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Schatten der Vergangenheit

von

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Zugabe 6: Krieg!

General Ernest Young hatte das Geschehen aus der CIC des Stützpunkts mitverfolgt. Der Taktik-Raum war so ausgelegt, das er selbst im Falle eines Atomkriegs genutzt werden konnte. Er lag in einem Tiefbunker und verfügte neben Satellitenverbindung, autarken computerisierten Arbeitsplätzen, dem neuartigen von den Milleniern gelieferten Echtzeithologramm und den nicht störbaren Telefonleitungen nach Washington D.C. vor allem über eines: einen kompletten Medienraum, in dem er die Live-Berichterstattung mitverfolgt hatte, während das Hologramm den Anflug der vier F16 gezeigt hatte, im Maßstab eins zu fünftausend.

Mehr als ungläubig hatte er dabei zugesehen, wie die Raketen erst in den unendlichen Himmel gezwungen worden waren - was an sich schon reiner Wahnwitz war - und dann den Mann in der grauen Uniform, der die acht Raketen eingesammelt hatte, mit irgend einer Methode, die nur Teleportation sein konnte. Und dieser Mann hatte die Raketen alleine angehoben, mit ihnen hantiert, als würden sie nur wenige Kilos wiegen anstatt einen vollen Zentner.

Sie alle hatten die Fernsehbilder gesehen, das Hologramm, und irgendjemand, vielleicht er selbst, hatte gemurmelt: "Woher kommen diese Monster? Und warum haben wir keine von ihnen?"

Zweihunderttausend Zivilisten umstanden die Botschaft des Silver Milleniums. Weitere zweihunderttausend standen in den Straßen rund um das Gebäude, und angeblich war die doppelte Menge auf dem Weg. Bei jedem anderen Volk der Welt hätte Young mittelfristig erhebliche Probleme bei diesem Massenauflauf befürchtet, spätestens wenn die ersten Menschen erschöpft zusammenbrechen würden. Aber nicht bei den Japanern. Die Anwohner taten auf eigene Kosten ihr Bestes, um Erschöpfte ruhen zu lassen, Hungrigen zu essen zu geben, und Dürstenden Wasser und Tee, oder was eben gerade da war. Sie ließen die Menschen ihre sanitären Einrichtungen benutzen und verabschiedeten jeden von ihnen mit einem Lächeln. Nein, diese Menschenmenge würde sich nicht aus der Ruhe bringen lassen. Oder aufhetzen lassen. Sie bildeten ein gewaltiges menschliches Schutzschild, und mit dem gescheiterten Angriff hatte er alle Optionen ausgeschöpft, zu denen er greifen konnte, ohne einem der Kriegsschiffe zu befehlen, mit Harpoon-Raketen oder Tomahawk-Raketen anzugreifen. Wobei zweifelhaft erschien, dass diese überhaupt ans Ziel kommen würden. Alternativ konnte er immer noch alles, was fliegen konnte, in die Luft hetzen und die Maschinen den Tower mit den Bordkanonen angreifen lassen, um den Milleniern zu zeigen, dass sie nicht unverwundbar waren. Stattdessen hatte er die beiden F16-Rotten zurückgerufen. Ein weiterer Kampfeinsatz würde mit erheblich härteren Mitteln erfolgen müssen, und er wusste nicht, ob er die Befugnisse hatte, diese Mittel zu benutzen. Geschweige denn, ob er überhaupt über sie verfügte. Das SilverMillenium war ihnen so himmelhoch überlegen wie ein Mann mit einem Repetiergewehr einem Angreifer mit Steintomahawk. Bisher hatte er sich nie daran gestört, denn der Friedenswille von Serenity und Endymion, den beiden Anführern, war stets und immer sprichwörtlich gewesen. Es gab keine Zweischneidigkeit in ihren Handlungen, keinen Betrug und keine Lügen. Wenn sie vermittelten, vornehmlich das kleine blonde Mädchen, dann taten sie dies nach bestem Wissen und Gewissen, niemals zum Vorteil einer einzigen Partei, selbst wenn auf der einen Seite die mächtige USA und auf der anderen Seite der unterdrückte und ausgebeutete Kongo standen. Sie trugen immer einen Kompromiss vor, der auf eine Verbesserung der Situation der Menschen vor Ort drang, und das beide Streithähne einen Teil ihrer Forderungen und Ansprüche aufgaben. Sie erarbeiteten immer Kompromisse, mit denen beide Seiten leben konnten, selbst geldgierige Aktienkonzerne. Und zwar besser leben als zuvor. Young machte sich klar, dass die Millenier die Macht hatten, anstatt Kompromisse auszuhandeln auch militärisch agieren zu können, was sicher im Sinne der ausgebeuteten Völker gewesen wäre. Aber sie hatten es nicht getan, setzten auf eine Politik der kleinen Schritte, der langsamen Annäherung von Interessen, beide Seiten auf Augenhöhe zu bringen. Sie erschufen Respekt voreinander, untereinander, Gleichheit, Verständnis. Man hätte sie für liebenswerte, aber naive Altruisten halten können, die tatsächlich glaubten, mit Reden die Welt verändern zu können. Etwas, was bestimmte Geld-Unternehmen in ihren Umsätzen zu spüren begannen, und nichts war so schlimm für sie, wie nicht die erwarteten Gewinne zu erzielen.

Es erschien im Nachhinein zwingend logisch, dass sie ihre Zähne zeigten, dass sie zubissen, wie es gestern geschehen war.

Nun aber hatte das SilverMillenium das erste Mal seine Fänge gezeigt, zugebissen, und das hart und erbarmungslos. Der Angriff auf die Anlage der GunSuits war mit einer Härte geführt worden, die niemand dem SilverMillenium zugetraut hatte. Nicht, dass er zuvor von der Anlage gehört hätte. Nicht, dass er erwartet hätte, dass das SilverMillenium die besten Kommando-Soldaten der Welt besaß. Die Gerüchte besagten, das viele aus der Führungsriege wiedergeborene Menschen des ersten SilverMilleniums waren, Krieger und Offiziere der obersten Güteklasse. Nach dieser Aktion musste er dem zustimmen.
 

"Der Konvoi fährt ein", sagte Major Craig fassungslos. Sie warf dem Fernseher einen ungläubigen Blick zu. "Zwanzig Schwebefahrzeuge der Millenier, und alle sind voll beladen."

Young sah herüber, sah sie einzeln halten. Zehn von ihnen fuhren in eine Ecke des Hofes, die anderen zehn vor den Haupteingang der Botschaft. Sie öffneten sich, und Millenier begannen damit, die Gefangenen in Fleckentarnkleidung ins Gebäude abzuführen. Einige Millenier trugen Rüstungen hinter ihnen her. Zwanzig, um genau zu sein. Dabei hantierten sie die Rüstungen, als wären es nur Luftballons, keine mehrere hundert Kilo schwere Hightech-Produkte.

