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Angel of Light I

Another world
von

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Azhuras Geschichte

Der nächste Morgen fand Harry wie schon so oft auf der Fensterbank des Schlafsaales im Gryffindorturm sitzen und mit nachdenklichem, aber entspanntem Gesichtsausdruck auf die Wiesen um Hogwarths blicken. Der schwarzhaarige junge Mann war an diesem Tag schon früh erwacht, nach einer Nacht voll erholsamen Schlafes trotz der Aufregungen und neuen Erkenntnisse des vorherigen Tages. Harry gewöhnte sich langsam wieder daran, ohne Furcht vor Alpträumen schlafen gehen zu können - und er genoß jede Sekunde davon. Vor allem, da er sicher war, daß sich dies in seiner Welt wieder ändern würde - wenn es ihm nicht gelang, endlich Okklumentik zu erlernen.
 

Smaragdgrüne Augen verengten sich leicht und Harry seufzte unhörbar, als sich erneut ein Gefühl des Zögerns einstellte, als er an diese Technik des mentalen Schutzes dachte. Er hoffte wirklich, daß Sev ihm ein besserer Lehrer sein würde als das Gegenstück des schwarzhaarigen Slytherins aus Harrys Realität. Auf jeden Fall würde er hier geduldiger mit ihm sein, war sich der Gryffindor bewußt - und das machte schon eine ganze Menge aus. Harry wußte, er würde in den nächsten Tagen viel über seine neuen Fähigkeiten lernen müssen, um sie richtig einsetzen zu können. Aber dabei sollte er nicht vergessen, daß auch andere Dinge wichtig waren - und Kenntnisse über Okklumentik standen dabei ganz oben auf der Liste.
 

Harry entschloß sich, daß er, wenn er den Rest von Azhuras Geschichte vernommen hatte, Sev bitten würde, mit seinem Training zu beginnen. Je eher er seine Abneigung gegen diese magische Technik des Selbstschutzes ablegte, desto besser. Außerdem hatte Remus Recht damit, daß die mentalen Schilde, welche er bei Okklumentik aufzubauen lernte, ihm bei der Beherrschung seiner Emphatie sicher nutzen würden.
 

Seine Grübelei für den Moment aufgebend, beobachtete Harry die Sonne bei ihrem Aufstieg - erfreute sich an dem farbenprächtigen Schauspiel, das sich seinen Augen darbot und genoß den Frieden, welchen er gerade empfand. Er hatte noch lange nicht seine Sorgen und Probleme verarbeitet, dennoch fühlte er sich schon nach wenigen Tagen in dieser friedlichen, schöneren Version seiner Realität besser. Stärker. Aber vor allem nicht mehr so allein.
 

Er war nicht allein. Dieser Gedanke vermittelte Harry soviel Geborgenheit und Kraft, daß er sich wünschte, es würde immer so sein. Und auch wenn er in seiner eigenen Realität keine richtige Familie besaß wie in dieser hier, so wurde ihm doch klar, daß es auch dort Menschen gab, die ihn mochten. Vielleicht sogar so sehr liebten wie hier.
 

Hermine und Ron waren seit ihrem ersten Schuljahr stets für ihn dagewesen und hatten durch ihre unerschütterliche Freundschaft sein seelisches Gleichgewicht mehr als einmal zu bewahren vermocht, wenn alles schiefzugehen schien. Doch jetzt spürte Harry auch die fast väterliche Liebe, die Remus ihm entgegenbrachte - und vor allem hatte er nun auch den Grund dafür erfahren, warum der Werwolf in seiner Welt körperliche Kontakte tunlichst mied. Dieser Gedanke wiederum weckte in Harry den Entschluß, hart an der Errichtung seiner mentalen und emotionalen Schilde zu arbeiten, damit ,sein' Remus keine Angst mehr davor haben mußte, ihn in den Arm zu nehmen.
 

Doch selbst Professor Dumbledore war in gewisser Weise ein Teil seiner Familie, erkannte Harry. Stets bemüht, ihn zu beschützen, so gut es dem weisen Magier möglich war. Auch wenn Dumbledore manchmal Dinge - wichtige Informationen - vor ihm geheimgehalten hatte, so war sich der junge Gryffindor doch klar darüber, daß dies aus Sorge um seine Sicherheit geschah. Der Schulleiter wachte wie eine Art Großvater über ihn.
 

Harry lächelte, als ihm dieser Gedanke durch den Sinn fuhr.
 

Eine seltsame Familie hatte er in dieser Welt. Da waren zuerst seine berühmten Vorfahren, welche in der Geschichte als unerbittliche Feinde und absolute Gegenteile voneinander dargestellt wurden und doch vielmehr ein liebendes Paar gewesen waren. Ihr Sohn Shal, welcher den Anfang von Harrys Blutlinie bildete und diesem selbst nach der kurzen Begegnung am Vortrag schon so vertraut vorkam wie ein langvermißter Freund.
 

Weiterhin zwei Männer, welche in Harrys eigener Realität ebenso als Todfeinde galten wie es dem Schwarzhaarigen mit der Person erging, welche hier sein fester Freund war. Diese beiden Männer waren in dieser Wirklichkeit seine Eltern.
 

Eltern.
 

Harry kostete dieses Wort gedanklich aus und lächelte erneut. Er hatte sich immer gefragt, wie es sein mochte, Eltern zu haben. Und er konnte nicht abstreiten, daß es sich wundervoll anfühlte, Sorge und tiefe Liebe in Sirius' und Severus' Augen zu sehen, wenn sie ihn anblickten.
 

Ein exzentrischer Großvater, dessen Weisheit und Gelassenheit Harry Sicherheit gab. Denn er wußte, selbst die größte Krise konnte gemeistert werden, wenn Dumbledore bei ihm war und ihm Hilfe leistete. Durch einen seiner kryptischen Hinweise - oder auch nur durch das Zwinkern seiner hellblauen Augen.
 

Pateneltern, die er nicht erwartet hätte - und bei denen er nach und nach liebenswerte Züge entdeckte. Wie Lucius' fast kindliche Begeisterung über die Entdeckung, daß Harry einen uralten mächtigen Zauber bewirkt hatte, ohne daß es ihm bewußt war. Narzissas mütterliches Verhalten ihm gegenüber, oder ihre offensichtliche Begabung für Quidditch. Die Malfoys waren in dieser Welt freundliche Menschen, welche durch ,seine' Bindung mit Draco eines Tages sicher von Paten- zu Schwiegereltern werden würden.
 

Und Freunde. Auch Freunde konnten ein Teil der Familie sein - und für Harry zählten Ron und Hermine ganz sicher zu seiner ideellen Familie. Wie eine ältere, manchmal ein wenig strenge und zu wißbegierige Schwester und ein jüngerer, temperamentvoller Bruder.
 

Eine seltsame, ungewöhnliche, faszinierende, wundervolle Familie.
 

Als Harry aus seinen Gedanken wieder auftauchte, spürte er plötzlich eine neue Präsenz nahe bei sich und wandte den Kopf. Sein Blick kam auf Draco zu liegen, der ihm gegenübersaß und sich ebenso wie der Gryffindor bequem zurückgelehnt hatte. Die silberblauen Augen erwärmten sich, als Draco das Lächeln sah, welches ihm Harry zur Begrüßung schenkte. Der schwarzhaarige junge Mann blieb völlig entspannt sitzen und schien nicht einmal überrascht, ihn zu sehen.
 

Harry gewöhnte sich wirklich an seine Nähe, erkannte Draco mit einem Gefühl der Freude. Dieses Mal hatte er nicht mehr den instinktiven Drang gehabt, sich beim Anblick des Slytherins verteidigen zu müssen. Statt dessen war da ein definitiver Hauch dieses wundervollen warmen Lächelns gewesen, das Draco von seinem Harry stets geschenkt bekam, wenn die smaragdgrünen Augen seiner ansichtig wurden.
 

"Wie lange sitzt du schon hier?", fragte Harry Draco, nachdem dieser die schweigende Begrüßung gleichermaßen erwidert hatte. "Oh, etwa zehn Minuten", erwiderte der junge Slytherin. Dann rollte er die Augen und fuhr fort: "Meine Eltern haben mich wahnsinnig gemacht...die sind Beide so neugierig, daß sie mich kaum haben schlafen lassen. Heute morgen war selbst Mom so früh auf, daß ich zuerst dachte, ich bin im falschen Film. Und natürlich brachte sie es nicht über sich, mich weiterschlafen zu lassen. Sowohl sie als auch Dad verbreiten so viel angespannte Energie, daß ich schließlich geflohen bin, bevor sie mich fragetechnisch in die Mangel nehmen konnten."
 

Bei dieser Beschreibung von Dracos Morgen weiteten sich Harrys Augen leicht, doch dann schmunzelte er. Er konnte sich gut vorstellen, daß Lucius und Narzissa neugierig darauf waren, die Gründer kennenzulernen. Und Shal war sicher ebenso von großem Interesse für sie, da er das Bindeglied zu Harry selbst darstellte. Der Beweis seiner Verwandtschaft sowohl mit Gryffindor als auch Slytherin.
 

"Du hast mein Mitgefühl, Draco", sagte Harry schließlich. "Ich wundere mich eigentlich auch, daß Sirius so viel Zurückhaltung zeigt und nicht schon längst hier aufgetaucht ist, um Ron und mich aus dem Bett zu werfen. Vielleicht hat Sev einen mäßigenden Einfluß auf ihn..."
 

"Wohl kaum", widersprach Draco trocken. "Onkel Severus' Neugier kann es mit der von Sirius locker aufnehmen, wenn es um ein Thema geht, welches ihn wirklich interessiert. Daher laß dir von mir gesagt sein, es wird nicht mehr lange dauern, bis einer von ihnen - oder auch beide - hier auftauchen werden, um..."
 

Hier wurde Draco unterbrochen, weil sich die Tür zum Schlafsaal der Gryffindor-Jungen leise öffnete und ein schwarzhaariger Schopf hindurchlugte. Braune Augen blieben an Harrys Bett hängen, dessen Vorhänge auf der Sirius zugewandten Seite noch zugezogen waren. Der Gryffindor trat nun vollends durch die Tür und wandte sich Severus zu, der seinem Gefährten folgte.
 

"Er schläft wohl noch...", hörten die beiden jungen Männer auf dem Fensterbrett Sirius zu dem Zaubertrank-Meister sagen. "Sollen wir ihn wirklich wecken, Sev? Er hat die Ruhe sicher nötig, doch...", die Stimme des Animagus verklang, bevor er sich unentschlossen durch die schwarzen Haare fuhr. Auch Severus ging es nicht besser, auch ihm standen widerstreitende Gefühle ins Gesicht geschrieben.
 

Dann hörten die beiden Männer auf einmal leises, aber eindeutig belustigtes Gelächter aus einer anderen Ecke des Zimmers erklingen und wandten sich um. Draco und Harry kamen in ihr Blickfeld, sich sichtlich über sie amüsierend.
 

"Was habe ich gesagt?", grinste Draco Harry an, welcher bestätigend nickte und meinte: "Den Beweis haben wir vor Augen. Ich bin beeindruckt vom sofortigen Eintreffen deiner Voraussage, Draco." "Ich bin halt gut", klopfte sich der Slytherin selbstbewußt auf die Schulter, woraufhin Harry lächelte: "Oder die Beiden einfach nur voraussehbar." Das brachte ihm ein Schmollen ein, was Harry mit einem Grinsen quittierte.
 

Sie wurden in ihrem freundschaftlichen Geplauder unterbrochen, als Sirius und Severus zu ihnen traten und Ersterer sich mit scheinbar beleidigter Miene erkundigte: "Macht es auch Spaß, sich über uns zu amüsieren, Jungs?" "Aber klar", entgegnete Draco ohne eine Miene zu verziehen, woraufhin Harrys Grinsen breiter wurde und Severus zu einem Kopfschütteln veranlaßte. Doch in den onyxfarbenen Augen stand verständnisvolle Wärme geschrieben sowie Selbstironie. Der Zaubertrank-Meister wußte, daß sein Gefährte und er sich wie neugierige Kinder am Weihnachtsabend aufführten, die nicht die rechte Zeit abwarten konnten, bis sie ihre Geschenke auspacken durften. Die Belustigung von Harry und Draco war daher nur zu berechtigt.
 

Auch Sirius erkannte das deutlich, doch ihm machte es nichts weiter aus. So gab er es auf, beleidigt zu tun und lächelte, während er Harry liebevoll durch die Haare wuschelte. Dies wiederum ließ den Jüngeren die Nase kraus ziehen, weil sein Haarschopf dadurch noch mehr in Unordnung geriet als sonst. An Dracos amüsiertem Blick erkannte er, wie chaotisch er nun wieder aussehen mußte und grollte. Sie mit beiden Händen ordnend durch die wirren nachtschwarzen Strähnen fahrend, strich sie sich Harry aus der Stirn, um wieder freie Sicht zu erlangen.
 

Dann lächelte er Sirius und Severus grüßend zu, während er sich von dem Fensterbrett erhob. Mit den Worten: "Bevor ihr uns noch vor Neugierde umkommt - oder zu richtig drastischen Maßnahmen greift - werde ich mal Ron aus den Federn schmeißen. Mit dem Hinweis auf Essen wird das hoffentlich nicht allzu schwer werden", schritt der Gryffindor auf das Himmelbett zu, in dem sein bester Freund trotz der gestiegenen Geräuschkulisse noch immer tief und fest schlief.
 

Unter den wachsamen Blicken Dracos und der beiden Erwachsenen zog Harry die Vorhänge um Rons Bett zurück und beugte sich dann über den Rotschopf, um diesen an der Schulter zu rütteln. Doch Ron grummelte nur mißgelaunt und drehte sich auf die andere Seite, um weiterzuschlafen. Harry meinte ein: "Später, Mom" aus dem undeutlichen Gemurmel herauszuhören und schüttelte den Kopf. "Ich werd' dir gleich was...von wegen Mom. Aber wenn du es nicht anders willst, mein Freund, dann kriegst du eben den Weckruf der anderen Art."
 

Bei diesen Worten schlich sich ein leicht diabolischer Ausdruck auf Harrys Züge und in seinen Augen glitzerte es. Er hob seinen Zauberstab und flüsterte etwas, was die drei anderen Anwesenden nicht verstehen konnten. Doch wenig später sahen sie das Resultat von Harrys Zauberspruch, als mehrere Federn materialisierten und den schlafenden Ron gnadenlos zu kitzeln begannen. Zuerst zuckte der Rotschopf nur ein wenig und versuchte sich der Kitzelattacke durch ein Hin- und Herwinden zu entziehen, doch als Harry immer mehr Federn erschienen ließ, konnte Ron ihrer Wirkung nicht mehr entkommen. Ein erstes Kichern entrang sich seiner Kehle, während der rothaarige Gryffindor immer mehr aus seinen Träumen in die Wirklichkeit gekitzelt wurde. Ron drehte und wand sich inzwischen wie ein Fisch auf dem Trockenen in seinem Bett, um den Federn zu entkommen, während sein Lachen immer mehr zunahm.
 

Schließlich hatte es derartige Ausmaße erreicht, daß Tränen aus Rons mittlerweile weit geöffneten Augen rannen, während er krampfhaft nach Sauerstoff rang. "Ha...Harry...hör' auf...bitte...ich...ich kann...nicht...brauche...Luft...", brachte der Rotschopf zwischen einzelnen Lachattacken heraus, während er flehend zu seinem über ihm aufragenden Freund aufschaute, welcher ihm mit einem Grinsen in den markanten Zügen zusah.
 

Im Hintergrund konnte man amüsiertes Lachen vernehmen, doch Ron war viel zu sehr damit beschäftigt, nach Luft zu ringen, als daß er sich damit beschäftigen konnte, wer sich außer Harry und ihm noch in ihrem Schlafsaal aufhielt. Der schwarzhaarige Gryffindor hatte nun endlich Mitleid mit seinem Freund, als er bemerkte, wie dieser Schluckauf bekam und dadurch wirklich in akute Atemnot geriet. Daher ließ Harry die Federn mit einem Wink seines Zauberstabes wieder verschwinden und beobachtete, wie Ron völlig erschöpft von der Kitzelattacke in seine Kissen zurücksank und krampfhaft Luft holte.
 

