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Von der Kunst, richtig zu sein

von

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Fortschritt

Sie hatten sich dazu entschlossen, noch einen Film anzusehen und Shinji dachte noch, dass, wenn es so bliebe, sie das hinbekommen würden.

Als sie allerdings aufstanden, bemerkte er, wie Nate plötzlich zusammen zuckte und sich dann mit verkniffenem Gesichtsausdruck an der Tischplatte aufstützte.

Aus Reflex wäre er beinahe zu ihm gekommen, hätte ihn gestützt oder ihm gesagt, dass er sich wieder setzen solle, aber er wusste, dass das Nates Stolz verletzen und eher zu dem Gegenteil führen würde.

"Wenn ich dir zeige, wie es geht, traust du dir zu, einen Laptop zu bedienen? Dann könntest du schon Mal einen Film raus suchen, der dich irgendwie anspricht, während ich hier schnell Klarschiff mache."

Dass es ein Angebot war, um einfach sitzen bleiben zu können, war wahrscheinlich ihnen beiden klar, aber er fand keinen anderen Weg, Nate das möglichst angenehm zu machen. Das einzige, was er tun konnte, war zu hoffen, dass Nate sich mit einer Aufgabe wohler fühlte und deshalb auf das Angebot einging.

Nate brummte etwas unwillig und sah ihn mit diesem 'ich weiß, was du vorhast' - Blick an, doch letztendlich grinste er leicht und nickte.

Erleichtert holte Shinji seinen Laptop und brachte ihn zu Nate, der bereits auf dem Sofa saß. Er öffnete Netflix und zeigte ihm die Grundfunktionalität.

So schlecht wie Nate im Spielen war, war er zum Glück nicht mit Technik, weshalb es recht zügig funktionierte.

Es war ein wenig schwierig, sich nicht an seinen Freund zu lehnen, der so dicht bei ihm saß, dass er seine Körperwärme spüren konnte, aber er schaffte es, sich zusammen zu reißen.
 

Sie entschieden sich letztendlich für 'Death at a Funeral' und während Nate sein Bein ausstreckte, setzte sich Shinji so, dass er ihn nicht berührte. Er wollte ihn wirklich nicht überfordern.

Der Film war witzig und trug sehr zu der eher lockeren Stimmung zwischen ihnen bei, weshalb sich Shinji am Ende ein wenig aufgekratzt fühlte.

"Ah, mist! Ich hab vollkommen vergessen, das Bett neu zu beziehen."

Und er musste auch noch Zeug raussuchen, damit er auf dem Sofa schlafen konnte. "Wenn du willst, kannst du in der Zwischenzeit duschen oder so."

"Ahm, hey… du musst dein Bett nicht frisch beziehen, ich werde auf dem Sofa schlafen."

Das war so klar gewesen! Der Kerl konnte auch nicht einmal ein gut gemeintes Angebot annehmen.

"Aber duschen klingt trotzdem nicht schlecht", setzte Nate nach und stand bereits auf. Shinji musste indes die Situation abwägen. Sollte er dagegen sprechen oder war das nur verschwendete Kraft? Nach kurzem Überlegen musste er einsehen, dass es letzteres war. Nach allem, was heute passiert war, würde sich sein Freund da nicht mehr reinreden lassen. Also ließ er ihm seinen Willen, auch, wenn ihm wohler dabei gewesen wäre, wenn er im Bett geschlafen hätte.

Dennoch konterte er den Sturschädel mit seinem eigenen, weshalb er schnell verschwand, um aus seinem Kleiderschrank Ersatzhandtücher zu holen, noch bevor Nate am Badezimmer angekommen war.

Mit den Worten 'Dein Pech, mein Bett ist nämlich echt bequem', drückte er ihm alles in die Hand und ließ ihn dann duschen.
 

Als Nate wieder kam, saß er noch auf dem Sofa und sah sich 'The Big Bang Theory' zum hundert tausendsten Mal an. Auf der Sitzgelegenheit lag bereits Bettzeug bereit.

Er sah auf als sein neuer, alter Mitbewohner wieder zurück kam und konnte für einen Augenblick nichts anderes als Starren. Nate trug sein T-Shirt, sondern hatte es, wie früher auch oft, noch über der Schulter liegen. Es vergingen einige unendlich lange Sekunden, die viel zu schnell vorbei war, ehe er sich zusammenreißen und seinen Blick abwenden konnte.

Fast fühlte er sich wie damals, als er sich das erste Mal seiner Homosexualität bewusst geworden und Nate ebenso aus der Dusche heraus gekommen war.

Er schielte noch einmal zu ihm und beobachtete, wie ein Wassertropfen langsam seine Brust hinunter perlte. Früher hatte es ihm nichts ausgemacht, lange abstinent zu sein, aber das Jahr jetzt, war manchmal ziemlich hart gewesen. Nate jetzt hier zu haben und ihn nicht berühren zu dürfen, war allerdings eine hundertfache Potenzierung von seinem schlimmsten Tag.