Die anderen zehn Wagen wurden entladen, und türmten ihren Inhalt bald zu einem großen Haufen. Rüstungsteile, ganze Rüstungen, und dergleichen. Aus den Wagen stiegen auch die Teilnehmer des Kommando-Unternehmens. Männer und Frauen, die Männer mit prächtigen Umhängen ausgestattet, die in einem Einsatz sicherlich erheblich störten, die Frauen in Trikots oder Sailor-Uniformen, die erheblichen Bewegungsspielraum ließen und eine Menge Bein zeigten. Young wusste nicht, ob sie mit ihrem Sexappeal kokettierten, oder ob sie einfach nur beweglich sein wollten. Einer der wiedergeborenen Generäle, er glaubte sich zu erinnern, dass es Tomoki Furohata selbst gewesen war, hatte ihm erzählt, dass es sich bei den Kostümen um Rüstungen handelte, aber das war schwer zu glauben.

Drei der Männer, die mit den Umhängen, gingen auf den großen Haufen an Kampfrüstungen, Ersatzteilen und militärischer Ausrüstung zu. Das waren die drei Generäle, die Wiedergeborenen aus der Zeit nach dem Untergang des Ersten SilverMilleniums. Was er immer für eine Legende gehalten hatte, für Propaganda, für eine offene Lüge, damit die drei Männer, die fünf lange Jahre, in denen die SailorKrieger agiert hatten, niemals aufgetaucht waren, sich profilieren konnten.

Von besonderer Macht sollten sie sein, hieß es. Ihre Namen waren Leth, Gyes und Iskander. Leth wie der Totenfluss im Hades, der das Vergessen brachte. Man erzählte sich, dass Leth die letzten Kriege des SilverMilleniums geführt hatte, und wo seine Armeen marschiert waren, gab es bald keine Erinnerung an die vorige Welt mehr, weil er jeden Feind zerschlagen zurückließ. Es hieß, er hätte im Mittleren Osten, in der Wiege der Zivilisation, die erste feste Stadt der Menschheit nach dem Untergang des Goldenen Zeitalters gegründet.

Gyes, einer der Hekatoncheiren, den dreiköpfigen, zehnarmigen und hunderthändigen Brüdern, Titanen, die Zeus geholfen hatten, die Macht ihres Geschlechts zu brechen und die Zeit der Götter einzuläuten. Es war unbekannt, ob es einen Kottos, einen Briareos gegeben hatte, oder was diese Namen zu bedeuten hatten. Aber Gyes stand im Ruf, seine Armeen so geführt zu haben, als hätte er zehntausend Arme, und jeder einzelne Mann war seine verlängerte Hand.

Iskander, ein alter persischer Name, der sich mit Beschützer übersetzen ließ. Über ihn wusste man am wenigsten, es war lediglich durchgesickert, dass seine jetzige Identität ungeklärte Fragen hinterließ. Nicht, dass man wusste, wer die drei Männer wirklich waren. Von seiner Zeit auf den Schlachtfeldern hatte man ihm nur berichtet, dass er das SilverMillenium vehement beschützt hatte, wie ein Berserker, wie ein Wahnsinniger, egal ob er kommandiert oder selbst gekämpft hatte. Er war eine Naturgewalt gewesen.

Young betrachtete die drei Männer, die sich um den Haufen Schrott verteilten. Wie viel war davon Wahrheit, wie viel Legende? Und wie kämpfte man gegen solche Menschen?

Zahlenmäßige Unterlegenheit, das war das Zauberwort. Sie waren nur ein paar zehntausend, vielleicht fünfzigtausend, und jene dort waren ihre mächtigsten Krieger. Man konnte sie auskontern oder mit schierer Masse überwältigen. Jedenfalls hoffte der General das.
 

"Was tun sie jetzt?", rief Lieutenant Orville aufgeregt.

Zwischen den drei Männern spannten sich goldene Linien, die von ihren Füßen ausgehend, den Nächsten erreichten. Sie verbanden alle drei Männer zu einem gleichseitigen Dreieck, in der Mitte der Schrott. Dann trafen sich drei weitere Linien, scheinbar von ihren Köpfen ausgehend, und machten aus dem Dreieck eine Pyramide. Die drei Seiten der Pyramide erstrahlten in goldenem Schimmer, bildeten scheinbar feste Wände. Und dann...

Jemand schrie erschrocken auf, ein anderer ließ sich zu einem Fluch hinreißen. Ein dritter begann ein kurzes Gebet zu murmeln.

Die Bahnen der Pyramide erloschen, die drei Männer wandten sich um, als wäre nichts geschehen. Und wirklich, man musste sich fragen, warum sie dort gestanden hatten, wenn man nicht wusste, dass dort die übrigen Rüstungen gelegen hatten. GunSuits im Wert von zweihundert Millionen Dollar. Nun war dort... Nichts. Rein gar nichts. Nicht mal verdrehtes Metall, oder wenigstens Asche. Es war, als hätte es den Stahl, das verbaute Karbon, all die Einzelkomponenten nie gegeben. Es wehte nicht einmal Plasma herum.

"Was ist passiert?", fragte Craig schockiert. "Haben sie die Technik ausradiert oder teleportiert?"

Ja, teleportiert, das war eine Möglichkeit. Dann waren alle Teile nun auf dem Mond. So hätte er zumindest gehandelt. Was aber, wenn die drei dir Technik tatsächlich zerstört hatten? Was, wenn sie die Macht besaßen, die ganze Technologie, die Materie bis auf den subatomaren Level aufzulösen, sodass weder Staub noch irgendetwas außer Quarks und Gluonen zurückblieb? Gott der Allmächtige mochte sie beschützen, wenn die drei Generäle tatsächlich solch eine Fähigkeit besaßen. Wie sollten sie gegen diese bestens gepanzerten und mit unheimlichen Fähigkeiten ausgestatteten Titanen besiegen? Er hatte keine Lösung.

"General!", rief Orville und winkte ihm zu kommen. In der Hand hielt er das einzige Schnurtelefon in der ganzen CIC. Es verband ihn direkt mit dem wichtigsten Telefonnetz der USA. NORAD, Pentagon, Fort Knox, Hawaii-Kommando, Weißes Haus...

"Was gibt es denn?"

"Der Präsident ist dran."

"Welcher Präsident?", fragte er unvermittelt, weil die Erkenntnis ihn bis ins Mark erschrak.

"Unser Präsident, Sir. Er kündigt eine Videokonferenz auf dem verschlüsselten Kanal an."

"Gut. Ich nehme es in meinem Büro entgegen."

"Nicht mehr nötig, Ernest", erklang die Stimme des US-Präsidenten vom Hauptbildschirm zu ihnen herab. Da saß er also, der mächtigste Mann der USA, zumindest nach Sinn der Verfassung. Und, wenn es nach dem Ego der Amerikaner ging, der mächtigste Mann der Welt. Zumindest was die Armee anging, war er das auch. Wenn man die Millenier außen vor ließ. Aber das ging seit heute nicht mehr, oder?"

"Mr. President!", sagte er und salutierte.

