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Angel of Light I

Another world
von

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Neue Überraschungen

Mehrere Minuten betrachtete Harry schweigend die verschiedenen Grüppchen seiner Freunde und kam dabei zu dem Schluß, daß sie sich wohl inzwischen mit der Tatsache vertraut gemacht hatten, daß die Geschichtsschreibung, so wie sie alle sie bisher gekannt hatten, gravierende Fehler aufwies. Dies wurde vor allem daran deutlich, wie interessiert und lebhaft sich Sirius, Severus sowie der Schulleiter und Dracos Eltern mit Godric und Salazar unterhielten. Keinem der Erwachsenen war anzumerken, daß bis vor wenigen Tagen jeder von ihnen geglaubt hatte, Salazar Slytherin wäre einer der mächtigsten Schwarzmagier der Zaubererwelt und Erzfeind von Godric Gryffindor gewesen.
 

Azhura unterbrach Harry schließlich in den Betrachtungen, die er von den Anwesenden machte, echote jedoch seine eigenen Gedanken, als sie meinte: +Sie scheinen sich gut zu verstehen, junger Herr.+
 

Harry zuckte unmerklich zusammen, da er nicht erwartet hatte, von Azhura nun plötzlich mental angesprochen zu werden. Doch dann erwiderte auf die selbe Art und Weise: +Das habe ich eben auch gedacht, Azhura. Aber es zeigt mir, daß Hoffnung besteht – wenn ich Salazars Ruf wiederherstellen will, werde ich Hilfe brauchen. Meine Freunde scheinen willens zu sein, diese Hilfestellung zu leisten, indem sie überhaupt die Möglichkeit akzeptieren, daß all das – oder wenigstens der größte Teil davon - was wir bis jetzt über Salazar wissen, falsch ist.+
 

+Vieles wurde über die Jahrhunderte hinweg von der Wahrheit dessen, was ich erlebte, in die Lüge dessen, was heutzutage als erwiesen über meinen Meister gilt, verdreht und ins Gegenteil verkehrt. Ich werde gern dabei behilflich sein, diesen Mißstand zu klären, Harry.+
 

+Danke, Azhura. Doch bevor wir uns daran machen, sollten wir dich erst einmal meinen Freunden vorstellen. Und sicher willst du doch Shal und Salazar nach so langer Zeit Hallo sagen.+
 

+Sehr gern sogar.+, war Azhuras abschließender mentaler Kommentar, woraufhin Harry sich leise räusperte. Trotzdem trug ihm diese Geste nach und nach die Aufmerksamkeit der Anwesenden ein, welche fragend aufblickten und dann Harry an der Verbindungstür zu Lord Slytherins Arbeitszimmer lehnen sahen.
 

Harry wirkte auf seine Freunde eindeutig amüsiert, vor allem, als er bemerkte, wie sie sich ein wenig schuldbewußt ansahen, als ihnen klarwurde, daß sie sein Eintreten wohl total überhört hatten. „Ich sehe schon, daß ihr euch auch ohne mich prächtig amüsiert habt“, grinste der schwarzhaarige Gryffindor belustigt und stieß sich vom Türrahmen ab. Auf den Tisch zutretend, auf dem noch immer Asvandril in seiner ganzen Pracht lag, plazierte Harry wenige Augenblicke später Erythril neben dem goldenen Schwert. Die Sorgfalt, die er dabei der silbernen Waffe gegenüber zeigte, weckte die Neugier seiner Freunde und sie kamen auf ihn zu, ihn fragend anblickend.
 

Doch Harry kam nicht mehr dazu, auf die stillen Fragen zu antworten, denn Salazars Stimme ließ sich vernehmen, der mit zufriedenem Tonfall meinte: „Du hast jetzt also auch den Teil deines Erbes eingefordert, der dich mit mir verbindet, Harry. Meinen Glückwunsch.“ Den Kopf in Richtung des Sprechers wendend, erwiderte Harry: „Danke, Salazar. Du wußtest, daß ich bei der Suche nach dem Stammbuch deiner Blutlinie auf Erythril stoßen würde, nicht wahr?“
 

„Natürlich, Harry.“, meinte der schwarzhaarige Gründer mit einem Nicken, „Ebenso wie Asvandril gehört auch Erythril nun dir und soll dir mit seiner Magie zur Seite stehen. Und obwohl bei Erythril nicht wie bei Godrics Schwert die kämpferische Kraft und Magie im Vordergrund steht, so liegen doch auch in meinem Dolch große Mächte verborgen, die dir nützlich sein werden.“
 

„Daran zweifle ich nicht“, bestätigte Harry die Worte seines Vorfahren. Er neigte dankbar den Kopf und meinte: „Ich werde mich bemühen, mich deines Vertrauens als würdig zu erweisen, Salazar. Zwei solch mächtige magische Waffen zu besitzen, ist eine große Verantwortung – ich hoffe, Godric und du werdet mir helfen, ihre richtige Handhabung zu erlernen.“
 

„Sehr gern sogar“, erwiderte Salazar mit einem freundlichen Ausdruck in den tiefblauen Augen, als er den Respekt, den Harry nicht nur Asvandril, sondern nun auch Erythril zukommen ließ, bemerkte. Es wurde deutlich, daß der schwarzhaarige Gründer sich mehr und mehr für seinen Nachfahren erwärmte. Und auch Godric war Harrys bescheidenes Wesen aufgefallen, was ihn ebenfalls zustimmend nicken ließ.
 

Ron war inzwischen an Harrys Seite getreten, nachdem er mit Draco und Hermine den silbernen Dolch neugierig in Augenschein genommen hatte. Der Rothaarige legte seinem besten Freund die Hand auf die Schulter, um dessen Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Er wollte gerade zu sprechen beginnen, als er plötzlich etwas an seiner Hand spürte und irritiert den Kopf wandte. Dadurch blickte er direkt in goldgelbe Augen hinein, während ihn eine smaragdgrüne Schlange aus den Schatten von Harrys Kragen heraus musterte.
 

{Hallo}, zischte Azhura Ron zu und glitt weiter hervor und wand sich leicht um das Handgelenk des rothaarigen Gryffindors. {Es ist mir eine Freude, dich kennenzulernen, Freund meines neuen Meisters.}
 

„H-Harry?“, stotterte Ron leicht, während seine Augen starr auf Azhura gerichtet waren, welche sich mittlerweile völlig aus dem Schatten von Harrys Kragen gelöst hatte und nun auf eine Antwort des jungen Mannes wartete. Harry seufzte leicht auf, konnte jedoch ein Grinsen nicht verbergen. Wenn Azhura das gerade als ‚nicht erschrecken’ bezeichnete, dann hoffte er, nie in der Nähe zu sein, wenn sie es darauf anlegte, jemanden zu Tode zu ängstigen.
 

{Azhura, das war jetzt aber wirklich nicht nett, Ron so zu erschrecken. Und außerdem sollst du mich doch nicht als deinen Meister bezeichnen. Wenn du jemanden mit diesem Titel bezeichnen willst, dann nimm Salazar, ok? Wir sind doch jetzt Freunde, daher ist Harry völlig ausreichend.}
 

Als die kleine grüne Schlange darauf einen Ton von sich gab, der verdächtig nach einem resignierten Seufzen klang, schmunzelte Harry erneut. {Ok, ok. Harry. Doch ich wollte deinen Freund nicht erschrecken, sondern nur Hallo sagen. Ich wußte nicht, daß er...nun ja, wie soll ich sagen...} Azhuras Stimme verklang, während sie Ron musterte, der noch immer reglos mit seiner Hand auf Harrys Schulter verharrte und wie gebannt schien.
 

Harry war Azhuras Blick gefolgt und vervollständigte ihren Satz voller Humor über die Situation: {Wie wäre es mit ‚erstarrt’? Wenn er jetzt noch aus Stein wäre, würde ich glatt sagen, du hättest deinen Versteinerungsblick nicht richtig unter Kontrolle gehabt.}
 

Azhura zischte indigniert. {Als wenn ich nicht dazu fähig wäre, meine Fähigkeiten zu kontrollieren, Harry! Doch dein Freund scheint wirklich einen kleinen Schock zu haben.}
 

„Das wäre die Untertreibung des Jahrhunderts“, murmelte Harry amüsiert und legte nun seinerseits Ron die linke Hand auf die Schulter, um ihn leicht zu rütteln. „Ron, wach auf! Keine Panik, Azhura tut dir nichts – sie wollte dich nur begrüßen. Also wirklich, ist ja nicht so, als hätte ich Aragog auf der Schulter sitzen“, grummelte er angesichts von Rons leicht verängstigten Blick, da Azhura weiterhin ihren Leib um sein Handgelenk gewickelt hatte. Doch bei dem Gedanken an die Acromantulas schüttelte es ihn unwillkürlich.
 

Eine neue Stimme riß den Schwarzhaarigen aus seinen Gedanken und weckte auch Ron wieder aus seiner Starre. Denn Shals erfreuter Ausruf: „Azhura? ’Zhura, bist du das wirklich?“, ließ den Kopf der smaragdgrünen Schlange in Richtung des Gemäldes der Gründer herumfahren, bevor sie ihren Halt langsam an Rons Handgelenk löste und zu Boden glitt.
 

Als sie schließlich vor dem Gemälde angelangt war, richtete sie sich auf – und Sekunden später war nicht nur von Ron erneut ein leicht erschrockener Ausruf zu hören, da Azhura plötzlich von einem Meter Länge auf etwas mehr als zweieinhalb anwuchs. Dies tat sie, um Shal, Salazar und Godric näher zu sein, die ihr erfreut über ihre plötzliche Gegenwart entgegenblickten.
 

Während sich zwischen den Drei auf dem Gemälde und Azhura kurz darauf eine lebhafte Diskussion entspann, fand sich auch Harry im Zentrum fragender und leicht geschockter Blicke. Der Gryffindor machte eine beruhigende Geste mit der Hand, was jedoch nicht so ganz die Wirkung hatte, die er hervorrufen wollte.
 

Ron warf nämlich weiter mißtrauische Blicke auf Azhura, während Lucius sowie Sirius, Severus und Remus eher erstaunt über die Fähigkeiten von Harrys neuer Begleiterin zu sein schienen. Doch auch die vier Männer wirkten leicht alarmiert, Professor Dumbledore jedoch – wie Harry - eher leicht amüsiert. Der Schulleiter konnte spüren, daß die Schlange keine Gefahr ausstrahlte, vor allem, da sie offensichtlich Freundschaft mit Harry geschlossen hatte.
 

Es war Hermine, welche schließlich ihre Neugier nicht mehr zurückhalten konnte und die Frage stellte, welche auch den Anderen auf den Lippen lag. „Harry, wer ist diese Schlange und woher hast du sie auf einmal? Wolltest du nicht zu...oh“, an dieser Stelle verstummte Hermine verblüfft und ihre Augen weiteten sich, als sie erneut zu Azhura hinübersah, welche noch immer völlig in ihr ‚Gespräch’ vertieft war. „Sag jetzt nicht, daß ist... ist...“, sie blickte erneut zu ihrem schwarzhaarigen Freund hinüber, welcher nun sichtlich amüsiert wirkte und einfach nur nickte.
 

„Ja, genau. Das ist Azhura. Es hat sich herausgestellt, daß sie meine Hilfe brauchte, um einen Bann aufzuheben, der auf ihr lag. Ich werde euch alles erklären, aber dazu sollten wir uns setzen, denn diese Geschichte ist recht lang. Doch ich glaube“, fügte Harry mit einem Blick auf die Gründer und Azhura hinzu, „wir haben genug Zeit. Sie haben so lange nicht mehr miteinander reden können, da haben sie sich viel zu erzählen.“
 

Die Erwachsenen und Harrys drei Freunde folgten ihm, als er auf die Sitzgruppe in einer anderen Ecke des Zimmers zusteuerte und sich in einem der Sessel niederließ. Ron nahm neben ihm Platz und blickte ihn aus großen Augen an. „Harry, bist du dir sicher, daß dies eine gute Idee war? Ich meine, wir reden hier nicht von irgendeiner beliebigen Schlange – sie ist ein...ein...“
 

„Basilisk, Ron“, vervollständigte Harry für seinen besten Freund. Er seufzte auf. „Ja, ich weiß. Und vor wenigen Tagen noch hätte ich jeden für verrückt erklärt, der mir erzählt hätte, ich würde jemals mit einem Basilisken Freundschaft schließen. Das Konzept an sich ist schon unglaublich – und bedenkt man meine Erfahrungen mit ihrem Gegenstück, so grenzt es an unmöglich.“
 

„Wieso also?“, warf Draco ein, der an Harrys linker Seite Platz genommen hatte. Der blonde Slytherin schien nicht ganz so geschockt wie sein rothaariger Freund, doch auch er machte den Eindruck, als wäre ihm nicht ganz wohl in seiner Haut.
 

„Weil sie nichts Böses getan hat, Draco“, erwiderte Harry leise. „Azhura war wie Fawkes für Godric stets eine treue Begleiterin für Salazar. Und sie beschützte Shal als Kind, ebenso wie das Schloß gegen Angreifer. Sie mag ein Basilisk sein, welche heutzutage wegen ihrer magischen Fähigkeiten gefürchtet sind – aber sie ist auch ein Lebewesen, dem Unrecht widerfuhr.“
 

Und Harry berichtete seinen gebannt lauschenden Freunden von der Geschichte, welche Azhura ihm vor wenigen Stunden in Salazar Slytherins Labor erzählt hatte. Und während sie Harrys Worten lauschten, verstanden die Anwesenden mit der Zeit, wieso der junge Gryffindor getan hatte, was er getan hatte. Selbst Ron blickte mitfühlend, als er hörte, wie Azhura für ihre Weigerung, Voldemort durch den Bindungszauber anzugehören, mit Einsamkeit und Hilflosigkeit gestraft wurde. Letzteres war für die Beschützerin von Shals Nachfahren wohl besonders grausam gewesen, wodurch sich auch erklärte, warum sie so darauf aus gewesen war, den Bindungszauber mit Harry zu vollziehen.
 