"Guten Morgen, Ron. Ist es nicht schön, den Tag mit einem Lachen zu beginnen?", grinste Harry, unbeeindruckt von dem anklagenden Blick, mit dem ihn Ron bedachte. Der Rothaarige war noch immer dabei, nach Atem zu ringen, wodurch sein ,Todesblick' nicht so recht die Wirkung entfaltete, welche er sich erhoffte.
 

"Von wegen...guten...Morgen", keuchte der rothaarige Gryffindor. "Das war...wirklich... nicht nett, mich so...zu wecken, Harry." Nach jedem zweiten beziehungsweise dritten Wort hielt er inne, um einen tiefen Atemzug zu machen und somit seinen Herzschlag wieder in normale Bahnen zu lenken. Harry anklagend anschauend, meinte er noch: "Das wird ein Nachspiel haben...und so etwas nennt sich bester Freund."
 

"Awww", lächelte Harry und gab seinen smaragdgrünen Augen einen zutiefst unschuldigen Ausdruck, als könne er keiner Fliege etwas zuleide tun. "Dabei habe ich gedacht, du freust dich über meinen neuen Weckruf...nachdem du dich doch letztens so erschrocken hast, als ich deine Mom nachmachte, um dich aus dem Bett zu kriegen. Lachen ist gesund, Ron."
 

Ein bezeichnender Blick aus hellblauen Augen durchbohrte ihn mit scheinbarer Empörung und Unverständnis: "Das Gegenteil ist wohl eher der Fall - ich wüßte wirklich nicht, daß akute Atemnot als gesund zu bezeichnen ist, Harry. Nächstes Mal stell' mir doch einfach einen Wecker..."
 

"Als wenn das etwas nützen würde", meinte Harry daraufhin nur trocken. "Ich erinnere mich an einen gewissen Morgen, an dem fünf derartiger Instrumente einen Lärm veranstalteten, als wären wir bei einem Quidditchmatch der Worlds in der entscheidenden Endphase - und trotzdem regtest du keinen Muskel. Der arme Neville ist vor Schreck fast aus dem Bett gefallen, als diese Höllenmaschinen am frühen Morgen losgingen und selbst Seamus, Dean und ich waren für die nächsten Tage massiv traumatisiert."
 

Nach dieser Beschreibung blinzelte Ron Harry nur verblüfft an, während sich sein Gesicht vor Verlegenheit hochrot färbte. Erneut war aus dem Hintergrund leises Lachen zu vernehmen und das Gesicht des Rothaarigen machte langsam seiner Haarfarbe Konkurrenz. Harrys Erzählungsweise war trotz seiner wenigen Worte unglaublich lebendig. Man konnte das Geschehen förmlich vor sich sehen - was die ganze Sache viel anschaulicher machte.
 

"Ist ja gut, ist ja gut", murmelte der Gryffindor schließlich und richtete sich in seinem Bett auf, um einen Blick auf den Rest der Anwesenden zu werfen. Draco grinste offensichtlich amüsiert zurück, als sich seine Augen mit denen Rons trafen. Severus und Sirius hingegen betrachteten den jungen Mann mit freundlichen, verständnisvollen Blicken, in welchen sich aber auch unschwer der Humor erkennen ließ.
 

Mit einem gequälten Stöhnen ließ sich Ron wieder in die Kissen zurücksinken und zog die Bettdecke über den Kopf, als könne er sich so vor der Situation verstecken. Harry nahm jedoch einen Zipfel der Decke in die Hand und zog leicht daran, wobei er meinte: "Das wird dir nichts nützen, Ron. Entweder du stehst freiwillig auf oder ich hole Hermine und überlasse es ihr, dich aus den Federn zu befördern. Außerdem sind Dracos Eltern, Sirius und Severus nahe daran, vor Ungeduld zu platzen...sie wollen endlich die Gründer und Shal kennenlernen."
 

"Nur, weil die Erwachsenen ihre Neugier nicht im Zaum halten können, weckst du mich auf solch unmenschliche Weise...und zu einer solch gottlos frühen Stunde?", jammerte Ron mit einem Blick auf die magische Uhr auf seinem Nachttisch, bevor er sich die Bettdecke ein weiteres Mal über den Kopf zog und grummelte.
 

Harry verdrehte die Augen und fuhr sich mit der Hand durch die Haare, während er ungeduldig mit dem Fuß tappte. "Ron", sagte er gedehnt, "ich spreche hier keine leeren Drohungen aus, damit du mich verstehst, mein Freund. Wenn du nicht in fünf Sekunden aus dem Bett bist, hole ich 'Mine und überlasse alles Weitere ihr... Eins...zwei...drei...", begann der Schwarzhaarige zu zählen, während er sich langsam auf die Tür zubewegte, welche zum Gemeinschaftsraum hinunterführte.
 

Bei 'vier' angekommen war, stand der junge Mann an der Tür und legte die Hand auf die Klinke. Als er diese jedoch öffnen wollte, hörte er Rons leicht panische Stimme hinter sich erklingen, welcher ausrief: "Harry! Du wagst es nicht!" Harry drehte sich um und verschränkte die Arme vor der Brust. Er hob unbeeindruckt eine Augenbraue, während dunkelgrüne Augen Ron musterten, welcher inzwischen halb aus dem Bett gestürzt war. "Bist du dir da wirklich sicher?", wollte er mit einem Zucken seiner Mundwinkel wissen, als er bemerkte, daß Rons Beine sich in seiner Hast in der Bettdecke verheddert hatten.
 

Ron stutzte angesichts dieser Herausforderung seines besten Freundes und seine hellblauen Augen weiteten sich angesichts der kleinen Teufelchen des Schalks, welche er in den smaragdgrünen Tiefen des anderen Gryffindors erkennen konnte. Er beschloß, es lieber nicht darauf ankommen zu lassen und machte grummelnd Anstalten, sich zu nun endlich erheben. Doch wie Harry schon bemerkt hatte, waren Rons Beine vollkommen in seiner Bettdecke verheddert, so daß der Rothaarige das Gleichgewicht verlor und aus dem Bett zu stürzen drohte.
 

Rons erschrockener Ausruf hing in der Luft, halb übertönt von dem Lachen Dracos und Harrys Adoptiveltern, welche sich köstlich über die sich vor ihren Augen abspielende Szene amüsierten. Ihr Harry hatte sich oft genug darüber beklagt, wie kompliziert es war, Ron morgens rechtzeitig aus dem Bett zu bekommen, doch nunmehr die Art und Weise zu erleben, wie das Gegenstück des schwarzhaarigen Gryffindors sich dieses Problems annahm, war herrlich. Nicht nur Sirius fuhr der Gedanke durch den Kopf, daß Harry in Bezug auf Streiche ein wirklicher Erbe der ehemaligen Marauder war.
 

"Ron, Ron, Ron", grinste Harry nunmehr ohne jegliche Zurückhaltung und schüttelte scheinbar tadelnd den Kopf. "Ich wollte zwar, daß du endlich aufstehst, aber es muß nun wieder auch nicht sein, daß du dir deswegen vielleicht noch etwas brichst...darüber wäre Hermine sicher wenig erfreut." Bei diesen Worten hob Harry seinen Zauberstab ein wenig höher und setzte Ron, den er mit einem "Wingardium Leviosa" vor einem harten Kontakt mit dem Fußboden bewahrt hatte, sanft wieder auf dessen Bett ab.
 

Sein bester Freund war erneut verlegen rot angelaufen, so daß er seiner Haarfarbe Konkurrenz machte. Nun hob er den Kopf und blitzte seinen amüsierten Hauskameraden böse an. "Harold James Potter-Snape-Black! Das...das waren...mindestens drei Jahre meines Lebens!", rief Ron zwischen heftigem Atemholen aus, als er seinen Schreck unter Kontrolle zu bringen versuchte. "Erst weckst du mich in aller Herrgottsfrühe und dann falle ich wegen dir auch noch fast aus dem Bett - und so etwas schimpft sich mein bester Freund!"
 

Harry hatte seinen Zauberstab wieder verstaut und verschränkte erneut die Arme, wobei er sich lässig an die Tür hinter sich lehnte. "Ich habe nur gesagt, daß du aufstehen sollst, Ron. Nach fast sechs Jahren bin ich jedoch zugegebenermaßen recht erfinderisch darin geworden, dich aus dem Bett zu locken... doch der Hinweis auf Hermine hat noch immer gewirkt. Ich kann nicht glauben, daß euer Harry bis jetzt nicht zu diesem Mittel gegriffen hat!"
 

Ron rollte die Augen und stand nunmehr vorsichtig auf, während er grummelte: "Hat er, hat er... es ist aber jedes Mal wieder eine gemeine Art und Weise, damit zum Aufstehen gezwungen zu werden." Sich ein paar Sachen aus seiner Kommode greifend, verschwand der Rothaarige dann im Bad, um sich fertig zu machen. Nach den Aufregungen der letzten Minuten war sein Adrenalinspiegel so in die Höhe geschossen, daß er sowieso nicht wieder hätte einschlafen können. Also konnte er auch aufstehen. Außerdem war er sich nicht sicher, ob Harry seine 'Drohung' nicht doch noch wahrmachen würde und Hermine holte, um ihn zum Aufstehen zu veranlassen. Und dies wollte Ron auf jeden Fall vermeiden.
 

Harry blickte Ron hinterher und lächelte warm, aber auch definitiv amüsiert. Es war oft schwer, Ron rechtzeitig aus den Federn zu holen, doch es war ein Aspekt am Charakter seines besten Freundes, der Harry zwar manchmal den letzten Nerv kostete, welchen er jedoch auch liebgewonnen hatte. Sein ausgeprägtes Schlafbedürfnis gehörte ganz einfach zu Ron, so wie Lerneifer zu Hermine.
 

Sirius trat nunmehr auf Harry zu und legte ihm eine Hand auf die breite Schulter. "Das war brillant, Harry", lobte der Animagus den jungen Mann, "eines Marauders durchaus würdig." "Danke sehr", grinste der Angesprochene zurück, bevor ihm einfiel, wie Ron ihn genannt hatte. Es war das zweite Mal, daß er sich so bezeichnet gefunden hatte.
 

"Sag mal, ist dieser Name für Harry hier eigentlich auch offiziell?", wollte er von seinem Paten wissen. Der Ältere blinzelte für einen Moment überrascht, doch dann verstand er. "Harold James Potter-Snape-Black?", meinte er fragend und als Harry nickte, lächelte Sirius ein wenig nostalgisch.
 

Es war Severus, welcher antwortete, auch wenn selbst in seinen Augen ein stolzer, aber auch melancholischer Ausdruck erschien. "Ja, Harry, der Name ist offiziell. Als unser Harry alt genug war, zu verstehen, worum es ging, haben wir ihn gefragt, ob es ihm Recht wäre, auch unsere Namen zu tragen. Wir hatten Harry zwar zu der Zeit schon adoptiert, aber wir wollten ihm selbst die Entscheidung überlassen, ob er nur Potter heißen möchte..." Severus verstummte in Erinnerung an jenen Tag, als Harry Sirius und ihn sehr glücklich gemacht hatte durch den Wunsch, auch ihre Namen tragen zu dürfen - um aller Welt zu zeigen, daß er auch ihr Sohn war.
 

Harry lächelte die zwei Männer vor sich warmherzig an, während sich in seine Augen ein leicht wehmütiger Ausdruck schlich. "Ich kann verstehen, daß er diesen Wunsch hatte", gab der schwarzhaarige Gryffindor zu. "Es ist zwar ein wirklicher Zungenbrecher, aber Sirius' Namen zu tragen wäre auch für mich eine Freude...auch wenn 'Snape' in meiner Welt fehlen würde", endete Harry mit einem Seufzen bei der Erinnerung an das Gegenstück von Sev in seiner Realität.
 

"Wo wir gerade bei Nachnamen sind", mischte sich Draco an dieser Stelle ein, um die Stimmung wieder auf sichereres Terrain zu lenken, als er bemerkte, wie sich angesichts von Harrys letzten Worten Severus' Augen verdunkelten, "sowohl 'Harry' als auch du", wandte sich der Blonde an seinen älteren Freund, "könnt jetzt auch noch Gryffindor-Slytherin anfügen."
 

"Damit wird es dann aber wirklich lang", meinte Sirius mit einem Blinzeln. "Harold James Potter-Snape-Black zu Gryffindor-Slytherin", probierte der Animagus es gleich aus und hörte Harry leise aufstöhnen. Der schwarzhaarige junge Mann wirkte etwas überrannt. "Um damit unterschreiben zu können, brauche ich aber eine lange Zeile", entwich es Harry. "Lassen wir es erst einmal bei Harry Potter. Der Name allein macht schon Schlagzeilen genug."
 

"Das ist allerdings wahr", stimmte Draco seinem Freund zu. An der Berühmtheit von Harrys Namen bestand kein Zweifel, auch wenn dies sowohl dem jungen Gryffindor dieser Welt als auch Harry sichtlich mißfiel.
 

In nachdenklichem Schweigen verließen die Vier den Schlafsaal der Gryffindor, um im Gemeinschaftsraum auf Ron zu warten. Als sie die Treppe herabstiegen, wurden sie auf Hermine aufmerksam, welche auch gerade erst den Mädchen-Schlafsaal verließ und - wie sollte es auch anders sein - ein Buch unterm Arm trug. Als die Braunhaarige Harrys und seiner Begleiter ansichtig wurde, blinzelte sie zuerst verwundert, begrüßte sie dann jedoch gleich mit einem freundlichen "Guten Morgen". Dieses wurde ebenso erwidert und gemeinsam warteten die Fünf auf das letzte Mitglied der ,Magic Four'.
 

Es dauerte nicht lange, dann kam Ron auch schon die Treppe herunter, immer noch ein wenig vor sich hingrummelnd darüber, daß er so früh aufstehen mußte. Und das ausgerechnet während der Sommerferien. Doch ein Blick von Hermine ließ den jungen Mann schließlich sein leises Wehklagen einstellen, was ihm nicht weiter schwerfiel, als er als Belohnung einen Kuß von seiner Freundin bekam.
 

Nunmehr vollzählig, trat die Gruppe den Weg durchs Schloß Richtung Große Halle an, während Sirius sich kaum noch zurückhalten konnte, die vier Jugendlichen nicht mit all den Fragen, die er beantwortet haben wollte, zu überfallen. Auch Severus wirkte ungewohnt aufgeregt, doch war es letzten Endes kein Wunder, wenn man bedachte, was Harry und seine Freunde den Erwachsenen am vergangenen Abend erzählt hatten. Wann traf man schon zwei der berühmten Gründer Hogwarths' - und bekam dazu noch die Gelegenheit, von diesen persönlich die wahre Geschichte ihrer Beziehung bestätigt zu bekommen?
 

Harry, Ron, Hermine und Draco wechselten verständnisvolle, aber auch verschmitzte Blicke, als sie ihre Begleiter dabei beobachteten, wie sich fast auf die Zunge bissen, um den Jugendlichen nicht sofort all die Fragen zu stellen, die ihnen durch die Köpfe schwirrten und vor Neugier fast umbrachten.

In der Großen Halle angekommen, schenkte Draco Harry einen bezeichnenden Blick, als er seine Eltern bemerkte, welche aufgeregt über einem dicken Buch diskutierten und dabei das Frühstück vor ihnen fast vollkommen unbeachtet ließen. Remus saß neben ihnen und unterhielt sich in gesenktem Tonfall mit Professor Dumbledore, während die Beiden ihr Frühstück mit mehr Elan verzehrten als die Malfoys.
 

Angesichts des eingedeckten Tisches wurde Ron ebenfalls gleich lebhafter und strebte zügig auf die vier Erwachsenen zu, gefolgt vom Rest seiner Gruppe. Morgengrüße austauschend, ließen sich Harry, Draco und Hermine neben Ron nieder, während Sirius und Severus sich auf der anderen Seite zu Remus und Dracos Eltern gesellten. Mehr oder weniger geruhsam wurde das Frühstück verzehrt, bevor sich die Blicke der sechs Erwachsenen mit unverhohlener Neugier auf das Quartett richteten. Selbst Professor Dumbledore machte keinen Hehl daraus, daß er darauf brannte, die Gründer und Shal endlich kennenzulernen.
 