Dass Nate sich direkt neben ihn setzte, machte es nicht besser. Er war so unglaublich nah, er konnte das Duschgel noch an ihm riechen und es kostete ihn viel Selbstbeherrschung, sich nicht vorzustellen, wie er sich gerade noch unter der Dusche damit eingeseift hatte.

Erst als Nate sich das T-Shirt endlich anzog, wurde es ein wenig besser.

"Musst du die Woche arbeiten?"

Das war eine nicht leicht zu beantwortende Frage und es dauerte kurz, bis er sich genug gesammelt hatte, dass er etwas sinnvolles erwidern konnte:

"Das liegt bei dir. Ich arbeite ja hauptsächlich nachts und schlafe tagsüber. Wenn du den Tag über lieber deine Ruhe haben willst, arbeite ich weiterhin, wenn du lieber Gesellschaft willst, kann ich auch Urlaub nehmen. Mit meinem Chef ist das alles schon durchgesprochen."

Er sah etwas unsicher zu seinem Freund und lächelte schief: "Aber ich fürchte, wenn du lieber Zeit mit mir verbringen willst, könnte ich ein wenig kletten, dann hättest du wirklich nur deine Ruhe, wenn ich morgens schlafe. Vor 10 Uhr kriegst du mich so oder so nicht aus dem Bett."

Er wollte ehrlich sein, Nate musste schließlich wissen, worauf er sich einließ.

"Mir reicht der freie Morgen."

Es war etwas kompliziert ausgedrückt, aber Shinji verstand dennoch und musste deshalb einen Jubelschrei unterdrücken. Das war nicht schwer, Jubeln lag ihm nicht, aber darum ging es ja auch gar nicht. Er war einfach nur wirklich glücklich.

"Dann sag ich meinem Chef, dass ich diese Woche auf jeden Fall Urlaub nehme, mit Option darauf, den vielleicht noch zu erweitern. Wir können ja sehen, wie es läuft."

Er stand dann auch auf. Nate hatte zuvor schon gegähnt und auch wenn er eigentlich noch nicht von ihm weg wollte, war jetzt wohl der Zeitpunkt, an dem er verschwinden sollte.

"Ich lass dich dann mal schlafen. Sollte irgendwas sein, zöger nicht, in mein Zimmer beziehungsweise Arbeitszimmer zu kommen, ich bin normalerweise bis in die frühen Morgenstunden wach. Und selbst, wenn ich schon schlafen sollte, ist das auch kein Problem. Und jaaa… ich weiß… wir wissen beide, dass du das Angebot nicht annimmst, selbst, wenn die Welt untergehen würde. Trotzdem steht das Angebot und ich meine es ernst."

Nates leises Lachen begleitete ihn noch bis ins Arbeitszimmer.

Doch als er die Zimmertür hinter sich schloss, war die Stille und Leere im Raum nahezu unerträglich. Er blieb stehen, stoppte förmlich in all seinem Tun und das gute Gefühl, das er bis eben gehabt hatte, war sofort verschwunden.

Die Ängste und Sorgen kamen zurück und vor allem das Vermissen seines Partners kehrte wieder. So sehr Nate sich auch wie Nate benahm, das im Wohnzimmer war nicht der Mann, den er liebte. Das Gefühl, dass er gestorben war, ergriff von ihm Besitz und ehe es ihn zu überwältigen drohte, eilte er zu seinem PC. Er wollte nicht darüber nachdenken. Er wollte nicht, denn dann würde er seinen Optimismus nicht mehr aufrecht erhalten können und genau den brauchte Nate jetzt… diesmal musste er der Starke sein. Er musste der sein, an den Nate sich lehnen konnte, auch wenn er gare nichts lieber wollte, als sich in den Armen des anderen zu verkriechen und so lange zu weinen, bis alles wieder gut war.

Nein… er musste sich zusammen reißen.

Als er sich einloggte und über sein Headset Bekannte begrüßte, war seine Stimme dennoch dünn und brüchig. Sie fragte nicht, lenkten ihn einfach nur ab. Und so spielte er tatsächlich bis in die frühen Morgenstunden… bis er so müde war, dass er einfach an seinem Schreibtisch einschlief.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Onlyknow3
2020-05-18T10:57:46+00:00 18.05.2020 12:57
Shinji hat es echt nicht leicht, jetzt hat er Nate zwei mal verloren.
Erst durch dessen umzug damals, nun als Soldat weil er seine Erinnrung verloren hat.
Nicht mal mehr seinen Namen kannte, das muss sehr schwer sein das zu ertragen.
Wünsche Nate das er sich bald wieder erinnert, und Shinji das er durchhält.
Weiter so, freue mich auf das nächste Kapitel.

LG
Onlyknow3


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