Eine geraume Weile herrschte Stille, bevor Lucius das Wort ergriff. „Würdest du mir das Bindungszeichen einmal zeigen, Harry?“, fragte er den Gryffindor. Dieser nickte bereitwillig und krempelte seinen Ärmel hoch. Dadurch kam das ornamentale Symbol ans Licht und während Draco, Hermine und Ron vor allem dessen Schönheit bewunderten, nickte der blonde Mann schließlich zufrieden vor sich hin und sah Harry dann in die fragend blickenden Augen.
 

„Sie hat die Wahrheit gesagt, Harry“, meinte Lucius. „Wie du weißt, beschäftige ich mich mit Alter Magie und in einem meiner Bücher werden auch alte Bindungszauber behandelt. Für den Träger eines solchen Zeichens wie dem deinigen bieten sie nicht nur Schutz, sondern auch hohes Ansehen.

Schon in früheren Zeiten war es nicht allgemein üblich für magische Geschöpfe, Allianzen mit Zauberern einzugehen – wenn es auch noch häufiger geschah als heutzutage. Daher galt es stets als besondere Ehre, wenn eine Hexe oder ein Zauberer auserwählt wurde, mit einer magischen Rasse ein Bündnis einzugehen.

In deinem Fall nun bedeutet das, daß du durch Azhuras Versprechen ihren Schutz genießt – und nicht nur ihren. Da Basilisken als ‚Könige der Schlangen’ bezeichnet werden, wird keine Schlange dich angreifen, wenn sie von dem Zeichen weiß. Ganz im Gegenteil, sie wird dir helfen, so gut sie es vermag – selbst, wenn sie anderslautende Befehle erhält.“
 

„Wow“, meinte Ron, der Lucius wie der Rest der Anwesenden interessiert bei seiner Erklärung zugehört hatte. „Bedeutet das, Harry hat jetzt so etwas wie eine persönliche Leibwache, die ihn beschützt?“ Lucius blinzelte kurz, doch dann lächelte er und nickte. „So könnte man es ausdrücken“, erwiderte er.
 

„Jemals daran gedacht, zu unterrichten?“, warf Harry ein. Lucius sah ihn verständnislos an, woraufhin der Gryffindor erklärte: „Du weißt sehr viel über Magie und wie sie in der Vergangenheit gehandhabt wurde, Lucius. Ich denke, es würde sehr viel mehr Interesse für „Geschichte der Zauberei“ wecken, wenn die Schüler einen Professor hätten, welcher die Dinge so anschaulich erklären kann wie du, Lucius.“
 

Der Angesprochene lächelte dankbar für dieses Lob, dann meinte er: „Dieses Gebiet der Magie interessiert mich nun einmal besonders, daher habe ich mich ausführlich damit beschäftigt. Ob ich dadurch jedoch ein guter Professor wäre, wage ich zu bezweifeln.“ „Wer weiß, wer weiß“, schmunzelte Professor Dumbledore. „Auf jeden Fall wäre es in der Not doch einen Versuch wert, nicht wahr?“
 

Bevor Lucius antworten konnte, warf Draco mit einem gespielten Schaudern ein: „Du hast ihn auf Gedanken gebracht, Harry. Wie konntest du nur – wo doch „Geschichte der Zauberei“ eines der Fächer ist, wo man in Ruhe ein wenig schlafen kann. Schäm dich, Harry.“ Ron nickte kategorisch, während Hermine die Augen verdrehte.
 

Bevor jedoch noch weiter über das Thema diskutiert werden konnte, tauchte Azhuras Kopf auf der Lehne von Harrys Sessel auf. Sie hielt rücksichtsvoll Abstand zu Harrys Freunden, da sie diese nicht noch einmal erschrecken wollte. Der Gryffindor streckte ihr die Hand entgegen und meinte: {Keine Angst, Azhura, ich habe ihnen alles erklärt. Du kannst ruhig herkommen.}
 

{Oh. In Ordnung. Könntest du dich bei deinem Freund für mich entschuldigen? Ich wollte ihn vorhin wirklich nicht erschrecken.}, fragte Azhura noch, während sie langsam an dem Arm des jungen Gryffindors herabglitt und sich in seinem Schoß zusammenrollte.
 

Harry streichelte ihr über die smaragdgrünen Schuppen und wandte sich dann Ron zu. „Azhura möchte, daß du weißt, daß sie dich vorhin nicht erschrecken wollte. Es tut ihr wirklich leid, Ron.“ Der Rotschopf blinzelte verwirrt über diese Entschuldigung, doch dann senkte sich sein Blick auf die nun wieder kleine Schlange, die ihn – so wirkte es jedenfalls – abwartend ansah.
 

„Oh. Kein Problem“, entfuhr es dem Gryffindor. „Ich hatte nur nicht erwartet, daß du auf einmal eine Schlange mit dir spazierenträgst“, antwortete er seinem Freund. „Und eine so höfliche noch dazu“, meinte Hermine, die sich zu Harry herüberbeugte und dann mit ihren Fingerspitzen vorsichtig über die Schuppen strich. Das leise Zischen, das Azhura entwich, war eindeutig genießender Natur, wodurch sich auch Draco und schließlich sogar Ron zu einer ebensolchen Streicheleinheit hinreißen ließen.
 

Während somit Harrys drei Freunde ebenfalls Freundschaft mit Azhura schlossen, meldete sich Professor Dumbledore erneut zu Wort. Als sich grüne Augen fragend auf den Schulleiter richteten, meinte dieser: „Während du bei deiner neuen Freundin warst, Harry, haben die Gründer uns“, hier wies Dumbledore auf Sirius, Severus, die Malfoys, Remus und sich, „einige Fragen gestellt. Ich habe ihnen in groben Zügen von Voldemort berichtet und wie unser Harry ihn schließlich besiegt hat. Dabei habe ich auch erwähnt, daß du mit einem sehr alten Zauber in unsere Realität versetzt wurdest; die Einzelheiten solltest du ihnen jedoch erzählen – und mir ist aufgefallen, daß wir noch gar nicht darüber gesprochen haben, in welcher Situation du dich befandest, welche „Wunsch des Herzens“ überhaupt aktiv werden ließ.“
 

Harry ließ sich tiefer in den Sessel sinken und nickte schließlich nach kurzem Überlegen. „In Ordnung, Professor. Ich habe wohl noch so Einiges zu erklären.“ „Ich fürchte ja, mein junger Freund“, erwiderte der weißhaarige Schulleiter mit einem verschmitzten Funkeln in den hellblauen Augen. Dies entlockte Harry ein antwortendes Lächeln.
 

{Ich mag deine Freunde, Harry}, warf Azhura plötzlich ein. {Besonders ihn, obwohl ich ihn doch zuerst unbeabsichtigt so erschreckt habe.}, fuhr sie mit Hinweis auf Ron fort.
 

Harry schmunzelte und meinte: {Nachdem sie dich alle mit Streicheleinheiten verwöhnt haben, kann ich deine plötzliche Zuneigung zu ihnen gut nachvollziehen, Azhura.}
 

{Das ist es nicht}, erwiderte die Schlange. {Nun ja, jedenfalls nicht ganz. Ihre Auren sind angenehm warm und freundlich. Doch die deines Freundes mit den roten Haaren...}, Azhura verstummte nachdenklich.
 

Harry runzelte die Stirn und fragte nach: {Was ist mit Rons Aura?}
 

{Sie erinnert mich an etwas – oder jemanden. Merkwürdig. Es ist, als müßte ich wissen, woher ich diese Art von Aura kenne, doch etwas an ihr ist auch fremd. Wirklich seltsam.}
 

{Es ist jedoch nichts Besorgniserregendes, oder?}, wollte Harry mit wachsender Furcht um seinen Freund wissen. Azhura schien bei der Sorge in seinem Tonfall aus ihren Überlegungen gerissen zu werden, denn sie blickte ihn alarmiert an und schüttelte dann den Kopf. {Oh, nein. Nein, nein, Harry. Mach dir keine Sorgen. Deinem Freund wird nichts passieren. Wie gesagt, kommt mir nur etwas an seiner Aura bekannt vor. Ich werde schon noch herausfinden, was.}
 

{Nun gut. Sag mir Bescheid, wenn du herausfindest, an wen Ron dich erinnert.}
 

Azhura nickte und Harry blickte auf. Dracos Blick hingegen war weiterhin auf Azhura gerichtet, wobei er meinte: „Sie hat eindeutig menschliche Züge, Harry. Als sie eben mit dir gesprochen hat, hätte ich schwören können, daß sie an einer Stelle versucht hat, dich zu beruhigen. Und das Kopfschütteln und Nicken eben...ist schon ein wenig seltsam, zu beobachten, daß sie so ‚menschlich’ handelt.“
 

„Wahrscheinlich sogar menschlicher als mancher Mensch“, antwortete Harry. Seine Hand strich erneut behutsam über Azhuras Schuppen, die sich dieser Geste wohlig überließ und erneut zusammenrollte. „Viele Menschen würden Fähigkeiten wie die ihrigen dazu benutzen, Schwächeren zu schaden und nicht dazu zu helfen. Azhuras Art wird als böse und heimtückisch bezeichnet und doch hat sie nie etwas getan, um diese Klassifizierung zu verdienen.“
 

„Vorurteile und Verallgemeinerungen sind rasch gefaßt und können viel Leid und Unheil anrichten“, warf Professor Dumbledore weise ein. „Und oft ist es sehr schwer, vorgefaßte Meinungen wieder loszuwerden – oder sie veränderten Gegebenheiten anzupassen. Du hast Azhura einen großen Dienst erwiesen, als du ihr die Chance gabst, dir von sich zu erzählen, Harry. Größer noch, da du mehr als jeder andere Zauberer Grund gehabt hättest, jegliche Vernunft abzulehnen und dein Handeln von den Schatten deiner vergangenen Erfahrungen mit Basilisken lenken zu lassen. Doch du hast es nicht getan – und das zeigt mehr als alles Andere, wie verschieden du von Voldemort bist. Er nutzte die Vorurteile der Zaubererwelt zu seinen Gunsten aus – die Furcht, das Mißtrauen und oft auch das scheinbare Überlegensein der Magierwelt gegenüber den Nicht-Magiern. Vorgefestigte Meinungen, die von Generation zu Generation weitergegeben wurden, sind schwer zu durchbrechen.“
 

„Wem sagen sie das“, seufzte Harry leise auf. „Doch manche Vorurteile brauchen nicht so lange, um zu wachsen, Professor. Und das sind die Vorurteile, die am ungerechtfertigsten sind und oft am meisten wehtun.“ Seine Augen verdunkelten sich traurig, doch mit einem entschlossenen Kopfschütteln vertrieb der Gryffindor diese Erinnerungen wieder.
 

Er erhob sich aus seinem Sessel, wobei sich Azhura um seinen Arm schlang. Harry hatte sich nämlich bei Dumbledores Erwähnung von Voldemort daran erinnert, daß er sich ja davon überzeugen wollte, daß dieser kein Nachfahre Salazars war. Harry hoffte es aus tiefstem Herzen, nicht nur für sich, sondern auch für den Gründer. Und Azhura hatte ihm eine weitere Meinung geliefert, die ihm ebenso sagte, daß Voldemort nicht zu seinen Verwandten zählte, denn die Schlange hatte ihm erzählt, daß die Aura des ‚Dunklen Lords’ sich von der Salazars vollkommen unterschied.
 

Doch er brauchte Gewißheit – und wo fand man die besser als im Stammbuch der Familie von Slytherin? Stammbücher zeichneten schließlich alle Nachkommen der Blutlinien auf, selbst entfernte. Hermine hatte Harry einmal erzählt, daß, wenn die direkte Linie nicht mehr existierte, die Stammbücher auch die Nachfahren erfaßten, welche nur noch zum Teil das Blut des Namensgebers der Linie in sich trugen.
 

Ohne die Blicke seiner Freunde zu beachten, die ihm nach einigen Sekunden folgten, trat Harry wieder auf den quadratischen Tisch zu, wo er das Stammbuch neben Asvandril und Erythril abgelegt hatte. Er nahm das Buch in die Hand und fuhr mit dem Finger über die silbernen Lettern auf dem Einband. Die Buchstaben leuchteten kurz auf, dann öffnete sich der dicke Riegel, der die Seiten des Buches verschlossen hielt.
 

Für einen Moment verharrte Harry auf der ersten Seite, wo in kunstvoller Schrift die zwei Namen der Begründer der Slytherin-Blutlinie geschrieben standen: Lord Salazar Slytherin und Lady Arienna. Darunter die Namen ihrer Kinder, welche dem Stammbaum erste Äste verliehen: Lord Hayden zu Slytherin und Lord Derek zu Slytherin.
 

Zum Ende des Buches weiterblätternd, verharrte Harry schließlich auf einer der letzten Seiten, welche anzeigte, daß der letzte direkte Erbe Salazars vor über 200 Jahre kinderlos gestorben war. Damit war geklärt, daß Voldemort kein direkter Nachfahre Slytherins sein konnte, was Harry mit tiefer Erleichterung erfüllte.
 

Doch es gab ja noch immer die Möglichkeit, daß er Teile von Slytherinblut in sich trug. Daher blätterte Harry bis ganz zum Ende des Buches, wo die Nebenlinien aufgezeichnet waren und überflog diejenigen Namen, welche ganz zuunterst geschrieben standen. Es waren nicht viele Namen – und keiner von ihnen lautete auf Tom Marvolo Riddle. Dieses Mal entwich Harry ein hörbarer Aufseufzer der Erleichterung und ein unsichtbares Gewicht fiel von seinen Schultern. Jetzt hatte er den Beweis, daß Voldemorts Anspruch darauf, ein Nachfahre Salazar Slytherins zu sein, keinerlei rechtliche Grundlage besaß.
 