Harry schüttelte leicht den Kopf und lächelte. "Ich denke, wir sollten euch nicht länger wie auf heißen Kohlen warten lassen", begann er, was Draco ein: "Das wird auch besser für unsere Gesundheit sein" entlockte. Er hatte jedoch so leise gesprochen, daß ihn nur seine drei Freunde vernahmen und sich ein Grinsen nicht verkneifen konnten. Doch auch Hermine wirkte jetzt unruhig, denn sie hatte vor, sich einige der Bücher in den Privaträumen von Harrys Vorfahren gründlicher anzuschauen. Und auch Ron und Draco waren nur zu bereit, das Geheimnis der Gründer zu lüften.
 

Daher erhoben sich die vier Freunde, was eine gleichartige Reaktion der Erwachsenen nach sich zog. Während Draco zu seinen Eltern trat, Ron zu Remus und Hermine zum Schulleiter, streckte Harry Sirius und Severus auffordernd eine Hand entgegen. Ron hatte ihm am Vorabend noch erklärt, daß nun, wo er das Lichtwandern beherrschte, es für ihn kein Problem sein würde, andere Personen auf diese Weise mitzutransportieren. Es war also ganz ähnlich wie beim Apparieren, daß ein bloßer Körperkontakt genügte.
 

Als sich die Hände der beiden älteren Männer um die seine schlossen, konzentrierte sich Harry auf den Nordturm. Weißes Licht erglühte um ihn herum und umhüllte auch Sirius und Severus, bevor sie sich plötzlich auf der Aussichtsplattform des Nordturmes wiederfanden. Mehrere leise Geräusche kündigten die Ankunft auch des Restes ihrer Gruppe an und mit einem auffordernden Nicken wies Harry sie an, ihm und seinen drei Freunden zu folgen. Während sie den langen, selten benutzten Gang herunterschritten, den die Jugendlichen am Vortag mit Fawkes als Wegweiser genommen hatten, stieg auch bei ihnen wieder die Aufregung über die unglaubliche Entdeckung, die sie gemacht hatten. Daher war es nicht weiter verwunderlich, daß sich auch Harrys drei Freunde angesichts des wunderschön gemalten Gemäldes des goldfarbenen Waldes erwartungsvoll ansahen.
 

Harry hingegen fühlte sich plötzlich etwas unsicher, denn ihm war eingefallen, daß er ein Hindernis zu überwinden hatte, von dem er nicht sicher war, ob er es schon meistern konnte. Fawkes hatte ihm am Vortag geholfen, dem engelsweißen Phönix das Paßwort zu geben - doch heute würde er selbst zu diesem ,sprechen' müssen. Und der Gryffindor war sich nicht sicher, ob ihm das so ohne Weiteres gelingen würde.
 

Dennoch trat er auf den Fackelhalter rechts des Gemäldes zu und drehte diesen um 45° nach links, woraufhin ein leises Grollen zu hören war und auf dem Bild erneut ein Vogelschwarm aufstieg. Wie am Vortag flog auch dieses Mal der weiße Phönix auf die Gruppe vor dem Gemälde zu und trillerte eine Melodie. Harry hatte sich vollkommen auf die Töne der Melodie konzentriert und versuchte, aus dem hellen Gesang Worte zu entnehmen. Doch es gelang ihm nur zum Teil - er wußte, daß der Phönix ihn und seine Gefährten begrüßte. Aber was er genau gesagt hatte, verstand der junge Mann ebenso wenig wie der Rest der Gruppe.
 

Leise seufzend versuchte sich Harry nun daran, dem magischen Vogel eine Antwort zu geben - auch wenn seine Unsicherheit weiter anstieg. Er war immerhin völlig ungeübt im Sprechen anderer Sprachen; außer in Parsel. Doch Midnight und auch Fawkes hatten ihm versichert, daß es ihm möglich sein würde, die Sprachen anderer Geschöpfe zu sprechen. Daher blickte Harry dem schweigend abwartenden Phönix direkt in die tiefgrünen Augen und versuchte, die Handlungen zu kopieren, wenn er mit Schlangen sprach. Er spürte, wie seine Magie reagierte und ihm zu helfen versuchte - doch schon, bevor er den Mund öffnete und plötzlich Parsel sprach, wußte er, daß er etwas falsch machte.
 

Der engelsweiße Phönix trillerte fragend und flatterte noch etwas näher an Harry heran, der kurzzeitig entmutigt den Kopf hängen ließ und sich auf die Lippe biß. Er spürte die Blicke seiner Freunde auf sich liegen, die erkannt hatten, was er zu tun versuchte...und fühlte den Erwartungsdruck steigen, obwohl sich der Rest der Gruppe verständnisvoll und schweigend im Hintergrund hielt.
 

Hermine, Ron und Draco blickten sich an, als ihnen bewußt wurde, daß dies eine Prüfung von Harrys neuerwachten Talenten war - würde es ihm gelingen, die Sprache des Phönix zu sprechen? Bis zum gestrigen Tag hatte ihr Gefährte noch nicht einmal gewußt, daß es ihm möglich war, auf telepathische Weise mit magischen Geschöpfen zu sprechen. Daher wäre es eine ziemliche Leistung, wenn es Harry einen Tag später schon gelingen würde, in diesen anderen Sprachen auch laut zu kommunizieren. Auf jeden Fall würde es ihn einige Mühe kosten, wurde den drei Jugendlichen bewußt, als sie sahen, wie ihr Freund die Stirn runzelte, die smaragdgrünen Augen voller Konzentration verengt.
 

Sein Mißerfolg hatte Harry einerseits verunsichert, andererseits aber auch seinen Ehrgeiz geweckt. Der jungen Mann wußte, er hatte den Dreh noch nicht völlig heraus, um anstatt Parsel eine andere nicht-menschliche Sprache zu sprechen. Daher beschloß er, um Hilfe zu bitten und schloß die Augen, um gedanklich nach Fawkes zu rufen. Einen Augenblick später erschien der goldrote Phönix in einem Flammenstoß direkt neben Harry und landete dann auf dessen Schulter.
 

+Wie kann ich dir behilflich sein, Harry?+
 

+Ich versuche, mit dem Phönix auf dem Gemälde zu kommunizieren, Fawkes, da Ron, 'Mine, Draco und ich den Erwachsenen heute die Privaträume meiner Vorfahren zeigen wollen. Außerdem sterben sie fast vor lauter Neugier, seitdem sie wissen, daß wir gestern auch die Gründer und Shal kennengelernt haben. Doch ich fürchte, ich bin noch nicht so weit, um in Phoenix sprechen zu können, Fawkes. Du sagtest mir gestern, ich müßte dem weißen Phönix ab heute das richtige Paßwort selbst sagen...daher habe ich versucht, das zu kopieren, was ich tue, wenn ich Parsel spreche - aber es klappt nicht. Was mache ich falsch?+
 

+Du strengst dich zu sehr an, Harry. Außerdem ist die Erwartungshaltung deiner Freunde und Familie, welche unbedingt meinen Meister und seine Familie kennenlernen wollen, ein ziemlicher Druck für dich, der dich verunsichert+, begann Fawkes zu erklären.
 

Der Phönix breitete seine Schwingen aus und fuhr mit den weichen Federn dann sanft an Harrys Wange entlang, während er leicht zu glühen begann. Hoffnung, Licht und Wärme gingen von ihm aus und übertrugen sich auf Harry, der sich dadurch langsam von seiner Unsicherheit befreit fühlte und spürte, wie sein Selbstvertrauen wieder wuchs. Er würde es schaffen, nahm er sich vor und ein ehrgeiziges Blitzen trat in seine Augen.
 

Fawkes spürte die Veränderung in Harrys Haltung und sprach daher weiter. +So ist es richtig, Harry. Selbstvertrauen ist wichtig, um Erfolg zu haben. Nun konzentriere dich, aber achte darauf, daß du nicht an Schlangen denkst...ruf dir statt dessen in Erinnerung, was du über Phönixe weißt. Jede Sprache ist anders, junger Herr. Meine Art spricht in Melodien und Gefühlen miteinander, daher kannst du hier nicht die Erfahrungen anwenden, die du mit Parsel gemacht hast.+
 

+Aber was soll ich tun?+
 

+Konzentriere dich auf deine Gefühle...und laß ihnen freien Lauf. Deine Emphatie dürfte dabei von großem Nutzen sein, denn sie öffnet dich der Sprache meiner Art. Spüre die Hoffnung und den Mut zu leben, welchen Phönixe zu verbreiten suchen - tiefe Gefühle sind die Grundlage meiner Sprache. Hab' keine Scheu, Harry. +
 

+Ich werde es versuchen, Fawkes+, versprach Harry dem goldroten Feuervogel auf seiner Schulter, der daraufhin eine warme Melodie zu singen begann und mit seinem Schnabel sanft durch Harrys schwarzes Haar strich, wie um ihn weiter zu ermutigen.
 

Dankbarkeit durchfloß den Gryffindor ob der geduldigen Unterstützung, welche der Feuervogel ihm zukommen ließ - und auch Fawkes' Artgenosse stieß nun ein aufmunternd klingendes Trillern aus, welches Harry ein Lächeln entlockte. Die Melodie des weißen Phönix klang wunderschön, so voller Licht und Kraft. Harry fühlte sich auf einmal so warm und geborgen in der Anwesenheit der beiden Phönixe, die ihm beide auf ihre Weise Hilfe bei der Erlernung ihrer Sprache gaben.
 

Die Augen schließend, öffnete sich der schwarzhaarige junge Mann der Wärme, welche Fawkes mit seinem Lied auf ihn übertrug und fühlte, wie nach und nach in ihm eine Verbindung zu dem stolzen Feuervogel entstand, als er sich völlig auf die Gefühle konzentrierte, welche der goldrote Phönix in ihm weckte.
 

Gleichzeitig erinnerte sich Harry an die Dankbarkeit, die er in seinem zweiten Schuljahr empfunden hatte, als Fawkes' Gegenstück ihm in seiner Wirklichkeit zu Hilfe kam und den Basilisken davon abhielt, Harry zu töten. Die Bewunderung für dieses magische Geschöpf, dessen Lied ihm in einer scheinbar ausweglosen Lage neue Hoffnung gegeben hatte, das ihn mit seinen Tränen heilte und später seine Freunde und ihn in Sicherheit brachte...all diese Erinnerungen und die Emotionen, welche Fawkes' Gegenwart stets - auch, bevor er von seiner Empathie erfuhr - ausgelöst hatte, verwob Harry instinktiv wie bei seinem Patronus zu einem einzigen Gefühl von Wärme und Hoffnung. Denn dies waren die herausragendsten Emotionen, die Harry mit Phönixen verband.
 

Und so plötzlich, daß er leicht erschrocken zusammenfuhr, wusch eine Welle aus Licht durch Harry hindurch und aus dem Trillern von Fawkes' Melodie wurden Laute, welche Harry deutlich verstehen konnte. Blinzelnd schaute er den goldroten Feuervogel auf seiner Schulter an, welcher daraufhin sein Lied langsam ausklingen ließ und ihm dann zärtlich mit dem Schnabel an der Wange entlangfuhr.
 

Fawkes schmiegte seinen Kopf einige Sekunden lang an Harrys Wange, bevor er sagte: #Meinen Glückwunsch, junger Erbe. Salazar wird sicher sehr stolz auf dich sein, daß du seine Gabe so rasch zu nutzen verstehst. Du lernst wirklich schnell, Harry.#
 

Harry strahlte, teilweise ob des Lobes, welches Fawkes ihm gerade ausgesprochen hatte, andererseits aber auch, weil er den Phönix problemlos verstehen konnte. Dieses Mal hatte er nicht das Gefühl gehabt, als wäre eine Mauer in ihm zusammengebrochen, die ihn an der Ausübung seiner Gabe gehindert hatte - es war vielmehr einfach so gewesen, daß er nur in die richtige Richtung geleitet werden mußte, um sich seinem angeborenen Talent öffnen zu können. Und Fawkes' Hinweise war sehr hilfreich gewesen - vor allem, da Harry jetzt bestätigen konnte, daß zwischen Phoenix und Parsel wirklich Welten lagen. Bei Parsel hatte er nie dieses Gefühl, als wären die Worte verständlich gewordene Musik, alles unterlegt mit starken, positiven Emotionen. Es war eine überwältigende Erfahrung, diese wunderschöne Sprache verstehen - und sie auch sprechen zu können.
 

Obwohl er das Sprechen erst einmal ausprobieren mußte. Während er die Hand hob und Fawkes sanft durch das weiche Gefieder strich, antwortete Harry ihm - und als er sah, wie Ron neben ihm auf einmal ganz große Augen vor Erstaunen bekam, wurde Harry bewußt, daß er nunmehr in zwei nicht-menschlichen Sprachen kommunizieren konnte.
 

#Danke, Fawkes. Doch ohne deine Hilfe wäre ich sicher nicht so schnell in der Lage dazu gewesen. Phoenix ist eine wunderschöne Sprache... als würden die Worte als Musik lebendig werden. Und das alles unterlegt mit Wärme und Licht. Ich danke dir, daß du mir deine Sprache beigebracht hast, mein Freund. Das ist eine große Ehre für mich.#
 

#Die Ehre liegt ganz bei mir, Harry. Es war mir eine Freude, dir zu helfen und ich danke dir für deine Beschreibung meiner Sprache...nicht viele Nicht-Phönixe sind imstande, die Worte in Phoenix zu verstehen - und noch weniger würden es so schön ausdrücken, was sie dabei empfinden, wenn sie es sprechen. Somit haben wir uns heute gegenseitig geholfen, mein junger Freund - doch nun gib meinem Artgenossen das Paßwort, damit deine Freunde ihre Neugierde bezüglich meines Meisters stillen können.#
 

Harry lächelte amüsiert, als er ein gleichartiges Gefühl von Fawkes ausgehen spürte, der ebenso wie der junge Gryffindor die kaum gezügelte Ungeduld ihrer Begleiter zu fühlen vermochte. Dann wandte er sich wieder an den engelsweißen Phönix, der in noch immer geduldig wartend beobachtete und nun angesichts von Harrys sich auf ihn richtender Aufmerksamkeit den Kopf leicht schieflegte und fragte: #Verstehst du mich jetzt, junger Herr?#

#Ja, ich verstehe dich.#, antwortete Harry in Phoenix. Für ihn hörte es sich an, als würde er ganz normal sprechen, doch ein erneutes leichtes Zusammenfahren von Ron und Draco sowie der eindeutig interessierte Gesichtsausdruck Hermines, welche er aus den Augenwinkeln sehen konnte, machte Harry klar, daß er in der Sprache des Phönix vor ihm auf dem Gemälde kommunizierte.
 

#Es tut mir leid, daß du warten mußtest, doch deine Sprache ist neu für mich#, entschuldigte sich Harry und fuhr dann fort: #Würdest du meine Freunde und mich bitte durchlassen? Das Paßwort lautet Drehardyn.#
 

#Das ist korrekt. Damit sei dir und deinen Begleitern der Zugang gewährt#, antwortete der weiße Phönix, bevor er noch hinzufügte: #Eine Entschuldigung ist nicht nötig, junger Herr. Es ist schön, einmal wieder ein Lebewesen zu treffen, welches meine Sprache versteht - es ist lang her, seitdem ich ihre Laute auch von einem Nicht-Phönix hörte.#
 

Während der weiße Phönix sich nach diesen Worten mit kräftigen Flügelschlägen wieder in Richtung des Waldes zurückzog, bewegte sich das Gemälde mit einem dumpfen Rollen zur Seite und gab den Gang frei, welcher am Vortag die Fallen beherbergt hatte. Nun wurde dieser Gang jedoch hell erleuchtet durch die kunstvoll verzierten Wandleuchter, welche, als die Gruppe staunend nähertrat, sich einer nach dem anderen entzündeten und warmes Licht verbreiteten. Das weiche Licht brachte die dicken Wandteppiche mit ihren phantasievollen und farbenfrohen Szenen gut zur Geltung, ebenso wie die Statuen, welche in regelmäßigen Abständen auf beiden Seiten den Gang flankierten.
 

