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Angel of Light I

Another world
von

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Part VIII: ...und Gegenwart

Der Tag neigte sich schon langsam dem Ende entgegen, als Harry aus seinem Schlaf wieder erwachte. Er blinzelte in das sanfte Licht, welches durch die sinkende Sonne in den Schlafsaal der Gryffindor-Jungen fiel und reckte sich. Dabei fiel ihm auf, daß er unter seiner warmen Bettdecke lag und auch seine Brille nicht mehr trug. Der Gryffindor konnte sich jedoch nicht daran erinnern, richtig zu Bett gegangen zu sein - vielmehr war er auf einmal so müde gewesen, daß er sich voll angekleidet einfach nur auf sein verlockend weiches Bett gelegt hatte.

Jemand mußte also nach ihm gesehen haben.
 

Harry lächelte, als ihm die Fürsorge hinter dieser Geste zu Bewußtsein kam. Es war schön, zu wissen, daß selbst solch kleine Dinge, wie ihn beim Schlafen zuzudecken und seine Brille vor einer erneuten Deformation zu bewahren, wichtig für die Personen waren, die ihn liebten.

Er fühlte sich warm und geborgen dadurch - ein Gefühl, welches er bis jetzt in seinem Leben noch viel zu selten gehabt hatte.
 

Eine Weile blieb der Schwarzhaarige einfach noch liegen und sah, wie die Sonnenstrahlen langsam immer mehr an Kraft verloren, als der Abend voranschritt und die Dämmerung hereinbrach. Er hatte also den ganzen Tag über geschlafen - was aber auch kein Wunder war, da er zuvor die ganze Nacht und den halben Vormittag auf dem Nordturm mit Grübeln zugebracht hatte.
 

Doch jetzt fühlte sich Harry wohler als zuvor, auch wenn er Azhuras Neuigkeiten noch nicht ganz verarbeitet hatte. Aber seine Entscheidung, endlich einmal seine Bedürfnisse in den Vordergrund zu stellen und sein Leben ein wenig mehr zu genießen, als es ihm bis jetzt möglich gewesen war, befreite ihn von einem großen Gewicht.
 

Ein Lächeln huschte über Harrys Züge, bevor er sich aufrichtete. Bevor er sich daran machte, ein wenig freie Zeit ohne Voldemorts drohenden Schatten zu genießen, war es wohl angebracht, den Anderen von den Neuigkeiten zu berichten. Außerdem mußte er auch 'Harry', seinem hiesigen Ich, davon erzählen.

Das war nur fair.
 

Doch zuerst brauchte er etwas zu essen, wie ihn sein Magen schamlos erinnerte. Das leise Knurren durchdrang die Stille und bewegte Harry dazu, widerwillig sein warmes, weiches Bett zu verlassen und sich im Bad umzuziehen.

Im Spiegel blickte ihm sein schmales Gesicht entgegen und Harry bemerkte eine Veränderung an sich selbst - die dunklen Schatten unter seinen Augen begannen zu verschwinden und in seinen Augen war wieder mehr Leben. Sie funkelten wieder, blickten nicht mehr so traurig und leer wie die Wochen nach Sirius' Tod in seiner Welt.
 

Für einen Augenblick dimmte das Licht bei dem Gedanken an seinen Paten, doch Harry schalt sich selbst, daß er sich nicht gleich selber wieder herunterreißen sollte, wenn er doch langsam damit zurechtzukommen schien, was in seinem Leben in der letzten Zeit alles passiert war. Die Zeit, um richtig um Sirius zu trauern würde noch kommen, schwor er sich.

Doch das konnte er - so glaubte der junge Mann wenigstens - erst tun, wenn er wieder in seiner Welt war. Hier war die Präsenz des hiesigen Sirius so stark und trostverheißend, daß sich der Gryffindor nicht dazu aufraffen konnte, über das Schicksal seines Paten in seiner Realität nachzugrübeln.

Harry schenkte sich selbst einen ironischen Blick, als er seinen Gedankengängen folgte - er war wirklich noch etwas konfus, wie es schien. Seine Überlegungen machten jedenfalls nicht viel Sinn.
 

Dann wandte sich der junge Mann dem Ausgang des Saals zu und betrat den Gemeinschaftsraum der Gryffindor. Und blieb sofort wieder stehen, überrascht von dem Bild, welches sich ihm darbot.

Sirius und Severus saßen auf einem der weichen, dunkelrot bezogenen Sofas nahe des Feuers und waren in eine leise Diskussion vertieft, über irgendetwas in einem Buch, welches der Zaubertrank-Meister in der Hand hielt. Anscheinend waren sie nicht ganz einer Meinung, denn Harry bemerkte an dem Ausdruck in Sirius' Gesicht, daß er seinen Partner von etwas überzeugen wollte. Doch Severus schien skeptisch.
 

Harry ließ nun seinen Blick weiterwandern und lächelte kurz bei Hermines Anblick. Auch sie war - für den Gryffindor durchaus kein ungewohnter Anblick - in ein dickes Buch vertieft und hatte die Außenwelt völlig ausgeschaltet. 'Typisch für sie', fuhr es Harry durch den Sinn.

Ron und Draco hingegen waren in eine Partie Zaubererschach vertieft, wobei Harry jedoch schon von seinem erhöhten Standort aus erkennen konnte, daß der blonde Slytherin auf Dauer keine Chance zu gewinnen hatte. Sein rothaariger Freund hatte ihn in eine strategische Sackgasse manövriert und zog den Strick nun langsam immer enger.

Ein Blick in die blauen Augen von Ron, die fröhlich glitzerten, untermauerte Harrys Ahnung und er schüttelte lächelnd den Kopf. Im Zaubererschach war es nahezu unmöglich, eine Partie gegen Ron zu gewinnen - er war einfach ein wahrer Meister darin.
 

Eine Erinnerung an sein erstes Jahr und die Ereignisse um den Stein der Weisen ließen Harry voll innerer Wärme auf seinen besten Freund blicken. Damals hatte Ron zum ersten Mal seine Meisterschaft in diesem Spiel bewiesen - doch vielmehr hatte er noch demonstriert, was seine inneren Werte waren. Die Loyalität und Freundschaft, die ihn zu einem solch wertvollen Menschen in Harrys Leben gemacht hatten.

Jetzt sollte er jedoch wohl lieber versuchen, Draco vor einer schmählichen Niederlage retten, denn durch seine vielen, vielen Spiele gegen Ron hatte Harry so Einiges über dessen Taktik gelernt. Und auch wenn er noch nicht sehr oft einmal eine Partie gewonnen hatte, so war es ihm doch hin und wieder gelungen.

Vielleicht konnten Draco und er gemeinsam Ron schlagen.
 

Harry zögerte nicht und schritt langsam und fast vollkommen lautlos die Stufen zum Gemeinschaftsraum hinab. Er wunderte sich über seinen Gedankengang - in seiner Realität hätte er nie daran gedacht, dem jungen Slytherin gegen seinen besten Freund beizustehen. Doch hier ging es nur um ein Spiel und die Gegebenheiten lagen sowieso völlig anders - Draco und Ron waren Freunde, daher würde es nicht zu Feindseligkeiten kommen, wenn er dem Blonden spieltechnisch ein wenig unter die Arme griff.
 

Ohne von einem der Anwesenden bemerkt zu werden, die jeweils völlig in ihre Tätigkeiten versunken waren, durchquerte Harry den Raum und kam schließlich hinter Draco zum Stehen. Über die hohe Lehne des Sessels hinweg, in welchem der Slytherin saß, betrachte Harry das Spielbrett für ein paar Sekunden forschend und erkannte rasch, daß Ron zu einer von ihm bevorzugten Taktik gegriffen hatte. Und es schien, als hätte er Draco ein Hintertürchen geschaffen, welche das Spiel noch einmal herumwerfen konnte - wenn der Slytherin es denn fand.

Harry lächelte voller Zuneigung und freundschaftlichem Stolz, als er die Gedanken seines rothaarigen Freundes erkannte - er lehrte Draco ohne große Worte strategisches Denken. Doch es sah nicht so aus, als würde der Blonde die Möglichkeit sehen, welche ihn vor einer Niederlage bewahren konnte.
 

Draco hob nämlich in diesem Moment die Hand und wollte seinen übriggebliebenen Turm vorrücken, um seinen König vor Rons Springer zu schützen. Dadurch übersah er jedoch, daß er durch diesen Zug Ron die Möglichkeit zum Schach geben würde, denn die Dame des Rothaarigen könnte dann ohne Schwierigkeiten das letzte Hindernis zwischen ihr und Dracos König ausschalten. Und dann hätte der Blonde unweigerlich verloren.
 

Als sich die Hand des Slytherins schon um den Turm schließen wollte, legte sich plötzlich eine schmale, kräftige Hand über die seine und führte sie statt dessen zu seinem Springer, hob diesen an und setzte ihn in eine Abwehrposition vor Rons Dame, der dadurch die Chance zum Schach verwehrt wurde.

Rons Augen weiteten sich überrascht wegen dieses Zuges und auch Draco blinzelte wegen der unerwarteten Einmischung. Beide hoben ihren Blick vom Schachbrett und blickten in smaragdgrüne Augen, die fröhlich funkelten.
 

"Wenn du ihm schon beibringen willst, deine verwinkelten Taktiken zu durchschauen, Ron, solltest du ihm auch hin und wieder einen Hinweis geben, wie er sich gegen dich wehren kann, findest du nicht?", wandte sich Harry grinsend an seinen besten Freund.
 