"Ernest, ich habe gesehen, wie Sie die Botschaft der Millenier angegriffen haben." Die Stimme des Präsidenten war frei von Wertung und Tadel, dennoch fühlte sich Young ein ganzes Stück kleiner werden. "I-ich hielt es für richtig, unseren japanischen Verbündeten beizustehen. Das SilverMillenium ist eine autarke Nation, und sie hat Japan den Krieg erklärt. Der Angriff sollte klar machen, dass wir nicht gewillt sind, kriegerische Aktionen gegen unsere besten Verbündeten zu gestatten."

"Er ist fehlgeschlagen", stellte der Präsident fest.

"Ja, Sir, er ist fehlgeschlagen", gestand Young. "Die Abwehr des Turms ist zu gut, die Technologie unbekannt."

Der Präsident schwieg einen Moment. Young fühlte sich seziert. Gut, er hatte den Mann nicht gewählt, weil er traditionell Republikaner wählte - oder in letzter Zeit gar nicht, weil sie ihm zu sehr herum sponnen und von bedrohter Vormachtstellung durch das SilverMillenium gefaselt hatten. Aber dieser Mann war der Präsident.

"Ernest, ich habe nicht viel Zeit. Darum muss ich Ihnen jetzt eine wichtige Frage stellen: Bin ich Ihr oberster Befehlshaber?"

"Sir? Ich verstehe nicht..."

"Ernest! Bin ich Ihr oberster Befehlshaber?"

Young sah den Mann auf dem Bildschirm entsetzt an. "Ja, Sir, das sind Sie! Und Sie sind der Oberbefehlshaber jedes Mannes und jeder Frau in amerikanischer Armee-Uniform." Zu diesen Worten salutierte er, und die anwesenden Soldaten und Offiziere taten es ihm nach.

"Danke, Ernest, danke Ihnen allen. Es tut gut zu wissen, dass Sie Ihre Pflicht nicht vergessen haben." Der große Mann atmete aus. "Ich will ehrlich mit Ihnen sein, nicht nur weil ich es muss, Ladies und Gentlemen. Ich, und damit die Demokratie befinden sich in einer prekären, blamablen Lage. Sie, Ernest, werden vom Pentagon bald den Befehl erhalten, alles in Ihrer Macht stehende zu tun, um das SilverMillenium zu stoppen."

Young spürte, wie seine Hände zu zittern begannen. Er war versucht, zu widersprechen. "Schließt das auch die taktischen Atomraketen ein, Sir?"

"Meines Wissens nach ja."

Alles in ihm sträubte sich dagegen. Aber dieser Mann war sein Präsident. "Ich melde hiermit Protest an, Sir, aber ich werde meine Befehle ausführen."

"DAS WERDEN SIE NICHT!"

"Mr. President?" Seine Augen weiteten sich ungläubig.

"Diese Befehle sind von mir nicht autorisiert! Hören Sie, nicht autorisiert! Sie werden im Gegenteil alles tun, um Übergriffe auf das SilverMillenium zu verhindern, egal von wem und mit welchen Mitteln! Das SilverMillenium ist für die USA, für die ganze Menschheit, von enormer Wichtigkeit! Unser aller Überleben, unser aller Freiheit hängt davon ab, dass es morgen noch eine Botschaft hier auf Erden und ihr Siedlungsgebiet oben auf dem Mond gibt! Haben Sie verstanden, Ernest?"

"Ja, Mr. President. Ich werde keine Übergriffe erlauben und dies notfalls mit Waffengewalt verhindern."

"Gut", murmelte der Mann in Washington. "Sie führen diesen Befehl aus, bis ich Ihnen etwas anderes befehle, egal, wer Ihnen glaubt etwas zu sagen zu haben. Sollte ich fallen, warten Sie auf die direkte Order des nächsten vom Volk gewählten Präsidenten."

"Mr. President?", fragte er erschrocken. Hatte der Präsident tatsächlich gerade angekündigt, dass er sterben würde? Nein, er hatte "fallen" gesagt, das war ein romantischer Begriff des Militärs, was aber so ziemlich das Gleiche bedeutete. Etwas zerfetzter, etwas schwerer vom vielen Blei, aber im Prinzip das Gleiche. Nun dämmerte ihm, warum er Befehle aus dem Pentagon nicht befolgen sollte. "Mr. President, haben wir es mit einer Meuterei zu tun?"

"Ja, Ernest. Eine Clique hoher Offiziere setzt sich in diesem Moment über mich hinweg und unterstützt offen den Angriff auf das SilverMillenium mit GunSuits. Sie werden auch Ihnen befehlen, die GunSuits zu unterstützen."

"Ich habe Ihre Befehle, Mr. President", sagte Young mit fester Stimme. "Und die werde ich ausführen, bis Sie sie widerrufen. Und wenn Sie fallen sollten, werde ich sie weiterhin ausführen, als Ihr Vermächtnis."

"Es ehrt Sie, so etwas zu sagen, Ernest." Er sah auf seine Armbanduhr. "Ich werde jetzt versuchen, mit der First Lady, meinem Stab und meinen Kindern aus Washington D.C. zu entkommen. Die Flugbereitschaft der Marines wird uns hier raus holen. Hoffentlich. In diesem Moment startet die Air Force One, ohne mich an Bord, als Täuschungsmanöver. Mein Stab, meine Familie und ich fliegen zum Atlantik raus, um uns auf die Lincoln bringen zu lassen. Admiral Hancock hat mir und der Demokratie gegenüber seine Loyalität versichert. Je nachdem wie es die Lage erfordert, werde ich dort bleiben, oder über Europa nach Japan weiter reisen, um zu Ihnen zu kommen, Ernest."

"Wie schlimm ist die Meuterei, Mr. President? Soll ich Ihnen Hilfe schicken lassen?"

"Nett von Ihnen, das anzubieten, aber ich hoffe, ich finde genügend loyale Soldaten, die mich und die Demokratie unterstützen. Vielleicht sehen wir uns die nächsten Tage, Ernest. Ich würde es mir wünschen." Irgendwo im Hintergrund klang ein Schuss auf. "Ich muss los, Ernest."

"Eine Frage noch", sagte Young hastig. "Wer greift uns an, Mr. President?"

"Das Geld, Ernest, das Geld." Der Präsident lächelte traurig und deaktivierte die Verbindung.

Young blieb ein paar Sekunden wie erstarrt. Als er die Kraft zum Sprechen wiederfand, sah er ins Rund seiner Leute. "Ich brauche sofort eine Verbindung zum Ministerpräsidenten und eine ins SilverMillenium! Wir müssen uns dringend koordinieren."

"Mit Verlaub, Sir, aber das glaube ich nicht."

Young fuhr herum. "Elisa, was tun Sie da?"

Die Majorin der Air Force hatte ihre Dienstwaffe gezogen und auf ihn gerichtet. "Meine Pflicht, Sir. Wir können es den gottlosen Wilden aus dem All nicht länger gestatten, auf Gottes eigenem Land zu wandeln. Wir müssen..."

Es knackte laut, als Orville seine Dienstwaffe spannte. Er zielte auf Craig. "Ma'am, zwingen Sie mich nicht, abzudrücken. Aber wenn Sie bei drei nicht Ihre Waffe herunter genommen haben, werde ich schießen!"