Obwohl die vier Jugendlichen dieses Arrangement aus geschmackvoller Kunst am Vortag schon einmal passiert hatten, waren sie wiederum beeindruckt und standen daher den Erwachsenen in ihrem begeisterten Erstaunen nicht nach. Während sie den Gang durchquerten und schließlich in der großen Halle mit den sechs abgehenden Türen ankamen, blieb oftmals der Eine oder Andere der Gruppe bei einem Gemälde oder Wandteppich stehen, um die darauf dargestellte Szene näher zu betrachten.
 

In der Halle richteten sich die Blicke der sechs Erwachsenen schließlich fragend auf die Jugendlichen, da sowohl Sirius, Remus und Severus als auch die Malfoys und Professor Dumbledore gern wissen wollten, was sich hinter den einzelnen Türen verbarg - obwohl auch sie bei den zwei Wächterfiguren aus Stein, welche einen Löwen beziehungsweise eine Schlange darstellten, schon selbst auf die richtige Antwort kamen. Harry und seine drei Freunde konnten auch noch keine Auskunft über das geben, was sich hinter den anderen vier Türen befinden mochte, daher beschloß der Gryffindor, die Gruppe zuerst einmal wieder in das ,Wohnzimmer' zu führen, wo die Erwachsenen die Gründer und Shal kennenlernen konnten. Er selbst hatte vor, dann zu Azhura zu gehen, um endlich sein ihr vor einigen Tagen gegebenes Versprechen einzulösen und sich den Rest ihrer Geschichte anzuhören.
 

Daher trat der Schwarzhaarige an die mit bordeauxrotem Samt bezogene Tür heran und legte seine Hand auf die ineinander verschlungenen Initialen von Gryffindors Namen. Wie schon am Vortag füllten sich diese mit goldenem Licht und erwärmten sich unter Harrys Handfläche, bevor der Griff erschien. Mit einem Lächeln zu Sirius öffnete Harry die Tür und machte dann eine einladende Geste.
 

Die Anwesenden ließen sich nicht lange bitten und so standen sie alle wenig später in dem Raum, welcher einst Godric Gryffindors Arbeitsraum gewesen war. Harry sah sich gründlich um, da er am Vortag neugieriger auf Slytherins Privatgemach gewesen war. Doch auch hier fühlte der junge Mann sich sofort wohl.

Das Zimmer war ebenso groß wie Salazars Raum, nur statt in smaragdgrüner Tapete in dunklem Rot ausgekleidet. Passend dazu waren die Möbel aus Mahagoni oder dunklem Kastanienholz, während die Samtvorhänge - welche Ron und Hermine am Vortag wohl ebenfalls zurückgezogen hatten, um Licht hereinzulassen - in einem hellen Braunton gehalten waren. Auch hier wurde der Großteil der Wände von hohen Regalen eingenommen, welche mit Dutzenden von Büchern vollgestellt waren. Im Gegensatz zu denen in Slytherins Raum herrschten hier jedoch Themen über Waffenkampf, Schutzzauber und besondere mentale Fähigkeiten wie Telepathie und Empathie vor. Dazu kamen Wälzer über Heilkräfte, welche, so fiel Harry ein, vielleicht noch von Godrics erster Frau Evelynn stammten. Auf jeden Fall war auch Godric Gryffindor wohl ein sehr belesener Mann gewesen, was durch die Jahrhunderte hindurch ebenfalls verloren gegangen war - heutzutage war Gryffindor mehr für seine kämpferischen Fähigkeiten denn für seine geistigen Talente bekannt. Kaum einer wußte um seine Tele-Empathie.
 

Als ihm dieser Gedanke durch den Sinn fuhr, seufzte Harry unhörbar auf. Nicht nur Salazar war durch die Geschichte Unrecht getan worden, auch Godric wurde viel zu einseitig betrachtet. Und Shal? Dem wurde sein Platz in den Geschichtsbücher völlig verweigert - was Harry auf jeden Fall zu ändern beschloß. Er stellte es sich schön vor, aus den Berichten, die Godric, Salazar und Shal ihm noch geben würden, eine Chronik seiner Familie zu erstellen, in denen sie richtig gewürdigt werden würden. Sie und der Rest seiner ziemlich langen Ahnenreihe. Harry war klar, daß dies ein Riesenprojekt war, doch wäre dies eine Aufgabe, die ihm viel Freude bereiten würde. Und Hermine wäre sicher bereit, ihm zu helfen.
 

Als sich eine Hand leicht auf seine Schulter legte, schreckte Harry aus seinen Überlegungen auf und drehte sich um. Severus stand hinter ihm und schenkte ihm einen fragenden und leicht sorgenvollen Blick, der aber verschwand, als Harry dem Älteren ein beruhigendes Lächeln schenkte und meinte: "Ich war nur in Gedanken versunken, Sev."
 

Severus fuhr Harry leicht durch die schwarzen Haare und sagte: "Es ist sehr viel auf einmal, was in den letzten Tagen auf dich einstürmte, Harry. Erst kommst du ohne Vorwarnung in eine Welt, die sich auf den ersten Blick von deiner Realität nicht unterscheidet und doch grundlegende Verschiedenheiten aufweist. Und dann kommen Tag für Tag neue Überraschungen hinzu...ich kann mir vorstellen, daß du daher viel zu durchdenken hast und bin ehrlich gesagt ein wenig erstaunt darüber, wie rasch du dich an jede noch so große Veränderung angepaßt hast. Ich wollte dir sagen, daß ich sehr stolz auf dich bin, Harry", endete er mit einem warmen Ausdruck in den onyxfarbenen Augen, in denen dieses Gefühl auch deutlich geschrieben stand.
 

Harry fehlten glatt die Worte, um darauf zu antworten. Ebensowenig wie ihm bis jetzt in seinem Leben viel Liebe entgegengebracht worden war hatte er gehört, daß jemand stolz auf ihn war. Und bei Severus war es elterlicher Stolz, was der junge Gryffindor als großes Geschenk empfand. Und Harry spürte ein Aufwallen von Freude, daß er dem älteren Mann so viel wert war, daß dieser ihm diese Gefühle nicht vorenthielt. Auch wenn er sein Verhalten nicht für besonders hielt, war es doch schön, dafür gewürdigt zu werden...anerkannt zu werden für das, was er war und was er tat.
 

Dankbar lächelte Harry Severus an, der auch ohne empathische Fähigkeiten erkannte, was seine Worte dem Jüngeren bedeuteten. Wie viel Gutes er durch seine Anerkennung und den Stolz, den er mit so schlichten Worten zum Ausdruck gebracht hatte, bei Harry bewirkt hatte. Der Gryffindor hatte bis jetzt wohl wenig davon bekommen. Severus nahm sich daher vor, Harry während der Zeit, die dieser hier verbringen würde, seine Gefühle nicht vorzuenthalten - ihm zu sagen, wenn er etwas gut oder sogar sehr gut gemacht hatte.
 

Der Zaubertrank-Meister freute sich schon darauf, mit Harry Okklumentik zu üben, denn er wußte um die mentalen Gaben von Harrys Gegenstück und war sich daher sicher, daß auch dieser Harry schnell Fortschritte machen würde, wenn er ein wenig Ermutigung und Unterstützung erhielt. Sicher würde dies Harrys Selbstvertrauen guttun. Bestätigung seiner Fähigkeiten konnte nie schaden - und es half vielleicht auch einigen von Harrys seelischen Wunden beim Heilen, wenn diese Bestätigung und Anerkennung von einer Person kam, die ihm in seiner eigenen Realität dies jahrelang vorenthalten hatte. Und schlimmer noch, ganz im Gegenteil sein Selbstvertrauen dadurch untergraben hatte, daß er ihm seine Fähigkeiten absprach. Severus war innerlich zutiefst erstaunt und erzürnt gewesen, als Harry erzählt hatte, wie der Severus Snape seiner Wirklichkeit im Zaubertrank-Unterricht mit dem jungen Gryffindor umging. Hier hatte ,Harry' große Freude am Zaubertrank-Brauen, auch wenn er nicht Dracos Begeisterung mitbrachte. Doch dies war Severus' Meinung nach auch gar nicht nötig, denn nicht jeder mußte später einmal ein Zaubertrank-Meister werden.
 

Doch Freude daran war für den Slytherin-Hauslehrer ein Muß, um einen guten Trank herstellen zu können. Und vielleicht blieb neben den Okklumentik-Stunden auch noch Zeit dafür, daß er Harry ein wenig von seiner Philosophie vermitteln konnte und damit dem Gryffindor ein anderes Bild davon machte, wie es sein konnte, Zaubertränke herzustellen.
 

"Jetzt machst du es mir gleich nach", drang Harrys amüsierte Stimme in Severus Überlegungen hinein und er schreckte auf. Dann flog auch über seine Züge ein Lächeln, als der ältere Mann verstand, daß er in der Tat Harrys vorherige Handlung kopiert hatte. "Das scheint ansteckend zu sein", erwiderte er, woraufhin Harry die Augen verdrehte und meinte: "Du solltest ebensowenig wie ich ein Hobby daraus machen, Sev. Dafür kommt meist zuwenig dabei heraus, als daß es den Aufwand wert wäre. Und jetzt ist wohl auch wirklich nicht der richtige Zeitpunkt dafür, wo doch alle darauf brennen, endlich Bekanntschaft mit meinen Vorfahren zu machen."
 

Nach diesen Worten trat Harry auf das Gemälde zu, welches Salazar Slytherin zeigte und drückte den Griff, um den von dem Bild verborgenen Durchgang zu öffnen. Daraufhin wurde auch der Rest der Anwesenden wieder auf ihn aufmerksam, welche sich neugierig in Gryffindors Raum umgesehen hatte. Hermine zum Beispiel stellte leicht widerwillig das Buch, welches sie aus einem der Regale genommen hatte, wieder an seinen ursprünglichen Platz zurück, um den Anderen folgen zu können. Ron und Draco machten ihrerseits auch den Eindruck, noch eine Weile in Gryffindors Raum verbringen zu wollen, obwohl sie im Gegensatz zu Hermine mehr Interesse an den Waffen und sonstigen Gegenständen auf den verschiedenen Regalen gezeigt hatten. Doch auch sie traten hinter Sirius, Remus sowie Professor Dumbledore und Dracos Eltern durch den Durchgang in das Zimmer, das Harry für sich Wohnzimmer getauft hatte.
 

Kaum eingetreten, klang Harry und seinen Gefährten auch schon Shals leicht ungeduldige Stimme entgegen. "Da seid ihr ja endlich wieder, Harry!"
 

Leicht irritiert erwiderte Harry: "Nun fang du nicht auch noch an, Shal. Die Erwachsenen haben heute früh schon genug nervöse Energie verbreitet, um ein Kraftwerk damit betreiben zu können. Es ist noch früh am Tage, also warum die Eile?"
 

Shal gab vor zu schmollen, dann grinste er. "Ich bin halt auch furchtbar neugierig, Harry! Es sind schließlich Jahrhunderte vergangen, seitdem ich diese Räumlichkeiten versiegelte und ich möchte gern wissen, warum es so lange dauerte! Außerdem haben deine Freunde und du gestern verschiedene Andeutungen gemacht, die geklärt..."
 

"Shal!", unterbrach ihn an dieser Stelle Godric mit einer mahnend erhobenen Hand. "Hol' erst einmal Luft, Sohn! Außerdem wäre es nett, wenn du demonstrieren würdest, daß die Erziehung, welche Sal und ich dir gaben, in den letzten 900 Jahren nicht völlig von dir verdrängt wurde...", endete der blonde Gründer.
 

"Dad!", schniefte Shal scheinbar beleidigt, woraufhin er aus grauen und dunkelblauen Augen belustigt, aber auch erwartungsvoll angeblickt wurde, als auch Salazar sich in die ,Diskussion' einklinkte. "Godric hat Recht, Shal", meinte der dunkelhaarige Zaubertrank-Meister mit dem Hinweis auf die verblüfft blickenden Erwachsenen hinter den vier Jugendlichen, "du solltest zuerst unsere Gäste begrüßen und dich ihnen vorstellen, bevor du beginnst, Harry mit Fragen zu überschütten, Sohn."
 

"Ja, ja, ja", grummelte Shal vor sich hin, bevor er den Blick seiner grauen Augen auf Professor Dumbledore, Sirius, Severus sowie die Malfoys und Remus richtete und sie nacheinander einer genauen Betrachtung unterzog. Die Sechs ließen diese, sichtlich verblüfft über die Ähnlichkeit Shals mit Harry, wortlos über sich ergehen. Keiner von ihnen hatte erwartet, daß Harrys Vorfahr diesem wirklich fast bis aufs Haar gleichen würde, obwohl die Jugendlichen dies in ihrer Erzählung am Vorabend deutlich gemacht hatten.
 

"Seid willkommen", meinte Shal, nachdem er seine Musterung beendet hatte. "Verzeiht bitte meine Ungeduld, doch ich habe meine Gründe dafür. Doch um zu beweisen, daß ich durchaus gute Manieren besitze, möchte ich mich hiermit vorstellen - Halryon Shalsar zu Gryffindor-Slytherin. Meine Eltern - Lord Godric Gryffindor und Lord Salazar Slytherin." Am Ende seiner Vorstellung hatte Shal auf die beiden Gründer neben sich gewiesen, die über seinen Kopf hinweg einen Blick tauschten, bevor sie den Erwachsenen freundlich zunickten und auch Harry und seinen drei Freunden eine wortlose Begrüßung zukommen ließen.
 

Harry übernahm es, den Rest seiner Gruppe vorzustellen, da er bemerkte, daß selbst der Schulleiter seine Verblüffung angesichts der gerade stattgefundenen Szene zwischen Shal und seinen Vätern nicht ganz zu verbergen vermochte. Keiner von ihnen hatte erwartet, daß die Gründer so locker und voll offensichtlicher Liebe miteinander umgehen würden, wie es ihnen gerade demonstriert worden war.
 

Doch dann erwachten nach und nach Sirius, Severus und der Rest der Erwachsenen aus ihrem Erstaunen und rasch entspannen sich Gespräche zwischen ihnen und den Gründern und Shal. Andere aus der Gruppe - wie Lucius und Hermine zum Beispiel - wanderten sich neugierig umschauend durch den großen Raum und landeten schließlich wie von einem Magneten angezogen bei den Bücherregalen.
 

Harry hingegen hatte sich ein wenig zurückgehalten und die Interaktionen beobachtet, als Godric Gryffindor Professor Dumbledore als derzeitigen Schulleiter von Hogwarths Fragen zu stellen begann, wie heutzutage unterrichtet wurde, während Sirius mit Shal ein Gespräch angefangen hatte. Severus unterdessen unterhielt sich mit Salazar über Zaubertränke, da beide aufgrund ihrer Leidenschaft für dieses Fach sowie der Tatsache, daß Severus der Hauslehrer für Slytherin war, sofort Bezugspunkte gefunden hatten.
 

Es freute Harry, wie rasch auf beiden Seiten Akzeptanz da war, was die Gespräche viel einfacher gestaltete, als er es sich vorgestellt hatte. Auch die Erwachsenen schienen zuerst von Salazars freundlichem Wesen überrascht, doch gaben sie sich sichtliche Mühe, ihm unvoreingenommen zu begegnen. Als er daher bei einem forschenden Rundblick all seine Freunde und Familie beschäftigt vorfand, trat Harry kurz zu Remus, welcher wie er mehr eine Beobachtungsposition eingenommen hatte und zwischen den verschiedenen Gesprächsgruppen hin- und hersah.
 

"Remus, ich bin für eine Weile bei Azhura", sagte der junge schwarzhaarige Mann zu seinem älteren Freund, welcher ihn mit seinen bernsteinfarbenen Augen für einen Augenblick sorgenvoll betrachtete. "Bist du sicher, daß du allein gehen solltest, Harry?", fragte der Werwolf. "Ich kann dich gern begleiten..."
 