Bei seinen Worten wurde auch der Rest der Anwesenden auf ihn aufmerksam und Blicke richteten sich auf den hochgewachsenen Gryffindor. Dieser jedoch konzentrierte sich auf Draco und meinte: "Rons Strategien sind immer auf lange Sicht zu betrachten, Draco. Er versucht dich mit kleinen Angriffen von seiner eigentlichen Taktik abzulenken, bis er alle 'Kompanien' in Angriffsstellung gebracht hat.

Wenn du, wie du es vorhattest, deinen Turm versetzt hättest, wäre es für Rons Dame ein Leichtes gewesen, ein Schachmatt in den nächsten zwei Zügen zu setzen."
 

"Harry!", maulte Ron seinen besten Freund gespielt empört über sein Verhalten an. "Verrat ihm doch nicht alles! Ich hatte eigentlich vor, dieses Spiel zu gewinnen!"
 

Der Schwarzhaarige grinste daraufhin nur schelmisch. "Tu nicht so, als hättest du ihm nicht von vornherein eine Hintertür offengehalten, Ron! Du wolltest wissen, ob er sie auch erkennt..."
 

Rons Maske der Empörung wich ehrlichem Erstaunen, bevor er wissen wollte: "Woher weißt du das? Ich hab nichts davon gesagt, daß ich...", Ron verstummte verblüfft und musterte Harry neugierig.
 

"Sagen wir einfach, ich habe schon so oft gegen dich - oder besser ,meinen' Ron - gespielt, daß ich deine Taktiken langsam kenne. Und auch wenn du deine Strategien genial planst, hast du deinem Gegner doch meiner Erfahrung nach immer eine Chance zum Comeback gegeben, um das Spiel nicht zu schnell enden zu lassen", erwiderte Harry gelassen.
 

"Und genau das hast du hier bei Draco auch gemacht", fuhr der Gryffindor fort und wandte den Blick erneut dem Schachbrett zu. "Wenn er wüßte wie, könnte er dich in", Harry überlegte kurz, während seine Augen die Positionen der Schachfiguren überprüften, "drei Zügen besiegen. Nicht wahr?"
 

Smaragdgrüne Augen funkelten amüsiert, als sie offenes Erstaunen in hellblauen sahen. Ron blickte wortlos auf das Schachbrett und schien nachvollziehen zu wollen, wie Harry zu der eben gemachten Aussage kam.

Und plötzlich machte der Zug, den Harry Draco hatte ausführen lassen, für den rothaarigen Gryffindor Sinn, denn er erkannte, wie genial der Schwarzhaarige das Hintertürchen genutzt hatte, welches Ron Draco offen gelassen hatte. Wenn Harry wirklich so gut mit Rons Strategien vertraut war, wie es den Anschein hatte, dann hatte er Recht und konnte den Rothaarigen in den genannten drei Zügen Schachmatt setzen.
 

"Bei Merlin", entfuhr es Ron. Dann ruckte sein Kopf empor und er blickte Harry verblüfft an. "Du bist gut!", meinte er.

Harry lächelte daraufhin nur und erwiderte: "Ich habe bei einem Meister gelernt."
 

Ron errötete zuerst bei diesem Lob über seine Fähigkeiten als Schachspieler, doch dann grinste er Harry breit an, welcher wiederum eine schmale Augenbraue hob angesichts der Reaktion seines Freundes. Da erklang Hermines Stimme neben dem schwarzhaarigen Gryffindor: "Hör auf damit, Harry, du schaffst sonst noch ein Monster, wenn du Ron weiterhin so lobst. Er ist wirklich so schon 'bescheiden' genug, wenn es zu seinen Schachfähigkeiten kommt." Der letzte Satz hatte hörbaren Sarkasmus enthalten und Ron verfärbte sich erneut, dieses Mal leicht verlegen wegen der Worte seiner Freundin.
 

"Ein wenig Lob muß sein, 'Mine", antwortete Harry der Braunhaarigen. "Außerdem mußt du doch zugeben, daß es schon etwas Besonderes ist, wenn es etwas gibt, worin selbst du Ron nicht schlagen kannst."

An dieser Stelle grinste Harry Ron verschwörerisch an, der sich nicht zurückhalten konnte und leise auflachte, bevor er erwiderte: "Schach und matt, Harry." Hermine hingegen verdrehte nur kopfschüttelnd die Augen, doch auch sie sich konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen.
 

"Hey, wenn ihr dann endlich fertig seid mit dem Austausch von Nettigkeiten", ließ sich in diesem Moment Draco vernehmen, welcher die freundschaftliche Neckerei der drei Gryffindor bis dahin schweigend verfolgt hatte, "dann könntest du", wandte er sich an Harry, "mir vielleicht erklären, was du gemeint hast, ich könne dieses Spiel noch gewinnen. Ich hab bis jetzt immer gegen Ron verloren und das wird auf die Dauer echt unfair", schloß der Blonde leicht maulig.
 

"Aww....", meinte Harry gespielt mitfühlend, während er Draco eine Hand auf die Schulter legte. "Armer Draco, läßt der große, böse Ron dich nicht gewinnen?" Smaragdgrüne Augen funkelten voller Schalk, als der Slytherin ihn ansah und dann zu schmollen anfing. Dies war ein Ausdruck, den Harry bis dahin noch nie auf dem Gesicht des anderen Jungen gesehen hatte, daher stutzte er und blinzelte. Draco sah irgendwie süß aus, wenn er beleidigt tat.

Ron und Hermine hingegen lächelten sich an, als sie merkten, wie gut gelaunt Harry gerade war. Er schien seine Sorgen langsam zu bewältigen und zeigte den unerschütterlichen Optimismus, der ihn ihrer Erfahrung nach immer alle Schwierigkeiten hatte überwinden lassen, auch wenn es zuerst manchmal nicht danach aussah.
 

Der Rothaarige hatte jedoch ein Einsehen mit Draco und meinte daher zu Harry: "Laß uns höflich sein und unserem Freund hier", dabei wies Ron mit großer Geste auf seinen blonden Gegenüber, "zeigen, wie man richtig Schach spielt. Dann kannst du auch beweisen, ob du mich wirklich in drei Zügen besiegen kannst."

Harry wandte sich ihm zu und lächelte warm. Ein Herausforderung von Ron war immer wieder eine spannende Erfahrung, besonders wenn es sich um ein Schachspiel handelte. Und hier war die Situation ausnahmsweise sogar so, daß er wirklich gewinnen konnte und daher nickte er zustimmend, bevor er sich lässig auf der Armlehne von Dracos Sessel niederließ. Der Gryffindor schien seine Scheu davor zu überwinden, in der Nähe des Slytherins zu sein, wie die Anwesenden mit Freude feststellten.
 

Neugierig waren die Erwachsenen nähergetreten, denn inzwischen waren auch die Malfoys und Remus in den Gryffindor-Gemeinschaftsraum gekommen und hatten bemerkt, daß Harry wieder wach war. Doch sie wollten das Gespräch unter den vier Jugendlichen nicht stören, vor allem, da Harry so fröhlich war wie sie ihn zuvor noch nicht erlebt hatten. Das Nachdenken auf dem Nordturm und der Schlaf danach schienen ihm gut bekommen zu sein.

Ron hatte in der Zwischenzeit seinen Zug gemacht und forderte Harry mit einer Handbewegung auf, den seinen zu tun. Der Schwarzhaarige zögerte auch nicht lange und versetzte seinen Springer in eine andere Position, welche dem Gryffindor auf den ersten Blick jedoch keine bessere Siegchance bescherte, wie Draco und Hermine leicht erstaunt feststellten.
 

Ron hingegen erkannte, was Harry vorhatte und hob die Augenbrauen. Sein Freund kannte sich wirklich mit seiner Taktik aus, denn er hatte mit zwei Zügen erreicht, Rons Dame wirkungsvoll von einem entscheidenden Zug abzuhalten.

"Wer hätte das gedacht", murmelte der Rothaarige vor sich hin, bevor er seine Strategie ein wenig abänderte und seinen Läufer vorrücken ließ, um eine Bresche in Harrys Verteidigung zu schlagen. Dieser verhinderte den Zug jedoch durch eine strategischen Rückzug seines Pferdes, wodurch Ron - wie von dem Rothaarigen beabsichtigt - in die Position gelangte, Harrys Turm mit seiner Dame aus dem Spiel nehmen zu können.
 

Doch erst, als das Lächeln auf dem Gesicht des schwarzhaarigen Gryffindors erblühte, wurde seinem besten Freund bewußt, daß Harry ihn ausgetrickst hatte.

Indem er scheinbar alles dafür tat, um seinen König zu verteidigen, hatte Harry ihn aus der Reserve gelockt und Ron dazu gebracht, seine Dame mitten im 'Feindesland' zu positionieren. Nun konnte Harrys Pferd, das er in Verteidigungsstellung gesetzt hatte, angreifen. Mit einem leisen: "Diesmal wird nicht das Pferd geopfert, um die Dame zu schlagen", hob Harry die genannte Figur von seinem Feld und schlug damit Rons Dame.

"Schachmatt", fügte der Schwarzhaarige noch hinzu.
 

