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Ich bin nicht so, wie ihr alle denkt..

von

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Mein Fuß ist eingeschlafen. Ich sitze auf meinem Bett und starre schon seit Ewigkeiten die gegenüberliegende Wand an. Ich habe meine Knie an meinen Körper gezogen und meine Arme darum gelegt. Mein rechter Fuß ist taub. Er macht das öfters. Normalerweise knete ich ihn. Oder hüpfe ein wenig im Zimmer rum. Aber jetzt bleibe ich einfach nur sitzen. Die Wand ist grau, an den Stellen, an denen die vergilbte Tapete abbrökelt. Jedes Mal, wenn ich darauf schaue, kommt es mir vor, als würde sich das Grau weiter ausbreiten. Wie die Leere, die mein Herz erfüllt. Und die Tapete meiner Verkleidung runterreißt, bis ich ihr schutzlos ausgeliefert bin. Nackt. Allein.

Ich hab die Jalousien runtergezogen, bevor ich mich so hingesetzt habe. So weit, dass nur noch durch vereinzelte Risse im Material Lichstrahlen eindringen, was den Raum in ein seltsames Zwielicht taucht. Es sind viele Risse. Ich sollte mir neue Jalousien kaufen, die auch ihren Zweck erfüllen. Gleichzeitig sollte ich auch die Tapete erneuern. Oder ich zieh einfach um. Genau. Die Wohnung gibt mir sowieso nicht mehr die Geborgenheit, die sie mir zu anfangs vorgaukelte. Es ist einfach ein Raum. Ein Raum mit schmerzlichen Erinnerungen. Voll mit ihm.

Das größte Loch in der Wandverkleidung ist enstanden, als Shinya und ich uns betrunken haben. Mitten in der Nacht ist er aufgestanden und hat was gesucht. Ich nehme an, es war die Badtür. Oder die Küche, was auch immer. Jedenfalls hat er sich an der Wand festgekrallt. Die Tapete war von Anfang an sehr empfindlich. Billig halt. Ich weiß noch, wie er sich am nächsten Morgen, als ich verschlafen auf die kahle Stelle starrte und mich fragte, ob die schon immer da war, bei mir entschuldigt hat. Tausend Mal, es täte ihm so leid. Aber ich hab ihm gesagt, dass es nichts macht. Dass es okay wäre. Er hat mir trotzdem das nächste Mal ne Flasche Sake mitgebracht. Sozusagen als Wiedergutmachung. Es war ihm wirklich peinlich. Ich konnte es nicht verstehn. War doch nur die Wand. Das kann man reparieren.

Ich muss schlucken. Aber mein Herz kann man nicht reparieren.

Er hat auch immer gekocht, wenn er da war. Er macht das gern, hat er immer gesagt, wenn ihm zu ihm meinte, er müsse das nicht tun, und hat gelacht. Sein warmes, tiefes Lachen. Es hat mich schon immer berührt, ganz tief in mir drinnen. Aber ich wusste nie, wie ich das deuten soll. Bis er einmal schlafend auf meinem Bett lag. Wir hatten mal wieder zu viel getrunken, und er war mitten im Satz zur Seite gesackt. Erschrocken hatte ich zu ihm runtergeschaut. Aber als ich merkte, dass er nur geschlafen hat, musste ich schmunzeln. Und da ist mir sein Mund das erste Mal aufgefallen. Die vollen, hellen Lippen, leicht geöffnet. Seine Augenlider, die leicht flimmerten, bei jedem Atemzug, den er einholte. Seine fein geschwungene Nase. Seine helle, zarte Haut, die im Mondlich schimmerte. Ich weiß noch genau, wie es sich anfühlte, als ich über seine Wange streichelte. Und merkte, wie viel er mir wirklich bedeutete. Ich wusste jetzt, was es war. Dieses Gefühl in mir drin. Es war schwer, es in Worte zu fassen, schon allein in Gedanken. Aber ich wusste es. Ich hab ihn beobachtet, die ganze Zeit. Es müssen Stunden gewesen sein, in denen ich einfach nur dagesessen bin und ihn betrachtet hab. Schließlich ist er leise gähnend aufgewacht, und ich hab schnell weggesehen. Er hat gelacht und mich umarmt und "Guten Morgääään!" in mein Ohr gekichert.

Ich spüre Tränen in meinen Augenwinkeln und wische sie schnell weg.

Ich will nicht weinen. Nicht mehr.

Die Taubheit kriecht mein Bein hoch. Aber ich bewege mich nicht. Soll sie vordringen, bis zu meinem Herzen und es taub machen. Es töten, damit es nicht mehr weh tut. Es dauert lange, bis sie mein Knie erreicht. Und mit einem Mal tut es weh. Ich will nicht taub sein, gefühllos. Ich will doch nur glücklich sein.