Als der Schwarzhaarige sich schon zu seinen Freunden umdrehen wollte, um ihnen die frohe Nachricht zu überbringen, blieb sein Blick an einem der letzten Namen der Nebenlinien hängen. Harrys Augen weiteten sich und er wurde leicht blaß. „Das glaube ich jetzt nicht“, murmelte er erschüttert. Während seine Augen wie gebannt an dem Namen festklebten, legte er das Stammbuch äußerst vorsichtig – so als glaube er, es würde sonst vielleicht explodieren – auf den Tisch zurück. Es schien, als wolle er mit reiner Willenskraft die Wahrheit dessen, was er sah, leugnen.
 

Azhura, welche ihm über die Schulter sah, bemerkte, welcher Name Harry so aus der Fassung gebracht hatte und zischte ebenfalls überrascht. Doch im Gegensatz zu dem schwarzhaarigen Gryffindor klang es bei ihr eher, als würde sie jetzt etwas verstehen, was ihr vorher ein Rätsel gewesen war. {Das erklärt so Einiges}, meinte sie mehr zu sich selbst als zu Harry, der ihr überhaupt keine Aufmerksamkeit schenkte.
 

Vielmehr sank der hochgewachsene junge Mann plötzlich kraftlos in einen der Stühle am Tisch und vergrub den Kopf in seinen Händen. Da seine Freunde und Familie ihn erstaunt wegen seines merkwürdigen Verhaltens ansahen, war es so still im Raum, daß sie die Worte verstanden, die Harry vor sich hingemurmelte. „Er wird mich umbringen.“ Diese pessimistische Erklärung ließ die Anwesenden sich erstaunt ansehen, doch Sirius wollte eine präzisere Erklärung von Harrys Worten.
 

„Wer wird dich umbringen, Harry?“, verlangte er mit besorgter Stimme zu wissen, wobei er mit raschen Schritten auf den Jüngeren zutrat. „Harry?“, wiederholte der Animagus, als der Gryffindor nicht auf seine Frage reagierte. Der Angesprochene schien Sirius’ Worte überhaupt nicht gehört zu haben, sondern murmelte nur weiter halblaut vor sich hin. „Wer hätte gedacht, daß ich nicht Voldemort brauchen würde, um ein vorzeitiges Ende zu finden? Es wird reichen, diese Information mit ihm zu teilen...Ron wird total ausflippen...nicht, daß ich es ihm verübeln würde...Merlin, das ist nicht fair. Als wenn ich nicht schon genug Probleme hätte...“ Harry verstummte und fuhr sich abwesend mit den Händen durch die Haare, welche dadurch völlig chaotisch aussahen – und damit wohl die momentane Gefühlslage des jungen Gryffindors ausdrückten.
 

„Nun mach’ mal halblang, Har’“, mischte sich an dieser Stelle Ron ein, welcher zwar nicht wußte, was seinen Freund so erschütterte, dennoch aber anhand seines Namens herausgefunden hatte, daß es auf irgendeine Weise mit ihm zutun hatte. „Ich weiß zwar nicht, was los ist, aber es ist doch sicher nicht das Ende der Welt. Daher möchte dich doch sehr freundlich darum bitten, es zu unterlassen, solche Behauptungen aufzustellen...als wenn ich dir jemals irgendetwas antun würde!“ Am Ende seiner Rede klang Ron indigniert und ein wenig beleidigt.
 

Harrys Kopf hob sich angesichts der Strafpredigt, die er gerade erhalten hatte, langsam und der Gryffindor sah seinem besten Freund lange schweigend in die Augen, welche ihn leicht tadelnd anblickten. Der schwarzhaarige junge Mann machte keine Anstalten, auf die Worte seines Hausgefährten zu reagieren, sondern betrachtete ihn nur eine Weile, als würde er ihn zum ersten Mal sehen.
 

Dann senkte sich der Blick der smaragdgrünen Augen erneut auf das Stammbuch und Harry stöhnte leise auf, während er das Gesicht erneut in seinen Händen vergrub. „Oh ja, so gut wie tot. T-O-T“, klang es leicht verzerrt auf.
 

„Harold James Potter!“
 

Ron war mit wenigen langen Schritten auf seinen Freund zugeeilt, dessen Kopf bei der vollständigen Nennung seines Namens emporschoß. Sonst war es stets Hermine, die ihrer Verärgerung über etwas, was Ron oder Harry getan hatte, Ausdruck verleihen wollte, indem sie ihre vollen Namen benutzte. Es war ungewohnt, Ron dies tun zu hören.
 

„Würdest du aufhören, mich als jemanden hinzustellen, der seinen besten Freund ermorden würde – vor allem für etwas, von dem ich noch nicht einmal weiß, warum es dich so aufregt? Ich mag ja nicht so verständnisvoll sein wie ’Mine, aber wie kommst du auf die Idee, ich würde dir etwas antun? Du bist mein bester Freund!“
 

„Warum ich?“, stöhnte Harry. Dann wandte er sich dem rothaarigen Gryffindor zu und meinte: „Ich meinte nicht dich, Ron. Ich meinte Ron.“ Sein bester Freund blinzelte nun völlig verwirrt, Verständnislosigkeit in seinen blauen Augen dominierend.
 

„Und das sollte jetzt eine verständliche Aussage sein?“, klang Dracos sarkastische Stimme auf. „Nimm es mir nicht übel, Harry, aber du redest wirres Zeug.“
 

„Oh, danke für die Blumen“, kam Harrys trockene Antwort. „Im Moment wäre es wahrscheinlich gar nicht so schlecht, wenn ich wirklich verdreht wäre. Doch wie würdest du in meiner Situation reagieren, wenn du dich mit der Aufgabe konfrontiert siehst, deinem besten Freund zu erklären – und, oh Horror, seiner ganzen Familie gleich mit, welche alle, um es nicht zu vergessen, seit Generationen überzeugte Gryffindor sind - daß sie das Blut Slytherins in sich tragen?“
 

„Was?“ „Slytherinblut?“ „Bist du dir sicher?“
 

Dies waren nur einige der Fragen, die Harry nach einigen Sekunden verblüfften Schweigens entgegenschlugen. Der schwarzhaarige Gryffindor nickte nur, mit einem resignierten Ausdruck in den Augen. Er wappnete sich innerlich gegen den Temperamentsausbruch von Ron, welcher sicherlich gleich kommen würde – und Harry hoffte aus tiefstem Herzen, daß sein rothaariger bester Freund nicht ihn für diese neue Entwicklung von Familienlinien verantwortlich machen würde.
 

Unwillkürlich erinnerte er sich an sein viertes Schuljahr und das Trimagische Turnier, als Ron und er eine Zeitlang nicht miteinander gesprochen hatten – diese Tage waren eine der schwierigsten Zeiten in Harrys Leben gewesen, denn damals hatte er gespürt, wie wichtig ihm Hermines und Rons unterstützende Gegenwart geworden war. Wie tief sich die beiden Gryffindor inzwischen in sein Herz eingeschlichen hatten.
 

Harry schreckte aus seinen Erinnerungen auf, als sich ein Schatten über ihn legte. Aufblickend sah er sich Ron gegenüber, welcher ihn mit einem seltsamen Ausdruck in den blauen Augen ansah. Harry zuckte unwillkürlich leicht zusammen, was Ron die Stirn runzeln ließ. Doch der Rothaarige streckte nur bittend die Hand nach dem Stammbuch Slytherins aus und fragte: „Darf ich?“ Nun war Harry verblüfft, doch er nickte schweigend und reichte seinem Hausgefährten das Stammbuch, damit dieser sich von der Wahrheit von Harrys Aussage überzeugen konnte.
 

Ron nahm das Buch an sich und blickte wie Harry zuvor auf die wenigen Namen, die von den Erben Salazars noch übrig waren. Als er den Namen entdeckte, der seinen besten Freund zu seinem überraschenden Statement verleitet hatte, hob er die Augenbrauen, schwieg jedoch. Dies ließ den Rest der Anwesenden neugierig auf den Gryffindor blicken, denn auch sie hatten eine temperamentvollere Reaktion erwartet als nachdenkliches Schweigen. Draco und Hermine wechselten fragende Blicke und traten nun ebenfalls auf ihre zwei Freunde zu. Die Erwachsenen folgten ihnen, so daß sie nunmehr wieder alle unter dem Porträt der Gründer versammelt waren, welche dem Lauf der Dinge sichtlich neugierig folgten, zunächst aber noch rücksichtsvoll ihre eigenen Fragen zurückhielten.
 

Schließlich ließ Ron das Buch in seinen Händen sinken und legte es mit den Worten: „Das erklärt so Einiges“ zurück auf den Tisch. Harry blinzelte, als sein Freund damit Azhuras Aussage von wenigen Minuten zuvor wiederholte und schaute Ron fragend an. „Du scheinst nicht so überrascht, wie ich erwartet hätte“, meinte Harry schließlich leise. „Und vor allem nicht wütend darüber, mit Salazar Slytherin verwandt zu sein – wenn auch laut dem Stammbuch nur um viele Ecken herum.“
 

Ron sah auf, als er diese Worte hörte und ein schwaches Lächeln huschte über seine Züge, während er Harry gegenüber Platz nahm. „Nun, vor wenigen Tagen wäre ich von dieser Neuigkeit noch sehr viel weniger begeistert gewesen, das gebe ich ehrlich zu“, begann der Rothaarige zu erklären. „Und ich glaube, das hätte mir niemand verübelt – am wenigsten wohl du, Harry“, der Angesprochene nickte zustimmend mit dem Kopf, „doch nachdem nun langsam klar wird, wie falsch die Geschichte bezüglich Salazar weitergegeben wurde, bin ich den Neuigkeiten gegenüber weniger abweisend eingestellt. Außerdem erklärt diese ‚Verwandtschaft’ einige Dinge, die meine Geschwister und ich schon länger merkwürdig finden.“
 

Dieser letzte Satz bescherte Ron fragende Blicke, die er jedoch nicht zu bemerken schien. Harry hingegen sah, daß nicht nur er sehr interessiert an dem Hintergrund von Rons bemerkenswert ruhiger Akzeptanz seiner Verwandtschaft mit Salazar Slytherin war. Daher erhob er sich und brachte mit einer Geste den Rest der Anwesenden dazu, sich wieder in der Sitzgruppe beim Kamin niederzulassen.
 

Dem schwarzhaarigen jungen Mann war der Blick aufgefallen, mit dem Salazar Ron bedachte, nachdem dem Gründer klargeworden war, daß er wohl außer Harry noch einen weiteren Nachfahren vor sich hatte. Daher wollte er dem Schwarzhaarigen die Gelegenheit geben, ebenfalls zu hören, welche Gründe Ron für seine Reaktion hatte.
 

Nachdem sich alle wieder in den Sesseln und auf dem Sofa bequem gemacht hatte, sah Harry Ron auffordernd an und brachte diesen damit dazu, seine Worte von zuvor näher zu erläutern. Der Rothaarige fuhr sich mit der Hand durch die Haare und ordnete seine Gedanken, bevor er begann.
 

„Wie gesagt, meine Geschwister und ich haben im Laufe der Jahre einige merkwürdige Dinge erlebt, die mit Moms Familie zusammenhängen. Eigentlich sind Mom und Dad sehr auskunftsfreudig über die Familiengeschichte – ihr wißt schon, Großeltern, Tanten, Onkel und so weiter. Bei einer so großen Familie wie der unseren ist es praktisch unmöglich, nicht bei jeder sich bietenden Gelegenheit von dem einen oder anderen zu hören und mit ihm oder ihr verglichen zu werden. Auch wenn ich zugebe, daß es manchmal ganz schön nervig werden kann, zum wiederholten Mal erzählt zu bekommen, wie toll doch ein Onkel was-weiß-ich-wievielten-Grades in seiner Schulzeit in Verwandlung war.“ Ron rollte die Augen, was seine Freunde zum Lächeln brachte, da sie alle wußten, daß dies nicht gerade ein Fach war, in dem der Rothaarige Bestleistungen brachte.
 

„Jedenfalls“, fuhr Ron fort, während sein Blick sich in der Erinnerung verlor, „war es daher sehr verwunderlich, daß Mom sich stets weigerte, von ihren Brüdern zu erzählen. Lange Zeit wußten wir überhaupt nicht, daß wir zwei Onkel von ihrer Seite her gehabt hatten, doch ich erinnere mich noch an den Tag, als wir die Eule bekamen, daß sie gestorben wären. Besser gesagt, ermordet. Von Voldemort.“
 

Harry sog scharf die Luft ein, als er dies hörte. Doch dann erinnerte er sich an sein erstes Schuljahr. „Ich erinnere mich daran, daß ‚mein’ Ron dies einst erwähnte. Er sagte, einige Verwandte seiner Mutter wären Voldemort zum Opfer gefallen. Er ging nicht ins Detail, aber es schien mir, als habe er diese Verwandten nicht gut gekannt, was mir bei den Familienbeziehungen der Weasleys schon seltsam erschien.“
 

Ron zuckte die Schultern, nickte jedoch zustimmend zu Harrys Worten. „Das stimmt, Harry. Wie ich schon sagte, es war seltsam, daß Mom nie über Onkel Gideon und Onkel Fabian reden wollte. Oder über ihre Eltern. Es war, als würde sie ein Geheimnis hüten, das sie niemandem außer Dad anvertrauen wollte. Nachdem wir durch die Eule vom Ministerium von ihrem Tod erfahren hatten, wollten wir – meine Geschwister und ich – natürlich alles über Moms Brüder und ihre Familien erfahren. Doch Mom blieb stur und erzählte uns nur, daß ihre Brüder beide um einige Jahre älter als sie gewesen seien und ebenfalls nach Hogwarths gegangen wären. Mehr war aus ihr nicht herauszubringen.