Ron blinzelte kurz, dann schüttelte er bewundernd den Kopf. "Daß ich den Tag noch erlebe, wo ich so unaufmerksam bin", murmelte er vor sich hin. "Du hast mich geschlagen, Harry", fügte er lächelnd hinzu, als er seinen Freund ansah. "Und wie du gesagt hast, in drei Zügen - du kennst meine Strategien wirklich sehr gut - so gut, daß du sie sogar gegen mich verwenden konntest, mein Freund."
 

"Wie gesagt, ich habe oft genug gegen dein anderes Ich gespielt", erwiderte Harry erklärend, indem er sich zurücklehnte. "Und du hast mir oft genug erklärt, worauf es ankommt...da blieb schließlich etwas hängen."

"Offensichtlich", bemerkte Hermine, die ebenfalls erstaunt auf das Schachbrett geschaut hatte, auf dem Ron inzwischen als Zeichen seiner Niederlage seinen König umgelegt hatte. "Ein historischer Tag, das muß ich schon sagen - Ron besiegt in einem Schachspiel. Es geschehen noch Zeichen und Wunder."

"Das nächste Mal schlägt er mich wieder", lächelte Harry. "Ron gönnt mir nur manchmal die Freude, ihn in seinem Spiel schlagen zu dürfen - wenn er gute Laune hat. Das ist seine Art von Therapie gegen alles Unangenehme auf der Welt."
 

Eine Erinnerung schlich sich in Harrys Gedanken und seine Stimme bekam einen Hauch von warmer Dankbarkeit. "Ron weiß immer, wann er mich aufheitern muß - und dann läßt er es sogar zu, daß er in seinem Lieblingsspiel verliert, obwohl man sonst nie eine Chance gegen ihn hat", erinnerte sich der hochgewachsene Gryffindor voller Zuneigung, bevor er sich an Hermine wandte.

"Das und deine Angewohnheit, uns immer in die Bibliothek zu schleppen, wenn Probleme auftauchen sind die unwandelbaren Konstanten in meinem sonst so unsicheren Leben - Konstanten, für die ich sehr, sehr dankbar bin...", Harrys Stimme wurde leiser und verklang schließlich, während sich ein Lächeln ganz besonderer Wärme um seinen Mund legte und er leicht nostalgisch vor sich hinblickte.
 

"Sie macht das also in deiner Welt auch?", erklang Dracos Stimme, der die durch Harrys Worte entstandene Stille sich nicht zu sehr ausdehnen lassen wollte, da er bemerkte, daß Ron und Hermine verlegen waren durch das ihnen dargebrachte Lob.

Harry schien aus seinen Erinnerungen aufzuwachen und blickte Draco fragend an, welcher mit einer Handbewegung auf Hermine wies, um seiner Bemerkung Inhalt zu verleihen. Und der Schwarzhaarige verstand und grinste erneut.

"Hast du wirklich geglaubt, das wäre dort anders? 'Mine und die Hogwarths-Bibliothek sind fast unzertrennlich. Wenn sie nicht mit Ron und mir zusammen oder im Unterricht ist, ist das der erste Ort, an dem wir sie suchen gehen. In 98 von 100 Fällen finden wir sie dort - vergraben unter vielen, vielen dicken alten Büchern..."
 

"Ein grundlegender Charakterzug also", schlußfolgerte Draco schmunzelnd, was Hermine die Röte in die Wangen trieb, bevor sie sich zu verteidigen suchte. "Was kann ich dafür, wenn ich die Einzige von uns vieren bin, die den Wert eines guten Buches zu schätzen weiß! Die Schätze, die in ihnen stecken, sind von unglaublicher Bedeutung...ihr Banausen!", schloß die Gryffindor.

"Nur, weil wir nicht jede freie Minute in der Bibliothek verbringen, sind wir nicht gleich Banausen", erwiderte Ron leicht empört. Dann wandelte sich sein Blick und er schaute Harry fragend an: "Was sind Banausen?", wollte der rothaarige Gryffindor wissen.
 

Harry schmunzelte wegen Rons Unwissenheit, wohingegen Hermine die Augen verdrehte und leise vor sich hingrummelte. "Banause ist ein umgangssprachliches Wort für jemand, der den Wert von Kultur nicht kennt", erklärte Harry seinen Freunden, denn auch Draco wirkte irritiert.

"Die Muggel verwenden es, wenn sie ausdrücken wollen, daß jemand zum Beispiel die Schönheit eines Musikstücks oder eines alten Gemäldes nicht schätzen kann. Oder, wie in 'Mines Fall eben, daß wir ihrer Meinung nach nicht erkennen, wie wertvoll all das Wissen ist, welches in der Hogwarths-Bibliothek gesammelt wurde. Trifft das so ungefähr den Punkt, Hermine?", wandte sich der Schwarzhaarige an seine Freundin.
 

Die Gryffindor blickte Harry jedoch nur sprachlos an. Sie hatte nicht erwartet, daß Harry so genau würde erklären können, was sie gemeint hatte - und vor allem nicht, daß er es so einfach zugab. Sie nickte daher bloß und musterte ihren Hauskameraden aus neugierigen Augen.

Harry offenbarte immer wieder neue Seiten an sich, auch wenn Hermine im Grunde schon lange klar war, daß ihr schwarzhaariger Freund viel in sich verbarg, was seine Persönlichkeit und sein Wissen anging - dennoch war sie immer wieder angenehm überrascht, wenn er etwas davon herausließ.

"Wer hätte gedacht, daß du so einsichtig bist", lächelte sie schließlich.
 

"Wer sagt, daß ich dir zustimme?", war die humorvolle Erwiderung des Gryffindors. "Ron hat schon Recht, wenn er sagt, daß man nicht jede Minute in der Bibliothek verbringen muß, um Bildung zu erlangen - auch anderswo kann man wertvolle Dinge lernen. Doch ich gebe zu, daß mir in den letzten Jahren das Wissen, welches du in der Hogwarths-Bibliothek aufzustöbern verstanden hast, mehr als einmal geholfen hat - und zwar nicht nur bei den Hausaufgaben."

Die letzten Worte hatten wieder einen ernsteren Unterton, was weder Ron noch Hermine oder Draco entging. Es schien, daß Harry viele Geschichten aus seinem Leben erzählen konnte, die es wert waren zu hören.

Doch vorerst hatten sie Wichtigeres zu tun.
 

Zu dieser Meinung waren auch die Erwachsenen gelangt, die sich bis dahin stumm im Hintergrund gehalten hatten. Doch nun trat Sirius an Harry heran und legte ihm eine Hand auf die Schulter, um den Schwarzhaarigen auf sich aufmerksam zu machen. Als smaragdgrüne Augen fragend zu ihm aufblickten, wollte der ehemalige Gryffindor wissen: "Wie fühlst du dich, Junge? Geht es dir wieder ein wenig besser?"

Warmherzige Dankbarkeit angesichts der Sorge in den wenigen Worten ließ Harrys Augen erstrahlen und ein Lächeln erschien um seinen Mund, als er antwortete. "Ich fühle mich gut, Sirius. Wirklich. Ich bin selbst etwas erstaunt, doch ich muß sagen, ich habe mich lange nicht mehr so wohl gefühlt - so...frei."
 

Das Licht in Harrys Augen dimmte ein wenig, doch er kämpfte sofort gegen den Niedergang seiner guten Laune an und fuhr fort: "Das Nachdenken auf dem Nordturm hat mir gutgetan - auch wenn ich noch eine ganze Weile brauchen werde, alle Konsequenzen, die sich aus dem, was ich gestern von Azhura erfahren habe, zu akzeptieren. Doch irgendwie hat es mir auch dabei geholfen, mich von dem zu befreien, was in den letzten Wochen so schwer auf mir gelastet hat.

Die letzten Tage gaben mir die Möglichkeit, das, was ich als unverrückbare Wahrheit angesehen habe, aus einem völlig neuen Blickwinkel zu betrachten; aus einer anderen Sichtweise zu sehen, wenn man so will. Ich gebe zu, es ist manchmal schwer für mich, überhaupt die Chance zu ergreifen, meine Sicht der Dinge zu ändern - doch dieses Mal war es wert. Das Risiko, enttäuscht zu werden, war am Ende geringer als der Lohn, den ich für mein Wagnis erhalten habe", endete Harry mit einem sanften Blick auf Draco.
 

Doch die Anwesenden spürten, daß noch mehr hinter Harrys Worten steckte als seine Erkenntnis, daß der blonde Slytherin - wenigstens in dieser Realität - nicht sein Feind, sondern sein Freund war. Was er am vorherigen Abend in seinem Gespräch mit dem Basilisken erfahren hatte, mußte sein Weltbild wirklich auf den Kopf gestellt haben.

Remus erinnerte sich an die Welle von absoluter Verwirrung, die er empfangen hatte, kurz bevor Harry aus dem Gewölbe verschwunden war und Fawkes die Gruppe wieder nach oben in Dumbledores Büro zurückbrachte. Jeder von ihnen hatte sich große Sorgen um den Gryffindor gemacht, doch waren sie sich auch gleichzeitig einig gewesen, ihn vorerst für sich allein ins Reine kommen zu lassen.

Dieser Harry war anders als ihre Version des Gryffindors - ruhiger, introvertierter. Er schien viel mit sich allein ausmachen zu müssen, seine Probleme allein zu tragen und Hindernisse, welche sich ihm in den Weg stellten, von sich aus überwinden zu lernen. Dies hatte ihn - vor allem innerlich - viel stärker gemacht als ,ihren' Harry, aber auch einsamer, trauriger und zurückhaltender.
 