Ich springe auf und will in die Küche, aber ich hab absolut kein Gefühl in meinem rechten Bein und so knickt es einfach unter mir weg und ich falle auf den Holzboden. Es knarzt, und mein Knie kribbelt. Und es tut ein wenig weh. Ich stemme mich vorsichtig hoch, verlagere mein Gewicht erst langsam, aber schließlich kann ich wieder stehn. Laufen geht zwar noch nicht zu gut, ich humple ein wenig, aber in die Küche schaff ich's trotzdem.

Ich muss mich an der Ablage festkrallen, als ich den Kühlschrank öffnen will. Mein Blick gleitet durch die Reihen von Diätgetränken und Bierdosen, bis er auf die einzige Wasserflasche trifft, die noch übrig ist. Ich nehme sie raus und stelle sie nehmen mich. Der Kühlschranktür geb ich einen Schubs, und sie geht von allein zu.

Shinya hasst Wasser. Er mag nichts, was nach "nichts" schmeckt. Vielleicht hab ich darum gerade Lust darauf. Obwohl ich eigentlich auch lieber Fruchtsäfte trinke. Ich schraube den Deckel ab und setzte die Flaschenöffnung an meine Lippen. Sofort störmt kühles Nichts in meinen Mund, meine Kehle hinunter. Ich spüre, wie die Kälte nach unten kriecht, und es tut gut. Verdammt gut. Meine Lippen sind ganz trocken, und so trinke ich fast die ganze Flasche auf einmal leer. Nur noch ein paar Zentimeter bedecken den Flaschenboden. Es lohnt sich nicht, sie wieder in den Kühlschrank zu tun, also nehme ich sie mit. Ich gehe wieder zu meinem Bett und setze mich hin, diesmal aber auf den Rand, und leere die Flasche. Danach werfe ich sie einfach neben mich auf den Boden. Irgendwohin.

Ich sehe mich im Zimmer um. Alles wie gerade eben. Ich schaue zur Wand. Die kahle Fläche ist größer geworden.

Seufzend erhebe ich mich und laufe ein wenig umher. Ich hab so lang gesessen, ich kann nicht mehr.

Ich muss nochmal mit ihm reden. So hat das alles doch keinen Sinn. Auch auf die Gefahr hin, dass er sich ganz von mir abkapselt, ich will zu ihm. Um wenigstens unsere Freundschaft zu retten. Wenn er das zulässt..

Shinya.. Er weiß nicht, wie viel er mir bedeutet..

Ich liebe dich, was sagt das schon aus?

Er ist mein Leben und ich will ihn nie verlieren, nie. Sonst verliere ich meinen Lebenssinn.

Ich muss zu ihm gehen und ihn davon überzeugen, dass ich Mist geredet hab. Dass er mir verzeihen muss.

Ich will nicht, dass er mich allein lässt..

Von dem plötzlichen Gedanken überzeugt, laufe ich in den Flur. Meine Jacke liegt noch auf meinen Schuhen. Ich will sie nicht wieder anziehn. So nehme ich sie hoch und hänge sie ordentlich an ihrem Platz auf dem Kleiderständer auf.

Ich schlüpfe in meine Schuhe und schaue mich derweil nach meiner Tasche um, die hier auch irgendwo liegen muss. Sie steht vor der Badtür. Ich gehe hin, hebe sie auf und will gerade aus der Tür raus, als ich nochmals innehalte.

Ich drehe mich um und nehme meine Lieblingsjacke vom Ständer. Schnell werfe ich sie mir über, und stürme aus der Tür, die mit einem lauten Krachen hinter mir zufällt, die Treppen runter, bis ich unten die Eingangstür aufdrückte und kalte, vom Smog verschmutze Luft mir entgegenschlägt. Ich bin froh, dass ich mir die Jacke doch noch angezogen hab.

Im Gehen hänge ich meine Tasche um. Sie baumelt bei jedem Schritt gegen mein Bein.

Die Leute, die an mir vorbeigehn, starren mich wie immer an. Diesmal finden sie an meiner Jacke ein gefundenes Fressen. Es ist die Jacke mit den Buttons, die, die mir Shinya zu meinem 24. Geburtstag geschenkt hat.. Die Buttons bedecken den ganzen Stoff, Vorder- und Rückseite, sogar die Taschen. Es sind Buttons mit Bildern von uns. Bilder von verschiedenen Stationen unseres Lebens. Es sind sogar einige Kinderbilder dabei. Als wir zum ersten Mal gemeinsam die Schule gewechselt haben, als wir zusammen Eis essen waren,...

Ich hab diese Jacke geliebt, vom Zeitpunkt an, als er sie mir geschenkt hat.

"Damit du immer an mich denkst.. und mich nie vergisst!" Shinya hat mich verlegen angelächelt, und ist mir dann mit einem "Du bist mein bester Freund und wirst es immer bleiben" um den Hals gefallen.

