte er das auch. Dabei achtete er nicht auf seine Wortwahl. Es interessierte ihn nicht, dass seine sarkastischen Sprüche verletzend waren und anderen das Gefühl gab, im Vergleich zu ihm nichts wert zu sein.
 

Wenn er etwas sagte, nur um zu kritisieren und zu schimpfen. Fehler beruhten einzig und allein auf mangelnder Kompetenz und Nachlässigkeit. Keiner wollte von Kaiba runter geputzt werden, erst recht nicht, wenn dieser mal wieder schlechte Laune hatte, weil er ein Duell verloren hatte oder sonst irgendetwas nicht nach Plan lief.
 

Doch seit Yuugi hier war, verhielt sich der Eiskönig etwas anders. Kaiba hielt sich zurück und hatte sogar bei Problemen geholfen, anstatt sie nur zu kritisieren. Diese plötzliche Veränderung blieb nicht unbemerkt. Kaiba war gezähmt worden. Und das ausrechnet von dessen Rivalen. So sprachen die Leute über ihn. Die meisten machten Yuugi dafür verantwortlich. Er hatte sich eingeschleimt und Kaibas Anerkennung erhalten, wobei er nichts getan hatte, außer kleine Aufgaben zu erledigen, die auch ein ungelernter Praktikant hätte erledigen können. Kaum einer gönnte Yuugi diesen Erfolg. Sie waren erfüllt von Neid und Wut.
 

Das laute Gelächter brach wie eine alles verschlingende Welle über Yuugi ein. Er fühlte sich, als würde ihn irgendetwas unter Wasser ziehen und ihn nicht mehr loslassen. Der Kloß in seinem Hals hinderte ihn daran zu sprechen. Seine Wangen waren knallrot. Entweder lag es an dem heißen Kaffee oder daran, dass er sich in Grund und Boden dafür schämte, sich in so einer Situation zu befinden. Als er den Mund öffnete, lachte Nomura umso lauter und motivierte die restlichen Angestellten dazu, beherzt mitzulachen.
 

Plötzlich wurde es still. Die meisten hatten sich zur Tür gedreht in der ein äußerst erzürnter Kaiba stand. Stumm lief er an den einzelnen Angestellten vorbei. Sie alle taten nun so, als wäre nie etwas passiert und schauten stur auf ihre Bildschirme und widmeten sich ihrer Arbeit. Kaiba wusste aber, dass sie versuchten, ihren eigenen Hals zu retten. Direkt vor Nomura und Yuugi blieb er stehen. Yuugi senkte den Blick und biss sich auf die Unterlippe. Verdammt. Kaiba musste ihn für einen absoluten Schwächling halten.
 

„Nomura-san... wieso liegen diese wichtigen Dokumente auf dem Boden?“
 

Nomura stammelte unverständliche Worte. Dass Kaiba höchstpersönlich hier auftauchte war das letzte, womit er gerechnet hatte.
 

„Kaiba-kun... das war meine Schuld. Ich habe den Kaffee umgestoßen und die Unterlagen fallen lassen.“, kam es von Yuugi, der sich nach den Unterlagen bückte, sie wieder aufsammelte und an seiner Weste trocknete. Auf seinen Händen waren rote Flecken. Klare Verbrennungen von der heißen Flüssigkeit und Kaiba wusste nicht, ob er Yuugi nun hassen sollte oder sogar loben für seinen Teamgeist.
 

Nomura starrte ihn mit großen Augen an. Kaiba verkniff sich, das zu sagen, was er am liebsten sagen wollte, sondern wandte sich an alle Angestellten.
 

„Ich möchte, dass ihr eure Aufgaben erledigt. Wir haben einen strengen Terminplan, aber wenn wir uns ranhalten, schaffen wir das. Ich werde die Unterlagen nochmal ausdrucken und ihr konzentriert euch auf das, was ihr tun müsst.“
 

Yuugi lief an Kaiba vorbei und hielt die Unterlagen nah an seinem Körper. Der Firmenleiter brachte Ordnung in das Chaos und verließ dann die Abteilung. Er konnte Yuugi nirgendwo sehen. War er zurück ins Büro gekehrt? Was auch immer geschehen war, er musste mit ihm darüber reden und herausfinden, wieso er nichts gesagt hatte. Warum ließ er sich so herumschubsen?
 