"Orville, es geht um das Schicksal der Welt!", blaffte die Air Force-Frau.

"Ich weiß. Und darum werde ich schießen", sagte er entschlossen.

Kurz sah sie sich um. "Schaff mir jemand diesen Irren vom Hals! Jensen, Friederik, irgendjemand!"

Nach und nach wurden Waffen gezogen und ausgerichtet. Ein Wachsoldat mit Waffe im Anschlag trat zwischen sie und den General. Enttäuscht registrierte sie, das niemand bereit war, sie zu unterstützen. Sie hatte hier unten nicht einen Verbündeten.

"Ich denke, das Schicksal der Welt schließt mit ein, dass das SilverMillenium unsere Hilfe erhält. So es diese Hilfe überhaupt braucht", sagte Young, trat hinter dem Wachmann hervor und nahm der perplexen Frau die Waffe aus der Hand. "Jensen, bringen Sie Major Craig auf die Krankenstation. Sie ist sichtlich überspannt und braucht Ruhe. Sorgen Sie dafür, dass sie ein Sedativum enthält und bis morgen früh durchschlafen kann, um die Situation in aller Ruhe zu beleuchten. Sicherheitshalber, damit sie sich nicht selbst etwas antut, soll eine Wache aufgestellt werden."

Der Wachmann nickte grimmig. "Verstanden, Sir." Er griff grob nach ihrem rechten Arm und zog sie mit sich. Zwei weitere Wachleute schlossen sich an.

Als sie den Raum verlassen hatten, sah sich Young noch einmal um. Nun, jetzt fühlte sich das Geschehen erst richtig an. "Wo bleiben meine Verbindungen?", fragte er in bester Laune.

Die Soldaten und Offiziere salutierten vor ihm, dann brachen sie in Geschäftigkeit aus.

***

Takehito Iori war nicht erstaunt, dass er sofort zum Tenno, zum Kaiser aller Japaner, zum Nachfahren jener Götter, die den Himmel und die Erde getrennt hatten, vorgelassen wurde.

Der alte Mann erwartete ihn in seinem Büro. Er saß nicht, sondern stand vor seinem Schreibtisch. Er war gramgebeugt, und Falten rissen tiefe Furchen in sein Gesicht. "Takehito-san, ist das wahr, was ich über Sie gehört habe?"

Für einen Moment war er versucht, mit einer Gegenfrage zu antworten: Was haben Sie denn gehört? Aber das wäre feige und unreif gewesen. Und er war nicht hier, um sich reinzuwaschen, sondern um zu seiner Schuld zu stehen. "Es ist alles wahr, Hohiro-tono." Formell ging er auf die Knie und verbeugte sich, bis seine Stirn den Boden berührte. "Ich bitte in aller Form um Verzeihung. Ich hielt es für das Beste, was ich für Japan tun konnte. Ich hatte keine Ahnung von der militärischen Stärke des SilverMilleniums, und dachte, dass wir genauso zum Feindbild werden würden, wenn wir neutral blieben oder uns sogar auf die Seite von Serenity-sama stellen würden. Ich habe mich schlecht entschieden."

Der Tenno sah ihn peinlich berührt an. "Bitte, alter Freund, erhebe dich. Wir sind hier nicht im Bakufu, und ich bin nur der Sohn des Himmels, nicht der Himmel selbst."

Iori verharrte in seiner Stellung. "Ich biete hiermit in aller Demut meinen Rücktritt an, Hohiro-tono. Ich bin es nicht wert, dieses Land weiter durch diese schwere Krise zu führen."

"Nun steh endlich auf!", blaffte der Kaiser. "Uns erst hineinreiten, und dann kneifen, wenn es darum geht, das wir diesen ganzen Mist wieder gerade biegen, eh?"

Noch immer in seiner Stellung verharrend, sagte Iori: "Wäre dies das Bakufu, dann würde ich jetzt meinen ehrenvollen Selbstmord anbieten. Nein, für meine Fehlentscheidung wäre die Kreuzigung gerade gut genug."

"Wir sind aber nicht in den Zeiten der Shogunatsregierung, Takehito! Und jetzt lass den Quatsch endlich! Ich habe dich nicht von deinem Amt entbunden, und das werde ich auch nicht tun! Keiner hat so tiefe Einsichten in diese Affäre wie du, und du wirst es sein, der Japan retten wird! Vor den GunSuits, vor den globalen Wirtschaftsinteressen, vor jeder anderen Gefahr!"

Langsam richtete sich Iori wieder auf. Mit einer Leichtigkeit, die sein Alter Lügen strafte, glitt er aus dem knieenden Zustand auf die eigenen Füße. "Hohiro-tono, wenn ich mein Amt vorläufig tatsächlich behalten soll, dann bitte ich um die Erlaubnis, nach bestem Wissen und Gewissen vorzugehen."

Der alte Mann nickte ernst. "Natürlich. Dafür habe ich dich ausgewählt."

Er griff in seine Jacke und zog ein Dokument hervor. "Darf ich um den kaiserlichen Stempel bitten?" Langsam reichte der Premierminister das Dokument dem Kaiser.

Der nahm es entgegen, überflog es, und las es ein zweites Mal, diesmal genauer. "Takehito-san, das ist..."

"Ich bin der festen Überzeugung, dass dies das Beste für Japan ist. Zudem hatte ich vor wenigen Minuten ein Telefonat mit General Young, der mich vorbehaltlos unterstützt. Wie es heißt, ist der US-Präsident aus dem Weißen Haus geflohen, und die Nachrichtenlage ist unklar. Aber das US-Militär in Japan hat sich nun auf unsere Seite gestellt. Ja, ich halte dieses Dokument für unbedingt notwendig. Nein, es ist überlebenswichtig für unser Land."

"Dann werde ich es ratifizieren. Möge es unser Land zurück ins Glück führen." Der Kaiser trat zu seinem Schreibtisch, zog sein Siegel hervor und setzte es unter das Dokument. Damit war die Sache besiegelt, und das Schicksal nahm seinen Lauf.

***

"...haben Sie mich verstanden, Serenity-sama?", fragte Iori sicherheitshalber nach.

Usagi, in eines ihrer Prinzessinenkleider gehüllt, war blass geworden. Seiya, der sie wieder begleitete, starrte den Bildschirm der Videokonferenz an, als hätte er einen Geist gesehen. Oder SailorGalaxia im alten Wahn. Oder beides.

Mamoru schluckte mehrfach trocken und heftig.

"Ja... Ja! Aber seien Sie versichert, Herr Premierminister, dies war nie unser Anliegen, nie das Ziel. Wir..."

"Es tut mir außerordentlich leid, Serenity-sama, aber ich musste tun, was ich tun musste, auch wenn dies für das SilverMillenium eine außerordentliche Belastung darstellt. An den Tatsachen ändert es nichts." Er verbeugte sich tief. "Lassen Sie mich versichern, dass der Tenno ausdrücklich gesagt hat, dass Ihr, Serenity-sama, ein Kind Japans seid, und dass er das ausdrücklich, über alle Verwicklungen hinweg, anerkennt. Dies gilt für alle Eure Gefährten japanischen Ursprungs."