Ich weiß nicht, warum ich gerade diese Jacke angezogen hab. Vielleicht, damit er sieht, dass mir unsere Freundschaft wirklich etwas bedeutet. Aber es tut weh. Und ich bereue, dass ich es getan hab. Einmal mehr.

Meine Wohnung ist nicht sehr weit von seiner entfernt, ich brauche nur knapp 10 Minuten. Aber er ist nicht da. Ich stehe vor der Tür und klingle bestimmt 20 Mal, aber er macht nicht auf. Seufzend gehe ich ein paar Schritte zurück und lege den Kopf in den Nacken. Seine Fensterläden sind zugezogen. Das macht er immer, wenn er aus dem Haus geht. Also ist er wirklich nicht da. Etwas unentschlossen sehe ich mich um. Egal, wie verstohlen die Blicke sind, ich bemerke sie immer. Und diesmal sind sie mir unangenehm. Am liebsten würde ich mich vor ihnen verstecken. Aber ich bleibe stehn, und sehe nur in die Ferne, während ich überlege, was ich jetzt machen soll.

Was hat er vorhin gesagt? Er muss Kyo abholen, weil der noch ins Studio muss?

Vielleicht ist er ja mitgegangen.. Ansonsten weiß ich nicht, wo er sein könnte. Also etnscheide ich mich für den Weg ins Studio. Das ist zwar etwas weiter weg, aber diesmal nehme ich auch die U-Bahn.

Das Studio ist fast direkt ber dem U-Bahneingang, was uns wohl schon so oft das Leben gerettet hat. Wenn wir zu besoffen waren, um auch nur zu stehn. Die Treppe war und ist zwar immer ein sehr großes Hindernis, aber bis jetzt ist nur einmal einer gestolpert. Das aber nur die letzten paar Stufen und Die hat sich nur ein wenig das Knie aufgeschrammt. Natürlich hat er wieder rumgememmt, wie er das immer macht. Aber wenn er nörgelt, wissen wir, dass nichts Schlimmes ist, und so hat doch jeder den Weg nach Hause gefunden.

Alte Erinnerungen ströhmen auf mich ein, während ich Stufe für Stufe gen dem grauen Tageslicht hinaufsteige.

Kaum ein Mensch ist hier auf der Straße. Es ist ein wenig abgelegen, geradezu perfekt. So hat uns bisher nur wirklich selten ein Fan aufgelauert. Obwohl außer Kyo da eigentlich keiner von uns groß was dagegen hat..

Ich drücke die Tür zum Studio auf, die immer offen ist, und sofort umfängt mich die leicht stickige, aber doch angenehm erwärmte Luft der inneren Räume.

Ich sehe mich um. Niemand scheint da zu sein.

Meine Schritte hallen dumpf von den Wänden, während ich den langen Flur gen Aufnahmeraum entlanggehe. Mir ist ein wenig unwohl hier drin.

Vielleicht, weil ich ganz allein bin..

Ein Geräusch links von mir lässt mich innehalten. Ich stehe vor einer geschlossenen Tür, aus der gedämpft Stimmen dringen. Ab und zu erklingt ein leises Lachen, das Gespräch ist laut und ausgelassen. Ich meine, Kyos Stimme rauszuhören. Sie ist absolut unverwechselbar, so gehe ich ein paar Schritte zur Tür und drücke langsam und vorsichtig mein Ohr dagegen.

Mein Herz hört für einen Moment auf, zu schlagen und meine Augen weiten sich.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Silent-voice
2005-07-14T14:50:57+00:00 14.07.2005 16:50
hihi
schreib dir jetzt au mal einen kommi x3~
also ich muss sagen die geschichte liest sich wirklich super. ich hab gar nicht bemerkt, wie schnell ich am ende war.
auf jeden fall gefällt sie mir sehr ^^ *nick*
wirklich schöner schreibstil.
freue mich schon auf das nächste kapitel!
*knuffel*
Lina
Von: abgemeldet
2005-07-13T21:53:03+00:00 13.07.2005 23:53
Hey, weiter weiter!!! dein Schreibstil ist sehr gut, endlich mal was qualitatives hier auf Mexx >.>
Bitte schreib weiter! Es wäre eine Schande wenn du es nicht tust!
Von:  PiuPiuThePENGUIN
2005-07-08T23:45:04+00:00 09.07.2005 01:45
Ich mag deine FF wirklich und fände es schade, wenn du sie nicht mehr weiterschreiben willst. Ich mag deinen Stil und die Geschichte an sich~
Ich hoffe, du änderst deine Meinung. Wenn ja, kannst du mir per ENS bescheid geben, dass ein neues Kapitel da ist? Danke im Voraus.

~Mari


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