"Das wird nicht nötig sein, Remus. Hab' keine Sorge, Azhura wird mir nichts tun. Sie will mir nur den Rest ihrer Geschichte erzählen, damit ich weiß, wobei ich ihr helfen soll." Harry legte Remus beruhigend die Hand auf den Arm und fügte noch hinzu: "Ich weiß nicht, wie lange es dauern wird, doch ich komme dann wieder hierher. Ich denke, meine Abwesenheit wird ihnen", damit wies der Gryffindor auf den Rest der Anwesenden, "gar nicht auffallen." "Da könntest du für den Augenblick sogar Recht haben", schmunzelte Remus angesichts der lebhaften Gespräche.
 

Harry schenkte Remus ein Lächeln, bevor er sich verabschiedete und dann unbemerkt verschwand. Auf dem Nordturm angekommen, nutzte er das Lichtwandern, um sich in den Gang vor der Kammer des Schreckens, welche er jetzt als Salazars Labor kannte, versetzte. Mit einem tiefen Atemzug angesichts der trotz der neuen Erkenntnisse ziemlich düsteren Umgebung trat der Gryffindor dann in den Raum hinein und rief nach dem Basilisken.
 

{Azhura? Wo bist du?}, wollte Harry auf Parsel wissen, während er weiter in den Raum hineintrat. Er unterdrückte sein instinktives Unbehagen, als erneut Erinnerungen auf ihn einströmten. Trotzdem zuckte er leicht zusammen, als sich die Schatten am anderen Ende des Gewölbes zu bewegen begannen und sich ein großer Kopf von einem mächtigen zusammengerollten Leib erhob.
 

{Junger Herr?}, erklang Azhuras zischelnde Stimme.
 

{Harry...ich heiße Harry}, meinte der Gryffindor mit einem Kopfschütteln. {Ich bin wie versprochen gekommen, um mir den Rest deiner Geschichte anzuhören.}, erklärte er. Der Basilisk bewegte sich daraufhin aus den Schatten heraus auf Harry zu und kam nicht weit von ihm wieder zum Stillstand. Die riesige Schlange rollte sich zusammen und sah dann auf den jungen Mann, welcher sie so sehr an Shal erinnerte.
 

{Hast du mittlerweile Beweise für das gefunden, was ich dir erzählte?}, wollte sie wissen. Harry nickte bestätigend, bevor er sagte: {Ja, habe ich. Meine Freunden und mir ist es gestern gelungen, die verborgenen Privatgemächer von Godric, Salazar und Shal zu finden. Wir haben mit ihnen gesprochen - und jetzt gerade sind außer meinen Freunden gerade der Schulleiter und unsere Familien dort oben. Ich denke, dadurch bleibt uns genug Zeit, unser Gespräch zuende zu führen, bevor sie mich vermissen.}
 

{Du hast mit meinem Meister und seiner Familie gesprochen?}, wollte Azhura wissen. Harry fühlte einen Unterton von tiefer Sehnsucht in ihren Worten mitschwingen, was ihn zu der Frage veranlaßte: {Ja. Sag, warum bist du eigentlich hier unten und nicht ebenfalls in jenen Räumen? Wenn du, wie du neulich erzähltest, deine Größe und Gestalt willkürlich verändern kannst - was übrigens jetzt auch nicht schlecht wäre - hättest du doch gut dort die letzten Jahrhunderte verbringen können anstatt ganz allein hier unten.}
 

Azhura stieß ein zischelndes Seufzen aus. {Es war nicht mein Entschluß, die vielen Jahre allein zu verbringen, obwohl ich mit meinem Meister stets gern hier arbeitete, Harry. Doch wie es dazu kam, ist Teil der Geschichte, die ich dir noch erzählen werde. Mach' es dir ein wenig bequemer, denn es wird eine Weile dauern.}
 

Harry hob eine Augenbraue, widersprach jedoch nicht. Statt dessen ging er zu einer nahegelegenen Wand und ließ sich an ihr heruntersinken, bis er mit untergeschlagenen Beinen eine so bequeme Position gefunden hatte, wie es der harte Boden zuließ. Azhura hatte ihn währenddessen mit ihren goldgelben Augen beobachtet und legte nun ihren Kopf erneut auf ihrem zusammengerollten Leib ab, um ungefähr auf Augenhöhe mit Harry zu bleiben. Auf ein aufforderndes Nicken Harrys hin begann sie zu erzählen.
 

{Als wir uns das letzte Mal trafen, erzählte ich dir die Geschichte meines Lebens - jedoch nur insoweit, wie sie mit meinem Meister und seiner Familie zusammenhängt. Heute nun werde ich dir den Rest erzählen - den weitaus traurigeren Rest.} Azhura stieß erneut das seufzerartige Zischen aus, woraufhin Harry Mitgefühl in sich aufwallen fühlte. Doch er blieb still und wartete ab.
 

{Es würde an dieser Stelle zu weit führen, zu erklären, wie es dazu kam, daß mein Herr heutzutage als bösartiger Zaubermeister verschrien ist}, führte Azhura weiter aus, {doch sei gesagt, daß es zusammenhängt mit dem, was mich hier unten festhält.
 

Ich verbrachte viele schöne Jahrzehnte mit den Gründern und Shal in Hogwarths, wobei ich Letzteren aufwachsen sah. Doch auch als Lord Godric und mein Meister schließlich diese Welt verließen - und Shal seiner eigenen Bestimmung folgte - blieb ich in diesem Schloß, welches meine Heimat geworden war. Shal versuchte mich zu überreden, Fawkes und ihn bei ihren Wanderungen durch die damals bekannte Welt zu begleiten, doch ich war mir des schlechten Rufes meiner Art bewußt und hatte nicht den Wunsch, Hogwarths den Rücken zu kehren. Daher blieb ich hier, als ein Wächter und Beschützer.
 

Shal kehrte schließlich zurück und erzählte mir viel von seinen Reisen, auf denen er auch seine Frau kennengelernt und viele Freunde erworben hatte. Es folgten nach seiner Rückkehr noch einmal viele glückliche Jahre, als auch er Kinder bekam und somit die gemeinsame Blutlinie von Gryffindor-Slytherin weitergeführt wurde. Doch schließlich kam auch sein letzter Tag, wie es nun einmal der Lauf der Dinge ist. Seine Frau war Jahre vor ihm gestorben und ihre Kinder führten - wie die Nachfahren von Lord Godrics und Lord Salazars anderen Kindern - ihr eigenes Leben. Einige von ihn weit entfernt von Hogwarths.

Daher gab es für mich keine Aufgabe mehr und als ich bemerkte, daß Shal nicht mehr lange auf dieser Welt weilen würde, bat ich ihn, mich mit einem Zauber in einen Schlaf zu versetzen, bis eines Tages einer seiner Nachfahren mich erwecken würde, wenn er oder sie meine Hilfe brauchte. Shal zögerte zuerst, doch schließlich stimmte er zu und nutzte eine abgewandelte Form meines Versteinerungsblicks, um mir meinen Wunsch zu erfüllen.
 

Ich hatte mich in diesen Raum hier zurückgezogen, da ich viele glückliche Erinnerungen an meinen Meister und unsere gemeinsam verbrachten Stunden beim Zaubertrank-Zubereiten mit ihm verband. Ich wollte hier abwarten, ob ich eines Tages wieder für einen der Linie meines Meisters von Nutzen sein konnte.
 

Es vergingen viele Jahrhunderte, bis ich schließlich eines Tages aus dem Schlaf erwachte. Zuerst wußte ich nicht, wieviel Zeit vergangen war, doch ich fand es heraus. Fast ein ganzes Jahrtausend hatte ich seit jenem Tag, an dem mich Shal verzauberte, geschlafen. Und ich hatte keine Ahnung, was in dieser langen Zeit alles geschehen war - wie sich die Welt, die ich gekannt hatte, verändert hatte. Ich nutzte daher meine Fähigkeiten, um mir diese neue Welt anzuschauen und mich über ihre Veränderungen zu informieren.
 

Ich war verblüfft über viele Dinge, erstaunt über die Wandlungen, welche die Magierwelt durchlaufen hatte - doch vor allem war ich entsetzt darüber, was über Lord Salazar verbreitet wurde. Welch falsches Bild von meinem geliebten Meister existierte. Niemand wußte von seiner Liebe zu Lord Godric oder Shal, ihrem gemeinsamen Sohn. Die Geschichte hatte die Wahrheit in eine einzige Lüge verwandelt.
 

Doch was konnte ich schon dagegen tun? Ich kannte niemanden in dieser neuen Welt und wie ich herausgefunden hatte, existierten in der jetzigen Zeit noch mehr Vorurteile Schlangen - und besonders Basilisken - gegenüber, so daß ich es nicht wagen konnte, mich einem Zauberer zu nähern. Schlimmstenfalls hätten sie mich gejagt, bestenfalls gefürchtet. Daher beschloß ich, abzuwarten.
 

Ich wußte nicht, warum ich erwacht war - doch hatte ich Shal damals gebeten, in den Zauber einen weiteren einzuflechten, der mich alarmieren würde, wenn einem seiner Nachfahren Gefahr drohte. Wie ich einst Shals Wächter und Beschützer gewesen war, so wollte ich dies auch für seine Nachkommen tun, wenn sie mich ließen. Daher kam ich zu dem Schluß, daß auch nach über 900 Jahren noch ein Erbe Shals existierte und damit auch meines Meisters. Dieser Gedanke erfreute mich sehr und ich suchte nach Hinweisen, wer der- oder diejenige war, der das Blut von Gryffindor-Slytherin in sich trug. Doch da ich mich niemandem zeigen konnte, dauerte es elf Jahre, bis ich erste konkrete Hinweise erhielt - denn ich spürte eines Tages, wie jemand, dessen magische Signatur der Shals sehr ähnlich war, Hogwarths betrat. Dies konnte nur bedeuten, daß sein Nachfahre endlich gekommen war, um im Schloß seiner Vorväter seine Ausbildung zu erhalten - so, wie es einst zur Zeit meines Meisters gewesen war.}
 

An dieser Stelle verstummte Azhura für einen Moment und auch Harry blieb still, während sich in seinem Kopf die Gedanken überschlugen. Ihm war bewußt, was Azhura andeutete...wenn er ihre Erzählung richtete deutete, war der Grund ihres Erwachsens die Ereignisse jenes Tages gewesen, an dem er als Baby Voldemort besiegte. Die tödliche Gefahr, welche sie gespürt hatte, war der Todesfluch gewesen, welcher Harry seine Eltern nahm und ihn selbst als eine Berühmtheit in der Zaubererwelt, jedoch ohne wirkliche Familie zurückließ.
 

{Du bist erwacht, weil mein Vater beziehungsweise ich in Gefahr waren, als Voldemort uns angriff - und Dad tötete...}, sagte Harry leise. Azhura nickte ihren mächtigen Kopf und bestätigte: {Das ist richtig, junger Herr. Auch dein Vater war ein direkter Nachfahre Shals, so daß mein Erwachen einen zweifachen Grund hatte - die Dringlichkeit meines ,Weckrufs' war dadurch doppelt groß. Es tut mir sehr leid, daß ich weder ihn noch dich - oder vielmehr den Harry dieser Welt - vor dem Schicksal jenes Tages bewahren konnte.}
 

Harry dankte Azhura für ihre bedauernden Worte mit einem dankbaren Nicken, dann sammelte er sich für einen Moment, um die Gedanken an den Tod seiner Eltern wieder mehr in den Hintergrund seiner Überlegungen zu schieben. Nach ein paar Augenblicken hatte er sich wieder soweit gefangen, daß er fortfahren konnte. {Du hast hier also über zehn Jahre nach Harry gesucht? Und dann wurde er eingeschult, wodurch er ständig in Hogwarths war. Vorher war er doch aber sicher auch manchmal hier...}, endete Harry seine Schlußfolgerungen etwas verwirrt.
 

{Das mag schon sein, Harry. Doch ich spürte ihn erst, als Hogwarths auf ihn reagierte - und dies geschah natürlich auch erst nach einer gewissen Weile. Dieses Schloß ist sehr, sehr alt und dementsprechend reagierte auch sein Bewußtsein erst allmählich auf die Anwesenheit eines Erben nach so langer Zeit. Jedenfalls}, machte sich Azhura an die Fortführung ihrer Erzählung, {begann ich vorsichtig nach derjenigen Person zu suchen, welche ich spürte. Bei den vielen Schülern war das kein leichtes Unterfangen, doch ich wußte, daß ich mich auf die Erstkläßler konzentrieren konnte. Dennoch brauchte ich das ganze Schuljahr, um die nötigen Informationen zu erlangen, welche auf dein Gegenstück hinwiesen.

Doch bevor ich einen Weg gefunden hatte, wie ich ihn am besten kontaktieren sollte, um ihn über seine Ahnenreihe zu informieren, gerieten er und seine Freunde in ein sehr gefährliches Abenteuer um einen magischen Stein, welcher Unsterblichkeit verleihen sollte...}
 

{Der Stein der Weisen}, merkte Harry an. {Dann gab es diese Ereignisse in dieser Welt wohl auch. Schon seltsam, daß manches so verschieden von meiner Realität ist, andere Dinge aber anscheinend gleich blieben.}
 

{Dann weißt du also, was geschah. ,Harry' und seine Freunde suchten den Stein vor Professor Quirrel zu schützen, welchen sie in Verdacht hatten, unter einem Bann zu stehen. Ihre Vermutung erwies sich als richtig, auch wenn keiner von ihnen angenommen hatte, daß Voldemort nach Jahren wieder auftauchen würde - man hielt ihn schließlich für besiegt. Jedenfalls war mir nach jenen Ereignissen klar, daß ,Harry' Shals Erbe war und ich beschloß, mir während der Sommerferien zu überlegen, wie ich mich verhalten sollte - wie ich ihm seine Ahnenreihe übermitteln konnte, ohne, daß er mich aufgrund der herrschenden Meinung über Schlangen als böse und gefährlich einstufte und damit meinem Bericht mit Vorurteilen gegenüberstand.
 

Doch dazu sollte es nicht mehr kommen, denn Voldemorts Kontrolle über Professor Quirrel war zwar durch die Geschehnisse um den Stein der Weisen gebrochen worden, doch hatte er unglücklicherweise noch so viel Kraft, daß er auf mich aufmerksam wurde. Er erkannte das Machtpotential, welches ihm ein Basilisk verschaffen konnte und suchte mich zu überzeugen, daß er ein Erbe Lord Salazars war. Ich gebe zu, ich war verwirrt, als er mit mir Parsel sprach...diese Gabe ist recht selten, wenn auch lange nicht so rar, wie es heutzutage verbreitet wird. Bei den Menschen ist es in den letzten Jahrhunderten allgemein selten geworden, daß sie eine nicht-menschliche Sprache sprechen können.
 

Daher überlegte ich, ob es möglich wäre, daß er wirklich ein Nachfahre Lord Salazars sein konnte - vielleicht durch seine Söhne aus erster Ehe. Doch je länger ich in seiner Gesellschaft zubrachte, desto mehr spürte ich eine magische Aura an ihm, die der meines Meisters in keinster Weise ähnlich war. Ganz im Gegenteil, etwas an ihm stieß mich instinktiv ab. Was der Grund war, warum ich mich schließlich weigerte, mich an ihn zu binden, als er dieses Thema zur Sprache brachte. Hätte ich zugestimmt, daß er mich magisch an sich band, wie er es vorhatte, hätte ich ihm zu Diensten sein müssen - was horrende Folgen hätte nach sich ziehen können. Doch daß er dieses Thema überhaupt anschnitt, war der letzte Beweis, daß er auf keinen Fall ein Nachkomme Lord Salazars sein konnte, denn dieser hatte es stets vehement abgelehnt, anderen Geschöpfen ihren freien Willen zu rauben. Und nichts anderes wäre diese Bindung gewesen.
 