Hastig erwiderte Usagi die Verbeugung. "Nein, es ist kein Umstand für uns. Ich meine, selbstverständlich übernimmt das SilverMillenium auch diese wichtige Pflicht."

"Dann hat mein Anruf erreicht, was er sollte. Das offizielle Dokument wird Euch gerade gebracht, Hoheit. Ich werde mich nach der Ratifizierung noch einmal melden. Oder Ihr ruft an, Hoheit."

Mamorus Wangenmuskeln mahlten. "Wir werden anrufen, sobald wir die Konsequenzen abschätzen können. Und, um meine persönliche Meinung zum Besten zu geben, Sie sind ein gerissenes Arschloch, Herr Premierminister."

"Da gibt es keine zwei Meinungen, Endymion-sama." Der Mann lächelte leicht, dann verneigte er sich tief und lange, bevor die Verbindung erlosch.
 

Kurz danach kamen die drei Generäle herein. Sie waren guter Dinge, immerhin war die gesamte in Japan verbliebene GunSuit-Technologie entweder in der Botschaft, wo sie von den Forschern und Technikern unter Amis, Uminos und Taikis Anleitung gerade aufgerüstet wurde, oder auf dem Erdmond, wo andere Techniker von den Trümmern verwerteten, was sie konnten.

Ihre gute Laune verflog sofort, als sie die gedrückte Stimmung bemerkten.

"Haben wir etwas verpasst?", fragte Akira erstaunt.

Mamoru wandte sich dem Freund zu. Er seufzte. "Unser großartiger Plan ist gerade nach hinten los gegangen. Ihr drei kommt genau zur rechten Zeit. Wir brauchen euch jetzt mehr denn je zuvor."

Juichiro legte die Stirn kraus. "Sprich nicht in Rätseln, Mamoru. Sag einfach, was passiert ist."

"Tja." Er sah von Usagi zu Seiya, und dann wieder zu Usagi. "Wer sagt es ihnen?"

Die Prinzessin des SilverMilleniums lächelte vielsagend. "Ich mach das."

Tomoki schüttelte sich leicht, als ein kalter Schauder über seinen Rücken ging. "Ich wette, mir wird nicht gefallen, was du zu sagen hast, Usagi-chan."

"Nein, das wird es sicher nicht", orakelte sie. "Um es schlicht und kurz zu halten: Wir haben gewonnen."

"Wir haben gewonnen?", echote Akira.

"Ja."

Die drei Generäle sahen sich sprachlos an.

"Was haben wir gewonnen, Usagi?", fragte Juichiro. "Eine Straßenlotterie, die Fernsehlotterie, an Weisheit...?"

"Den Krieg", sagte sie schlicht.

"Welchen Krieg genau?", hakte Akira nach.

"Den Krieg gegen Japan", erklärte Mamoru. "Soeben hat uns der Premierminister kontaktiert und uns erklärt, das Japan bedingungslos kapituliert hat."

"Aber das ist doch toll!", rief Tomoki erfreut. Die Freude hielt nicht lange vor. "Nicht?"

"Zugleich hat er darum gebeten, dass wir die Verteidigung Japans gegen die GunSuits übernehmen", erklärte Seiya. "Die US-amerikanischen Stützpunktkommandeure haben bereits ihre Zusammenarbeit angekündigt. Wir sind jetzt die Oberkommandierenden dieses Landes. Und da hat Mamoru schon ganz Recht: Wenn wir jemals Generäle von eurem Kaliber gebraucht haben, dann heute und hier."

"Und wann soll das beginnen?", fragte Tomoki.

"Wir erhalten per Kurier die Kapitulationsurkunde. Sobald wir diese in Besitz haben", sagte Usagi, "ist der Krieg mit Japan offiziell vorbei. Durch die bedingungslose Kapitulation aber sind wir so lange die... Ich weiß nicht, die Lehnsherren Japans, bis wir etwas anderes entscheiden."

Akira fluchte unterdrückt. "Natürlich, für Iori war das eine gute Entscheidung. Er wusste, dass seine ehemaligen Verbündeten keinerlei Rücksicht auf Japan nehmen würden, wenn sie uns angreifen werden. Verwüstungen hier in Tokio waren vorprogrammiert. So hat er uns gezwungen, nicht nur uns zu verteidigen, sondern auch ganz Japan. Beziehungsweise jeden Ort, der von GunSuits angegriffen wird." Akira hielt kurz inne. "Was wir ohnehin getan hätten. Und jetzt sind wir auch noch dazu berechtigt. Ganz offiziell."

"Das steht außer Frage", bestätigte Mamoru. "Aber alles Lamentieren hilft nichts. Wir machen das Beste draus. Ihr drei übernehmt das Oberkommando der vereinigten Armeen. Macht euch schlau, über was wir verfügen, sichtet Geheimdienstberichte und die Berichte aus den Verhören der GunSuit-Leute, um euch ein Bild von der Bedrohung zu machen. Ich will, dass wir heute noch von hier Gänge in alle Teile Japans graben, so wie wir die Metropolen der Welt erreicht haben, um jederzeit mit unseren Leuten vor Ort sein zu können. Juichiro, du übernimmst das Oberkommando."

Der große braunhaarige Gefährte von Rei Hino, nickte. "Ich werde die Aufgabe zu deiner Zufriedenheit erledigen."

"Ich habe nichts anderes erwartet. Motoki, du übernimmst die Landesverteidigung."

"Hm. Einverstanden. Das heißt dann auch, dass ich die Millenier-Truppen koordiniere."

"Die meisten. Denn damit kommen wir zu dir, Akira." Mamoru nickte ihm zu. "Du übernimmst die Angriffsstreitmacht."

"Moment Mal, hast du gerade Angriffsstreitmacht gesagt?", fragte der Weißhaarige entsetzt.

"Du hast doch meine Rede gehört, sogar an ihr mitgearbeitet", sagte Usagi lächelnd. "Wir kämpfen so lange, bis die Länder der Erde nicht mehr in der Lage sind, GunSuits zu bauen."

"Ach. Ich soll also mit einer Schar entschlossener Leute da raus und die GunSuit-Fabriken in aller Welt vernichten."

"Drei, um genau zu sein. Eine in Russland, eine in England, und eine in den USA. Ich bin sicher, wir werden vom amerikanischen Präsidenten zumindest zu letzterer Informationen erhalten. Außerdem liefern wir dir Intel-Daten. Ich werde Ami drauf ansetzen, sobald sie mit den Rüstungen fertig ist."

"Toll. Wie viel Zeit haben wir für die Vorbereitungen? Tage oder Stunden?"

Ein leises Grollen trug zu ihnen herein. Es dauerte einige Zeit, bis sie erkannten, dass es Jubel war. Die Menschenmassen draußen vor dem Turm brachen in schier grenzenlose Begeisterung aus. "Vielleicht nicht mal eine Minute. Iori hat augenscheinlich gerade die Kapitulation verkünden lassen", sagte Seiya. "Und er bringt uns damit noch unter zusätzlichen Druck."