Ich brauche wohl nicht zu betonen, daß uns dies natürlich erst richtig neugierig machte. Da wir sonst keinerlei Informationen erhielten, war es schließlich Bill, welcher in der Hogwarths-Bibliothek in den alten Jahrbüchern nach Onkel Gideon und Onkel Fabian suchte. So sahen wir erstmals Bilder von den Beiden und erfuhren ein wenig über ihre Schulzeit hier. So zum Beispiel, daß Onkel Gideon sehr gut in Zaubertränke war“, dies bescherte Ron eine gehobene Augenbraue nicht nur von Severus, „wohingegen sich Onkel Fabian wohl eher durch seine Liebe zu magischen Tieren auszeichnete. Beide hingegen waren laut den Schulaufzeichnungen jedoch auch mehrfach dadurch aufgefallen, daß sie Streiche spielten. Streiche, die fast immer mit Feuer zu tun hatten.“
 

Ron stoppte kurz und runzelte nachdenklich die Stirn. „Das alles macht erst jetzt einen Sinn“, murmelte er vor sich hin, „sie müssen beide wie ich Elementmagier gewesen sein. Damit erklärt sich auch die Tatsache, daß Mom bis vor kurzem nie sehr glücklich war, wenn ich meine Feuermagie benutzte“, hier kam ein leises „Das kannst du laut sagen“ von Draco und auch Hermine nickte heftig zu dieser Aussage.
 

Harry hingegen war nun verwirrt. „Aber was hat ihre Elementmagie mit der ganzen Sache zu tun?“, wollte er wissen. Achselzucken war Rons einzige Antwort, bevor Professor Dumbledore sich jetzt zum ersten Mal wieder in die Unterhaltung einmischte.
 

„Elementmagie ist ein sehr mächtiger Zweig der Zauberei und auch wenn im Prinzip jede Hexe und jeder Zauberer die Veranlagung für die Beherrschung eines der Elemente in sich trägt, so ist es heutzutage doch selten, daß jemand sie in solchem Maße besitzt, wie es bei dir der Fall ist“, wandte sich der Schulleiter an Ron. „Daher ist es eine auffällige Gabe, welche rasch Aufmerksamkeit auf sich lenkt. Was negative Folgen nach sich ziehen kann – die deine Mutter wohl befürchtet hat. Und wenn ich mit meiner Vermutung richtig liege, dann ist wohl anzunehmen, daß deine Onkel nicht zufällig zu Voldemorts Opfern gehören, sondern, daß sie gezielt von ihm attackiert wurden.“
 

Nach diesen Worten starrte Ron den weißhaarigen Magier sprachlos an, während Harry sich an Salazar wandte. Ihm war durch die Worte des Schulleiters eine Idee gekommen, für die er jedoch eine Bestätigung brauchte.
 

„Gehört Elementmagie zu deinen besonderen Begabungen?“, fragte er den schwarzhaarigen Gründer. Blaue Augen sahen nachdenklich auf Harry nieder, bevor sich der Zaubertrankmeister vorlehnte und antwortete. „Nicht zu meinen, Harry. Jedoch war meine Frau, Arienna, eine äußerst begabte Feuermagierin. Und Hayden, mein ältester Sohn, besaß diese Gabe ebenfalls in starkem Maße.“ Salazar seufzte kurz.
 

„Ich glaube, ich weiß, worauf du hinauswillst, Harry – und du wirst Recht haben. Dein Schulleiter hat uns vorhin in groben Zügen die Taten jenes selbsternannten Dunklen Lords geschildert – und es würde passen, daß er versucht hat, alle Zauberer, welche besondere magische Fähigkeiten besaßen, zu beseitigen, damit sie keine Gefahr mehr für ihn darstellen. Daher wäre durchaus anzunehmen, daß die Verwandten deines Freundes, wie der Professor schon sagte, gezielt angegriffen wurden.“
 

„Mehr noch“, fügte Harry hinzu, während er aufsprang. Er konnte besser nachdenken, wenn er in Bewegung war. „Ich glaube, Voldemort wußte von der entfernten Verwandtschaft der Prewetts zu dir, Salazar. Und ich beginne zu glauben, daß er genauso weiß, daß er kein Nachfahre von dir ist. Daher hat er...“, hier wurde Harry unterbrochen, da Hermine einwarf: „Woher weißt du, daß Voldemort kein Nachfahre von Salazar ist?“
 

Harry stoppte mitten im Schritt und deutete mit der Hand auf das Stammbuch. „Sein Name taucht nirgendwo im Buch auf – Merlin sei Dank“, den letzten Part sagte Harry mit größter Erleichterung. Salazar echote seine Gefühle, indem er sich sichtlich erleichtert zurücklehnte, was Shal dazu veranlaßte, seinen Vater zu umarmen. Der schwarzhaarige Gründer schenkte seinem Sohn ein Lächeln und erwiderte die liebevolle Geste. Godric legte seinem Gefährten nur schweigend die Hand auf die Schulter, doch auch ihm war anzusehen, daß diese Neuigkeit ihn froh stimmte.
 

Sirius hingegen hatte sein Augenmerk auf Harry gerichtet, der die Drei auf dem Bild kurz mit einem Lächeln beobachtet hatte, dann jedoch wieder zu seinem ursprünglichen Gedanken zurückkehrte. „Harry?“, versuchte Sirius die Aufmerksamkeit des Gryffindors zu erlangen. Als sich der junge Mann ihm mit fragenden grünen Augen zuwandte, meinte Sirius: „Du glaubst also, Voldemort hat Rons Onkel getötet, weil er wußte, daß sie zu Salazar eine entfernt verwandtschaftliche Beziehung hatten - womit sie seinen Anspruch, der Erbe Slytherins zu sein, negiert hätten. Aber wie hätte er das wissen sollen?“
 

„Hundertprozentig sicher sein konnte er sich natürlich nicht. Dazu hätte er wie wir das Stammbuch gebraucht. Aber wann hat ihn eine solche ‚Kleinigkeit’ je daran gehindert, jemanden umzubringen?“, konterte Harry leicht bitter.
 

Bevor ihm jemand antworten konnte, fuhr der Gryffindor fort. „Was ich annehme, ist, daß Voldemort – vielleicht, indem er auf der Suche nach begabten Hexen und Zauberern wie Bill die Schuljahrbücher durchsah – von den Fähigkeiten der Prewetts erfuhr. Ron meinte, daß einer seiner Onkel sehr gut in Zaubertränke gewesen wäre - was auch Salazar war. Dazu kommt die Sache mit der Elementmagie, welche eine alte, heute nicht mehr weiträumig praktizierte Form der Magie ist. Ebenfalls ein Hinweis auf Slytherin, wenn auch auf Lady Slytherin. Das alles dürfte genügt haben, ihn zu überzeugen, Mrs. Weasleys Brüder als potentielle Gefahr anzusehen. Und wie ich ihn kennengelernt habe, reagiert er auf eventuelle Hindernisse bei seinen Plänen nicht sehr freundlich.“
 

„Und es erklärt, warum Rons Mom die Existenz ihrer Brüder geheim hielt“, klang Hermines nachdenkliche Stimme auf. „Sicher hatte sie Angst, daß auch ihrer Familie neue, größere Gefahr drohen würde, wenn Voldemort erführe, daß er die Linie der Prewetts nicht völlig ausgelöscht hatte. Das Geheimnis, welches sie vor bewahrt, ist vielleicht, daß sie weiß, daß ihre Familie entfernt von Salazar abstammt. Abgesehen davon ist es nicht gerade eine Verwandtschaft, welche einem viel Sympathie eintragen würde.“ Kaum hatte sie dies gesagt, zuckte die braunhaarige Gryffindor zusammen und warf Salazar einen beschämten Blick zu. „Es tut mir leid, so habe ich das nicht gemeint“, entschuldigte sie sich bei dem Gründer. „Es ist nur so, daß die Geschichte einen Schwarzmagier aus dir gemacht hat...“
 

„...und das ist kein Charakteristikum, welches man gern auf sich selbst übertragen sieht“, vervollständigte Salazar Hermines Satz mit einem tiefen Seufzen.
 

Shal hingegen grollte vor sich hin. „Wer auch immer die Geschichte so verändert hat, soll froh sein, wenn ich ihn nie in die Hände bekomme“, stieß er zornig hervor. „Denn sonst würde er sein blaues Wunder erleben, das kann ich beschwören! Als wenn Dad jemals Schwarze Magie angewandt hätte – er ist ein Heiler, bei Merlin!“
 

„Shal“, mahnte Godric leise. Doch auch seine grauen Augen funkelten zornig und die Anwesenden konnten deutlich spüren, wie gern er die verantwortliche Person jetzt vor sich gehabt hätte, um sie entsprechend zu bestrafen. Asvandril würde dabei sicher von gutem Nutzen sein.
 

„Ich werde herausfinden, wer es war“, klang auf einmal erneut Hermines Stimme auf. Alle Blicke wandten sich ihr zu, da ihr Tonfall bestimmt und entschlossen geklungen hatte. Und auch ihr Gesicht machte deutlich, daß sie vorhatte, nicht eher zu ruhen, bis sie herausgefunden hatte, wie die Geschichte der Gründer so falsch weitergegeben werden konnte.
 

„Und ich werde dir dabei helfen“, meinte Ron ebenso entschlossen. Mit einem Blick auf Salazar fügte der rothaarige Gryffindor hinzu: „Ich denke, es ist an der Zeit, Mom zu meinen Vorfahren zu befragen – sowohl zu den näheren als auch zu denen, welche den Anfang machten. Es wird ihr sicher helfen, wenn sie ihr langgehütetes Geheimnis endlich lüften kann.“
 

„Ich danke euch“, sagte Salazar, dessen Dank auch von Godric und Shal wiederholt wurde. Harry schenkte seinen zwei besten Freunden ein warmes Lächeln, da sie damit seine eigenen Bemühungen, seine Familiengeschichte bis zu Shal zurückzuverfolgen, unterstützten. Und auch die Erwachsenen würden sicher helfen erkannte der Gryffindor, denn in ihren Augen sah Harry neben der Neugier auch die Empathie für einen fälschlich beschuldigten Mann.
 

In seiner Welt, fuhr es Harry durch den Kopf, hätte es wohl Sirius am leichtesten von all den gerade Anwesenden gehabt, Mitgefühl für Salazar aufzubringen – schließlich war auch er jahrelang schuldlos als Mörder bezeichnet worden. Bevor er sich jedoch zu sehr in den schmerzlichen Gedanken an seinen Paten verlieren konnte, lenkte Harry seine Aufmerksamkeit erneut auf Ron. Es fiel Harry noch immer ein wenig schwer, dessen fast sofortige Akzeptanz seiner - wenn auch nur entfernten - Verwandtschaft mit Salazar Slytherin zu begreifen. Er hoffte, daß auch ‚sein’ Ron so verständnisvoll sein würde; obwohl sich diese Hoffnung wohl kaum erfüllen würde.
 

Hier in dieser Welt waren Ron und Draco seit Kindheit befreundet, was bei der Akzeptanz eines Slytherins als guten Menschen sicher sehr hilfreich war. In Harrys Realität war es jedoch vollkommen anders – dort waren Ron und Draco Erzfeinde. Fast noch mehr, ging Harry auf, als Dracos anderes Ich und er selbst. Doch es würde dadurch schwer werden, ‚seinen’ Ron davon zu überzeugen, daß Slytherin nicht gleichbedeutend mit böse war. Vor allem, wo sie seit Jahren durch Malfoys Verhalten das Gegenteil zu erleben schienen.
 

„Erde an Harry“, ertönte in diesem Augenblick eine Stimme an Harrys Ohr und riß den Gryffindor damit aus seinen Überlegungen über die teils doch gravierenden Unterschiede zwischen seiner Realität und dieser. Erschrocken zuckte der junge Mann zusammen und wandte sich rasch der Person zu, die ihn angesprochen hatte.
 

Draco.
 

Als Harry den blonden jungen Mann vor sich stehen sah, machte sich erneut ein nachdenklicher Ausdruck auf seinen Zügen breit und er sagte: „Ich wünschte, dein anderes Ich wäre dir ähnlicher, Draco. Es würde es mir leichter machen, ‚meinem’ Ron diese Nachrichten zu überbringen.“ Draco legte fragend den Kopf schief und Harry fühlte sich dazu genötigt, seine Worte näher zu erklären. So identisch der Draco dieser Welt mit dem seiner Wirklichkeit auch äußerlich war, so verschieden war doch ihr Verhalten und ihre Denkweise. Es überraschte Harry daher nicht, daß Draco ihn nicht gleich verstand.
 

„In meiner Welt entspricht das Verhalten deines Ebenbilds so ziemlich genau dem Bild, welches heute fälschlicherweise von Salazar existiert. Ron hingegen sieht sich als Gryffindor. Wirf dies in einen Topf, füge eine gehörige Prise Arroganz von Malfoys Seite, einen ebenso großen Schuß Temperament von Rons Seite sowie die Animosität zwischen Gryffindors und Slytherins an sich hinzu und du brauchst kein Zaubertrank-Meister sein, um zu wissen, daß dieses Gebräu höchstwahrscheinlich explodieren wird.“
 

Draco blinzelte nach Harrys Beschreibung, während er die unterliegende Bedeutung der Worte zu verstehen suchte. Dann meinte er: „Du hast Angst, daß Ron dir nicht glaubt oder mehr noch, seinem Temperament freien Lauf läßt, wenn du ihm klarmachst, daß er dem Blut nach in mein Haus gehört. Und die Feindschaft zwischen uns in deiner Welt vergrößert das Problem noch weiter.“

Draco seufzte auf. „Keine leichte Aufgabe, die du da vor dir hast, Harry.“
 

Der Gryffindor bedachte seinen blonden Freund mit einem bezeichnenden Blick. „Was du nicht sagst. Ich glaube, die Unterweisung in Schutzzaubern, die du mir versprochen hast, sollte möglichst ausführlich ausfallen. Vor allem, da dein anderes Ich mich wohl kaum mit deinem besonderen Talent schützen wird.“
 

Diese Bemerkung ließ Draco leicht zusammenzucken, da er ‚seinen’ Harry jederzeit so weit es in seinen Kräften stand, beschützen würde. Es versetzte dem Blonden jedes Mal wieder einen Stich ins Herz, daß der junge Mann vor ihm so ruhig und selbstverständlich davon ausging, daß der Draco seiner Realität nicht das Gleiche für ihn tun würde. Sondern wahrscheinlich eher noch das genaue Gegenteil.
 