Daher war es für die Anwesenden eine große Erleichterung, Harry jetzt so fröhlich und offen zu sehen. Er schien willig, ihnen zu vertrauen - und dies war für mehrere von ihnen eine unerwartet große Ehre, denn sie hatten durch Harrys Verhalten und seine wenigen Andeutungen schon kurze Einblicke darin erlangt, daß in seiner Realität nicht jeder von ihnen eine freundliche Beziehung zu ihm pflegte.

Vielmehr hatte er zum Beispiel die Malfoys - vor allem Lucius - anfangs eindeutig als Bedrohung empfunden, was den blonden Mann tief bestürzte, in ihm aber auch eine unangenehme Ahnung weckte, welche Rolle er anscheinend in Harrys Welt spielte.

Severus hingegen war glücklich, daß Harry ihn langsam als mögliche Vaterfigur zu akzeptieren schien. Der Spitzname, den ihm der Gryffindor gestern unbemerkt gegeben hatte, bewies das wachsende Vertrauen des Schwarzhaarigen zu dem Zaubertränke-Meister.
 

Und Draco? Der spürte ebenfalls, wie Harry seine Scheu in seiner Anwesenheit ablegte. Daß er sich einfach auf die Sessellehne zu ihm gesetzt hatte und ihn neckte, zeigte auch jüngeren Slytherin, daß seine Bemühungen um den anderen jungen Mann langsam Erfolg zeigten. Und er schwor sich, nicht nachzulassen, denn auch wenn dieser Harry nicht sein Liebster war, so faszinierte ihn diese stärkere, von Leid so gebeutelte und doch unnachgiebige Version seines Freundes ungemein. Er wollte diesem Harry unbedingt helfen, etwas von der fröhlichen Ausgelassenheit in sich zu entdecken, die Draco an seinem Harry so liebenswert fand.
 

So hatte jeder der Anwesenden einen Grund, Harry zu helfen und ihn in seiner Entdeckung seiner Selbst und seiner Herkunft zu unterstützen.

Harry hingegen genoß es, von Personen umgeben zu sein, deren offensichtliches Wohlwollen er besaß. Die Freundschaft von Ron und Hermine war er gewohnt, doch nun zählte er langsam auch Draco zu diesem Kreis hinzu. Und die Unterstützung der Erwachsenen nahm ihm die Last von den Schultern, allein mit allem fertigwerden zu müssen. Darum war es die volle Wahrheit gewesen, als er zu Sirius sagte, er fühle sich so frei wie nie zuvor.
 

Nun jedoch meinte Sirius: "Laß uns Platz nehmen, Harry. Vielleicht magst du uns ja jetzt erzählen, was gestern alles passiert ist. Das muß ja wirklich sehr wichtig gewesen sein, was diese Schlange", an dieser Stelle schüttelte sich Sirius unwillkürlich, als er an den riesigen Basilisk zurückdachte, mit dem Harry gesprochen hatte, "dir alles zu berichten hatte. Es hat nämlich ganz schön lange gedauert, bis ihr fertig wart..."
 

Hier blinzelte Harry kurz, doch dann nickte er zustimmend. "Entschuldige, ich habe gestern gar nicht bemerkt, daß wohl eine ziemliche Zeit verging, während Azhura mir ihre Geschichte erzählte. Es war ziemlich spannend, all das zu erfahren...da habe ich nicht auf die Zeit geachtet."
 

"Azhura? Ist das der Name von dem Basilisk?", mischte sich hie Hermine in das Gespräch ein. Neugier ließ ihre braunen Augen leuchten und Harry lächelte. Dann nickte er erneut.
 

"Ja, so stellte sie sich mir vor. Doch bevor ich diese Geschichte erzähle, sollte ich zum besseren Verständnis zuerst über etwas anderes berichten - mein 2.Schuljahr. Es hat nämlich viel damit zu tun, warum ich zuerst so gar nicht begeistert davon war, von der Existenz Azhuras auch in dieser Wirklichkeit zu erfahren."
 

"Dann sollten wir aber wirklich alle Platz nehmen, denn das hört sich nach einer langen Geschichte an", ließ sich nun Severus vernehmen, der ebenfalls zu Harry getreten war und diesen anlächelte.

Was er nicht erwartete, war das Lächeln, welches ihm als Erwiderung geschenkt wurde. Der Slytherin-Hauslehrer fühlte, wie ihm warm ums Herz wurde, als er die Wärme in den grünen Augen sah, die ihn freundlich und nicht mehr mit der unsicheren Ablehnung betrachteten, die noch vor zwei Tagen so deutlich darin gestanden hatte. Harry begann wirklich, ihn zu akzeptieren.
 

Zustimmung machte sich unter den Anwesenden angesichts von Severus' Worten breit und jeder suchte sich einen Platz. Harry steuerte zielgerichtet auf einen der flauschigen Sessel nahe des Feuers zu, welches zum Abend von den Hauselfen entzündet worden war. Mit einem zufriedenen Laut nahm er in seinem Lieblingssessel im Gryffindor-Gemeinschaftsraum Platz und kuschelte seine lange Gestalt darin zusammen.

Draco nahm in seiner Nähe auf einem der langen Sofas Platz, neben ihm seine Eltern. Sirius und Severus teilten sich mit Remus das zweite Sofa, während Hermine und Ron einen Sessel in Beschlag nahmen.

Nachdem er sich davon überzeugt hatte, daß jeder aufmerksam zuhören würde, wollte Harry schon mit seiner Erzählung beginnen, als ihn sein Magen wieder daran erinnerte, warum er eigentlich aufgestanden und in den Gemeinschaftsraum gekommen war. Ein Knurren war zu hören, was dem Gryffindor die Röte ins Gesicht trieb und den Rest der Gruppe leise lachen ließ.
 

"Und ich dachte immer, Ron wäre der mit dem bodenlosen Magen", neckte Hermine ihren schwarzhaarigen Freund, welcher daraufhin noch eine Spur röter wurde, dann aber meinte: "Entschuldige mal, aber ich habe immerhin seit gestern Abend kaum mehr etwas gegessen, 'Mine."
 

"Ist das meine Schuld, wenn du auf einmal glaubst, Diät halten zu müssen?", erwiderte das braunhaarige Mädchen. Sie schien auf einmal die Rolle zu übernehmen, welche in Harrys Erinnerungen sonst Ron und er innehatten - und genoß ihre Neckerei sichtlich.

"Eine Diät hat Harry wirklich nicht nötig", mischte sich Draco in das Gespräch, während er bestimmt mit dem Kopf schüttelte und auf den schlanken Körper des Gryffindors wies. "Er sieht gut aus, so wie er ist - also gönn' ihm etwas zu essen, 'Mine!"
 

Während Harry wegen des Kompliments erneut leicht erröte, Draco aber einen dankbaren Blick zuwarf, schmunzelten sich die Erwachsenen an. Ihnen gefiel die lockere, freundschaftliche Atmosphäre zwischen den vier Jugendlichen.

Diese Stimmung waren sie seit Jahren von dem Quartett gewöhnt, doch jetzt zu sehen, daß auch dieser Harry sich so rasch an Dracos Anwesenheit gewöhnte...es beruhigte sie. Es war ein gutes Zeichen für die nächste Zeit, welche, so war den fünf Männern und Frauen durchaus bewußt, sicher noch so manche Überraschung mit sich bringen würde.
 

"Ich glaube, ich komme gerade richtig - ich habe etwas von Essen gehört", ließ sich in diesem Moment eine neue Stimme vom Eingang des Gryffindor-Gemeinschaftsraumes vernehmen. Professor Dumbledore trat lächelnd auf die Gruppe zu und Harry erwiderte die Geste, bevor er sagte: "Ich habe mich schon gefragt, wann Sie kommen würden, Professor."
 

Eine weiße Augenbraue wanderte scheinbar fragend in die Höhe, doch hellblaue Augen funkelten belustigt. Auch Harry ließ seine Augenbraue in die Höhe klettern und wandte den Blick nicht von dem Schulleiter, der nun bei ihm angekommen war und mit einem Schlenker seines Zauberstabs einen Sessel für sich schuf, in dem er seufzend Platz nahm. Dann strich er sich mit der Hand durch den langen weißen Bart und meinte: "Du kennst mich zu gut, Harry."
 

"Das bezweifle ich", murmelte der Schwarzhaarige mehr zu sich selbst, bevor er an Dumbledore gerichtet etwas lauter weitersprach. "Professor, ich bin seit fünf Jahren in Hogwarths und immer, wenn etwas Wichtiges geschah, wußten Sie genau darüber Bescheid. Es ist also nicht weit hergeholt, wenn ich annahm, daß Sie früher oder später hier auftauchen würden...oder?", endete Harry.
 

Dumbledore blieb daraufhin still und lächelte nur in seinen Bart hinein, während seine Augen glitzerten wie kleine Sterne. Er schien höchst amüsiert.

Dann jedoch hob er erneut den Zauberstab und meinte: "Damit mein Kommen jedoch nicht den Lauf der Ereignisse unterbricht, werde ich für uns etwas zu Essen kommen lassen. Du hast schon lange nichts mehr gegessen, Harry - und ich habe die Erfahrung gemacht, daß es sich mit vollem Magen leichter erzählt."
 