Als er das oberste Stockwerk erreichte, konnte er Yuugi schon aus der Entfernung vor seiner Bürotür lehnen sehen. Sein Blick war gen Boden gesenkt. Noch immer hielt er die aufgeweichten Unterlagen fest. Er hätte sich über ihn lustig machen können oder ihn ausschimpfen, weil er so etwas mit sich machen ließ und dumm genug war, den Typen zu schützen, der ihm schaden wollte und ihn sogar verletzte, stattdessen legte er eine Hand behutsam auf Yuugis Schulter. Kaiba war kein Mensch, der andere gerne berührte. Er vermied Körperkontakt. Seine Hand ruhte nur wenige Sekunden auf dessen Schulter. Trotzdem durchfuhr Yuugi ein angenehmer Schauer und er schätzte diese Geste sehr.
 

Es war eine freundschaftliche Geste. Kaiba wollte Yuugi aufheitern. Warum genau wusste er selbst nicht. Vielleicht lag es daran, dass er sich mitschuldig fühlte, da er Yuugis Reaktion nicht hinterfragt hatte oder weil eine derartige Eskalation unter seiner Führung geschehen war.
 

„Lass uns rein gehen.“, sagte er und öffnete die Tür.
 

Schweigend folgte Yuugi ihm. Kaiba setzte sich nicht zurück an seinen Platz, sondern steuerte seinen Pausenraum an. Obwohl es ihm nicht gesagt wurde, wusste Yuugi, dass er ihm folgen sollte. Er setzte sich auf die Ledercoach und sein Griff um die Unterlagen wurde nur fester. Er war wütend auf sich selbst. Kaiba hielt ihn für einen Schwächling und Yuugi musste ihm Recht geben. Er wusste ja nicht einmal selbst, warum er Nomura verteidigt hatte, obwohl es sein gutes Recht gewesen wäre, diesen anzuschwärzen. Für einen Moment konnte er diesen Mann ja auch verstehen.
 

Nomura arbeitete seit Jahren in der KC und musste stets die Launen seines Chefs aushalten und in all den Jahren bekam er kein einziges Wort des Dankes oder der Anerkennung. Und dann kam ein Jungspund, der all das erreichte, wofür er seit Jahren hingearbeitet hatte. Yuugi hörte das Rauschen von Wasser.
 

Kaiba setzte sich neben ihn und legte Yuugi wortlos ein kühles Tuch auf die Wange.
 

„Eine solche Verbrennung muss man behandeln, ansonsten bleibt eine Narbe zurück.“
 

Yuugis Unterlippe bebte und seine Augen wurden feucht. Er wollte ihm nicht ins Gesicht sehen. Er senkte den Blick und biss sich selbst auf die Unterlippe, um sich selbst daran zu hindern, etwas zu sagen, womit er das letzte bisschen Würde, das er besaß, zerstören konnte.
 

„Es war nett, dass du ihn verteidigt hast. Ich habe alles gesehen und weiß, dass du gelogen hast. Ich werde dich nie verstehen, Yuugi.“
 

Kaiba machte ihm deutlich Vorwürfe, aber es tat es in einer Art und Weise, dass Yuugi sich nicht sicher war, ob er dies nun böse meinte oder nicht.
 

„Aber vielleicht ist dieses Mitgefühl auch so etwas wie Stärke. Nur in einer anderen Form. Du darfst dich von anderen nicht so behandeln lassen. Das nächste Mal wirst du ihm ordentlich die Meinung sagen.“
 

„Warum bist du mir gefolgt?“
 

Kaiba ließ das Tuch nicht los und betrachtete Yuugi genau. Er spürte, dass dieser ihn nicht ansehen wollte und in ihm wuchs das Gefühl, ihn am Kinn zu packen und ihn zum Aufsehen zu zwingen, hielt sich aber selbst davon ab, wissend, dass er damit nur noch mehr Salz in die Wunde streuen würde. Auf Yuugis Händen befanden sich rote Flecken und Kaiba kam nicht drum herum, sich zu fragen, wieso Yuugi so gehandelt hatte. Atem hatte dieses Mitgefühl in höchsten Tönen gelobt. Atem war überzeugt davon, dass Yuugi stärker wäre als er selbst.
 