Eine warme Hand auf seiner Schulter ließ Draco emporblicken, direkt in smaragdgrüne Augen hinein, die ihn voller Wärme betrachteten. „Du solltest dir keine Sorgen machen, Draco. Ich bin es seit Jahren gewohnt, mich selbst zu schützen. Und auch wenn ich weiß, daß Ron wahrscheinlich ein Temper tantrum aufführen wird wie noch nie zuvor, so bin ich mir jedoch ebenso sicher, daß er mir niemals willentlich etwas antun würde. Und für den Fall, daß er versehentlich vielleicht gerade in dem Moment seine Feuermagie entdecken sollte, werde ich halt Vorsichtsmaßnahmen ergreifen müssen.“ Ein Lächeln zuckte bei den letzten Worten um Harrys Mundwinkel, doch Dracos Augen blieben traurig.
 

„Es ist nicht fair, daß du lernen mußtest, allein auf dich achtzugeben, Harry. Es mag eine Fähigkeit sein, welche von großem Nutzen ist – aber dennoch...ich würde so gern etwas tun, damit mein anderes Ich einsieht, wie verdammt falsch er sich aufführt...“, flüsterte der blonde Slytherin.
 

Harry blickte für einige Sekunden nur sprachlos auf den Jüngeren, zutiefst gerührt von dessen offensichtlichem Willen, Harrys Leben leichter zu machen. Dann schloß er die Distanz zwischen Draco und sich mit einem raschen Schritt und schloß seinen Freund in eine feste Umarmung. Harry konnte spüren, wie ihre Verbundenheit miteinander wuchs und wußte, daß, wenn er jetzt in seinen Seelenraum wäre, er sehen würde, daß der mittlere Teil ihres Seelenbandes, wo ihre Seelenfarbe sich miteinander verbanden, sich um ein weiteres Stück vergrößert hatte.
 

„Danke, Draco“, flüsterte der Schwarzhaarige dem Slytherin zu. „Deine Anteilnahme und Freundschaft bedeuten mir viel. Doch sorge dich nicht allzusehr um mich. Zeig mir einfach, wie du wirklich bist – vielleicht ist es mir dann möglich, einiges davon auch in deinem anderen Ich wiederzuentdecken, wenn ich wieder in meiner Welt bin.“ Draco erwiderte die feste Umarmung und schwieg.
 

Nach einer Weile trat Harry wieder zurück und schenkte Draco ein Lächeln, welches von diesem mit einem entschlossenen Nicken zurückgegeben wurde. Der Rest der Anwesenden hatte dem Geschehen zwischen den beiden jungen Männern schweigend zugesehen und sich nicht eingemischt, da ihnen allen klargeworden war, daß die Freundschaft zwischen Harry und Draco zwar für sie eigentlich etwas Selbstverständliches war, jedoch durch Harrys schwierige Vergangenheit mit dem Draco seiner Welt wiederum etwas Neues, Besonderes. Etwas, das gut gehütet werden sollte, damit es Früchte trug. Und wie an der Interaktion der Beiden zu erkennen war, machten sie gute Fortschritte in dieser Beziehung.
 

Als Harry und Draco schließlich wieder bei ihren Familien und Freunden Platz nahmen, erklang auf einmal Shals Stimme, der sich bis dahin zurückgehalten hatte. Doch wie seine Eltern war auch er neugierig wegen seines Nachfahren. Von Professor Dumbledore hatten sie erfahren, daß der Harry, den sie kennengelernt hatten, gar nicht der Harry dieser Welt war. Und der Schulleiter hatte sie auch über den Zauber informiert, welcher seiner Meinung nach dazu geführt hatte, daß Harry in dieser Dimension aufgetaucht war. Und Shal konnte bestätigen, daß „Wunsch des Herzens“ mächtige Magie voraussetzte, um wirken zu können. Nun, durch das vereinte Blut zweier Gründer war Harry designiert dafür, so mächtige Magie zu vollführen, zu der in den heutigen Zeiten wohl kaum ein anderer Zauberer Zugriff hatte. Alte Blutlinien waren schon etwas Besonderes.
 

Dennoch. In welcher Situation hatte sich sein Nachfahre befunden, daß derart seltene Magie zum Einsatz kommen mußte? Dies würde Shal nur zu gern erfahren und daher stellte er diese Frage auch Harry sofort, als er dessen Aufmerksamkeit auf sich gelenkt hatte. Der schwarzhaarige Gryffindor blinzelte kurz und sein Blick schweifte zu Professor Dumbledore, der ihm diese Frage vor einiger Zeit mehr oder weniger auch schon gestellt hatte. Als Harry dessen neugierigen, jedoch nicht drängenden Blick sah, versuchte er sich an die Gegebenheiten zu erinnern, welche ihn in diese Dimension geschickt hatten.
 

„Ich bin mir nicht ganz sicher, wie es im Endeffekt zu dem Zauber kam“, begann Harry zögernd zu berichten, während er nachdenklich die Stirn runzelte. Sein Blick verlor den Fokus, als er in Gedanken einige Tage zurückreiste.
 

„Ich erinnere mich daran, daß wir an jenem Tag unsere praktische Prüfung in Verteidigung gegen die dunklen Künste ablegen sollten. Die Prüfer hatten dafür eine Art kleines Labyrinth vor dem Schloß geschaffen, in das wir einzeln hineingehen sollten, um dort allerlei Hindernisse zu überwinden. Zuerst hatte ich keine Probleme dabei, schließlich habe ich gerade in Verteidigung im Laufe der Jahre genug Übung erlangt. Doch kurz bevor ich den Ausgang erreicht hatte...“, Harrys Augen verdunkelten sich und er stockte kurz, da er nicht so recht wußte, was genau geschehen war.
 

„Jemand...oder besser Etwas...griff mich an. Ich konnte es nicht richtig erkennen, da es völlig in Dunkelheit gehüllt war und sich auch ziemlich schnell bewegte. Selbst mein Lumos-Zauber machte meinen Angreifer nicht deutlicher, vielmehr schien es ihn – oder es – wütend zu machen. Es sprang mich an und ich konnte gerade im letzten Moment noch ausweichen; doch es streifte mich.“
 

Während seiner Erzählung waren die Erinnerungsfetzen an seine Begegnung mit dem unheimlichen Angreifer deutlicher geworden und Harry schüttelte sich unwillkürlich bei dem Gedanken daran, wieviel Böses er von der Kreatur hatte ausgehen spüren. Damals hatte er alles darauf ausgerichtet, die nächsten Minuten zu überleben, doch jetzt und hier in der Sicherheit der Gründergemächer kamen all die kleinen Beobachtungen zurück, die Harry im Augenblick der Gefahr zwar gemacht, aber nur rein instinktiv genutzt hatte, um zu überleben. So zum Beispiel der Luftzug, als die Krallen einmal nur haarscharf an seinem ungeschützten Hals vorbeigezischt waren, als er sich gerade noch rechtzeitig zur Seite rollte. Oder das überwältigende Gefühl von Kälte und Angst, welches die Nähe der Kreatur auslöste – fast wie ein Dementor. Doch während ein Dementor alle positiven Empfindungen aus seinem Opfer heraussog, so hatte jene Kreatur im Gegensatz dazu vielmehr neue Empfindungen auf ihn zu übertragen versucht, ging Harry auf. Als hätte es ihn so verängstigen wollen, damit er nicht mehr imstande war, sich zu wehren.
 

Mit Mühe riß sich Harry aus seinen Gedanken und erzählte weiter. „Jene Kreatur war auf keinen Fall eines der Hindernisse, welche zu der Prüfung gehörten, denn während des Unterrichtes hatten wir nie etwas Ähnliches behandelt. Ich glaube auch kaum, daß einer der anderen Schüler, welche vor mir das Labyrinth durchquerten, mit ihr in Kontakt kam. Vielmehr war es wohl eher ein erneuter Versuch von Voldemort, mich umzubringen.“
 

An dieser Stelle zuckten die Anwesenden zusammen, als sie den leicht bitteren, aber auch merkwürdig ruhigen Tonfall in Harrys Stimme bemerkten. Er schien es gewohnt zu sein, laufend von seinem Erzfeind attackiert zu werden.
 

„Jedenfalls gelang es mir mit keinem der mir bekannten Zauber, die Kreatur zu verletzen oder gar zu vertreiben. Vielmehr drängte sie mich immer mehr in die Defensive, so daß ich schließlich buchstäblich mit dem Rücken zur Wand stand. Und als sie mich dann ein nächstes Mal angriff, hatte ich keine Hoffnung mehr, daß ich ihr lebend entgehen würde. Das muß dann der Augenblick gewesen sein, in dem „Wunsch des Herzens“ aktiv wurde, denn an mehr kann ich mich nicht erinnern, bevor ich hier in der Krankenstation aufgewacht bin“, beendete Harry seinen Bericht.
 

„Interessant, äußerst interessant“, murmelte Professor Dumbledore vor sich hin. „Nach deinen Worten nehme ich an, daß dein Angreifer eine Schattenkreatur war. Diese Wesen sind äußerst gefährlich und zählen zu den dunkelsten Kreaturen, welche es in der Magierwelt überhaupt gibt. Wenn sie wirklich von Voldemort geschickt wurde – was ich nicht bezweifle, da kaum jemand die Macht hat, eine Kreatur der Finsternis wie die von dir beschriebene heraufzubeschwören – dann ist er in deiner Welt noch weitaus gefährlicher als er es in der unsrigen war, bevor unser Harry ihn besiegen konnte.“
 

Harry hatte seinem Schulleiter aufmerksam gelauscht und konnte zu dessen letzten Worten nur zustimmend nicken. „Gefährlich ist er auf jeden Fall, Professor. Genauso wie manisch, äußerst bösartig und krankhaft geltungssüchtig. Doch dies dürfte Ihnen schon vorher bekannt gewesen sein, denn selbst wenn er hier nur ein blasses Abbild von dem Voldemort meiner Realität war, so war er doch trotzdem eine ernsthafte Bedrohung.“
 

Professor Dumbledore nickte zu diesen Worten, während Sirius und Severus, als sie den Ausdruck in Harrys Augen sahen, sich erhoben und nunmehr zu beiden Seiten des jungen Mannes Platz nahmen. Sie wollten ihm damit zeigen, daß er nicht allein war, sondern von ihnen jederzeit – wenn im Augenblick auch nur moralische – Unterstützung erwarten konnte. Wie Draco zuvor traf es sie tief, daß Harry in seiner Welt wohl wirklich von früh auf gelernt hatte, auf sich allein achtzugeben, da es sonst niemand getan hatte.
 

Harry schenkte Severus ein kleines dankbares Lächeln, während er sich instinktiv an Sirius anlehnte, der daraufhin einen Arm um den Gryffindor schlang und ihn damit noch ein wenig näher an sich heranzog. Dies gab Harry die Kraft, eine nähere Erläuterung über das Wesen zu erfragen, welches Professor Dumbledore als „Schattenkreatur“ bezeichnet hatte. Der Schulleiter strich sich durch den langen weißen Bart, während er überlegte.
 

„Solche Kreaturen sind selten, da es wie gesagt große Macht erfordert, sie zu erschaffen“, begann er dann zu erläutern. „Schattenwesen sind verwandt mit den Dementoren, die dir alle glücklichen Gedanken rauben. Doch diese Geschöpfe stehlen dir keine Gefühle, sondern übertragen von sich aus dunkle Emotionen. Furcht, Hilflosigkeit. Regelrechten Terror können sie in den Herzen willensschwächerer Lebewesen auslösen. Sie entstehen aus dem Haß und den finsteren Emotionen desjenigen, der sie heraufbeschwört und nähren sich davon. Meist nennt man sie Schattenghule oder auch Seelenräuber, da sie ihren Opfern ihre Seele entziehen und zu ihrem Herren bringen, der diese Seele dann für seine Zwecke nutzt. Du warst wirklich in sehr großer Gefahr, Harry, denn Schattenghule sind äußerst schwierig zu bekämpfen. Schwieriger noch als Dementoren.

Jetzt verstehe ich nur zu gut, warum dein Unterbewußtsein deine innere Magie freisetzte, um dich zu retten. Doch durch die ungeheure Menge an Magie, die „Wunsch des Herzens“ benötigte, hat wahrscheinlich dazu geführt, daß die Magiebarrieren, welche deine besonderen Fähigkeiten begrenzten, entweder geschwächt wurden oder sogar ganz verschwanden. Dadurch läßt sich erklären, warum du in den letzten Tagen so viele neue Talente an dir entdeckt hast und sie auch einzusetzen verstehst. Auch wenn ein wenig Übung sicher nicht schaden wird.“
 

Es blieb eine ganze Weile still, da jeder die Menge an Informationen, die der Schulleiter ihnen gerade dargeboten hatte, erst einmal verdauen mußte. Hermine, Draco und Ron waren leicht blaß geworden, als sie von der Bedrohung für das Leben ihres Freundes hörten und sandten diesem besorgte Blicke. Harry hingegen sortierte in Gedanken all das, was Professor Dumbledore ungesagt gelassen hatte.
 

Voldemort hatte also eine neue Waffe gegen ihn ins Feld geführt. Schattenghule. Und dieses Mal waren es Kreaturen, welche sich von Voldemorts Gefühlen nährten, was sie in Harrys Augen äußerst gefährlich machten, denn der Haß des Dunklen Lords auf ihn war wohl ohne zu übertreiben riesig zu nennen. Außerdem bedeutete dies auch, daß Voldemort seinen Untergebenen, den Todessern, inzwischen nicht mehr zutraute, die Befehle bezüglich Harry zufriedenstellend auszuführen. Sie hatten in den letzten Jahren zu oft versagt, auch, da Hogwarths’ Mauern und der Schulleiter ein ziemliches Hindernis waren, wenn sie Harry erreichen wollten. Daher wollte Voldemort wohl – besonders nach dem Geschehen im Zaubereiministerium und der zerstörten Prophezeiung – Harry mit allen Mitteln aus dem Weg räumen, damit ihm auf dem Weg zur absoluten Herrschaft über die Zaubererwelt niemand mehr aufhielt.
 