Dieses Mal blieb Harry still, doch um seine Mundwinkel legte sich ein kleines Lächeln. Dumbledores Anwesenheit sorgte wie immer dafür, daß er sich gleich wohler fühlte - und die großväterliche Art des alten Magiers ihm gegenüber bescherte ihm stets ein Gefühl von Behaglichkeit und Sicherheit. Jetzt, wo auch der Schulleiter hier war, würde Harry seine Geschichte besser berichten können.

Doch zuerst, machte sein Magen durch ein erneutes Knurren deutlich - ESSEN!
 

Dumbledore hob den Zauberstab und machte damit eine Bewegung, woraufhin Sekundenbruchteile später ein leises Plopp zu hören war und ein Hauself erschien. Dieser wandte sich an Professor Dumbledore und wollte gerade zu sprechen beginnen, als Harry sich in dem Sessel, in dem er sich zusammengerollt hatte, ruckartig aufrichtete. Er hatte den Hauself erkannt und seine smaragdgrünen Augen begannen erfreut zu leuchten, als er die kleine Kreatur ansprach.

"Dobby!"
 

Der Hauself fuhr herum und dunkle Augen richteten sich erstaunt auf den Gryffindor. Sekunden später weiteten sich die an sich schon großen Augen noch mehr und Dobby stürzte auf Harry zu und blickte dann von unten ehrfürchtig zu ihm auf.
 

"Harry Potter Sir! Harry Potter Sir kennt Dobbys Namen! Dobby ja so glücklich ist", begann der kleine Hauself zu schnattern, während er sich enthusiastisch an Harrys Hose klammerte.
 

"Ich freue mich auch, dich zu sehen, Dobby", erwiderte Harry mit einem weichen Lächeln, woraufhin Dobby vor Freude leicht auf und absprang. "Harry Potter Sir freut sich, Dobby zu sehen! Oh, oh! Dobby freut sich ja so!", wiederholte der Elf wieder und wieder. Bis er plötzlich merkte, daß er noch immer Harrys Hose in seinen Fingern festhielt und den Gryffindor dadurch in seiner Bewegungsfreiheit einschränkte, da Harry ihm nicht wehtun wollte, indem er sich befreite.
 

Dunkle, große Augen weiteten sich entsetzt, als Dobby seinen vermeintlichen Fehler bemerkte und er ließ rasch den Stoff der Hose wieder los. Als er jedoch begann, sich als Strafe für sein Handeln kräftig am Ohr zu ziehen, griff Harry rasch ein. Er unterbrach Dobbys Litanei von "Dobby böse war! Dobby hat Harry Potter Sirs Hose knittrig gemacht! Böser Dobby!", indem er sich vor dem kleinen Hauself hinhockte und mit behutsamem Griff Dobbys Hand von dessen Ohr löste.
 

"Hör sofort auf damit, Dobby", befahl er mit sanfter, aber energischer Stimme.
 

"Aber Dobby hat Harry Potter Sirs Hose...", begann der Hauself, verstört von dem freundlichen Verhalten des Gryffindors - trotz seines Fehlers. Bevor er jedoch zuende sprechen konnte, unterbrach ihn Harry: "Ist doch gar nichts passiert, Dobby. Kein Grund, deine Ohren noch länger zu ziehen."

Unsicher blickte Dobby zu Harry, der noch immer vor ihm kniete und ihn mit ehrlicher Wärme in den grünen Augen ansah. Die kleine Kreatur spürte Harrys Wohlwollen für ihn und beruhigte sich merklich.

Als der Schwarzhaarige das bemerkte, lächelte er und fragte dann: "Tust du mir einen Gefallen, Dobby?"
 

Angesichts dieser Frage kam Leben in die Gestalt des Hauselfen, dessen große Augen sich aufmerksam auf Harry richteten, bevor Dobby so heftig mit dem Kopf zu nicken begann, daß seine Ohren flatterten. Während er eifrig nickte, sagte Dobby: "Harry Potter Sir hat einen Wunsch? Was kann Dobby tun für Harry Potter Sir?"
 

"Du könntest so lieb sein und ein Abendessen für uns zusammenstellen, Dobby", antwortete Harry freundlich. "Ich weiß nicht, ob meine Freunde auch Hunger haben, doch mein Magen ist in dieser Beziehung sehr deutlich. Und...", Harry stockte kurz und biß sich auf die Unterlippe.

Dies verleitete Dobby dazu, den Kopf schief zu legen und ihn fragend aus dunklen Augen anzusehen. Daraufhin lächelte Harry leicht verlegen und meinte: "Und könntest du mir eine große Tasse heiße Schokolade machen? Mit Zimt und Vanille? Das wäre wunderbar."
 

Wieder nickte Dobby so heftig, daß seine Ohren hin- und herflatterten, Freude deutlich erkennbar angesichts der Tatsache, etwas für Harry tun zu können. "Natürlich, Harry Potter Sir! Dobby ist sofort wieder da!"
 

Mit diesen enthusiastischen Worten war Dobby Sekundenbruchteile später mit einem Plopp verschwunden und Harry schüttelte amüsiert den Kopf, während er sich wieder aufrichtete. "Manche Dinge ändern sich wirklich nie", flüsterte er vor sich hin.

Dann hörte er Severus' Stimme trocken sagen: "Gibt es eigentlich irgend jemanden, den du in diesem Schloß nicht kennst, Harry?"

Der Angesprochene drehte sich mit einem Lächeln zu dem Slytherin-Hauslehrer um und erwiderte: "Keine Ahnung. Doch Dobby zu vergessen, wäre schwierig für mich."

Dieser Satz bescherte ihm fragende Blicke, was Harry dazu veranlaßte, erklärend hinzuzufügen: "Wenn jemand dich mehrmals fast umbringt bei dem Versuch, dich zu beschützen, ist das ein Erinnern wert. Oder nicht?"

Nun waren aus den fragenden Blicken eindeutig verwirrte - aber auch eindeutig besorgte - geworden.
 

"Was meinst du damit, der Hauself hätte dich fast umgebracht?", wollte Draco wissen, die Stirn beunruhigt gerunzelt.

"Genau das, was ich gesagt habe", erwiderte Harry.

Bei der Erinnerung an all die Sachen, die Dobby ihm unfreiwillig angetan hatte, um ihn vor Unheil zu bewahren, zog er unwillkürlich eine leichte Grimasse. Die Nacht im Krankenflügel, nachdem Professor Lockhart ihm die Knochen im Arm weggezaubert hatte, welche durch den von Dobby verzauberten Klatscher gebrochen gewesen waren, war wirklich eine wenig erfreuliche Erfahrungen gewesen.
 

"Eigentlich ist es ein passender Zufall, daß ich Dobby hier getroffen habe", meinte Harry nun nachdenklich, "und es ist ein guter Anfang für meine Erzählung. Mit Dobbys Erscheinen im Ligusterweg begannen nämlich die Ereignisse meines zweiten Schuljahres."
 

Bevor er weitersprechen oder jemand auf diese rätselhaften Worte etwas erwidern konnte, machte es mehrmals laut Plopp und mehrere Hauselfen erschienen mit Tellern voller Essen, die sie auf dem Tisch abstellten. Dobby hingegen trug eine große Tasse, gefüllt mit herrlich duftender Schokolade. Mit glänzenden Augen näherte er sich Harry, welcher inzwischen wieder in dem Sessel am Feuer Platz genommen hatte und reichte ihm die Tasse.

Der Gryffindor schnupperte genießerisch und ein dankbares Lächeln zierte seine Züge, als er sich an Dobby wandte. "Danke sehr, Dobby", sagte Harry freundlich und der kleine Hauself strahlte sichtlich angesichts der Aufmerksamkeit des jungen Mannes.
 

"Dobby glücklich, etwas für Harry Potter Sir tun zu können", versicherte Dobby und setzte noch eifrig hinterher: "Kann Dobby sonst noch etwas tun für Harry Potter Sir?" Harry schüttelte verneinend den Kopf und lächelte erneut, während er die Tasse heißer Schokolade vorsichtig in den Händen hielt.

Nachdem sich Dobby mit einem Blick überzeugt hatte, daß auch der Rest der Anwesenden gut versorgt war, verschwand er mit einem Plopp, um seinen Pflichten nachzugehen, bis jemand ihn wieder rufen würde.
 

Harry hingegen kostete vorsichtig von der Schokolade und seufzte wohlig, als die Wärme durch seine Kehle rann. Das Getränk schmeckte genauso wunderbar, wie er es von Dobby gewohnt war. Seitdem der kleine Elf in Harrys Welt per Zufall herausgefunden hatte, wie sehr Harry heiße Schokolade mochte, überraschte er den Gryffindor immer wieder einmal damit - und zwar oftmals ohne vorherige Bitte von Harry. Es war, als würde Dobby spüren, wann der Gryffindor sein Lieblingsgetränk am nötigsten hatte.
 

"Leckermaul", hörte Harry in diesem Moment Hermine neckend sagen. Die tiefgrünen Augen öffnend, von denen er gar nicht gemerkt hatte, daß er sie wohlig geschlossen hatte, blickte Harry seine Freundin an und nickte dann einfach nur zustimmend, nicht im Geringsten beleidigt. Er konnte es in diesem Fall nicht abstreiten - er liebte heiße Schokolade einfach.
 

Ein warmes Lächeln breitete sich angesichts von Harrys entspanntem Gesichtsausdruck über Hermines Gesicht. Sie spürte, daß ihr Freund sich gerade wohlfühlte - die heiße Schokolade war nur das I-Tüpfelchen.