»Atem... ist das die Stärke, von der du gesprochen hast? Mitgefühl und die Bereitschaft sich zu opfern? Yuugi ist verletzt worden, weil er zu feige war, den Mund aufzumachen. Was würdest du jetzt sagen?«, grübelte Kaiba und bewegte das Tuch an Yuugis Wange vorsichtig, sodass dieser kurz zusammenzuckte und nach Luft schnappte.
 

Atem hätte sicher nach seinem Wohlergehen gefragt und ihn aufgemuntert. Aber Kaiba war andes. Er brachte es nicht fertig, Yuugi zu fragen, wie es ihm ging, weil er genau wusste, dass er mit einem Gefühlsausbruch nicht umgehen konnte. Dennoch gefiel ihm Yuugis Sichtweise nicht. Es war grundverkehrt sich absichtlich in Gefahr zu bringen. Kaiba wollte ihn nicht noch dazu ermutigen, sich weiterhin in diese Opferrolle zu drängen und Schaden wissentlich in Kauf zu nehmen. Auf Yuugis heller Haut waren rote Flecken und Brandblasen, doch was sonst hatte er durch diese Freundlichkeit erhalten? Er fragte sich wirklich, was Yuugi jetzt dachte, da er absolut nicht verstehen konnte, was Yuugi sich davon erhoffte, jemanden zu verteidigen, der ihn nicht ausstehen konnte. Wollte Yuugi sich etwa mit Nomura anfreunden? Zuzutrauen wäre es ihm auf jeden Fall.
 

Immerhin hatte Yuugi selbst Kaiba seine Freundschaft angeboten und obwohl Kaiba es genossen hatte, Yuugi und dessen Freunde zu verletzen und zu demütigen, saßen sie nun hier und er fand sich selbst in einer Situation, in der er über das Wohlergehen desjenigen nachdachte, den er als seinen Rivalen betitelte. Seine liebenswerte Art und sein Wunsch nach Anerkennung und Harmonie würde irgendwann sein Todesurteil werden, so glaubte der Firmenchef.
 

„Ist das jetzt wirklich wichtig? Viel mehr solltest du dir die Frage stellen, warum du ihn auch noch in Schutz genommen hast. Erkläre mir, was passiert ist, denn wenn du es nicht tust, werde ich dich niemals verstehen. Und das ist es doch, was du willst, oder?“
 

Yuugi hob den Kopf und ließ endlich die Unterlagen los, legte eine Hand auf das kühle Tuch und sah den Firmenchef genau an. Kaiba zog nun die Hand zurück und warf einen abwartenden Blick auf den Bunthaarigen, der sichtbar nach den richtigen Worten suchte. Er haderte mit sich selbst, entschied dann, dass es das Beste war, Kaiba zu erzählen, was vorgefallen war und wie seine Angestellten hinter seinem Rücken sprachen. Kaiba sagte all die Zeit gar nichts und hörte ihm aufmerksam zu. Auch wenn er nichts sagte, so meinte Yuugi, in seinen Augen so etwas wie Trauer erkennen zu können.
 

„Ich dachte einfach, dass es das Beste ist, wenn ich Nomura-san nicht anschwärze. Hätte ich ihn verpetzt, würde er mir das nie verzeihen und wir würden niemals normal miteinander arbeiten können.“
 

„Nomura gehört zu meinen besten Entwicklern in der Abteilung und er wäre sicher auch bei Spherium dabei. Du wolltest eurer zukünftiges Arbeitsverhältnis nicht belasten. Sehe ich das richtig?“, erklärte Kaiba und staunte darüber, dass Yuugi soweit gedacht hatte.
 

„Ja...“, murmelte Yuugi und drehte das Tuch in seinen Händen.
 