Harrys Augen blitzten zornig auf, auch wenn er so tief in seinen Gedanken versunken war, daß er gar nicht mitbekam, wieviel pure Magie er auf einmal aussandte. Professor Dumbledore hatte auch hier Recht behalten, denn viele Barrieren um Harrys Magie waren niedergerissen worden, als er in diese Dimension gelangt war. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis sie alle verschwunden sein würden – und dann würde Voldemort einen gefährlicheren Gegner haben, als er es je geglaubt hätte.
 

Sirius, der noch immer einen Arm um Harry geschlungen hatte, fühlte plötzlich Wellen an Magie über ihn hinwegstreichen. Sie waren mächtig und unkontrolliert. Jedoch waren sie dennoch nicht bedrohlich, sondern es war dem Animagus eher, als könne er fühlen, wie diese Wellen seine eigene Magie verstärkten, je länger Harry sie unbewußt auf ihn übertrug. Es war ein merkwürdiges Gefühl, welches anscheinend auch den Anderen nicht entging, denn auch auf ihren Gesichtern zeichnete sich nach und nach dasselbe Erstaunen ab, welches Sirius empfand.
 

Als jedoch einige Gegenstände auf den nahen Regalen leise zu klirren begannen und hin- und herschaukelten, als würde ein unsichtbarer Wind zu bewegen, schreckte Hermine aus ihrer Verblüffung auf. Nach einem raschen Blick zu dem Tisch, auf dem nun auch Asvandril und Erythril mit Magie zu vibrieren begannen, erhob sie sich und trat rasch zu Harry hinüber. Die Gryffindor legte ihre Hand auf die Schulter ihres Freundes und begann ihn sanft, aber bestimmt zu schütteln, um ihn aus seiner gedanklichen Trance zu reißen. Es dauerte eine ganze Weile, bevor Harry aufsah und selbst dann mußte sich Hermine zusammenreißen, um nicht zurückzuweichen, denn die smaragdgrünen Augen strahlten förmlich mit Magie. Statt dessen kniete sie sich vor ihrem Hausgefährten nieder und nahm seine Hände in die ihren, um sie mit festem Griff zu umschließen.
 

Dies schien Harry zu erden und er kehrte in die Gegenwart zurück. Das magische Licht in seinen Augen dimmte wieder, als er seine Magie instinktiv wieder in geregeltere Bahnen lenkte. Doch der Schwarzhaarige bemerkte erst, was er ausgelöst hatte, als er Hermine sagen hörte: „Harry, du mußt dich beruhigen. Du läßt zu viel von deinen Empfindungen frei, worauf deine Magie reagiert. Wenn du nicht ruhiger wirst, wirst du mit deine Windmagie aktivieren – und die könntest du jetzt noch nicht kontrollieren, was zu Chaos in diesem Zimmer führen würde.“
 

Ein erschrockener Ausdruck glitt über Harrys Züge und er mühte sich sichtlich, seine aufgewühlten Gefühle angesichts seiner neuen Erkenntnisse zu bändigen. Sirius, der die Implikationen von Hermines Worten ebenso verstand, unterstützte ihn, indem er dem Jüngeren sanft durch die Haare zu streichen begann, was einen fast augenblicklichen Erfolg nach sich zog, als Harry auf die liebevolle Geste reagierte. Dennoch dauerte es eine geraume Weile, bis das leise Klirren und Klappern aufhörte und wieder Ruhe einkehrte. Harry atmete mehrmals tief durch und schalt sich selbst innerlich, daß er so außer Kontrolle geraten war. Er hätte seinen Freunden wehtun können, wenn er seiner Magie freien Lauf ließ, ohne diese kontrollieren zu können!
 

Es war Remus, der Harrys Schuldgefühle empfing und daraufhin nunmehr das erste Mal das Wort ergriff. „Harry, es ist nicht deine Schuld. Die Neuigkeiten über den Ghul sind in hohem Maße beunruhigend, daher ist es nicht verwunderlich, daß du wütend geworden bist. Und jeder von uns weiß, daß du nicht absichtlich deine Magie freisetzen wolltest – und es ist ja auch nichts geschehen. Obwohl Hermine Recht hatte, daß du das Training deiner Windmagie nicht in geschlossenen Räumen durchführen solltest. Dabei könnte sonst Einiges zu Bruch gehen“, endete der Werwolf mit einem Lächeln.
 

Severus hob eine Augenbraue und meinte trocken: „Das hättest du uns vor zwei Jahren sagen sollen, Remus, als unser Harry seine Experimente mit seinem Element machte. Es hätte uns einige Reparo-Zauber erspart.“ Ein zustimmendes Lächeln erschien auf den Zügen von Sirius und Harrys Freunden, die sich an manches Durcheinander erinnerten, wenn ‚Harrys’ Windmagie außer Kontrolle geraten war. Harry hingegen neigte nur den Kopf, nachdem seine Entschuldigung allgemein akzeptiert worden war.
 

Godric, Shal und Salazar hatten dem Geschehen schweigend zugesehen, aber auch sie waren beeindruckt von den Kräften ihres Nachfahren. Shal war jedoch auch neugierig, welche Kräfte genau Harry in sich trug – und daher machte er nun erneut auf sich aufmerksam.
 

„Harry, du solltest dich testen“, schlug er vor, woraufhin der Gryffindor ihn fragend ansah. „Auf deine Fähigkeiten“, erklärte sein Vorfahr. „Wie der Schulleiter andeutete, wußtest du im Gegensatz zu dem Harry dieser Welt bis jetzt nichts von deinen besonderen magischen Gaben. Daher wäre es von Vorteil, dich zu testen – um dein Training in diesen Fähigkeiten zu erleichtern und vor allem, um umfassend über diese Talente informiert zu sein. Mit einem Magie-Analyzer.“
 

„Einem was?“, entfuhr es Ron und auch der Rest der Anwesenden schien leicht irritiert. Bis auf Professor Dumbledore und Lucius, welcher Shal jetzt sichtlich interessiert ansah und fragte: „Ihr habt ein solches Gerät? Ich habe darüber gelesen, doch bis jetzt noch keines auffinden können. Solche Geräte sind heutzutage rar geworden.“
 

Shal runzelte die Stirn. „Aber wie schafft ihr es dann heute, die besonderen Gaben der Schüler herauszufinden, um sie dementsprechend trainieren zu können, wenn ihr nicht einmal mehr Magie-Analyzer besitzt? Sind denn wirklich so viele Kenntnisse verloren gegangen, daß nicht einmal mehr solch einfache magische Geräte benutzt werden?“
 

„Ich fürchte ja“, entgegnete Lucius und Professor Dumbledore fügte hinzu: „Viele Geräte, welche Magie aufspüren oder verstärken, wurden vom Ministerium als entweder zu wertvoll oder zu gefährlich klassifiziert und in Verwahrung genommen worden. Dadurch ist ihr Gebrauch heftigen Beschränkungen unterlegen.“
 

„Bei Merlin!“, stöhnte Shal auf, „Was für eine Verschwendung.“ Auch seinen Väter war die Zustimmung anzusehen, bevor Godric auf ein Regal am anderen Ende des Raumes wies. „Dort auf dem Regal müßte ein Analyzer stehen. Und auch ein Buch mit den entsprechenden Erläuterungen.“
 

Da Lucius sich mit solch alter Magie am besten auskannte, stand er auf und trat auf das entsprechende Regal zu, auf dem er auch rasch das Gerät entdeckte. Vorsichtig nahm er es in die Hand und kehrte, nachdem er auch das Buch, das Godric erwähnt hatte, an sich genommen hatte, wieder zu der Gruppe zurück.

Der blonde Mann stellte den Analyzer auf dem Tisch ab und Harry und seine Freunde beugten sich voller Neugier darüber, um das Gerät näher in Augenschein zu nehmen.
 

Der Magie-Analyzer entpuppte sich als silberner Kelch, der mit den verschiedensten Zeichen verziert war und eine klare, dickflüssige Substanz enthielt, die hell schimmerte. Alles in allem wirkte es, als hätte man einen ganz normalen Trinkkelch vor sich, der mit etwas gefüllt war, was auf den ersten Blick vielleicht sogar als Wasser durchgehen würde. Doch Harry spürte, daß alte Magie das Gefäß umgab und an Severus leicht hochgezogener Augenbraue, als der Zaubertrank-Meister die Flüssigkeit in dem Kelch musterte, erkannte der schwarzhaarige Gryffindor, daß es sich dabei wahrscheinlich um einen Zaubertrank handelte. Einen mächtigen Trank sogar.
 

„Und wie geht diese Testerei jetzt genau vor sich?“, wollte Draco von seinem Vater wissen, der inzwischen das Buch studierte, das er mitgebracht hatte. Lucius sah auf und lächelte seinen Sohn an, bevor er meinte: „Es ist im Prinzip ganz einfach, Draco. Zuerst gibt der zu Testende einen Tropfen Blut in das Gefäß. Dann wartet man ab, bis dieser Blutstropfen von dem Gerät analysiert wurde, woraufhin bestimmte Zeichen aus der Flüssigkeit aufsteigen. Diese bestimmen die einzelnen Fähigkeiten des Getesteten, die man wiederum mit diesem Buch hier ‚übersetzen’ kann.“
 

„Blut?“ Hermine klang gar nicht begeistert und auch Ron wirkte etwas blaß um die Nase. Harry hingegen rollte die Augen und meinte: „Er sagte, ‚einen Tropfen’, Leute. Ist ja nicht so, als hättet ihr euch bis jetzt noch nie geschnitten – ich mache es.“ Die letzten Worte waren an Lucius gewandt, der ihm auffordernd zunickte.
 

Bevor sich Harry nach einem Gegenstand umsehen konnte, mit dem er sich eine kleine Wunde zufügen konnte, um den erforderlichen Tropfen Blut zu ‚spenden’, streifte ihn etwas an seinem Bein. Hinabblickend sah der junge Mann Azhura, die Erythril in ihrem Maul hielt und sich nun aufrichtete, um den magischen Dolch an Harry weiterzureichen. Als dieser ihr die Waffe abnahm, zischte Azhura: {Wenn du diesen Dolch nutzt, wird die Wunde gleich wieder verheilen. Meister Salazar nahm immer Erythril, wenn er seine Tränke herstellte.}
 

{Danke, Azhura}, antwortete Harry der Schlange und benutzte die silberne Klinge von Erythril, um sich eine kleine Schnittwunde an der Hand zuzufügen, aus der ein bißchen Blut quoll. Rasch hielt Harry die Hand über den Kelch und ließ das Blut in die Flüssigkeit tropfen, die daraufhin in Bewegung geriet, während sich die Farbe von durchsichtig auf silberblau veränderte. Rauch begann aufzusteigen, welcher sich wie eine kleine silberne Wolke über dem Kelch zusammenzog.
 

Interessiert beugte sich Harry vor und hatte die Wunde an seiner Hand fast schon wieder vergessen, als er ein leichtes Kribbeln spürte. Als er hinabblickte, war die Verletzung, wie Azhura es gesagt hatte, schon wieder vollkommen verheilt. Erythrils Kräfte waren wirklich bemerkenswert, wenn auch von völlig anderer Natur als die Asvandrils.
 

Ein leiser Ausruf von Hermine lenkte Harrys Aufmerksamkeit zurück auf den silbernen Dunst über dem Magie-Analyzer. Symbole begannen aus der Flüssigkeit aufzusteigen und verharrten innerhalb der silbernen Wolke, wo sie sich zu mehreren Gruppen zusammenfanden. Schließlich waren insgesamt elf verschiedene Zeichen in der Wolke erschienen, welche auch in der Größe und Leuchtkraft Unterschiede aufwiesen. Fragend blickten die vier Jugendlichen auf Lucius, welcher das Buch in seiner Hand konsultierte, um die Zeichen deuten zu können.
 

„Also, beginnen wir am besten mit den Zeichen, welche am größten sind und auch am stärksten leuchten“, entschied Lucius und deutete auf sechs der Symbole, welche sich deutlich vom Rest abhoben. Der Rest der Gruppe nickte zustimmend, woraufhin Lucius die Zeichen nochmals mit dem Buch verglich, bevor er erläuterte: „Laut dem Buch sind diese großen und leuchtstarken sechs Zeichen diejenigen Talente, welche Harry im höchsten Umfang besitzt – für die er also recht wenig Anleitung brauchen wird, um sie nutzen zu können. Das wären seine Telepathie und Empathie, die Fähigkeit, mit magischen und nichtmagischen Tieren kommunizieren zu können, sein Wandelpatronus sowie etwas, das hier als ‚Spellweaving’ bezeichnet wird.“
 

Lucius vertiefte sich kurz in die Erklärung neben dem Zeichen, bevor er aufsah und erläuterte: „’Spellweaving’ bedeutet, daß du neue Zaubersprüche erfinden kannst sowie in der Lage bist, schon existierende Zauber miteinander zu verbinden. Eine recht nützliche und vor allem sehr interessante Fähigkeit, Harry.“ Der Angesprochene blinzelte nur erstaunt, erwiderte jedoch nichts.
 

„Aber das waren nur fünf der sechs Zeichen, Dad“, mischte sich Draco ein und deutete auf das sechste Zeichen, welches Lucius bis dahin ausgelassen hatte. Der blonde Mann blickte das stark leuchtende Symbol eine geraume Weile an, bevor er die Augen wieder auf Harry richtete, der ihn neugierig ansah.
 

„Dieses Symbol dort steht für Seelenmagie“, führte Dracos Vater dann aus, in dem er auf das Zeichen deutete, das wie eine Ansammlung von mehrfarbigen Seilen aussah, die ineinander verknotet waren.
 

Harrys Blick war Lucius’ weisender Hand gefolgt und er stutzte kurz, als er dessen Worte hörte. Doch dann fiel ihm die Ähnlichkeit der Seile mit den Seelenbändern auf, die er in seinem Seelenraum gesehen hatte. Auch dort waren die einzelnen Bänder verschiedenfarbig, auch wenn sie dort parallel liefen und nicht miteinander verknotet waren. Doch dies deutete wohl hier auf die Beziehungen derjenigen Personen untereinander hin, die von den Seilen bzw. Bändern repräsentiert wurden.
 