Er hatte es sich erneut in dem flauschigweichen Sessel bequem gemacht, seine lange, schlanke Gestalt zusammengerollt und den Kopf entspannt zurückgelehnt, während er hin und wieder an seiner Schokolade nippte.

Hermine kam er so vor wie eine geschmeidige Katze, die ihr Sahneschälchen ausleckt und sich eindeutig wohl in ihrer Haut fühlt - nur, daß Harry keine anschmiegsame Hauskatze war, wenn man den Vergleich weiterführte. Der Schwarzhaarige war wohl mehr einem Panther gleich, der gerade ungewöhnlich sanfter Stimmung war. Oder dem Löwen, welcher das Symbol ihres Hauses war.
 

Während Hermines Überlegungen hatte sich Ron enthusiastisch auf das Essen gestürzt, sein notorischer Hunger wieder einmal hervorbrechend. Doch auch der Rest der Gruppe ließ sich nicht zweimal bitten, die Hauselfen hatten sich nämlich wieder einmal selbst übertroffen mit den Köstlichkeiten, die sie serviert hatten.
 

Auch Harry langte kräftig zu, doch war ihm kurz darauf mehr daran gelegen, die angenehme Atmosphäre zu genießen, die über der Gruppe lag. Es war für ihn sehr ungewöhnlich, Gryffindors und Slytherins so einvernehmlich an einem Tisch zu sehen, doch er spürte das Gemeinschaftsgefühl zwischen den Anwesenden, als er beobachtete, wie sowohl Severus und Sirius als auch Ron und Draco nebeneinander sitzend und leise miteinander erzählend aßen.
 

Sich gemütlich in seinen Sessel zurücklehnend, zog Harry die langen Beine an und nahm seine Tasse Schokolade erneut in beide Hände, um das Gefühl von Wärme zu genießen, während er weiterhin den Rest der Anwesenden beobachtete. Das Feuer des Kamins beleuchtete ihre Gesichter und ließ die Emotionen darauf deutlicher werden, während Harry das Gefühl von Gemeinschaft und Vertrautheit genoß, welches ihn in Anwesenheit dieser neun Personen überfiel.
 

Er hätte sich vor einer Woche noch nicht träumen lassen, sich jemals so angenehm ruhig und entspannt zu fühlen, wenn er mit der Malfoy-Familie sowie Severus zusammenwar. Doch jetzt und hier, in dieser anderen Version seiner Welt, schien es ihm auf einmal völlig normal, so zu empfinden. Denn die Vier hatten sich als warmherzig und freundlich herausgestellt, nicht als so arrogant, feindselig und kalt, wie er sie seit über fünf Jahren gewohnt war.
 

Wieder wanderten Harrys Gedanken in die Richtung, die sie seit den letzten Tagen schon mehrmals eingeschlagen hatten. Vor allem nach Azhuras Bericht über Salazar Slytherin hatte der Schwarzhaarige seine Vorstellungen von Gut und Böse überdenken müssen. Was ihm bis jetzt immer als schwarz oder weiß erschienen war, konnte eigentlich gar nicht so leicht getrennt werden, sondern ergab grau.

Harry hatte schon immer gewußt, daß jeder Mensch gute und böse Seiten besaß - mancher mehr gute, mancher mehr böse. Doch nach den letzten Tagen war er noch stärker davon überzeugt, daß niemand von Anfang an schlecht war. Es waren die Handlungen, die einen Menschen zu dem machten, was er war. Der Wille, Gutes oder Böses zu tun unterschied Hell von Dunkel, Licht von Finsternis.
 

Doch Harry begriff jetzt auch, daß manchmal ein Mensch durch sein Umfeld dazu gezwungen war, Dinge zu tun, welche er, hätte er die Wahl gehabt, niemals freiwillig getan hätte. Auch ihm waren im Laufende der Jahre Dinge aufgezwungen worden, die er nicht tun wollte. Es existierte für viele Magier ein Bild vom "Jungen-der-lebt", dem Harry nicht zustimmte. Viele sahen in ihm nur denjenigen, der sie von der Gefahr durch Voldemort befreien würde - nicht den Jungen, der sich oftmals einfach nur nach einem wenigstens halbwegs normalen Leben sehnte. Und Menschen, die ihn liebten.
 

Er wollte keinen Ruhm, vor allem nicht für etwas, von dem er nicht einmal sicher war, daß er es wirklich selbst getan hatte. Ruhm und Ansehen gaben ihm seine Eltern nicht wieder. Seine Verwicklung mit Voldemort hatte ihn Sirius gekostet - den Menschen, der für Harry einem Vater am nächsten gekommen war. Durch seine zweifelhafte 'Popularität' war er ständig in Gefahr - und damit auch die Menschen, die ihm nahestanden. Hermine und Ron waren durch ihre Freundschaft und Loyalität zu ihm schon mehr als einmal in Gefahr geraten und Harry fürchtete insgeheim, daß ihr bisheriges Glück sie eines Tages verlassen würde.

Und dann würde er auch den Rest seiner Familie verlieren...
 

Harry seufzte leise auf, was die Aufmerksamkeit der anderen Anwesenden auf ihn lenkte. Sie sahen den nachdenklichen, ein wenig traurigen Ausdruck in den tiefgrünen Augen, als der Gryffindor abwesend ins Feuer blickte. Der Feuerschein tauchte Harrys Züge in warmes Licht und umgab ihn mit einer goldroten Aura, welche seine Freunde unwillkürlich wieder daran erinnerte, daß er der Erbe Godric Gryffindors war. Sie wußten noch nicht, daß dies nicht sein einziges Erbe war...
 

"Harry?", versuchte Sirius den Jüngeren vorsichtig aus seinen Gedanken zu holen. Doch er mußte noch mehrmals den Namen des Gryffindors rufen, bevor dieser schließlich auf ihn aufmerksam wurde. Grüne Augen blickten für einen Moment lang durch ihn hindurch, bevor Harry in die Gegenwart zurückkehrte.

Ein entschuldigender Ausdruck breitete sich über die Züge des Gryffindors, als er sah, daß jeder der Anwesenden ihn fragend und ein wenig besorgt musterte.

"Entschuldigung, ich war wohl mit meinen Gedanken schon wieder weit weg, nicht wahr?", fragte Harry reuevoll, woraufhin Draco mit einem Lächeln erwiderte: "Das scheint ein Hobby von dir zu werden." Eine emporwandernde Augenbraue und ein Auffunkeln in smaragdgrünen Augen verriet Harrys Amüsement angesichts dieser Worte, bevor er dem Slytherin humorvoll antwortete: "Hoffentlich nicht. Ich kann mir bessere Hobbies vorstellen."

Daraufhin erhielt er ein zustimmendes Nicken von Ron, der wiederum deswegen einen leichten Stoß in die Rippen von Hermine erhielt. Harrys Blick blieb jedoch kurze Zeit an Draco hängen, bevor er nachdenklich zu dessen Vater wanderte.
 

Lucius, der schweigend neben seinem Sohn auf der Couch saß, ließ den eindringlichen Blick der tiefen, grünen Augen anstandslos über sich ergehen, auch wenn er nicht hätte sagen können, was Harry sah, wenn er ihn anblickte. Noch vor drei Tagen hatte in den Augen des Gryffindors bei Lucius' Anblick fast so etwas wie Haß gestanden, doch jetzt erblickte der blonde Mann in ihnen eine Mischung aus Verwirrung, tiefer Nachdenklichkeit und vorsichtiger Akzeptanz.
 

"Darf ich Sie etwas fragen, Mr. Malfoy?", erklang nach einer Weile, in der Harry Lucius eingehend gemustert hatte, die Stimme des Schwarzhaarigen. Der Angesprochene blinzelte, nickte jedoch sofort mit dem Kopf, um sein Einverständnis anzuzeigen. "Du kannst aber ruhig Lucius zu mir sagen, Harry", meinte er dann, da auch für ihn es - wie für Severus - äußerst ungewohnt war, so formal von dem Gryffindor angesprochen zu werden.
 

Auf dieses Angebot hin schwieg Harry und schien zu zögern. Bei Dracos Vater fiel es ihm schwerer, seine Vorbehalte abzulegen, da der Lucius Malfoy in seiner Welt nicht gerade auf die Liste der Menschen gehörte, die Harry zu dem Kreis zählen würde, die ihm das Du anbieten würden. Im Gegenteil.
 

Dann schob Harry diese Gedanken jedoch zurück und konzentrierte sich auf seine Frage. "Ich würde gern wissen, was Sie tun", wollte Harry wissen. Nun war Lucius wirklich verblüfft. "Was ich tue? Du meinst, meine Arbeit?", fragte der blonden Mann, um Harrys Frage zu präzisieren.

Der Schwarzhaarige nickte nur bestätigend.
 

"Ich forsche", erklärte Dracos Vater dann und als er das interessierte Licht in den grünen Augen aufblitzen sah, fuhr er fort: "Ich hab' mich schon zu Schulzeiten für alte Magieformen interessiert - und dieses Hobby später zu meinem Beruf gemacht. Ich bin im Zaubereiministerium, in der Abteilung für "Alte Magie und Sprachen" der zuständige Minister."
 

"Darum wußte Lucius auch über das Buch von Merlin und den Zauberspruch Bescheid, der dich zu uns brachte, Harry", fügte Severus noch hinzu, als er sah, wie der Gryffindor Lucius nach dessen Erklärung überrascht ansah. Anscheinend hatte Harry dies nicht erwartet.
 