"Uns? Es freut mich, dass die Starlights uns weiterhin zur Seite stehen", sagte Mamoru.

"Du hast doch hoffentlich nichts anderes erwartet. Wenn meine Prinzessin hier ankommt, soll sie ja auch noch einen Ort vorfinden, der sich zu besuchen lohnt."

"Kann ich mir mein Team selbst aussuchen?", fragte Akira. "Wie viele kriege ich überhaupt?"

"Du kriegst mehrere Spezialeinheiten der Selbstverteidigungsarmee fürs Grobe. Und du kannst dir drei Begleiter des SilverMilleniums aussuchen. Mehr geht nicht. Japan ist groß, und wir müssen überall sein. Wenn es zum Äußersten kommt und Atombomben eingesetzt werden, brauchen wir jeden Krieger."

"Japan ist vor allem schmal, langgestreckt und auf vier Hauptinseln aufgeteilt." Akira rieb sich die Nasenwurzel. "Wie viele Special Forces?"

"Einhundert Mann. Die Besten, die Japan hat."

"Kriege ich Ayoka und Kano?"

"Die beiden Männer sind unsere Feinde", erwiderte Mamoru ernst.

"Kriege ich die beiden? Und ihre Leute? Wenn sie einwilligen, mir zu helfen? Als Special Forces?"

"Du glaubst, sie würden dich unterstützen?", fragte Usagi plötzlich aufgeregt.

"Eventuell werden sie das, wenn ich sie frage. Ich... Usagi, dein Blick gefällt mir nicht."

"Mir übrigens auch nicht", merkte Tomoki an. "Es wirkt so, als hättest du sie auf eine Idee gebracht, Akira."

Usagi strahlte Mamoru an. Der wies sie rigoros ab. "Nein!"

"Aber ich halte es für eine gute Idee..."

"Usagi, nein!"

"Aber ich glaube wirklich, dass..."

"Und ich glaube das nicht!"

"Ich bin sicher, wenn wir ihnen den Ernst der Lage erklären, werden einige von ihnen bereit sein, Japan mit den GunSuits zu verteidigen! Sie sind auf ihnen trainiert, sie werden sich schnell an die Verbesserungen gewöhnen! Sie müssen unsere erste Wahl sein!"

"Usagi!", rief Mamoru entrüstet. "Nicht jeder Feind wird beim ersten Lächeln von dir automatisch ein treuer, sorgender Verbündeter!" Er sah seine Verlobte an, schüttelte den Kopf und sah erneut hin.

Usagi sah schmollend zur Seite. "Die zehn Prozent Ausfallquote."

"Es ist ein Risiko! Was, wenn sie mit der Technologie, unserer Aufrüstung, zum Feind überwechseln?", begehrte Mamoru auf. "Dann sind zwanzig GunSuits zum Teufel."

"Dann geben wir eben nur der Hälfte einen GunSuit und suchen nach anderen Freiwilligen für die anderen zehn. Die aufgerüsteten GunSuits sollen uns doch sowieso nur unterstützen. Die Hauptlast tragen doch ohnehin wir. Wollen wir denn nicht wenigstens fragen?"

Mamoru sah sie wütend an. "Nein, Usagi, nicht mit diesem Blick. Unterstehe dich, zu versuchen, mich weich zu kochen! Ich bin der festen, unumstößlichen Meinung, dass... Dass..." Ein Seufzer, der direkt vom Grunde seiner Seele zu kommen schien, entrang sich seiner Kehle. "Ich hasse es, wenn du das mit mir machst, Schatz."

Freudestrahlend fiel sie ihm um den Hals. "Ich wusste, dass du meinen Standpunkt verstehen würdest! Du bist mein großer Held, Mamoru!"

Teils ärgerlich und teils amüsiert räusperte sich Seiya.

"Und du bist mein zweitgrößter Held."

"Na, immerhin", erwiderte der Starlight.
 

Akira runzelte die Stirn. "Ich glaube, das ist der Punkt, an dem wir uns an die Arbeit machen sollten. Ich suche Ami auf und rede mit ihr wegen der Geheimdienstinformationen. Es müsste doch möglich sein, mit der überlegenen Technologie der Millenier diese Fabriken zu finden, wenn sie Internet haben. Oder wenigstens aufgrund des Warenflusses oder des Stromverbrauchs. Ich werde versuchen, Kano anzuwerben. Ayoka überlasse ich dir und den GunSuits, Usagie-chan." Er wandte sich um. "Und jetzt verschwinde ich, bevor Ihr anfangt rumzuknutschen und ich neidisch werde."

"Nicht die schlechteste Idee", murmelte Juichiro. "Ich gehe zu Rei, bis die Kapitulationsurkunde eintrifft."

Motoki trat unsicher von einem Bein aufs andere. "Ob ich mich schon mal auf den Weg zum Hauptquartier der Selbstverteidigungsarmee aufmache? Je früher ich einen Überblick bekomme, desto besser. Ja, das mache ich. Das, und ein wenig Komfortzeit mit Makoto."

Schließlich waren sie nur noch zu dritt im Raum. Usagi, Mamoru und Seiya.

"Hast du nicht auch irgend etwas dringendes vor, Seiya?", fragte Mamoru säuerlich.

"Im Gegensatz zu den drei Weicheiern kann ich ertragen, euch küssen zu sehen, ohne rot zu werden. Eifersüchtig, ja, aber sicher nicht rot."

"Verzeihung, aber habt Ihr Akira gesehen? Ich dachte, er wäre hier, und... Oh. Ich hoffe, ich störe nicht", sagte Yaten vom Eingang her.

"Du hast ihn gerade verpasst", sagte Mamoru. "Wenn du Glück hast, findest du ihn bei den Kriegsgefangenen. Ich glaube, er wollte Kenichiro Kano abwerben."

"Ja, das klingt nach ihm. Lasst euch nicht stören." Der Blick des weißhaarigen Starlights ging irritiert zu Seiya, aber der winkte nur ab. "Mir geht es gut", sagte er nur.

Das jedoch steigerte die Irritation des Kleineren nur noch mehr. Also flüchtete er in die Sicherheit dessen, was er beherrschen konnte - die Suche nach Akira.

***

"Danke, Gaion, ich übernehme."

Gaion, braungebrannt und wie immer in seine schwarze Lederhose und die offene passende Weste gekleidet, erhob sich und überließ dem Eintretenden das Verhör und den Gefangenen. "Natürlich, General Iskander."

Der junge Mann mit der uralten Seele setzte sich gegenüber dem Offizier, der den größten Teil der Angriffe auf das SilverMillenium koordiniert hatte und damit die Hauptschuld an seinen Verletzungen trug.

Akira musterte ihn eingehend. "Ich habe gute Nachrichten. Japan hat kapituliert. Das erhöht die Chancen, dass..."

"Wir haben was?", rief Kenichiro Kano erschrocken und sprang auf. Gaion, der hinter Akira stand, trat einen halben Schritt vor, um notfalls eingreifen zu können, falls Kano handgreiflich wurde. Nicht, dass ausgerechnet Iskander als einer der drei Generäle Schutz oder auch nur Hilfe gebraucht hätte.