„Aber eigentlich... wollte ich nur nicht, dass er mich hasst.“, fügte er dann noch hinzu.
 

Kaiba seufzte genervt auf und erhob sich von der Coach. Überrascht sah Yuugi ihm hinterher. Der Brünette holte ein rotes Kästchen heraus, auf dem sich ein weißes Plus-Zeichen befand. Mit diesem setzte er sich wieder zu ihm. Es handelte sich um einen Erste-Hilfe Kasten.
 

„Streck die Hände aus.“, befahl Kaiba, während er eine kleine Tube aus dem Kästchen nahm und diese aufschraubte. Zögerlich sah Yuugi ihn an. Allein der Gedanke, dass der Firmenchef, der ihn seit zwei Wochen stets runter machte und jeglichen weiteren Kontakt zu ihm verweigerte, seine Wunden verarzten wollte, ließ ihn an der Realität zweifeln. Kaiba war nie ein Mann gewesen, der offen seine Gefühle zeigte oder gar Interesse an dem Wohlergehen anderer hatte.
 

Yuugi erinnerte sich an Battle City und an Kaibas harsche Worte, als Jounouchi nach dem Duell der Schatten gegen Yami no Malik, sein Leben ausgehaucht hatte. Er sollte den Tod seines besten Freundes überwinden und in die Arena steigen. Es hatte ihn nicht interessiert, dass ein Duellant gerade eben in seiner Arena gestorben war. Der Blonde hatte nicht mehr geatmet. Sein lebloser Körper lag einfach nur da. Voller Verzweiflung war Yuugi auf die Knie gefallen und schrie so lange, bis seine Stimmbänder versagten. Er weinte so lange, bis keine Tränen mehr kamen. Atem war gefasst gewesen. Er weinte nicht. Atem stand einfach nur stumm da und blickte zu Boden, legte dem Blonden seinen Dueldisk an und meinte, dass er kämpfen sollte. Bis heute bewunderte Yuugi Atem dafür, dass er weitergemacht hatte und sich nicht unterkriegen ließ. Er war selbstbewusst in die Arena gestiegen und hatte Kaiba das Duell gegeben, was dieser sich aus tiefstem Herzen gewünscht hatte.
 

Yuugi selbst war so verzweifelt und erschlagen, dass er fast gar nichts von diesem Duell mitbekommen hatte. Die Angst, seinen geliebten Freund zu verlieren, hatte ihn förmlich gelähmt und die Wut darüber, dass Kaiba dies überhaupt nicht störte, verwirrte ihn so sehr, dass er sich nicht auf Atems Duell konzentrieren konnte. Auch heute schockierte es ihn, wie wenig Anteilnahme Kaiba gezeigt hatte und auch Mokuba hatte ihm insgeheim erzählt, dass dieser Moment ihn zum Nachdenken bewegt hatte. Mokuba hatte damals erkannt, dass sein Bruder besessen war. Besessen von der Vergangenheit und dem Durst nach Macht.
 

Das war Jahre her, aber Yuugi erinnerte sich an Kaibas unbeeindruckten Gesichtsausdruck, als wäre dies erst gestern passiert. Und obwohl er selbst am eigenen Leib erfahren hatte, wie grausam der Firmenchef sein konnte, hatte er ihn stets in Schutz genommen und an ihn geglaubt. Daran geglaubt, dass Kaiba ein guter Mensch war. Und heute wurde ihm zum ersten Mal so richtig bewusst, dass dieser Glaube nicht umsonst war und er nicht enttäuscht wurde. Kaiba hatte eine liebevolle und fürsorgliche Seite, die er nur nicht zeigen wollte.
 

Ein sanftes Lächeln umspielte seine Lippen und er legte das Tuch zur Seite, streckte die Hände aus, sodass Kaiba ihn behandeln konnte. Behutsam verteilte er die Creme, achtete darauf, die beschädigte Flächen nicht zu viel zu berühren, um die entstanden Brandbläschen nicht aufzureißen. Yuugi fühlte sich einerseits unwohl, aber auf der anderen Seite war er einfach nur glücklich darüber, dass Kaiba ihn so liebevoll umsorgte. Beinahe glaubte Yuugi, dass Kaiba ihn besonders vorsichtig berührte, da er befürchtete, ihm wehzutun.
 