Wie gesagt, ich widersetzte mich ihm und teilte ihm mit, daß ich meine Kräfte statt dessen jemandem anderen freiwillig anbieten würde - diese meine Ablehnung erzürnte ihn so sehr, daß er seine letzten Kräfte dazu nutzte, mich zu verfluchen. Ich versuchte, mich zu wehren, doch hatte ich letzten Endes keine Chance gegen ihn.}
 

{Was für einen Fluch hat er über dir verhängt?}, wollte Harry wissen, der Azhuras Bericht gespannt zugehört hatte. {Ich bin erstaunt, daß er dich überhaupt am Leben ließ, wo du doch deutlich gemacht hattest, daß du nicht nur ihm nicht helfen wolltest, sondern sogar vorhattest, einem eventuellen Gegner von ihm zur Seite zu stehen}, fügte er noch hinzu.
 

Azhura stieß ein ärgerliches Zischen aus, bevor sie antwortete: {Oh, er versuchte es. Doch ich bin mittlerweile zu alt und daher zu mächtig, um durch den Todesfluch verletzt zu werden. Doch der Fluch, den er dann über mir aussprach, war viel perfider als ein schneller Tod durch das Aveda Kedavra. Er band mich mit einem alten magischen Zauber an dieses Gewölbe und wob gleichzeitig einen Abwehrzauber hinein. Kein Lebewesen in Hogwarths, welches nicht von meiner Existenz wußte, würde mich jemals finden oder hören können. Er verhöhnte mich mit dem Wissen, daß nur eine Person, die von mir wußte, mich würde hören können - eine Person, die Parsel versteht, wohlgemerkt.}
 

Harry zuckte zusammen, als ihm aufging, daß die Chance gleich Null gewesen wäre, daß Azhura jemals von dem Fluch befreit worden wäre...wäre nicht er durch eine sonderbare Verstrickung von Schicksal und Zufall in dieser Realität gelandet. Für einem Augenblick schoß ihm der Gedanke durch den Sinn, daß es vielleicht hatte sein sollen, daß er diese Wirklichkeit besuchte - um Azhura zu befreien.
 

{Das war wirklich ein äußerst teuflischer Plan, Azhura}, sagte Harry. {Selbst wenn jemand durch Zufall - zum Beispiel in einem alten Buch - auf deine Existenz gestoßen wäre, hätte es noch den Umstand gegeben, daß jene Person zusätzlich Parselmund sein müßte, um dich überhaupt hören und verstehen zu können. Die Wahrscheinlichkeit war gleich Null.}
 

{So ist es, junger Herr. Dennoch hoffte ich über die verstreichenden Jahre hinweg, daß vielleicht die junge Freundin von ,Harry', Miss Hermine, eine Erwähnung meiner Person bei ihren intensiven Studien der Bücherei von Hogwarths finden würde. Denn sie würde ihr Wissen sicher mit ihren Freunden teilen, woraufhin ,Harry' vielleicht meine Rufe um Hilfe hören würde. Doch während der letzten vier Jahre, seitdem der Fluch über mich verhängt wurde, geschah nichts. Bis du kamst, Harry.}
 

"Dies beweist einmal mehr, wie abgrundtief böse Voldemort ist", murmelte Harry erschüttert vor sich hin, als ihm bewußt wurde, wie einsam und auch verzweifelt sich Azhura gefühlt haben mußte, als sie weder Salazars ehemaliges Labor verlassen noch 'Harry' von seiner wahren Ahnenreihe erzählen konnte. Oder in der Lage war, diesen vor Gefahren zu beschützen, wie sie es einst geschworen hatte. Es mußte sehr hart für sie gewesen sein, die folgenden Jahre zu verbringen, wo sie doch wußte, es gab einen Erben ihres ehemaligen Meisters - dem sie jedoch nicht zur Seite zu stehen vermochte, da sie durch den Fluch gefesselt war.
 

{Es tut mir sehr leid für dich, daß du so lange warten mußtest, bis du von dem Fluch befreit werden kannst}, sprach der Gryffindor dann auf Parsel zu der ihn aufmerksam betrachtenden Schlange. {Es muß dir nicht leidtun, junger Erbe}, erwiderte Azhura. {Denn schließlich können weder du noch dein Gegenstück für die Boshaftigkeit eures Feindes - und nun habe ich ja die Chance, diese Kammer zu verlassen, wenn du bereit bist, mich zu befreien.}
 

Harry blinzelte, dann nickte er heftig. {Aber natürlich werde ich dir helfen}, meinte er, während er sich rasch erhob. {Ich habe bis jetzt keine guten Erfahrungen mit Schlangen gemacht, doch du hast dich von Anfang an freundlich und ehrlich mir gegenüber verhalten, Azhura. Und du hast mir eine Familie geschenkt, welche zwar gewöhnungsbedürftig ist, auf die ich aber schon jetzt sehr stolz bin. Es ist ein so schönes Gefühl, nicht mehr allein zu sein - und vielleicht kann ich ja auch dafür sorgen, daß der Name von Salazar reingewaschen wird.}
 

{Das ist nobel von dir, Harry. Doch ich hatte im Grunde nichts anderes von dir erwartet. Ich habe, soweit es mir in den letzten Jahren möglich war, dein Gegenstück beobachtet, wodurch ich erkennen konnte, daß er - und damit auch du - Shal sehr ähnlich ist in seinen Ansichten.}
 

Harry lächelte, als er hörte, daß er anscheinend nicht nur eine äußerliche Ähnlichkeit mit seinem Vorfahren teilte. Dann legte er den Kopf schief und sah Azhura fragend an. {Wie kann ich diesen Fluch brechen, der dich gefangen hält?}, wollte er wissen. {Auch wenn meine Magie in den letzten Tagen große Fortschritte gemacht hat, so bin ich dennoch noch sehr ungeübt in ihrer Anwendung - ich bin nicht sicher, ob ich einen mächtigen Fluch umkehren kann, um dir zu helfen.}
 

{Hab' keine Sorge deswegen, junger Herr}, beruhigte ihn Azhura, bevor sie langsam näherglitt. Und obwohl sie noch immer ob ihrer Größe eine gewisse Bedrohlichkeit ausstrahlen konnte, fühlte sich Harry in ihrer Gegenwart doch nicht mehr übermäßig wachsam oder eingeschüchtert. Vielmehr sagte ihm sein Gefühl, verstärkt durch seine nunmehr erwachte Empathie, daß Azhura ihm nicht schaden würde. Auch ihre Geschichte hatte dies belegt - immerhin hatte sie seinem Gegenstück gegen Gefahren beistehen wollen, woraufhin sie so bitter dafür büßen mußte. Azhura war eine Verbündete, so unwirklich dies im ersten Augenblick auch angesichts der Tatsache, daß sie ein Basilisk war, erscheinen mußte. Doch wie Harry schon so hatte feststellen können, war sein Leben bizarr - und daher war eine tödliche Schlange als Freundin nicht weiter verwunderlich.
 

{Was soll ich tun?}, wiederholte Harry, als Azhura dicht vor ihm erneut verharrte und ihren Leib wieder enger zusammenrollte. Auch sie hatte bemerkt, daß Harry keine Furcht mehr vor ihr hatte und war darüber erfreut, was sie nicht verhehlte.
 

{Du kannst erlauben, daß ich dir das gleiche Vertrauen zeige, welches du vor wenigen Tagen gewillt warst, mir zu schenken}, begann die Schlange, darauf anspielend, daß Harry ihr auf ihre Versicherung hin, daß ihm nichts geschehen würde, in die Augen geblickt hatte. {Ich möchte dir ein Geschenk machen, Harry...und ich hoffe, du wirst es akzeptieren.}
 

{Ein Geschenk?}, wiederholte Harry verblüfft. {Aber wie kommst du denn jetzt auf so etwas - ich bin doch hierher gekommen, um dir zu helfen und nicht umgekehrt ein Geschenk zu bekommen!}
 

{Laß mich es dir bitte erklären. Ich habe dir doch berichtet, daß Voldemort von mir eine magische Bindung an sich verlangte. Damit hätte er mich unter seiner Kontrolle gehabt, wodurch ich mich dieser Handlung natürlich strikt verweigerte. Merlin allein weiß, was er alles Böses hätte anrichten können, wenn ihm meine tödlichen Gaben zur Verfügung gestanden hätten...}, seufzte Azhura auf, bevor sie fortfuhr: {Durch mein hohes Alter ist mein Gift und mein Blick, wie du vor einigen Tagen schon richtig bemerktest, hochgradig gefährlich...wenn nicht sogar sofort tödlich. Daher wäre eine Bindung an ihn nicht nur demütigend für mich gewesen, sondern auch sehr gefährlich für 'Harry'. Ich wäre, ohne damit jetzt angeben zu wollen, eine sicher kaum zu überwindende Bedrohung für ihn gewesen - wodurch diese Idee bei Voldemort wohl auch erst aufkam, als er meiner ansichtig wurde.}
 

Harry war während Azhuras letzten Worten leicht blaß geworden, denn nun wurde ihm langsam klar, was in seinem zweiten Schuljahr passiert war. Er hatte schon damals daran gezweifelt, daß der Basilisk aus eigenem Willen so hinter ihm hergewesen war. Voldemorts sechzehnjähriges Ich hatte es ihm in Parsel befohlen, doch selbst, als Harry der Schlange gegensätzliche Befehle zu geben versuchte, klappte es nicht. Und nun wußte der Gryffindor auch, wieso. Der Basilisk stand damals durch eine magische Bindung gefesselt unter Voldemorts Kontrolle.
 

{Bevor du weitersprichst, muß ich dir etwas erzählen}, begann Harry, sich auf einmal schuldig fühlend. {Durch deine Erzählung ist mir vieles klargeworden, was mir vorher oft Kopfzerbrechen verursacht hat.} Harrys holte kurz tief Luft, als in ihm erneut Erinnerungen an die Ereignisse vor drei Jahren aufstiegen.
 

Als er Azhuras neugierigen Blick sah, erklärte er daher etwas zögernd: {In meinem zweiten Schuljahr gab es in meiner Realität große Aufregung um ein Monster in den Mauern von Hogwarths, welches Schüler angriff und versteinerte. Letztendlich - um hier nicht zu sehr ins Detail über jene Vorgänge gehen zu müssen - stellte sich heraus, daß dein Gegenstück dahinter steckte. Es gehorchte den Befehlen von Voldemorts 16jährigem Ich, der einen Teil von sich in einem Tagebuch verwahrt hatte, welches wiederum in den Besitz der Schwester meines besten Freundes geriet und es ihm auf diese Weise möglich machte, auch sie zu beeinflussen. Auf der Suche nach Ginny gelangte ich in dieses Gewölbe hier, welches in meiner Welt den Namen 'Kammer des Schreckens' trägt. Dort hetzte Voldemorts jüngeres Ich dein Gegenstück auf mich, um mich zu töten. Ich konnte mich durch Fawkes' Hilfe retten...doch...ich...}, Harry verstummte, da er nicht wußte, wie er weitererzählen sollte. Wie erzählte man jemandem, daß mein sein anderes Ich getötet hatte?
 

Azhura blickte ihm einen langen Moment schweigend in die schuldbewußt niedergeschlagenen Augen, dann seufzte sie zischelnd. {Ich verstehe, junger Herr. Bitte mach dir keine Vorwürfe, Harry, denn du handeltest aus Notwehr, um dein eigenes Leben zu schützen. Du mußtest mein anderes Ich töten, um nicht selbst getötet zu werden. Es ist ein kleines Wunder, daß du nicht - wie sicher von deinem Feind beabsichtigt - Opfer ihres Giftes wurdest.}
 

Harry zuckte bei der Erwähnung des Giftes zusammen und griff unwillkürlich an die Stelle an seinem Arm, wo sich der lange Zahn des Basilisken damals in seine Haut gebohrt hatte. Der Schmerz, den er empfunden hatte, war nach drei Jahren nur noch eine Erinnerung, doch das unangenehme Gefühl, dem Tod an jenem Tag sehr nahe gewesen zu sein, war noch immer deutlich in seinem Gedächtnis.
 

{Oh. Sie hat dich gebissen...und du hast es überlebt}, schlußfolgerte Azhura aus Harrys instinktiver Reaktion. {Fawkes hat dich gerettet, nicht wahr? Seine Heilkraft ist sehr groß, vor allem, da auch er über die Jahrhunderte stärker wurde. Nur ein Phönix ist in der Lage, den Biß eines Basilisken zu heilen. Ich bin sehr froh, daß wenigstens er dir treu blieb, wo doch mein Gegenstück es nicht war.}
 

Harry blickte nunmehr auf und nickte zustimmend. {Ja, Fawkes hat mir geholfen. Er brachte mir Asvandril, um mich verteidigen zu können und lenkte den Basilisken so lange von mir ab, daß ich ihn...unschädlich...machen konnte. Dennoch wäre ich am Biß deines anderen Ichs gestorben, hätte Fawkes mir nicht durch seine Tränen das Leben gerettet. Es tut mir sehr leid, was ich tun mußte, doch wie du schon sagtest, hatte ich leider keine andere Wahl - doch durch deine Erzählung verstehe ich jetzt auch, warum der Basilisk nicht auf meine Worte reagierte, obwohl ich doch genau wie Voldemort Parsel sprach. Durch die magische Bindung war es ihm nicht möglich, sich Voldemorts Anweisungen zu widersetzen, selbst wenn dein anderes Ich in der Zwischenzeit vielleicht erkannt hatte, wer ich in Wirklichkeit war.}
 

Harry fuhr sich durch die nachtschwarzen Haare und grollte leise vor sich hin: {Noch jemand, der sterben mußte, weil er eigentlich auf meiner Seite stand... wird das denn immer so weitergehen? Egoistischer, machthungriger Bastard...}
 

{Harry, beruhige dich. Was geschehen ist, ist geschehen. Es ehrt mich, daß du imstande bist, meinem Gegenstück ihr falsches Handeln zu verzeihen... es zeigt eine vergebende Seele}, zischte Azhura, während sie ihren langen Körper in einem lockeren Kreis um den Gryffindor herumwand. Als Harry ihr daher aus nächster Nähe in die goldgelben Augen schaute, sah er zwar Bedauern in ihrem Blick, aber keine Anschuldigung.
 

{Verzeihst du mir denn mein Tun?}, wollte Harry dennoch wissen.
 

{Es gab keinen anderen Ausweg aus deiner Situation, junger Herr. Das verstehe ich durchaus, obwohl es sehr traurig ist, zu wissen, daß ich in deiner Realität dadurch nicht nur nicht von Nutzen für dich war, sondern sogar eine Bedrohung für dein Leben darstellte}, erwiderte die Schlange beruhigend. Harry hob instinktiv die Hand und fuhr damit leicht über die glatte Schuppenhaut Azhuras, als könne er sie dadurch trösten. Der Basilisk ließ sich die behutsame Berührung nur zu gern gefallen - viel zu lange hatte sie auf den Kontakt zu anderen Wesen verzichten müssen. Und Harry erinnerte sie in seiner freundlichen, behutsamen Art erneut an Shal. Dies jedoch brachte Azhura zurück zu ihrem eigentlichen Thema.
 

{Nun, da wir dies geklärt haben, laß mich dir erläutern, auf welche Weise du den Bann über mich brechen kannst, Harry}, sprach sie daher nach einer Weile nachdenklichen Schweigens den Gryffindor erneut an. {Ich habe die Bindung, welche Voldemort von mir forderte, nämlich noch aus einem anderen Grund erwähnt. Ich möchte, daß du eine solche magische Bindung mit mir vornimmst, junger Herr.}
 

Harry zog nach diesen Worten seine Hand zurück, als hätte er sich an Azhuras Schuppen verbrannt und blickte die Schlange aus weitaufgerissenen Augen entsetzt an. {WAS? Aber wieso?}, wollte er wissen.
 