„Wow“, flüsterte Ron beeindruckt und auch Hermine blickte Harry mit weitaufgerissenen Augen an. Sie wußte wohl von den vier Jugendlichen am besten, was es bedeutete, Seelenmagie zu seinen Fähigkeiten zählen zu können. Vor allem zu den Talenten, welche die stärksten Ausprägungen besaßen. Harry hingegen erinnerte sich an die Empfindung, die er gehabt hatte, als er zum ersten Mal seinen Seelenraum betrat – dieses tiefe Gefühl von Verbundenheit mit seinen Freunden und den Menschen, die er zu seiner Familie zu zählen begann. Es freute ihn, daß er diese Form der Magie würde nutzen können; doch vorrangig war für ihn weiterhin, daß er auf diese Weise jederzeit sehen konnte, wie stark er mit den Menschen verbunden war, die er liebte.
 

Während auch die restlichen Erwachsenen Harry mit wachsendem Respekt für diese spezielle Gabe anschauten, fiel Remus das weiche Licht in den smaragdgrünen Augen des Gryffindors auf, während dieser das Seelenmagie-Symbol betrachtete. Und er erinnerte sich an den gestrigen Nachmittag, als Harry an Sirius seine empathische Gabe ‚ausprobiert’ hatte und dabei etwas geschah, was außer ihm wohl niemandem aufgefallen war. Doch Remus begann zu glauben, daß Harry in jenem Augenblick einen Eindruck von seinem Talent für Seelenmagie erhalten hatte. Darum hatte er auch so glücklich gewirkt. So wie jetzt auch.
 

„Und der Rest der Zeichen?“, mischte sich nach einer Weile nun auch Severus in die Klärung der Symbole ein. „Zum Beispiel das dort, welches so nah bei dem Symbol für Seelenmagie schwebt“, fügte der Zaubertrankmeister hinzu. „Es scheint fast so, als würden sie zusammengehören.“
 

„Die Gruppierung unterschiedlich starker Talente zeigt wirklich an, daß sie miteinander in Verbindung zu setzen sind“, bestätigte Lucius. Er musterte das genannte Zeichen und erläuterte dann: „Das Symbol steht für Heilung - was Sinn macht. Seelenmagie ist immerhin eine Form reinster weißer Magie und kann nur für heilerische Zwecke eingesetzt und angewandt werden. Die Gabe für Heilmagie besitzt Harry in mittlerer Stärke, was bedeutet, daß er zu ihrer Ausübung intensiveres Training benötigt."
 

"Auch die anderen vier Zeichen dort“, Lucius deutete auf die Symbole, die er meinte, „sind in diese mittlere Kategorie einzuordnen. Dabei handelt es sich um die Begabungen für zauberstablose Magie, Waffenkunst sowie Animagus-Verwandlung und Elementmagie. Laut dem Buch werden die letzten beiden Symbole noch unterteilt. Man kann sie spezifizieren, indem man die Zeichen berührt.“
 

Nach einem auffordernden Blick von Sirius, der bei dem Hinweis auf Animagi aufgehorcht hatte, streckte Harry die Hand aus und berührte sowohl das Zeichen für die Animagus-Verwandlung als auch das Elementzeichen. Letzteres verschwamm kurz und verformte sich dann zu dem Symbol für Luft, was bewies, was die Anwesenden schon von ihrem Harry wußten – der Gryffindor besaß die Fähigkeit zur Windmagie. Auch das Animagus-Zeichen hatte sich verändert und zeigte nun die miniaturisierte Version eines Adlers sowie die eines großen Wolfes, welcher seltsamerweise abwechselnd durchsichtig oder solide wirkte.
 

Während die Anderen sich noch die Köpfe darüber zerbrachen, was dies zu bedeuten hatte, erklang Sirius’ Stimme. Der Animagus besaß von den Anwesenden das größte Wissen über diese Art der Verwandlung und verstand daher zuerst, was die Aufteilung zu bedeuten hatte. „Während unserer Schulzeit, als James, Peter“, Sirius grollte leicht bei der Erwähnung des Verräters, „und ich die Animagus-Verwandlung studierten, habe ich in einem der alten Bücher einen Absatz darüber gelesen, daß jeder Zauberer sowohl eine Form annehmen kann, die ein nichtmagisches Tier ist – als auch, wenn er genug Magie besitzt, die eines magischen Lebewesens. Die Veranlagung für beide Formen trägt jeder magisch begabte Mensch in sich, doch die Menge an Magie bestimmt, ob er es schafft, sich in eine oder sogar beide Formen verwandeln zu können. Da uns der Adler bis jetzt als ‚normale’ Animagusform von ‚Harry’ bekannt war, dürfte der Wolf für die magische Form stehen. Was wiederum bedeutet, er kann sich – mit dem richtigen Training natürlich - in einen Schattenwolf verwandeln.“
 

„Was ist ein Schattenwolf?“, wandte sich Harry mit gerunzelter Stirn an Sirius, der ihm ein warmes Lächeln schenkte und bereitwillig weitererklärte. „Schattenwölfe sind extrem intelligente Tiere, die in kleinen Rudeln zusammenleben und sehr gut für ihre Familie und Jungen sorgen. Sie sind sehr unabhängig, treu und stark. Was sie dabei noch von nichtmagischen Wolfsrudeln abhebt, ist die Gabe, mit den Schatten verschmelzen zu können. Sie werden praktisch unsichtbar in den Schatten, wenn sie nicht bemerkt werden wollen.“
 

Sirius hob eine Augenbraue, während er Harry betrachtete: „Ich bin nicht sicher, ob auch ‚Harry’ diese magische Form besitzt, denn wie ein Patronus wird auch die Animagusform vom Charakter der Person bestimmt. Ihr beide teilt die Liebe zum Fliegen, was den Adler erklärt. Dieser Vogel steht auch für Stolz, Freiheit und Unabhängigkeit. Was euch beide gut charakterisiert. Der Schattenwolf jedoch präsentiert neben deiner Verbundenheit zu deiner Familie und deinem Beschützerinstinkt jedoch auch, daß du ein gefährliches Leben führst. Dazu paßt auch, daß Wölfe und Adler Raubtiere sind, was auf dein kämpferisches Wesen hindeutet. Die besondere Fähigkeit des Schattenwolfs jedoch ist ein Hinweis darauf, daß du dich – oder zumindest einen Teil von dir – versteckt hast oder es gern tun würdest. Ob nun vor Voldemort oder...“
 

„...dem Rest der Zaubererwelt“, vervollständigte Harry leise Sirius’ Satz. Er wich den klugen braunen Augen seines Paten aus, der ihn gerade so treffend charakterisiert hatte. Es stimmte, er würde sich oftmals gern verstecken – vor dem Image, das er als „Junge-der-lebt“ aufgedrückt bekommen hatte. Im Gegensatz dazu wußten nur wenige Leute, wie es in seinem Inneren wirklich aussah; wie Harry wirklich war. Diesen Teil seiner selbst hatte er zu verbergen gelernt – oder er war vielmehr dazu gezwungen worden. Zuerst bei den Dursleys, die seine magische Natur haßten hatten und ihn aufgrund dessen schlecht behandelten. Dann durch den Großteil der Zaubererwelt, die ihr eigenes Bild von ihm hatten, welches Harry oftmals dazu zwang, seine eigenen Gefühle hintenanzustellen, damit er die Erwartungen nicht enttäuschte. Es war wie ein Teufelskreis, den Harry nur bei seinen engsten Freunden zu durchbrechen gewagt hatte.
 

Der junge Gryffindor streckte die Hand nach dem Abbild des Schattenwolfs aus und hob dies vorsichtig in seine Hand. Nachdenkliche smaragdgrüne Augen sahen auf das durchsichtige Tier herab, welches an seiner Hand zu schnüffeln schien und dann auf einmal immer deutlicher sichtbar wurde, als wolle es ihn daran erinnern, daß er sein wahres Ich vor den Anwesenden nicht verstecken mußte. Daß sie ihn akzeptierten, wie er war – obwohl sie noch weniger von ihm wußten als ihre Gegenstücke in Harrys eigener Welt. Doch vielleicht wußten sie durch ihre Erfahrungen mit ‚Harry’ auch mehr über ihn als er selbst. Beide Möglichkeiten waren auf ihre eigene Weise aufmunternd.
 

Ein warmes Licht glomm in Harrys Augen auf und er ließ den Miniatur-Schattenwolf von seiner Handfläche wieder in die Wolke über dem Magie-Analyzer zurückkehren. Dann hob er den Kopf und schenkte Sirius ein tapferes Lächeln, der ihm daraufhin durch die Haare strich, was ihm ein Augenrollen bescherte.
 

Draco hingegen wollte die leicht düstere Stimmung wieder aufhellen und deutete daher auf das letzte Symbol. „Da ist noch ein letztes Zeichen, Dad“, sprach der blonde junge Mann seinen Vater an. „Es ist kleiner als all die anderen. Was bedeutet es?“
 

„Das kann ich dir sagen, mein Sohn“, erklang Narzissas helle Stimme. „Dieses Zeichen steht für die Kunst des Sehens.“
 

„Cool“, meinte Draco nur, während Harry sich abrupt Lucius zuwandte.
 

Bestätigung für die Erklärung seiner Frau erbittend sahen ihn grüne Augen an, woraufhin Lucius nickte. Harry zog die Stirn kraus und fragte zögernd nach: „Sehen? So wie in Wahrsagen?“ Wieder nickte Lucius schweigend, der sich nicht erklären konnte, warum Harry auf einmal so seltsam reagierte. Narzissa hingegen schien dieses Symbol besonders zu gefallen, ebenso wie Remus und Sirius, in deren Augen ein weiches Licht erschienen war.
 

Harry hingegen sprang auf und streckte abwehrend beide Hände von sich, während er das Symbol betrachtete, als würde es ihn gleich anspringen. „Oh nein. Nein, nein, nein.“ Harry schüttelte vehement den Kopf und begann dann ruhelos auf- und abzulaufen, wobei er vor sich hinmurmelte. „Ausgerechnet das. Oh nein, nicht mit mir. Das ist das Letzte, was ich gebrauchen kann.“
 

„Harry.“ Shals Stimme stoppte den Schwarzhaarigen mitten in seinem Selbstgespräch und brachte ihn vor dem Sprecher zu einem Halt. „Was ist dein Problem? All deine anderen Gaben scheinen dir nichts auszumachen, doch daß du die Sehergabe hast, bringt dich derart auf – warum?“
 

Harry grollte leise vor sich hin und wußte gar nicht, wie sehr er damit schon seiner magischen Animagusform ähnelte. Wieder begann Magie von ihm auszuströmen, doch dieses Mal bemerkte es der Gryffindor selbst und brachte sich schnell wieder unter Kontrolle. Diese Anstrengung jedoch schien ihn all die unruhige Energie zu kosten, denn auf einmal sanken seine Schultern sichtlich herab und er strich sich fahrig durch die schwarzen Haare.
 

„Schlechte Erfahrungen“, murmelte er dann. „Entnervende, um es deutlicher auszudrücken.“ Shals emporwandernde Augenbraue brachte dessen Irritation und wachsende Neugier zum Ausdruck, wodurch Harry, wenn auch bei der Erinnerung erneut grollend, zu einer genaueren Erklärung für seine Reaktion ansetzte. „Seit meiner ersten Stunde Wahrsagen vor fünf Jahren prophezeit mir meine ‚Professorin’ einen grausamen Tod. Sie variiert die Art und Weise, auf welche ich dahinscheiden werde von Stunde zu Stunde – mangelnde Phantasie kann man ihr in dieser Beziehung wirklich nicht unterstellen“, hier klang Harry eindeutig sarkastisch.
 

„Es wäre alles halb so nervend, wenn sie manchmal auch jemand Anderem etwas vorhersagen würde, doch zu meinem Unglück hat sie mich als ihr einziges ständiges Opfer ausgewählt und scheint inzwischen an ihren Todesvorhersagen wirklich Gefallen gefunden zu haben. Nach den letzten fünf Jahren bei ihr kann man es mir wirklich nicht verübeln, meine ich, wenn ich gegen diesen Zweig der Magie eine heftige Abneigung entwickelt habe. Ich will mit Wahrsagerei nichts zu tun haben!“, bekräftigte Harry nochmals seine Haltung.
 

„Aber das war Lilys Gabe, Harry!“, ertönte Narzissas Stimme hinter dem Gryffindor. „Sie hat dir ihre größte Gabe vererbt und du willst sie nicht?“ Dracos Mutter klang bestürzt und als Harry bei ihren Worten erstaunt herumfuhr, bemerkte er, daß auch Severus, Lucius und Professor Dumbledore ähnliche Gedanken zu hegen schienen. Der Ausdruck auf Sirius’ und Remus’ Gesichtern hingegen ähnelte mehr tiefer Traurigkeit.
 