Als Kaiba dann den Verband anlegte und diesen um seine Hände wickelte, senkte Yuugi einmal mehr den Blick und bedankte sich. Kaiba nickte nur. Er sah keine Notwendigkeit diesen Moment mit unnötigen Worten zu stören, zumal es ihm selbst ein wenig unangenehm war, so viel Körperkontakt mit seinem ärgsten Rivalen zu haben. Yuugi bestaunte Kaibas Werk und wie unglaublich professionell er den Verband gemacht hatte. Man hätte meinen können, dass er Erfahrung damit hatte...
 

Als Kaibas kalte Hand plötzlich sein Gesicht berührte und er Yuugis Ponysträhnen zur Seite strich, zuckte Yuugi dermaßen auf, dass Kaiba genervt mit den Augen rollte und ihn ermahnte, endlich still zu halten.
 

Mit absoluter Engelsgeduld verteilte Kaiba auch auf Yuugis Wange die Creme, achtete insbesondere darauf, die Augenpartie auszusparen und Yuugi nicht noch mehr unnötige Schmerzen zuzufügen. Es war ungewohnt einen anderen Menschen zu umsorgen und Kaiba war sich sicher, dass Yuugi nun der Ansicht war, dass sie endlich Freunde seien, aber für Kaiba war das Ganze nur Erste Hilfe. Als verantwortungsvoller Firmenleiter konnte er nicht zulassen, dass das Ansehen seiner Firma darunter litt, dass einer seiner Angestellten verletzt und nicht behandelt worden war. Kaiba suchte in seinen Gedanken nach zig Ausreden und schien sich vor sich selbst rechtfertigen zu wollen, dass es ihn nicht kümmerte, was aus Yuugi wurde und doch kam jedes Mal derselbe Gedanke in ihm hoch, wenn er einen Blick auf die verbrannte Haut warf.
 

Hoffentlich blieben keine Narben. Diese schöne weiche Haut durfte nicht entstellt bleiben.
 

„Vielen Dank, Kaiba-kun.“, hauchte Yuugi ihm entgegen und in seinen Augen strahlte so viel Freundlichkeit, dass er sich schon geblendet fühlte und sich abwenden musste. Räuspernd griff er nach dem Kästchen und verstaute die benutzten Utensilien darin, nur um rasch den Abstand zwischen ihnen zu vergrößern und aufzustehen. Er fühlte sich, als wäre er auf der Flucht. Yuugis Lächeln und diese übernatürliche Freundlichkeit ließ ihn erkennen, wie ekelhaft er selbst war und wieso nicht nur Mokuba, sondern auch seine Bediensteten und Angestellten über ihn redeten und sich von ihm abwandten. Neben Yuugi empfand er sich selbst noch viel unerträglicher. Ja, neben diesem jungen Mann war er ein hässliches, abartiges und ekelerregendes Monster.
 

Einmal mehr verstand er, was Atem mit dem Monster in seiner Seele meinte und es schmerzte ihn, dass dieser stolze Pharao, sein größter und wahrer Rivale, dies eher erkannt hatte als er selbst. Atem war ihm in wirklich jeder Hinsicht überlegen.
 

Wäre Mokuba nicht gegangen und Yuugi in seine Firma gekommen, hätte er einen solchen Vorfall einfach totgeschwiegen und so getan, als würde es ihn nichts angehen. Selbst jetzt fragte er sich, warum er überhaupt aufgestanden war und Yuugi hinterhergelaufen war. In diesem Moment hatte er Angst um Yuugi. Um seine Sicherheit. Und das kotzte ihn an. Es ärgerte ihn, dass er so dachte und dass der Mann, den er als seinen Rivalen anerkennen wollte, sich in sein Herz geschlichen hatte. Yuugi brachte frischen Wind in seine Firma und diese Zusammenarbeit kostete ihn weitaus mehr Beherrschung, als es ihm lieb war. Wohl oder übel hatte er angefangen Rücksicht auf Yuugi zu nehmen.
 