"Warum wolltest du das wissen?", mischte sich nun Narzissa neugierig in das Gespräch. Sie war sich sicher, daß Harry einen guten Grund für seine Frage hatte - und wollte diesen gern erfahren. Dann, bevor der junge Mann ihr antworten konnte, setzte sich noch hinzu: "Was tut Lucius denn in deiner Welt, Harry?"
 

Kaum hatten die Worte ihren Mund verlassen, zuckte der Angesprochene sichtlich zusammen und ein Schatten huschte über sein Gesicht, bevor der Gryffindor sich wieder zusammenriß. Er schloß für einen Augenblick die Augen und seufzte erneut leise auf.
 

Wechselnde Emotionen huschten in raschem Wechsel über seine Züge, bis Harry schließlich seinen Gefühlswirrwarr wieder unter Kontrolle brachte. Doch es war klar, daß er ziemlich um seine Beherrschung hatte kämpfen müssen.

Als er die Augen wieder öffnete, stand, für die Anwesenden überraschend, Mitgefühl in ihren smaragdgrünen Tiefen geschrieben - und dieses Mitgefühl richtete sich an Lucius, dessen Vorahnung erneut Form annahm. Er wußte, was Harry ihm zu erzählen hatte, würde ihm nicht gefallen.
 

"Es tut mir leid, dies sagen zu müssen, aber in meiner Realität haben Sie eine etwas andere Beschäftigung", begann Harry langsam. Als er das wachsende Unbehagen in Lucius silbergrauen Augen sehen konnte, fügte er zögernd hinzu: "Es...es wird dir nicht gefallen." Unwillkürlich war er zum Du übergegangen; als kleine Hilfe, um den Schlag abzumildern, von dem er wußte, daß der Mann vor ihm ihn gleich erhalten würde. Doch Harry konnte den Anwesenden diese Tatsache nicht verschweigen, denn mit Lucius Malfoy hatte die Kette der Ereignisse in seinem zweiten Schuljahr begonnen.
 

Dracos Vater holte tief Luft und wappnete sich, dann sah er Harry auffordernd an. "Erzähl' es mir", forderte ihn dann auf.

"Ich weiß nicht, ob er noch einer anderen Arbeit nachgeht - doch die Hauptbeschäftigung, von der ich weiß, sind die Tätigkeiten für Voldemort", begann Harry leise, doch die Anwesenden verstanden ihn trotzdem klar und deutlich. Lucius wurde leichenblaß, als ihm klarwurde, was sich hinter diesem Satz verbarg.
 

Horror spiegelte sich in seinem Gesicht und klang auch in seiner Stimme mit, als er fragte: "Ich bin ein... ein... Todesser?"

Harry nickte und präzisierte: "Und nicht nur das. In meiner Welt ist Lucius Malfoy Mitglied von Voldemorts Innerem Zirkel. Einer seiner engsten Vertrauten. Vielleicht sogar der Vertrauteste."
 

Daraufhin herrschte entsetzte Stille, als jeder der Anwesenden damit klarzukommen versuchte, was Harry ihnen gerade erzählt hatte. Lucius war noch immer leichenblaß und schien mit sich zu kämpfen. Abscheu, Entsetzen und Unverständnis spiegelten sich in seinen Zügen wieder, als er über sein anderes Ich nachdachte. Harry fühlte deutlich, wie abgestoßen der blonde Mann davon war, daß er in Harrys Welt in Voldemorts Diensten stand.
 

Schließlich durchbrach Sirius' dunkle Stimme das Schweigen, indem er zu Harry sagte: "Kein Wunder, daß du so aufgebracht reagiert hast, als du Lucius am Abend deines Erwachens gesehen hast. Du mußtest dich ja von ihm bedroht fühlen, wenn er in deiner Realität...", Sirius' Stimme verlor sich, bevor er den Satz zuende gebracht hatte und er richtete seinen Blick mitfühlend auf Lucius, der noch immer vollkommen in seinen Gedanken versunken war.
 

"Ich mag deine Realität nicht", ließ sich an dieser Stelle Draco vernehmen.

Der blonde Slytherin fuhr sich aufgewühlt durch die Haare, bevor er fortfuhr: "Ist dort eigentlich irgend jemand für dich da? Wenn wir beide Erzfeinde sind", bei diesen Worten schimmerte Schmerz in Dracos Augen auf, "und Sirius den größten Teil deiner Kindheit in Azkaban war...und Severus dort offensichtlich ebenfalls wenig Vatergefühle für dich aufbringt...und nun auch noch herauskommt, daß mein Dad...", Draco konnte den Satz nicht zuende bringen, sondern schüttelte sich bei dem Gedanken, was Harrys Aussage alles mit sich brachte. Traurig sah er zu seinem Vater neben sich.
 

Eine sanfte Berührung auf seinem Arm ließ Lucius, welcher abwesend vor sich hinblickte, aufschrecken. Er sah direkt in seelenvolle smaragdgrüne Augen, welche ihn traurig betrachteten. Harry hatte sich vor ihm hingehockt und meinte nun leise: "Es tut mir leid. Ich wollte nicht..."
 

Lucius' Kopfschütteln ließ den Schwarzhaarigen innehalten, woraufhin der ältere Mann zu sprechen begann. "Entschuldige dich nicht, Harry. Du kannst schließlich nichts dafür, was mein anderes Ich für eine Entscheidung getroffen hat. Ich bin nicht glücklich darüber, das kann ich dir versichern.

Wie er auf diesen Weg geraten konnte, ist mir unbegreiflich - ich hatte nie den Wunsch, diesem Monster in irgendeiner Weise behilflich zu sein. Und dann auch noch auf diese Weise..."

Lucius verstummte kurz und blickte Harry mit gepeinigten Augen an, so daß dieser gar nicht anders konnte, als tröstend die Hand des älteren Mannes in die seinen zu nehmen. Der schwarzhaarige Gryffindor fühlte den Schmerz von Dracos Vater über diese Offenbarung und sein Herz öffnete sich dieser so völlig anderen Version des Lucius Malfoy, die er gewohnt war.
 

Hier vor ihm saß ein Mann voller Freundlichkeit und Liebe für seinen Sohn und seine Frau, der sich für alte Magie interessierte und wahrscheinlich viel Gutes für seine Freunde tat. Wie hatte aus diesem guten Mann in seiner Realität der kaltherzige, feindselige Mensch werden können, der Harry schon mehrmals nach dem Leben getrachtet hatte? Dies war ein Rätsel, welches Harry nicht zu lösen vermochte.
 

Als Lucius spürte, wie Harrys Hände sich um die seine schlossen und er sah, wieviel Mitgefühl sich in den Augen des Jüngeren spiegelte, fühlte er eine Welle von Scham und auch Ehrfurcht.

Scham, weil Harry ihn trösten wollte, obwohl er doch von seinem anderen Ich so viel Leid erfahren hatte. Da war sich Lucius sicher, obwohl Harry noch nicht erzählt hatte, was genau zwischen ihnen vorgefallen war. Doch seine Reaktion vor drei Tagen sowie die Tatsache, daß sein Doppelgänger in Harrys Realität im engsten Kreis von Voldemorts Vertrauten war, bewies, daß sie keineswegs eine gute Geschichte verband.

Die Ehrfurcht wiederum stammte von der Erkenntnis, daß Harry ihm nichts von all diesen Dingen vorhielt. Er akzeptierte, daß Lucius hier keineswegs etwas tun würde, um ihm zu schaden. Und in Folge dessen war er dazu fähig, ihn sogar zu trösten.

Harry war wirklich ein besonderer Mensch, wenn er so zu handeln imstande war.
 

Seine Hand drehend, so daß er Harrys Handgelenk fassen konnte, sah Lucius ihm in die Augen. Smaragdgrün strahlte ihm offen und aufmerksam entgegen, so daß er äußerte, was ihm durch den Sinn fuhr: "Du hast eine besondere Gabe, Harry. Und damit meine ich nicht deine magischen Kräfte. Nein, vielmehr ist es deine Gabe zu verzeihen. Damit hast du mir ein großes Geschenk gemacht."
 

"Du hast nichts mit ihm gemein - außer dein Äußeres", erwiderte Harry, nachdem er Lucius eine Zeitlang direkt in die Augen gesehen hatte. Die Anwesenden spürten, wie ernst er seine Worte meinte. "Du bist nicht wie er, auch wenn ich eine Zeitlang brauchte, dies zu erkennen. Ich weiß auch nicht, was ihn zu seinem Handeln bewog - doch ich kann nicht dich für etwas verantwortlich machen, was du nie getan hast...Lucius. Das wäre nicht fair von mir."
 

"Du magst Recht damit haben, daß eine solche Reaktion nicht ganz fair Lucius - ,unserem' Lucius - gegenüber wäre, Harry", ließ sich in diesem Moment Professor Dumbledores weise Stimme vernehmen.

"Dennoch findet man nur selten eine Seele, die groß genug ist, zu verzeihen - vor allem, da ich deinen Andeutungen über den Lucius deiner Welt entnehme, daß er als ein Gefolgsmann von Voldemort sicherlich nicht zu deinen Freunden zählt."