"Kapituliert. Vollständig. Bedingungslos", erklärte Akira bedächtig und extra langsam.

Fassungslos ließ sich Kano wieder auf seinen Stuhl sinken. Seine Schultern begannen zu zucken, und Gaion nahm an, der Mann würde weinen. Was für ein erbärmliches Schauspiel für einen Soldaten. Andererseits stand der Mann unter enormen Druck und wurde im Herzen ihres Feindes festgehalten. Doch es war ein Lachen. Ein lautes Lachen, das irgendwo in seinem Bauch begann und sich in seiner Kehle entlud. "Dieser Fuchs. Dieser alte Fuchs. Ich hätte es mir denken können. Ich hätte es wissen müssen! Solch ein Werkzeug war ich also." Er schüttelte den Kopf, wie um seine Benommenheit los zu werden, aber er konnte das Grinsen nicht unterdrücken. "Was war ich doch dumm. All die Sorgen, die ich mir gemacht habe, all der Schmerz..." Er sah auf, Akira direkt in die Augen. "Ihre Befehle, Sir."

Nun war es an Akira, irritiert zu sein. "Moment. Ich dachte, ich erzähle erst einmal, dass wir nun die meisten Gefangenen repatriieren, also freilassen. Dann wollte ich lang und breit die Situation schildern, die Schwierigkeit, in der wir stecken, weil wir nun ganz Japan verteidigen müssen, und so... Und dann erst wollte ich Sie fragen, ob Sie mit mir arbeiten wollen."

Kano schüttelte energisch den Kopf. "Wenn Japan bedingungslos kapituliert hat, dann haben Sie jetzt hier das Sagen. Das bedeutet auch, dass Sie das Recht haben, die Selbstverteidigungsstreitkräfte aufzulösen oder komplett zu übernehmen. Ich nehme an, Letzteres ist geschehen. Da ich Offizier der SVS Japans bin, unterstehe ich also Ihrem Kommando, General Iskander."

Nun huschte ein Schmunzeln über das Gesicht Akiras. "Ich glaube, ich verstehe. Das war der Plan Ioris, richtig? Er hat Sie und die GunSuits benutzt, um zu ergründen, ob wir Japan beschützen können. Hätten wir es nicht gekonnt, wären wir vernichtet oder vertrieben worden. Da wir es aber geschafft haben, unsere Kampfkraft zu beweisen, hat er uns den schlechteren Teil des Handels aufgedrängt. Er hatte sicherlich vor, in diesem Fall zu kapitulieren, ob mit oder ohne Kriegserklärung. Notfalls hätte er sie selbst verfasst." Akira drängte sich die Geschichte mit der Conch Republic wieder auf, jene kurze Episode, in der Key West seine Unabhängigkeit von den USA erklärt hatte, gefolgt von einer Kriegserklärung - nur um fast sofort zu kapitulieren und eine Milliarde Dollar für die Reparationen zu fordern. Nun gut, hier ging es um mehr als um eine umstrittene Autobahnmautstelle. Aber der Mechanismus war der Gleiche. Waren sie denn alle nur Spielbälle in den Händen Ioris gewesen? Nun, für das SilverMillenium und für die Bevölkerung Japans, eigentlich für die Menschen in aller Welt, war er gerne ein Spielball.

"Ihre Befehle lauten wie folgt: Finden Sie sich in Ihrer Verfügung ein, bei den Special Forces. Übernehmen Sie das Kommando über die besten einhundert Soldaten und bereiten Sie sie darauf vor, mit den SailorKriegern im Verbund zu kämpfen."

"Ja, Sir. Was sind unsere Ziele?"

Akira lächelte gefährlich böse. "Wir greifen die Welt an."

"Klingt lustig. Ich bin dabei."

Und so, wie Kano es gesagt hatte, war es wie ein Schwur gewesen. Akira zweifelte nicht eine Sekunde an der Loyalität seines Gegenübers. "Gut. Dann muss ich mir nur noch Gedanken über die drei Krieger machen, die ich mitnehmen werde."

***

Irgendwie kam sich Ami Mizuno überflüssig vor. Sie hatte zusammen mit Umino und Taiki die ersten beiden Rüstungen umgebaut und die anwesenden Techniker entsprechend geschult. Nun wurden sie nicht mehr gebraucht, da Umino die Koordination übernommen hatte. Das stellte Taiki und sie frei. Frei für was? Sie fühlte sich etwas benommen, so als wäre sie unsanft geweckt worden, oder als würde sie sich von plötzlichem Schwindel erholen. Technisches Feedback. Sie hatte geträumt. Den Traum von Technologie. Nun war sie unsanft geweckt worden. Und es tat weh.

"Kann ich nicht...?", begann sie, aber Umino winkte sofort ab.

"Nein, keine Sorge, Ami-chan. Wir kommen zurecht. Du und Taiki könnt euch euren anderen Aufgaben widmen."

"Tu was er sagt", sagte Naru, die wie immer in seiner Nähe zu finden war. "Wenn er sagt, er hat alles im Griff, wäre es verschwendete Zeit, hier herum zu stehen. Ich bleibe hier und passe auf, dass er nicht vergisst zu essen, zu trinken und zu atmen."

"Zu atmen?"

"Zu atmen", sagte Naru, und es klang nicht nach einem Scherz.

"Oh." Ami wandte sich Taiki zu. "Was steht denn auf unserem Plan?"

"Ich würde eine Mahlzeit vorschlagen", sagte er. "Einen schnellen Happen, bevor uns die nächste wichtige Aufgabe ereilt, Ami."

Die Tür ging auf, und Hotaru rauschte herein. Die Hotaru aus der Zukunft. "Ach, hier steckt Ihr, Ami, Taiki. Wisst Ihr schon das Neueste? Japan hat kapituliert, und wir haben jetzt das Oberkommando über die Landesverteidigung. Akira wurde befohlen, ein Team zusammen zu stellen, das die GunSuits-Fabriken in aller Welt vernichtet, und du sollst ihn dabei geheimdienstlich unterstützen, Ami-chan."

"Na, das ging ja schnell", murrte Taiki. "Wir sind nicht mal dazu gekommen, auch nur einen Schritt in Richtung Küche zu machen."

"Was?" Ami schreckte auf. "Entschuldigung, Taiki. Hotaru-chan, ich habe nach Kapitulation nichts mehr mitgekriegt. Wir haben gewonnen? War es geplant, das wir gewinnen?"

Hotaru seufzte und wiederholte ihren Bericht. Etwas ausführlicher, diesmal.

"Und jetzt lasst uns keine Zeit verlieren. Wir müssen los."
 

Zur gleichen Zeit, ein paar Meter entfernt, war ein ähnliches Gespann unterwegs. Akira, begleitet von Yaten und Usa-chan, die man nun unmöglich Chibi nennen konnte. An ihr war nichts mehr Chibi, und Akira fragte sich besorgt, ob so ein Gedanke überhaupt erlaubt war. Er rauschte auf die nächste Ecke zu, in Gedanken schon im Gespräch mit Ami. Mit ihren Möglichkeiten musste es doch sicher machbar sein, dass...