{Weil es die einfachste Möglichkeit ist, den Bann zu brechen. Wenn du und ich magisch gebunden sind, wird der Fluch automatisch gebrochen, da das Blut der Gründer Hogwarths' in dir fließt und du auf diese Weise dem Zauber, der mich gefangen hält, entgegenwirken kannst. Ihre Magie wird dir dabei helfen.}
 

Harry blinzelte nach dieser Erklärung verwundert, doch war er nicht einverstanden mit dem, was Azhura ihm vorschlug. {Aber du hast doch eben gerade gesagt, daß durch eine solche Bindung eine Abhängigkeit entsteht! Ich will nicht, daß du tun mußt, was ich dir sage - ich werde dir nicht deinen freien Willen rauben, Azhura!}, widersprach er hartnäckig. {Es muß einen anderen Weg geben, dich zu befreien...die magische Bindung würde dich zwar aus der Gefangenschaft hier unten befreien - doch nur, um gleich darauf in eine andere Art von Gefängnis zu geraten. Das wäre Unrecht.}
 

Azhura betrachte ihn wiederum lange Augenblicke ohne ein Wort zu sagen, doch dann sprach sie erneut. {Du bist wirklich etwas Besonderes, junger Herr. Nicht viele Zauberer würden zögern, einen Basilisken an sich zu binden...einem magischen Wesen meiner Gefährlichkeit Befehle erteilen zu können...}
 

{Du bist ein eigenständiges, empfindungsfähiges Wesen mit Intelligenz und sicher großer Weisheit nach den vielen Jahrhunderten deiner Existenz, Azhura}, versuchte Harry seinen Standpunkt zu verdeutlichen. {Wie könnte ich es mir daher anmaßen, dir meinen Willen aufzwingen zu wollen? Ich verabscheue die Art und Weise, wie Voldemort versucht, andere Geschöpfe zu unterjochen, um dadurch Vorteile für sich selbst zu erlangen...so wie er will und werde ich niemals handeln. Außerdem wäre es demütigend für dich, deines freien Willens beraubt zu werden. Ich denke auch nicht, daß meine Vorfahren oder Shal besonders glücklich darüber wären, wenn sie davon erführen. Nein, Azhura, es muß einen anderen Weg geben. Bitte, ich werde mich auch anstrengen...}
 

{Bei Merlin, die guten Eigenschaften deiner Ahnen sind wirklich sehr stark in dir, Herr}, meinte Azhura voller Bewunderung und wachsendem Respekt. {Ich danke dir für deine Sensibilität für meine Gefühle, doch sei versichert, daß von vornherein ein großer Unterschied zwischen einer Bindung an dich und der an Voldemort bestanden hätte. Dir habe ich sie aus freiem Willen angeboten - er forderte sie aus einem fehlgeleiteten Anspruch heraus. Doch da ich merke, daß du von deinem Widerstand nicht abzubringen bist}, Azhura blickte Harry noch einmal fragend an, woraufhin dieser stur den Kopf schüttelte, {biete ich dir einen Kompromiß an.}
 

Nach diesen Worten blickte Harry interessiert drein, was den Basilisken dazu veranlaßte, deutlicher zu werden. {Ich denke noch immer an eine magische Bindung, doch die einseitige Abhängigkeit kann in beiderseitigem Einverständnis umgangen werden - nämlich dadurch, daß du während des Rituals meine Unterordnung ablehnst und uns beide zwar bindest, mir aber gleichzeitig meine freie Entscheidungsfähigkeit erhältst.}
 

Nun war Harry definitiv interessiert und machte eine Geste, daß Azhura weitersprechen sollte. {Das hört sich schon viel besser an, Azhura}, meinte der Gryffindor. {Wie vollziehen wir dieses Ritual und wie lautet der Zauber, den ich sprechen muß?}
 

{Dazu brauchst du meines Meisters persönliche Waffe, junger Herr}, erwiderte die Schlange, woraufhin Harry sie neugierig anblickte. {Salazar hatte also wirklich wie Godric eine bevorzugte Waffe?}, fragte der junge Mann voller Interesse. {Aber ja, natürlich}, erwiderte Azhura. {Auch wenn er nicht wie Lord Godric vorrangig ein Kämpfer und Beschützer, sondern ein Heiler war, so besaß mein Meister dennoch eine magische Waffe, 'Erythril'. Auch sie gehört, wie Asvandril, jetzt zu deinem Erbe.}
 

"Erythril", wiederholte Harry nachdenklich. Der Name der Waffe brachte eine Saite in ihm zum Klingen und wie vor wenigen Tagen, als er Asvandril magisch an sich band, spürte der junge Gryffindor eine unerwartete Vertrautheit mit einer Waffe, die er bis jetzt nicht einmal gesehen hatte. Doch plötzlich formte sich ein Bild vor seinem inneren Auge. Das Bild eines silbernen Dolches, dessen Heft mit Smaragden ausgelegt war und dessen zweischneidige Klinge wie pures Mondlicht funkelte.
 

Harry schreckte aus seiner unerwarteten Vision auf und blickte Azhura blinzelnd an: {Ich glaube, daran muß ich mich erst noch gewöhnen}, zischte er leise in Parsel. {Diese plötzlichen Bilder und das Wissen, welches ich seit kurzem schon bei der bloßen Erwähnung mancher Dinge zu erhalten scheine...das ist wirklich gewöhnungsbedürftig.} Harry schüttelte leicht den Kopf, als wolle er sich von ebengenannten Bildern befreien, dann fuhr er fort: {Es ist ein Dolch, nicht wahr? Erythril ist ein silberner Dolch, mit Edelsteinen verziert. Ganz ähnlich wie Asvandril, nur statt in Gold mit Rubinen eben Silber mit Smaragden.}
 

{Ganz recht, junger Herr}, bestätigte Azhura mit einem zufrieden klingenden Unterton. {Was dein plötzlich aufkommendes Wissen betrifft, so liegt dies an deinem Blut, Harry. Bei hochrangigen Zaubererfamilien werden nicht nur gewisse Gaben und Fähigkeiten weitervererbt, sondern auch Wissen. Es liegt an ihrem Blut, welches ihnen derartige Talente verleiht. Und deine Familie geht immerhin auf Merlin zurück, welcher einer der größten - wenn nicht sogar der größte - Magier in der Geschichte der Zaubererwelt war. Da verwundert es mich nicht, daß du weißt, was für eine Waffe Erythril ist, obwohl du sie noch nie zuvor gesehen hast.}
 

Harry hob nach dieser Erklärung die Augenbrauen, schwieg jedoch, denn Azhura hatte Recht. Dann blickte er die riesige Schlange neugierig an. {Wo ist Erythril denn versteckt, Azhura? Salazar sagte, er habe hier unten im Labor ein geheimes Versteck angelegt, wo seine Familienschätze lagern.} An dieser Stelle erinnerte sich Harry an einen weiteren Grund, der ihn hierher gebracht hatte und er fügte seiner Rede noch hinzu: {Auch das Stammbuch der Familie Slytherin soll in diesem Versteck liegen. Ich wollte es mit nach oben in die Räumlichkeiten meiner Vorfahren nehmen, damit die drei Ahnenbücher zusammen sind.}
 

Azhura bewegte ihren mächtigen Kopf zustimmend auf und ab, bevor sie sich in Richtung einer der hinteren Wände bewegte, wo von zwei Halbsäulen, die mit der Wand dahinter verbunden waren, eine Art Alkoven geschaffen wurde. Dort hielt sie an und blickte Harry auffordernd an, welcher daraufhin zu ihr trat und die Dunkelheit in der Nische mit seinen Augen zu durchdringen versuchte.
 

{Ich verstehe nicht}, meinte er dann zu Azhura.
 

{Das Versteck wurde von meinem Meister gut getarnt, damit es nur jemand finden würde, der zu seiner Familie gehört und damit ein Anrecht auf die in dem Versteck verborgenen Schätze hat}, erklärte Azhura. {Lege deine Hände auf je eine der Säulen, junger Herr, genau über die dort eingravierten Schlangen}, fügte sie noch hinzu. Harry runzelte zuerst verwirrt die Stirn, doch als er genauer hinsah, konnte er genau auf Augenhöhe filigran eingravierte Schlangen sehen, welche auf dem steinigen Untergrund jedoch kaum auszumachen waren.
 

Der schwarzhaarige junge Mann folgte Azhuras Anweisung und legte seine Hände auf die Gravuren, woraufhin zuerst überhaupt nichts geschah. Doch dann, als Harry schon nach einer Erklärung fragen wollte, erwärmten sich die Schlangen unter seinen Händen und grünes Licht füllte die dünnen Linien der Gravuren aus, wodurch die in der Nische herrschende Dunkelheit mehr und mehr wich. Harry nahm nach einem zustimmenden Nicken von Azhura seine Hände wieder von den Säulen.
 

Fasziniert betrachtete er die grünschimmernden Schlangengravuren, welche nunmehr über den grauen Stein zu gleiten begannen und sich schließlich auf der Steinwand in der Mitte trafen. Sie umkreisten sich, bevor jede von ihnen sich in den Schwanz biß, wodurch zwei miteinander verbundene Kreise entstanden, welche eine waagerecht liegende Acht bildeten. Dies war eines der Symbole für Unendlichkeit, erinnerte sich Harry. Bevor er jedoch über den Sinn dieses Zeichens nachgrübeln konnte, ertönte ein leises Klingen und ein Teil der Nische verschob sich nach hinten in den massiven Stein hinein.
 

Dadurch wurde etwa einen Meter über dem Boden ein Hohlraum sichtbar, in dessen Mitte eine große Truhe stand, auf deren Beschlägen man die Initialen von Salazar Slytherin erkennen konnte. Harry reichte in den Hohlraum hinein und faßte die Truhe an ihren Beschlägen, um sie herausheben zu können. Wenig später war es ihm gelungen, die überraschend leichte Truhe an sich zu nehmen und er trug sie weiter ins Licht des Gewölbes hinein. Neugierig auf den Inhalt der Truhe, öffnete der junge Gryffindor diese.
 

Und da war er. Genauso wie Harry ihn vor wenigen Minuten in seinem Geist vor sich gesehen hatte, funkelte der edelsteinbesetzte Dolch silbern wie flüssiges Mondlicht auf dem grünen Samt, mit dem die Truhe innen ausgeschlagen war. Magie entströmte der Waffe, alt und mächtig, jedoch nicht bedrohlich. Fasziniert von der Schönheit des Dolches und der Vertrautheit, welche der Anblick der magischen Waffe in ihm auslöste, hielt Harry instinktiv seine Hand etwa einen Meter über der Truhe und konzentrierte sich. Und obwohl er dabei die Augen schloß, wußte er, was geschah - er spürte, wie Erythril, genauso wie Asvandril vor wenigen Tagen, auf seinen Ruf reagierte. Er fühlte, wie eine Welle uralter - fremdartiger und doch gleichzeitig so vertrauter - Magie zu ihm zurückbrandete, als er auf seine 'Frage' eine Antwort erhielt. Und ihm nächsten Augenblick schlossen sich seine Finger unwillkürlich um das Heft des Dolches, als Erythril in seiner Hand materialisierte und damit seinen Besitzanspruch bestätigte.
 

{Sehr gut, junger Herr}, brachte sich Azhura bei Harry wieder in Erinnerung, der daraufhin von dem silbernen Dolch in seiner Hand zu der riesigen Schlange aufsah, welche neben ihm aufgetaucht war, während er die Bindung an Salazar Slytherins ehemalige Lieblingswaffe vollzog.
 

{Es war so einfach - als wäre Erythril genauso für mich gemacht wie Asvandril}, entfuhr es Harry staunend und voller Ehrfurcht. {Ich spüre so viel Magie in dieser Waffe, ganz so wie in Godrics Schwert. Ich hoffe, ich werde mich ihrer würdig erweisen und meinen Ahnen keine Schande machen.}
 

{Sei unbesorgt, Harry}, beruhigte ihn Azhura. {Erythril wäre deinem Ruf nicht gefolgt, wenn du seiner nicht würdig wärest, ganz so wie Asvandril sich dir verweigert hätte...doch beide erwählten dich als ihren neuen Träger, da die in ihnen enthaltene Magie die deine erkennt und akzeptiert.}
 

Ein dankbares Lächeln des schwarzhaarigen Gryffindors war die Antwort auf diese beruhigenden, aber auch vertrauensvollen Worte des Basilisken. Dann jedoch hob Harry die Hand, in welcher er Erythril hielt, ein wenig an und fragte: {Und nun, Azhura? Jetzt habe ich Salazars Waffe...wie geht es jetzt weiter?}
 

Als Antwort darauf schlängelte sich Azhura um Harry herum und legte ihren Kopf vor ihm auf dem Boden ab. {Nimm den Dolch und löse mit ihm ein paar meiner Schuppen, junger Herr}, begann sie zu erläutern. Harry zögerte. {Wird dir das nicht wehtun, Azhura?}, wollte er wissen.
 

{Nein, hab' keine Sorge. Erythril ist zwar eine Waffe, aber ihre Magie ist heilender Natur. Wenn du den Dolch meines Meisters benutzt, wirst du mir keinen Schaden zufügen.} Noch immer leicht zögernd, aber Azhuras Worten dennoch Glauben schenkend, fuhr Harry behutsam mit der Spitze des silbernen Dolches am äußeren Rand einer der kleineren Schuppen auf dem mächtigen Schädel des Basilisken entlang. Kaum berührte die Klinge die dunkle Haut der Schlange, begann silbernes Licht von ihr auszuströmen, welches von Erythrils scharfer Schneide auf Azhura überging und die von Harry ausgewählte Schuppe löste.
 

Genauso verfuhr der Gryffindor noch mit zwei weiteren Schuppen, bevor Azhura ihn innehalten ließ. {Das ist genug, junger Herr. Jetzt lege deine Hand auf die Stelle, wo du meine Schuppen entfernt hast und sprich mir dann nach.} Harry tat wie ihm geheißen und wiederholte dann die lateinischen Worte, welche der Basilisk ihm vorsprach. Es klang ein wenig merkwürdig, Altlatein zu benutzen, wo Harry sich eingestand, daß er manchmal schon mit der neueren Version so seine Probleme hatte - doch er verstand, daß der Zauber ihn und Azhura aneinander band.
 

Und als die Stelle des Rituals kam, an welcher eigentlich Azhura in Abhängigkeit von ihm gebracht werden würde, änderten sie den Zauber dahingehend ab, daß ihr der freie Wille erhalten blieb. Azhura bestand aber darauf, noch etwas hinzuzufügen. Sie wollte ihm auf ihre Weise Treue schwören, was Harry nach kurzem Zögern akzeptierte, da er spürte, daß Azhura dies freiwillig tat.
 

Als der Zauber fertig war, leuchtete Harrys Hand auf Azhuras Schädel in warmen weiß-goldenem Licht auf. Nur wenige Sekunde später verging der helle Schein wieder und als der junge Mann seine Hand wieder zurücknahm, konnte er einen erstaunten Laut nicht ganz unterdrücken. Auf Azhuras Schädel prangte nun ein blitzförmiges Zeichen, ähnlich seiner Narbe auf der Stirn. Ein treffenderes Symbol konnte es nicht geben, fuhr es Harry durch den Sinn.
 

Behutsam fuhr er das Symbol mit der Fingerspitze nach, woraufhin Azhura ein wohlwollendes Seufzen entfuhr. Harry lächelte und meinte: {Du magst Streicheleinheiten, nicht wahr?} {Mmmmhhh}, zischte die Schlange leise, bevor sie ihren Kopf wieder vom Boden erhob, um Harry in die Augen zu sehen. {Danke, junger Herr. Und ja, es ist schön, nach so vielen Jahren wieder zu spüren, wie mich jemand berührt - ich war sehr lange allein, Harry. Doch nun kann ich dich begleiten und dir helfen, wenn Not besteht. Du hast mir wieder eine Aufgabe gegeben, wofür ich dir sehr dankbar bin.}
 

{Ich bin es, der dir Dank schuldet, Azhura}, erwiderte Harry. {Deine Hilfe wird bestimmt sehr wertvoll für mich sein - ebenso wie dein großes Wissen mir vielleicht auch in meiner Welt dabei von Nutzen sein wird, Voldemort endlich zu besiegen. Oder wenigstens, meine Freunde vor Unheil zu bewahren.} {Ich werde mein Möglichstes versuchen, Herr}, versicherte Azhura ernst, woraufhin Harry ihr nochmals sanft über die Schuppenhaut streichelte. Es war ein merkwürdiges, aber gar nicht so unangenehmes Gefühl wie er immer angenommen hatte, eine Schlange zu berühren. Dann blickte der Gryffindor in seinen Schoß, wo er die Schuppen Azhuras hingelegt hatte.
 