"Eher nicht", erwiderte Harry, während er sich wieder aus seiner knienden Stellung vor Dracos Vater erhob. Mit einem letzten Blick auf den blonden Mann, dessen Äußeres ihn so schmerzlich an all die Dinge erinnerte, die er in seiner Realität wegen Malfoy Senior hatte erleben müssen, wandte er sich wieder seinem Sessel zu.
 

Als er darin Platz nahm und sich unwillkürlich wie Geborgenheit suchend in die weichen Polster kuschelte, wurde den Anwesenden auf einmal wieder bewußt, daß Harry trotz seiner sein Alter übertreffenden Weisheit und Anpassungsfähigkeit trotzdem noch immer ein junger Mann von erst 16 Jahren vor.

Viel zu jung also, um eine derartige Bürde zu tragen.

Zu jung, um schon soviel Schmerz in den tiefgrünen Augen stehen zu haben, soviel Einsamkeit und Pein in sich zu tragen - und dennoch so verzeihend zu sein, daß es unwillkürlich Achtung erzeugte vor dem großen Herzen, welches sich in seiner Güte nicht beirren ließ.
 

"Fang an, von deinem zweiten Schuljahr zu erzählen", ermutigte Sirius den Gryffindor nach einer Weile, in der alle Anwesenden die schockierenden Nachrichten über Dracos Vater in Harrys eigener Realität zu verkraften versucht hatten. Ihnen allen war klar, daß sie das, was sie jetzt von Harry zu hören bekommen würden, ihnen daher noch weniger gefallen würde als die Dinge, die sie bis jetzt schon erfahren hatten. Denn nun wußten sie, es würde mit einem von ihnen zusammenhängen - und dies machte den Bericht um so schmerzhafter. Ihn zu hören - aber auch, ihn zu erzählen.
 

Denn Harry sah Lucius an, daß ihn die Enthüllung über sein anderes Ich tief getroffen hatten und es tat ihm innerlich weh, dem freundlichen Mann so viel Schlechtes über den Lucius seiner Welt erzählen zu müssen.

Doch dessen Handlungen waren nun einmal zu einem großen Teil dafür verantwortlich gewesen, was in seinem zweiten Schuljahr passiert war. Wenn er das Tagebuch des 16jährigen Tom Riddle nicht in Ginnys Kessel gesteckt hätte...hätte es dann die ganzen Ereignisse des Schuljahres nicht gegeben?

Doch dies war Vergangenheit und damit nicht mehr zu ändern, ermahnte sich Harry im Geiste streng. Was jetzt wichtig war, war die Gegenwart und die Zukunft. Vielleicht konnte er, indem er von den Ereignissen von vor 3 Jahren berichtete, Antworten erhalten, welche alles in ein anderes Licht tauchten. Vielleicht bekam er ja hier Antworten, auf die er selbst und die Menschen in seiner Welt nicht gekommen waren, da sie viel zu sehr selbst in die Geschehnisse verstrickt waren.
 

Den Entschluß gefaßt, nickte Harry Sirius bestätigend zu und runzelte kurz die Stirn, als er überlegte, wie sehr er ins Detail gehen sollte, wenn er berichtete. Dann entschied er, daß er am besten mit Dobbys Auftauchen im Ligusterweg begann und umrißartig die daraufhin folgenden Ereignisse schilderte. Sollte seinen Zuhörern dabei etwas unklar bleiben, konnte er diese eventuellen Fragen später genauer erläutern.
 

"Mein zweites Schuljahr begann schon sehr ungewöhnlich", begann Harry seine Erzählung, woraufhin ihm sofort alle Anwesenden aufmerksam lauschten. "Meine Sommerferien muß ich wegen der Blutsbindung an meine Tante Petunia und dem damit einhergehenden Schutz für mich immer im Ligusterweg verbringen. Keine sonderlich angenehmen Ferien sind das jedes Mal, doch ist es während der Ferienzeit laut Professor Dumbledore der sicherste Platz für mich, da Voldemort mir durch die Schutzbanne dort nichts anhaben kann."
 

An dieser Stelle knurrte Sirius unwillig vor sich hin und schenkte Professor Dumbledore einen vorwurfsvollen Blick. Bevor jedoch der Schulleiter etwas sagen oder sich verteidigen konnte, erklang Harrys Stimme erneut. "Sirius! Er kann doch nichts dafür", tadelte Harry seinen Paten kopfschüttelnd.

Und seufzend setzte er hinzu: "Und ich bin auch sicher, daß es Professor Dumbledore in meiner Welt gut mit mir meinte, als er mich der Obhut meiner Verwandten übergab. Er konnte ja nicht ahnen, was für Menschen sie sind...und selbst wenn, so ist der Schutzzauber um den Ligusterweg doch das stärkste Hindernis für Voldemort, mich außerhalb von Hogwarths in die Hände zu bekommen." Für ein paar Augenblicke schwieg Harry, um seine Gedanken wieder zum eigentlichen Thema zurückzulenken. Dann sprach er weiter.
 

"Jedenfalls war der Sommer vor meinem zweiten Schuljahr so 'freudig' gewesen, daß ich es kaum erwarten konnte, nach Hogwarths zurückzukehren. Ich war ein wenig traurig, da Ron und Hermine mir den ganzen Sommer lang nicht ein einziges Mal geschrieben hatten, obwohl sie es mir fest versprochen hatten."

An dieser Stelle verdunkelten sich Harrys Augen und Hermine und Ron sahen sich ein wenig entsetzt an. Daß ihre Gegenstücke ein derartiges Versprechen gebrochen hatten, konnten die Beiden nicht verstehen. So etwas hätten sie 'ihrem' Harry nicht angetan.
 

"Zu dem Moment wußte ich es noch nicht, doch ich hatte nur keine Briefe von den Beiden erhalten, da Dobby es als eine Maßnahme sah, mich von Hogwarths fernzuhalten", fuhr Harry erklärend fort, als er den Schock in den Gesichtern seiner zwei besten Freunde sah.

Nun war Neugier und leichte Irritation auf allen Gesichtern zu erkennen.
 

"Was hat Dobby mit der ganzen Sache zu tun?", wollte Draco schließlich wissen.
 

"Eine ganze Menge", erwiderte Harry. "Dobby war Mr. Malfoys persönlicher Hauself und hatte daher auf irgendeine Weise erfahren, daß mein zweites Jahr sehr gefährlich für mich werden sollte. Daher versuchte er auf...sagen wir recht unkonventionelle Weise, mich davon abzuhalten, am Ende der Ferien in die Schule zurückzukehren.

Eine dieser Aktionen war es, all die Briefe abzufangen, die mir Ron und Hermine über die Ferien hinweg geschrieben hatten. Er dachte, wenn ich meinen würde, daß meine Freunde mich vergessen hätten, ich dann auch nicht mehr den Wunsch haben würde, nach Hogwarths zurückzukehren.

Um mich zu warnen, tauchte er außerdem kurz vor Ferienende im Ligusterweg auf. Das war nicht gerade ungefährlich, denn ich wußte, sollte Onkel Vernon ein Wesen wie Dobby in meinem Raum entdecken, würde der Teufel lossein.

Außerdem war an genau jenem Abend ein eventueller Geschäftskollege meines Onkels zum Abendessen eingeladen und mir war eingeschärft worden, mich 'unsichtbar' zu machen. Das bedeutete, mich nicht außerhalb meines Zimmers sehen zu lassen und auch so keinen Laut von mir zu geben, der auf meine Anwesenheit im Haus schließen lassen würde."
 

Angesichts der geschockten Mienen, die er nach diesen Worten zu sehen bekam, schlich sich ein leicht sarkastisches Lächeln auf Harrys Züge und er meinte: "Oh, das war eines der Dinge, die ich nur zu gern tat - wenn die Dursleys mich in Ruhe ließen, ging es mir gut. Als wenn ich jemals Wert auf ihre Gesellschaft gelegt hätte...", murmelte er noch mehr zu selbst als zu den Anderen, die ihn daraufhin neugierig anblickten. Harrys Verhältnis zu seinen Verwandten schien wirklich alles andere als schön zu sein.
 

Jetzt ist erst einmal wieder Ende, denn das Kapitel wurde mal wieder laaaaaaaaaaaaaaang. Daher habe ich mich dazu entschieden, es erneut zu teilen. Im zweiten Teil, den ich auch bald fertiggeschrieben habe, geht es dann richtig um die Ereignisse des zweiten Schuljahres von Harry und um das, was Azhura ihm erzählte. Danke für eure Geduld und all die lieben Kommis!

Antalya



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: abgemeldet
2005-03-14T12:01:32+00:00 14.03.2005 13:01
wowi *Augen funkel*
das war total geial. du musst unbedingt weiterschreiben.
Und mach dir nichts draus, die Kapitel können ruhig n bischn länger sein.
also beeil dich mit dem weiterschreiben. oki?
nyo, wischi waschi Neo
Von:  SailorStarPerle
2005-03-14T11:48:08+00:00 14.03.2005 12:48
Hy ich hoffe du schreibst bald weiter ich will doch unbedingt wissen wie es weiter geht sonst sterbe ich noch vor neugier und das willst du sicher nicht

mfg SailorStarPerle
Von: abgemeldet
2005-03-13T19:23:13+00:00 13.03.2005 20:23
War wie immer ein super Teil! Du kannst super die Gefühle der Personen beschreiben, dass man sich super in sie hineinversetzen kann.
Außerdem ist die Story sehr spannend. Man ist ganz hibbelig, weil man so schlecht raten kann, was als nächstes passiert.

CIAO BIS BALD


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