Doch warum? Weil Atem ihn darum gebeten hatte? Weil Atem Yuugi wie einen jüngeren Bruder liebte und diesen schützen wollte? Das musste es sein. Er wollte Atem nicht enttäuschen und er würde ihm niemals wieder in die Augen sehen können, wenn Yuugi verletzt würde und hässliche Narben davon trug. Es fiel ihm schwer, sich selbst einzugestehen, dass er diesen Duellanten brauchte und auf eine befremdliche Art und Weise ihn sogar schätzte und seine Nähe mittlerweile als recht angenehm empfand. Yuugi erledigte seine Arbeiten ohne Murren. Er nahm ihn ernst und ließ sich auch seinen Sarkasmus nicht gefallen. Kaiba war es gewohnt, dass seine Angestellten ihn fürchteten. Doch Yuugi hatte keine Angst vor ihm und bestand sogar darauf, dass sie Freunde waren. In seiner unendlichen Naivität wünschte er ihm selbst dann noch einen schönen Abend, wenn er ihn beleidigte und zeigte stets Sorge um sein Wohlergehen.
 

Yuugi spielte diese Gefühle nicht. Kaiba wollte glauben, dass Yuugi nur eine Maske trug und seine Freundlichkeit purer Selbstschutz war, aber je mehr Zeit er mit diesem verbrachte und je öfter sie miteinander sprachen, desto mehr musste er einsehen, dass er es ernst meinte mit seiner Freundschaftsnummer. Vollkommen egal, wie oft Kaiba ihn wegstieß, ihn demütigte oder bedrohte, Yuugi kam immer wieder zurück, anstatt das Weite zu suchen. Yuugi gab ihn nicht auf und vielleicht hatte er dies unterschwellig bemerkt und er freute sich mehr darüber, als er zugeben konnte.
 

Er selbst hatte gar nicht gemerkt, dass Yuugis Fürsorge für andere langsam auf ihn abfärbte. Zwei Wochen waren gerade mal vergangen. Nicht mal. In dieser kurzen Zeit hatte er Yuugi viel mehr kennengelernt, als es ihm lieb war und auf abstruse Weise konnte er dessen Ängste sogar nachvollziehen, was daran lag, dass Kaiba selbst vor langer Zeit so gedacht hatte. Doch er wollte nicht daran denken. Nicht daran denken, dass er selbst von anderen schamlos benutzt und weggeworfen war. Niemals wieder wollte er anderen vertrauen und sein Herz öffnen, aus Angst, dass man ihm noch mehr wehtun könnte. Er hatte für seine Freiheit gekämpft und benutzte fortan andere.
 

Niemand sollte glauben, dass Kaiba schwach war und dass man ihn ausnutzen konnte und niemals wieder würde er eine Situation zulassen, in der er sich auf andere verlassen musste. Seine eigenen Verwandten hatten ihn abgelehnt und im Stich gelassen. Da wurde ihm bewusst, dass man sich auf nichts und niemanden verlassen durfte. Auf niemanden. Nur auf Stärke war Verlass. Und Geld. Geld regierte die Welt und jeder Mensch war käuflich.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Dragon1
2018-04-05T18:34:31+00:00 05.04.2018 20:34
der letzte Absatz..... wow... irgendwie hat der mich total geflasht. Hab immer noch Gänsehaut. Weiß gar nicht warum, aber doch ist es so...^^"

Das Kapitel hat mir echt gut gefallen. hach... Kaiba und Yuugi... zu niedlich^^
Von:  RandaleEiko
2018-04-05T13:21:41+00:00 05.04.2018 15:21
Armer Yuugi, irgendwann kommt die Rache dafür >:3!!
Ich frag mich ob Kaiba jetzt öfters mal Yuugi hinterher schaut, um zu gucken wie die Angestellten mit ihm Umgehen. Das wird bestimmt nicht das letzte Mal gewesen sein. Mal sehen wie es weiter gehen wird, muss jedenfalls ziemlich unangenehm sein, heißen Kaffee ins Gesicht geschüttet zu bekommen. Echt Fies!

Liebe Grüße RandaleEiko


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