Eine Augenbraue fragend hebend, wollte er wissen: {Was mache ich eigentlich mit deinen Schuppen?}
 

{Oh, das hätte ich fast vergessen, Harry. Entgegen aller heutigen Berichte sind Basilisken nicht nur tödliche Kreaturen - sondern wir haben auch andere - schützende - Kräfte. Ein Bespiel dafür ist unsere Haut, junger Herr. Basiliskenhaut ist fast ebenso undurchdringlich wie Drachenleder. Wenn meine nächste Phase der Häutung kommt, wirst du genug Haut von mir bekommen, um einen Mantel daraus fertigen zu lassen.
 

Doch diese Schuppen, welche du gerade in der Hand hältst, haben einen anderen Zweck - sie sollen bestätigen, daß wir gebunden sind. Ein Zeichen, daß du unter dem Schutz eines Basilisken stehst, junger Herr - das wird dir bei Verhandlungen mit anderen als todbringend und gefährlich verschrienen Geschöpfen Respekt und Schutz verleihen. Auf jeden Fall werden sich andere Schlangen hüten, dich anzugreifen, denn nicht umsonst wird meine Art als König der Schlangen bezeichnet}, fügte Azhura nicht ohne Stolz hinzu.
 

Harry lächelte ein wenig amüsiert und strich sich durch das Haar, bevor er fragte: {Du willst damit also sagen, daß ich deine Schuppen in gefährlichen Situationen als eine Art Schutzbrief vorweisen kann?}
 

{Das wäre möglich, doch auf Dauer würde es sich bestimmt als hinderlich erweisen, wenn du sie die ganze Zeit mit dir herumtragen müßtest, Harry}, erwiderte Azhura. Sie legte ihren Kopf schief, als er ein neuer Gedanke kam. {Wenn du nichts gegen ein Zeichen auf deiner Haut einzuwenden hast, gäbe es eine einfachere Art und Weise, bei Gefahr zu verdeutlichen, daß du unter meinem Schutz stehst.}
 

Harry blinzelte kurz irritiert. {Was meinst du mit einem Zeichen auf meiner Haut?}, wollte er wissen, bevor ihm klar wurde, worauf seine neue Freundin hinauswollte. {Oh, du sprichst von einem Tattoo, nicht? Das wäre kein Problem für mich...doch wie ist das zu realisieren?}
 

{Lege meine Schuppen auf die Stelle, wo dich das Zeichen am wenigsten stört und dennoch ohne Probleme sichtbar gemacht werden kann, Herr}, erwiderte Azhura. {Dann kannst du sie mit Hilfe von Erythril versiegeln - und bei Gefahr wird das Zeichen dich schützen.}
 

Als sie Harrys interessierten Blick sah, erklärte die Schlange: {In alten Zeiten, als mein Meister noch lebte, gab es solche 'Tattoos', wie du sie nennst, sehr häufig. Sie galten als ein Ausdruck von Allianzen und Partnerschaften zwischen verschiedenen Gruppen magischer Geschöpfe und Zauberern - anhand dieser Zeichen konnte man rasch erkennen, wer auf welcher Seite kämpfte. Und auch wenn es diese Art von Erkennungszeichen heutzutage nicht mehr so häufig geben wird, so denke ich doch, daß sie noch nicht völlig aus dem Gedächtnis langlebigerer Rassen verschwunden ist. Zentauren zum Beispiel haben jahrhundertelange Erfahrung darin, altes Wissen zu bewahren und weiterzugeben. Jedoch auch andere magische Rassen bewahren ihre Traditionen unverändert, so daß du dir sicher sein kannst, Harry, daß dieses Schutzzeichen seinen Zweck erfüllen wird.}
 

{Interessant}, murmelte Harry vor sich hin, dann sah er auf und grinste Azhura an. {Bei dir wäre Geschichtsunterricht bestimmt sehr viel spannender als bei Professor Binns. Du erzählst all diese Dinge aus eigener Erfahrung, wodurch es eine persönliche Note erhält. Nichts gegen Professor Binns, doch sein Unterricht ist oftmals sehr eintönig und monoton...}
 

{Es hat seine Vorteile, sehr alt zu sein, Harry}, nickte Azhura.
 

Dem konnte Harry nicht widersprechen. Daher überlegte er kurz, wo er sein Tattoo am besten plazieren sollte. Schließlich wählte er seinen rechten Oberarm aus, denn dort würde ihn das Zeichen nicht stören und konnte doch in einer Gefahrensituation rasch sichtbar gemacht werden. Daher krempelte der Gryffindor seinen Ärmel zurück und legte die drei Schuppen dann dicht nebeneinander auf seinen Oberarm. Mit der linken Hand griff er nach Erythril und hob die silberne Klinge empor, um damit die Schuppen zu berühren.
 

Er konzentrierte sich darauf, was er zu tun beabsichtigte und es schien fast, als würde der Dolch ihn verstehen. Im nächsten Augenblick floß erneut silbriges Licht an der scharfen Klinge entlang, tropfte förmlich auf die dunklen Schuppen und verschmolz diese miteinander. Das Licht formte die Schuppen zu einem breiten Band und pulsierte in einem stetigen Rhythmus. Harry spürte ein leichtes Prickeln, während das Licht immer mehr an Kraft zunahm und plötzlich aufblendete. Für einen Moment wusch ein intensives Gefühl des Schutzes über ihn hinweg - wie ein unhörbares Versprechen.
 

Blinzelnd wegen der Intensität, die er hinter diesem Versprechen verspürt hatte, blickte Harry erneut auf seinen Oberarm. Dort erblickte der junge Mann ein verschlungenes Zeichen, welches in seiner geometrischen Form an keltische Ornamentik erinnerte. "Cool", entwich es Harry unwillkürlich und fasziniert betrachtete er das Muster.
 

{Ich merke schon, es gefällt dir, Harry}, erklang Azhuras Stimme erneut, mit einem deutlich amüsierten Unterton angesichts von Harrys unverhohlener Begeisterung. Der junge Mann sah auf und lächelte zustimmend. {Ja, es gefällt mir wirklich, Azhura}, bestätigte er die Worte der Schlange. {Jetzt trägst du ein Zeichen von mir und ich ebenso ein Symbol, welches auf meine Verbindung zu dir hinweist. Das ist ein guter Tausch.}
 

Nach einem letzten Blick auf das ornamentale Muster auf seinem Oberarm, welches durchaus als Tattoo durchgehen konnte, bedeckte es Harry wieder mit seinem Ärmel und stand auf. Er streckte sich ausgiebig nach dem langen Sitzen auf dem unbequemen Steinboden und blickte dann auf die schmale Uhr an seinem Handgelenk. Smaragdgrüne Augen weiteten sich leicht, als der Gryffindor erkannte, wie lange er sich schon bei Azhura aufhielt. Während ihres Gespräches und dem folgenden Bindungsritual waren mehr als drei Stunden verstrichen und Harry hoffte, daß seine lange Abwesenheit nicht erneute Sorge bei seinen Freunden ausgelöst hatten. Auf jeden Fall aber war es Zeit, in die Räume seiner Vorfahren zurückzukehren.
 

{Wir sollten jetzt gehen, Azhura}, meinte Harry daher mit einem Blick auf die große Schlange, welche mit ihren fremdartigen gelben Augen zurückblickte und auf den jungen Mann auf einmal einen nervösen, aber definitiv glücklichen Eindruck machte. {Ich werde meinen Meister endlich wiedersehen? Und Shal?}, verlangte es den Basilisken nach Bestätigung.
 

{Aber ja}, versicherte Harry mit einem sanften Lächeln, als er Azhuras Aufregung bemerkte. {Ich glaube, Salazar wird sehr froh darüber sein, dich wiederzusehen, Azhura. Er war sehr erstaunt, als er gestern von mir erfuhr, daß du noch immer im Schloß lebst.}
 

{Oh}, entwich es der großen Schlange daraufhin nur und Harry schmunzelte in sich hinein angesichts der offensichtlichen Freude, die sein Empathie ihn von Azhura empfangen ließ. Er kniete sich vor Salazars Truhe, um sich deren weiteren Inhalt anzusehen - und, um seiner neuen Freundin einen Augenblick der Sammlung zu geben. Mit einem zufriedenen Ausdruck fand Harry das in smaragdgrünem Samt gebundene Stammbuch in der Truhe liegend und hob es vorsichtig heraus. Als er über den Einband strich, lief eine Welle aus Licht über das Buch, doch der junge Mann hatte nicht vor, es gleich jetzt durchzublättern. Dafür hatte er noch Zeit, wenn er sich mit Azhura wieder in den Gemächern seiner Vorfahren aufhielt.
 

Daher legte Harry das Buch auch nur behutsam neben sich ab und Erythril dazu, bevor er die Truhe wieder schloß. Sich erhebend, trug er die Kiste wieder in ihr Versteck zurück und schloß dieses, indem er die zwei Schlangen erneut berührte und sich dabei darauf konzentrierte, daß Versteck wieder zu verbergen. Die Schlangengravuren reagierten und erglühten erneut in smaragdgrünem Licht, bevor sie über den Stein zurück in die Positionen glitten, welche sie zuvor auf den Halbsäulen links und rechts der Wand eingenommen hatten.
 

Zufrieden, daß die Truhe mit den Schätzen Salazars wieder gut verwahrt war, drehte Harry sich um und nahm sowohl Erythril als auch das Stammbuch der Slytherins wieder an sich. Dann fiel ihm plötzlich auf, daß Azhura verschwunden war und er runzelte die Stirn. {Azhura? Wo bist du?}, fragte er in Parsel, während er sich suchend umsah.
 

{Ich bin hier, junger Herr}, antwortete der Basilisk, doch Harry brauchte noch ein paar Sekunden, bevor er vor sich auf dem Boden auf einmal sich etwas bewegen sah. Eine kleine Schlange kam auf ihn zugekrochen und der Gryffindor blinzelte erstaunt.
 

{Azhura?}, fragte er nach, den nunmehr für Schlangen auf Normalgröße geschrumpften Basilisk verblüfft anschauend. {Bist du das?}
 

{Ja, Herr}, erwiderte die Angesprochene. {Dank unserer Bindung kann ich mich jetzt wieder frei bewegen - der Bann, den Voldemort über mich legte, wurde gebrochen. Dadurch bin ich auch wieder in der Lage, meine magischen Fähigkeiten zu nutzen - und kann mich auf eine 'handlichere' Größe verkleinern. Ich denke, das wird es erleichtern, mich deiner Familie vorzustellen. Ich wirke jetzt viel harmloser als in meiner normalen Gestalt.}
 

"Das kannst du wohl laut sagen", murmelte Harry vor sich hin, während er sich in die Knie sinken ließ, um Azhura in ihren verkleinerten Form in Augenschein zu nehmen. Der Basilisk war nun nur noch etwas mehr als einen Meter lang und von schillernd smaragdgrüner Farbe, welche Harry an die seiner Augen erinnerte. Das leuchtende Grün wurde nur von einem blitzförmigen Symbol auf Azhuras Kopf unterbrochen; ebenso wie ihren goldgelben Augen.
 

{Du bist richtig hübsch}, entfuhr es Harry und erhielt ein amüsiert klingendes Zischen für seine Worte. {Danke sehr, Harry. Doch wie du schon sagtest, wir sollten jetzt gehen. Deine Familie wartet ebenso wie meine.}
 

Dieser Feststellung konnte Harry nicht widersprechen, daher hielt er Azhura nur auffordernd seinen linken Arm hin, damit sie sich an ihm 'festhalten' konnte. Die Schlange folgte der stummen Einladung und wand sich um dem Arm des jungen Mannes, bevor sie weiter hinaufglitt und am Hals unter den Kragen seiner Weste glitt, wodurch sie fast völlig unsichtbar für jeden wurde, der nicht genau hinschaute oder wußte, daß sie dort war.
 

Harry ließ sie gewähren, da er spürte, wie gut Azhura der körperliche Kontakt tat. Er konnte kaum ermessen, wie es sein mußte, Jahrhunderte lang ohne eine Berührung existieren zu müssen. Daher äußerte er sich nicht zu der Art, wie sie sich eng an seinen Hals schmiegte, obwohl er sich daran wohl erst noch würde gewöhnen müssen. Statt dessen schloß Harry nach einem letzten Blick durch das Gewölbe die Augen und konzentrierte sich auf den Nordturm. Erneut umgab ihn der warme, helle Schein des Lichtwanderns und Sekundenbruchteile später materialisierte er auf der Plattform des Turmes.
 

Er wollte Azhura ein paar Minuten gönnen, damit sie die Aussicht genießen konnte, welche sich von dem erhöhten Standpunkt aus darbot, doch obwohl sie ihm dafür dankbar war, fieberte sie inzwischen dem Zusammentreffen mit ihrem ehemaligen Herrn sowie Harrys Familie entgegen. Daher wandte sich Harry kurz darauf dem Gang zu, welcher ihn zu den Gemächern seiner Ahnen bringen würde, passierte das Gemälde, wo er inzwischen schon leichter auf Phoenix zu kommunizieren imstande war und stand schließlich ein weiteres Mal an diesem Tag vor der Tür zum Wohnzimmer, nachdem er den Weg durch Slytherins Privatraum genommen hatte. Lautlos betrat er das große Zimmer und grinste in sich hinein, als er die Anwesenden in fast genau den gleichen Positionen wiederfand wie vor Stunden, als er sich von Remus verabschiedet hatte.
 

Der Werwolf hatte inzwischen in einem der Sessel Platz genommen und diskutierte mit Hermine über den Inhalt eines Buches, das die Gryffindor anscheinend aus einem der Bücherregale genommen hatte. Ron hingegen hatte sich mit Draco zu Sirius und Severus gesellt, wobei sie alle nunmehr nicht nur ein Gespräch mit den beiden Hausgründern, sondern auch Shal führten. Professor Dumbledore indessen saß mit den Malfoys ganz in ihrer Nähe und steuerte hin und wieder seine Meinung bei. Keiner der Anwesenden hatte Harrys Präsenz bemerkt und dieser nahm sich daher die Zeit, sie bei ihren Interaktionen zu beobachten.
 

Seine Familie zu betrachten.
 

Yup, dies war ein wahrhaft langes Kapitel! (*schmerzendeFingerinWasserbadtauch*) Über 16.000 Wörter! Yeah!

Ich bitte um viele, viele Kommis! (*flehendblick*)

Antalya



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  ai-lila
2006-12-21T00:42:07+00:00 21.12.2006 01:42
Bin von deiner Geschichte einfach nur hin und weg.^^
Aber ehrlich gesagt bin ich mehr jemand der ließt und nicht so viel schreibt. Vor allem nicht um diese Uhrzeit.^^
bye~~
deine ai
Von: abgemeldet
2006-04-23T22:18:56+00:00 24.04.2006 00:18
Hallo!

Bin froh das du ein neues Kapitel geschrieben hast. Es hat mir sehr gut gefallen. Die Erwachsenen waren ja sehr neugierig auf Harrys Vorfahren. Naja kein Wunder wer würde nicht mal gerne die Gründer kennen lernen vorallem wenn man erfahren hat wie falsch sie von der Geschichte beschrieben wurden. Ich bin froh das Azhura jetzt frei ist. Als sie ihre Geschichte erzählt hat hab ich mir schon gedacht das ihr Gegenstück in Harrys Welt der Bindung mit Voldemort zugestimmt hat. Anscheinend hat sie ihm wohl geglaubt das er der Erbe Slytherins ist. Irgendwie tut mir leid das sie sterben mußte. Aber Harry hatte keine ander Wahl. Da Harry und Azhura jetzt eine Bindung eingegangen sind wird sie ihn dann auch in seine Welt begleiten um ihm zu gegen Vodemort zu helfen? Bitte schreib bald weiter. Bin sehr gespannt.

Gruß

Serenity
Von:  Teyla
2006-04-20T13:37:13+00:00 20.04.2006 15:37
Hi,
habe deine Geschichte gelesen, ist einfach nur genial. Besonders das letzte Kapitel fand ich klasse.
Mach bitte weiter so.
Bye
Teyla


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