„Mom?“, flüsterte Harry kaum hörbar. „Mom war eine Seherin?“
 

„Aber ja“, entgegnete Narzissa, während sie sich erhob und auf Harry zuschritt. „Lily besaß viele Begabungen, doch auf ihre Sehergabe war sie besonders stolz. Dieses Talent war nicht so stark ausgeprägt wie zum Beispiel das für Zauberkunst, doch es hat es ihr ermöglicht, einige Dinge während unserer Schulzeit zum Guten zu wenden. So rettete sie Severus davor, seiner eigenen Neugier zum Opfer zu fallen, als er herausfinden wollte, wohin James, Sirius und Peter jeden Monat bei Vollmond verschwanden. Durch ihre Voraussicht waren James und Sirius rechtzeitig zur Stelle, bevor ein Unglück geschehen konnte. Diese Vision von Lily und die Ereignisse, die sich daraus entwickelten, führten im Endeffekt zu unser aller engen Freundschaft.“
 

Harrys Gesicht in ihre Hände nehmend, blickte Narzissa tief in die smaragdgrünen Augen des jungen Mannes. „Äußerlich erinnern nur deine Augen an deine Mutter, Harry, auch wenn vor allem in dir – mehr noch als in unserem Harry – viele Charakterzüge von Lily vorhanden sind. Bitte lehne ihr Geschenk an dich nicht ab. Laß dich von einer schlechten Professorin nicht davon abhalten, diese Gabe ebenso zu genießen wie Lily es tat.“
 

Harry hatte Narzissa aufmerksam zugehört; jedes ihrer Worte förmlich wie ein trockener Schwamm in sich aufgesogen. Er wußte so wenig über seine Eltern, mehr noch über James als über Lily. Der Sirius seiner Welt war James bester Freund gewesen und daher hatte er mehr über James geredet als über Lily. Und auch sonst war die erste Reaktion derjenigen Leute, die seine Eltern gekannt hatten, bei Harrys Anblick oft, daß er seinem Vater fast bis aufs Haar glich. Über seine Mutter hatte Harry bis jetzt sehr, sehr wenig zu hören bekommen. Daher war es eine unerwartete Neuigkeit, daß sie die Sehergabe besessen – und sie vor allem laut Narzissa so geliebt hatte.
 

Aufgewühlte Gefühle wirbelten in Harrys Kopf umher, während er sich mit dem Gedanken anzufreunden versuchte, daß er ein Seher war. Kein besonders starker, nahm man die Größe und Leuchtkraft des Zeichens über dem Magie-Analyzer im Vergleich zum Beispiel zu seiner Seelenmagie – dennoch lag auch diese Gabe in ihm verborgen. Gerade das Talent, das der Unterricht bei Professor Trelawney ihm so gründlich vergällt hatte wie es Professor Snape mit Zaubertränke gelungen war. Doch es war eine Verbindung zu seiner Mutter, wie es das Fliegen zu seinem Vater war. Das Sehen, so sehr er es bis jetzt auch als falschen Zauber abgetan hatte, war eine Möglichkeit, seiner Mutter nahe zu sein. Sie besser kennenzulernen. Und diese Möglichkeit würde Harry nicht verschwenden, nahm er sich vor.
 

Seine Augen von dem Seher-Zeichen abwendend, das er nachdenklich angestarrt hatte, nickte Harry Narzissa bestätigend zu, welche ihn daraufhin glücklich und dankbar umarmte. Auch der Rest der Anwesenden, besonders Sirius und Remus, wirkten erleichtert über seine Entscheidung. Professor Dumbledore war jedoch auch ein wenig verwirrt, denn der Harry dieser Welt hatte durch seine Visionen von Voldemorts Taten schon Anzeichen dafür gezeigt, daß er die Gabe seiner Mutter geerbt hatte. Hatte Harry in seiner Welt nicht diese Verbindung zu dem Schwarzmagier?
 

Als er eine diesbezügliche Frage an Harry stellte, breiteten sich tiefe Schatten in den smaragdgrünen Augen des Gryffindors aus und er ließ sich wieder auf seinen Platz neben Sirius sinken. Der Animagus sah den Schmerz in Harrys Blick und zog den Jüngeren erneut in eine Umarmung, um ihn zu trösten. Sirius erinnerte sich nur zu gut an die schrecklichen Alpträume und Visionen, die ‚Harry’ bis zu seinem Sieg über Voldemort oft gehabt hatte – vor allem, bis er Okklumentik meisterte. Severus’ besonderes Talent für diese mentale Technik hatte ihrem Sohn sehr geholfen.
 

„Ja, ich habe oft Visionen von Voldemorts ‚Unternehmungen’“, gab Harry leise zu und schien für einen Moment kraftlos in sich zusammenzusinken. „Dies ist ein weiterer Grund dafür, daß ich das Sehen so ablehne – die Visionen, welche Voldemort mir durch unsere Verbindung schickt, sind so voller Grausamkeiten und ich fühle mich dann stets so hilflos, da ich nur zusehen und nicht eingreifen kann.“, fügte der junge Gryffindor noch mit rauher Stimme hinzu.
 

Professor Dumbledore schwieg nach Harrys Worten eine lange Weile, bevor er meinte: „Ich verstehe deine Gründe sehr gut, Harry. Doch diese Visionen kommen nicht von Voldemort. Er hat nur einen Weg gefunden, deine Sehergabe zu nutzen. Durch deine Fluchnarbe seid ihr miteinander verbunden und dein seherisches Talent reagiert auf Voldemorts Handlungen. Ich gehe davon aus, daß ihr in deiner Welt versucht, möglichst früh Kenntnis von seinen nächsten Schritten zu erhalten“, Harry nickte unglücklich, während er zu verstehen versuchte, was der Schulleiter sagen wollte. Was hatte seine vermaledeite Verbindung zu Voldemort mit seiner Sehergabe zu tun?
 

„Harry, Lily war nicht irgendeine Seherin. Sie konnte Traumsehen. Dieser spezielle Zweig des Sehens tritt nicht sehr häufig in Erscheinung und wenn, dann auch nur in begrenztem Maße. Bestimmte Personen stehen meistens im Fokus des Traumsehens. Ein Familienangehöriger, ein enger Freund – oder auch ein Feind. Bei dir ist es – unterstützt durch die Fluchnarbe – Voldemort, auf den sich deine Gabe konzentriert. Durch die Dringlichkeit, über seine Aktivitäten Bescheid zu wissen, nutzt du unbewußt manchmal deine Seherkraft und erhältst dadurch diese Visionen.“
 

Sprachlos und merklich geschockt starrte Harry den weißhaarigen Magier an. Er verursachte diese grauenhaften Visionen? Aber wie – und...warum?
 

Gedanken purzelten in Harrys Kopf durcheinander, als er die Neuigkeiten mit den Erfahrungen in Einklang zu bringen versuchte, welche er im Laufe der letzten Jahre in Bezug auf seine visionären Alpträume gemacht hatte. Doch nach mehreren Minuten des Überlegens fügte sich plötzlich ein Bild zusammen, dem bisher stets ein paar entscheidende Puzzleteile gefehlt hatten. Da war zum Einen die Tatsache, daß er bei seinen Visionen immer körperlos direkt anwesend war – oder manchmal sogar durch Voldemorts Augen blickte. Niemand nahm ihn wahr und Harry hatte bemerkt, daß er manchmal seinen Standort wechseln konnte, während bei anderen Gelegenheiten förmlich an seinem Platz festgefroren schien.
 

Professor Trelawney war zwar als Seherin eine komplette Niete – doch durch die Schulbücher, welche sie jedes Jahr begleitend zum Unterricht lesen mußten, wußte Harry, daß man sich beim Traumsehen oder auch Traumwandern in den Traum einer anderen Person hineinversetzte. Doch Voldemort träumte nie, wenn Harry seine Visionen hatte!
 

Ob es möglich war, überlegte Harry, daß seine Narbe und die daraus resultierende Verbindung zwischen Voldemort und ihm sein Sehertalent stärkte – oder vielmehr in eine andere Richtung zwang? Anstatt sich in Voldemorts Träume zu versetzen, bekam Harry Zugang zu dessen Aktivitäten, wenn der Schwarzmagier wach war. Ein definitiver Twist in Harrys Talent – doch andererseits, wann war sein Leben und damit auch seine Fähigkeiten je normal gewesen? Harry traute es Voldemort durchaus zu, daß dieser ungewollt durch seinen versuchten Mordanschlag auf Harry als Baby sich im Endeffekt selbst eine Falle gestellt hatte, indem er dem Schwarzhaarigen Zugang zu seinen Handlungen verschaffte.
 

Jetzt fiel Harry auch auf, daß er seine Visionen meist dann bekam, wenn etwas besonders Wichtiges geschah – wie ein nächster geplanter Angriff auf ihn selbst. Oder auf Menschen, die ihm nahestanden. Orte, die er gut kannte.
 

Anscheinend beeinflußte er wirklich seine Träume von Voldemort. Sogar mehr, als er je zu hoffen gewagt hätte. Dabei hatte er bis jetzt geglaubt, er wäre diesen Visionen ohne Schutz ausgeliefert!
 

Doch wenn dem nicht so war und er vielmehr im Grunde die Fäden in der Hand hielt, was er sah – dann wäre diese Sehergabe, welche Harry bis jetzt nur Schmerz verschafft hatte, eine unschätzbare Hilfe, um Voldemort aufzuhalten. Oder ihn zumindest kräftig bei seinen Plänen zu stören.
 

Ein grimmiges Lächeln schlich sich in Harrys Züge und in seinen grünen Augen funkelte es auf, während er fieberhaft nachdachte. Zuerst mußte er natürlich versuchen, sein unverhofftes Talent in den Griff zu bekommen. Und der junge Mann wußte, dazu würde er eine Menge Übung brauchen, denn bis jetzt hatte er Wahrsagen stets als eine Verschwendung von Zeit betrachtet. Vor allem durch die Professorin, welche es in Hogwarths unterrichtete. Doch vielleicht war Firenze, der Zentaur, in der Lage, ihm ein paar gute Tips zu geben, wie er das Traumsehen beherrschen konnte und nicht ungekehrt. Ansonsten würde er sich halt mit Hermines Hilfe durch den Bereich der Hogwarths-Bibliothek arbeiten müssen, welcher sich mit Wahrsagen beschäftigte. Und wenn er seine Gabe erst kontrollieren konnte, hatte er einen Platz in der ersten Reihe, um Voldemorts Pläne schon in der Anfangsphase torpedieren zu können. Da ergaben sich bis jetzt ungeahnte Möglichkeiten...
 

„Harry, du machst mir langsam Angst“, erklang Hermines Stimme und riß den Gryffindor aus seinen Gedanken. Die Braunhaarige schüttelte den Kopf, als Harry sie fragend ansah und erklärte: „Dein Gesichtsausdruck war eben definitiv teuflisch, Harry. Über was auch immer du nachgedacht hast, ich hoffe, es war nichts...“
 

„Keine Sorge, ’Mine.“, beruhigte Harry seine Freundin. „Ich habe nur darüber nachgedacht, wie ich die neuesten Nachrichten dazu nutzen kann, um Voldemort eine kleine Überraschung zu bereiten. Das Traumsehen könnte sich als ideale Möglichkeit dazu herausstellen.“
 

„Nimm es mir nicht übel, aber jetzt denkst du wirklich wie ein Slytherin“, klang Dracos Stimme auf. Der blonde junge Mann klang leicht entschuldigend, da er sich noch gut an Harrys heftige Reaktion vor ein paar Tagen erinnern konnte, als er ihn das erste Mal in eine Verbindung zu diesem Namen gebracht hatte.
 

Dieses Mal jedoch blinzelte Harry nur, bevor erneut das teuflische Lächeln über seine Züge glitt und er meinte: „Danke sehr. Ich nehme es inzwischen als Kompliment, Draco. Außerdem kann ich es ja nun auch nicht mehr bestreiten, zumindest zur Hälfte Slytherin zu sein.“ Draco blickte zuerst verblüfft, doch dann grinste er. Hermine hingegen schüttelte nur den Kopf.
 

Für einige lange Minuten breitete sich Stille aus, als alle Anwesenden ihren eigenen Gedanken nachhingen und all die neuen Überraschungen, welche der heutige Tag ihnen gebracht hatte, noch einmal für sich durchzugehen. Schließlich räusperte sich Professor Dumbledore jedoch, um die Aufmerksamkeit der Gruppe wieder auf sich zu lenken und meinte: „Nach diesem wirklich aufschlußreichen Tag sollten wir für’s Erste das Grübeln aufgeben. Morgen ist schließlich auch noch ein Tag. Und es wird auch Zeit für das Abendessen.“
 

Und wie auf ein Stichwort machte sich nicht nur Rons Magen klagend bemerkbar, woraufhin sich Harry und seine Familie und Freunde von den Gründern und Shal verabschiedeten, jedoch versprachen, am nächsten Morgen wiederzukommen. Sie alle hatten sich gegenseitig schließlich noch viel zu berichten. Während Harry und seine Freunde an der Vergangenheit interessiert waren, wollten Godric, Salazar und Shal über die Zaubererwelt der Gegenwart unterrichtet werden. Der Gesprächsstoff würde ihnen also so bald nicht ausgehen.
 

Und auch Harry hatte schon einen Plan für den nächsten Tag: er wollte seinen Zwilling besuchen. ‚Harry’ würde Augen machen, wenn er erfuhr, was sich alles in den letzten paar Tagen zugetragen hatte, da war sich der schwarzhaarige junge Mann sicher. Außerdem schuldete er es seinem Doppelgänger, ihn über die Ereignisse auf dem Laufenden zu halten – schließlich betrafen diese in gewissem Rahmen auch ‚Harry’.
 

Vorerst jedoch lockte das Abendessen, woraufhin Harry mit einem Lächeln Ron folgte, der bei der Erwähnung des Wortes ‚Essen’ mit Ziel Große Halle verschwunden war.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2006-10-18T19:43:20+00:00 18.10.2006 21:43
Super Kapitel. Endlich kommt etwas Licht ins Dunkel. Ich habe mich schon seit einiger Zeit gefragt in welcher Situation Harry war bevor er in diese Welt gekommen ist. Der Schattenguhl scheint ja extrem gefährlich zu sein. Harry wäre ohne Zweifel gestorben wenn er nicht in dieses Universum geflüchtet wäre.
Ron ist also ein entfernter Nachfahre von Salazar. Nicht schlecht. Ich denke Harry hat recht. "Sein" Ron wird es wohl kaum so gut aufnehmen.
Ich würde mir wünschen, dass Harry wenn er wieder zurück in seine Welt gekehrt ist einen Weg findet mit Severus und Draco Freundschaft zu schließen. Es ist schon traurig, dass er sich hier so gut mit ihnen versteht und in seiner Welt gerade das Gegenteil der Fall ist.
Mach bitte weiter so. Laß dich von dem Mangel an Kommis nicht runterziehen!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!

Gruß

Serenity


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