"Darf ich am Angriffsteam teilhaben?", fragte Usa-chan unvermittelt.

"Was?" Erschrocken sah Akira zurück, ohne jedoch stehen zu bleiben.

"Du weißt, ich bin ebenso stark wie Mutter. Vielleicht sogar noch stärker, man weiß es nicht. Ich wäre dir eine große Hilfe."

Akira bedachte einige Möglichkeiten, darunter das des Zeit-Paradoxons. Aber war nicht alles, was Usa-can tun oder lassen würde, längst geschehen? Oder würde geschehen sein?

"Wirst du denn am Einsatz teilnehmen?", fragte er direkt.

Die junge Frau sah verärgert zu Boden. "Nein", gestand sie. "Ich werde hier bleiben und Mutter helfen, die letzte Verteidigungslinie zu errichten."

Akira lächelte sie an, während er um die Ecke fuhr. "Ich hätte deine Hilfe gerne angenommen. Ich hoffe, das weißt du."

Sie lächelte, nicht auf eine niedliche, aber dafür erwartungsvolle Art. "Ich weiß. Ich weiß einiges."
 

"Und wo finden wir Akira, Hotaru-chan?", fragte Ami, halb laufend in Richtung der Ecke zu den Fahrstühlen unterwegs.

Hotaru zuckte die Achseln. "Soweit ich weiß, sollte er gerade dabei sein und General Kano... Ich meine Major Kano dazu überreden, die Seiten zu wechseln und bei uns einzusteigen. Jetzt etwa in diesem Moment wird sich Vice-General... Ich meine Major Ayoka bereit erklären, für uns ein Zehn Mann-Team aus seinen Leuten in den verbesserten GunSuits zu führen, um Japan und die Welt zu retten."

"Gut. Also die Verhörräume." Entschlossen beschleunigte sie ihren Schritt.

"Jetzt weiß ich wenigstens, warum du so schlank bleibst, so viel wie du läufst", scherzte Taiki.

Ami sah errötend zurück., während sie um die Ecke schoss.
 

"Was passiert, wenn sich zwei fest Körper auf einander entgegengesetzten Richtungen befinden und miteinander kollidieren?", scherzte Usa-chan.

"Das weißt du doch", tadelte Hotaru. "Die Energie des schwereren, sprich massereicheren Objekts geht auf das masseärmere Objekt über. Der Effekt ist umso stärker, je größer der Masseunterschied ist."

"Warum ist Objekt zwei dann nicht abgeprallt wie ein Gummiball?"

Hotaru grinste frech. "Weil Objekt zwei eine höhere Geschwindigkeit hatte. Daher mehr Masse."

Das Ziel ihrer Studien waren Ami und Akira. Natürlich waren sie beide ineinander gelaufen, kaum dass sie ohne zu schauen um die Ecke gerast waren - beide.

Ami war leicht zurückgeprallt, und Akira hatte automatisch zugegriffen, um sie nicht stürzen zu lassen. Der Griff war stärker als notwendig gewesen, und so hatte er Amis Oberkörper zu sich gezogen. Etwas zu sehr. Schließlich waren sie mit den Gesichtern aufeinander geprallt, genauer gesagt mit den Lippen, und hatten sich eher unfreiwillig geküsst. Das Kuriose war nicht dieser unglaubliche Zufall, dass sie gegenseitig ihre Lippen getroffen hatten, sondern das sie fast eine geschlagene Minute in dieser Pose verharrten.

"Nun ist aber genug!", sagte Taiki aufgebracht. "Wir haben ja schon kapiert, also löst euch endlich!"

Entsetzt spritzten die beiden auseinander. Die Röte schoss Akira in die Wangen. "Tu-tut mir leid, Ami. Ich wurde abgelenkt!" Ein taxierender Blick traf Usa-chan, die aber nur frech zurücklächelte und mit Zeige- und Mittelfinger der Rechten das Victory-Zeichen formte.

"E-es muss dir nicht leid tun. Wir sind ja nur ineinander gelaufen." Röte schoss auch in ihre Wangen und verlegen sah sie fort. "U-und ich wurde ja auch abgelenkt. U-u-und du hast mich ja aufgefangen, und so."

"Und geküsst", soufflierte Hotaru.

"U-und geküsst... Hotaru-chan!"

Verlegen klopfte Akira seine Fingerspitzen aufeinander. "Das tut mir übrigens überhaupt nicht leid."

"Was?", fragte Ami.

"Schon gut. Dich habe ich übrigens gesucht. Hast du schon gehört? Japan hat kapituliert. Ich habe jetzt die Aufgabe bekommen..."

"Ja. Die GunSuit-Fabriken weltweit zu vernichten. Hotaru hat es mir schon gesagt."

Die junge Frau aus der Zukunft, griente fröhlich und imitierte einen militärischen Salut.

"Ich soll dich unterstützen, Informationen über die Fabriken zusammen zu tragen."

"J-ja. Wenn, dann will ich auch mit der Besten zusammen arbeiten. Wenn ich mich schon ins Ungewisse wage."

"D-danke für das Kompliment, Akira", hauchte sie mehr als das sie es sagte. Vorsichtig sahen sie einander an, nur um wieder fort zu sehen, als wären sie bei etwas Unanständigem ertappt worden.

"Wir... Wir sollten in den Konferenzraum gehen. Ich... Ich muss mir noch drei SailorKrieger als Begleiter aussuchen. Das wird wichtig sein für die Einsätze."

"Ja", stimmte sie zu. "Ja, das wird wichtig sein. Schade, dass ich dir nicht werde helfen können. Rei, Makoto, Minako und ich müssen hier bleiben, um notfalls die letzte Verteidigungslinie mit Usagi errichten zu können. Den ultimativen Schutzwall."

"Ja. Schade." Seinem Gesicht war anzusehen, dass er sie niemals freiwillig mitgenommen hätte. Nicht noch einmal würde er diese Frau einer Gefahr aussetzen. Nicht, wenn er es verhindern konnte.

Yaten starrte die zwei ein wenig sprachlos an. "Okay...", kam es gedämpft aus seinem Mund. Er sah zu Taiki herüber, der nur resignierend seufzte. "Okay... Vielleicht sollten wir uns dann langsam mal in Bewegung setzen. Oder habt Ihr vor, hier im Gang zu recherchieren?"

"Nein", sagte Akira hastig. "Natürlich nicht. Nach dir, Ami."

"Danke. Wie immer ein Gentleman." Sie ging an ihm vorbei in Richtung Aufzüge, Taiki direkt hinter ihr. Hotaru folgte dichtauf und tätschelte dem General gönnerhaft die Wange. Das irritierte ihn nur noch mehr.

"Zusammen gehen bedeutet, das wir folgen, Akira", sagte Usa-chan fröhlich und hängte sich an seinen rechten Arm, um ihn zu den Aufzügen zu ziehen.

"I-ich auch!", rief Yaten und hängte sich an den anderen Arm.

Und so begann die Rettung Japans und der Welt.



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