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Von der Kunst, richtig zu sein

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Ablenkung

Nate war mit herein gekommen. Hatte gefragt, ob er jemanden brauche, der ihm half, die Pancakes zu vernichten. Shinji wusste, dass er ihm einfach nur die Möglichkeit hatte lassen wollen, 'nein' zu sagen. Aber er wollte nicht allein sein, weshalb er 'ja' gesagt hatte. Ja, er brauchte Hilfe. Nur die Pancakes waren ihm egal. Die wanderten wahrscheinlich sowieso in den Müll, er würde heute nichts mehr runter bekommen.

Jetzt stand er in seinem Wohnzimmer. Er hatte gehofft sich erleichtert zu fühlen, wenn er hier ankam, doch dem war nicht so. Er fühlte sich sicherer, ja, aber seine Wohnung nahm ihm nicht den schweren Stein von seiner Brust, sie half ihm nicht zu verdrängen, nicht zu verarbeiten. Das konnte niemand.

Tränen brannten plötzlich wieder in seinen Augen, doch er blinzelte sie weg. Er würde nicht mehr weinen. Er würde nicht daran kaputt gehen. Jetzt wo er Nate hatte, hatte er einen Grund, gegen die Verzweiflung zu kämpfen.

Dennoch stand er jetzt hier und wusste nicht, was er mit sich anfangen sollte. Was tat man jetzt? Er wollte nichts essen, obwohl er wusste, dass er müsste. Er wollte nicht fernsehen oder reden oder sonst irgendwas. Aber er wollte auch nicht gar nichts tun. Er musste etwas tun... irgendwas.
 

Nate kam um ihn herum und nahm ihm die Pancakes aus der Hand, packte sie aus, nahm zwei Teller und stellte alles auf den Tisch. Shinji stand weiterhin mitten im Raum und verfolgte die Bewegungen, ohne sie richtig wahrzunehmen.

"In der Navy bekommen wir normalerweise nicht so etwas. Da gibt es weder Pan noch Cakes."

Erst als Shinji das Wort Navy hörte, wurde er wieder aktiv. "Du musst nicht darüber reden." Er setzte sich an den Tisch, sprang dann aber gleich wieder hoch und setzte Kaffee auf. Er wusste, warum Nate das machte. Aus irgendeinem Grund wusste er es genau. Es war fast, als wäre eine Wand niedergerissen worden, die zwischen ihnen gestanden hatte. Er verstand ganz genau was Nate da tat. "Es gibt sicherlich auch andere Themen, mit denen du mich ablenken kannst."

Nate brauchte einen Moment, lachte dann aber auf: "Bin ich echt so leicht zu durchschauen? Ist ja furchtbar."

Shinji konnte aber nur die Schultern zuckten. "Das hast du früher schon immer gemacht."

Nachdem er mit zwei gefüllten Kaffeetassen zurück kam und sich gesetzt hatte, starrte er auf die Pancakes, als seien es Aliens. Nein. Davon bekam er nichts runter, da konnte das Zeug so gut riechen, wie es wollte.

"Ich will einfach nicht, dass du über etwas redest, worüber du nicht reden willst, nur, damit ich mich besser fühle.", fuhr er fort. "Wobei ich dir natürlich gerne zuhöre, wenn du darüber reden möchtest. Ich hoffe, das weißt du."

Das war natürlich nicht auf das Geben von Informationen bezogen. Es gab sicherlich viel, was Nathan belastete und er sollte sich frei fühlen, darüber zu sprechen. Selbst in solchen Momenten wie diesem, in denen es Shinji nicht so gut ging und er nicht unbedingt den Kopf dafür hatte. Selbst jetzt würde er sein Bestes geben, um ein guter Zuhörer zu sein. Viel mehr als das konnte er wahrscheinlich sowieso nicht tun. Wirklich helfen konnte er nicht, aber manchmal - und das wusste er aus Erfahrung - war es auch genug, wenn man nur jemanden hatte, der zuhörte. Ohne zu urteilen, ohne zu hinterfragen. Einfach nur jemand, der da war und sich anhörte, was einen bedrückte. Der einem ein wenig die Last von den Schultern nahm.

Das konnte Shinji tun, selbst in diesem Moment.
 

"Anderes Thema also... hmmm... Hana kann jetzt Fahrradfahren. Das besser?"

Doch Shinji konnte nur die Stirn verwirrt in Falten legen: "Merkwürdiges Thema."

Aber, dass er das überhaupt so aussprach, zeigte wohl den Fortschritt zwischen ihnen. Das Fehlen der Mauer war auch jetzt deutlich spürbar, denn vorher hätte er niemals zugegeben, dass er mit normalem Smalltalk nicht klar kam.

"Was soll ich auf so etwas antworten? 'Aha, hat sie es also tatsächlich geschafft'? Und du antwortest dann 'Ja, hat sie'. Dann grinsen wir uns dümmlich an und wissen nicht mehr, was wir sagen sollen." Er sah überhaupt keinen Sinn in einem solchen Gespräch. Dennoch senkte er seinen Blick nachdenklich und selbstkritisch in seine Tasse. "Wobei man natürlich auch meinen sollte, dass ich, wenn ich schon solche Kritik anbringe, auch ein anderes Thema hätte..."

Aber er wusste keins. Irgendwie wollte er gerne über sich selbst sprechen und wusste doch nicht, wo er anfangen sollte, denn er wollte gar nicht über sich sprechen.

Vielleicht wollte er einfach nur alles los werden, was ihn beschäftigte, damit Nate ihm wieder sagte, dass alles in Ordnung und nicht schlimm war. Aber das wäre unfair. Nate war nicht da um sich um Shinjis innere Dämonen zu kümmern, der andere hatte beim besten Willen Besseres zu tun, als ihn zu therapieren. Außerdem war da immer noch diese winzige Angst, dass er es doch noch übertreiben konnte. Dabei hatte er ihm das Schlimmste von sich doch schon gebeichtet. Seine größte 'Sünde'. Eben, dass er alle Menschen pauschal verachtete und keinem davon wirklich die Chance gab, ihm das Gegenteil zu beweisen. Etwas Schlimmeres gab es über ihn nicht mehr zu sagen.

"Denkst du, ich bin schwul?" Er hatte diese Worte ausgesprochen, ohne darüber nachzudenken und überraschte sich damit sogar selbst. Sofort brannten wieder Tränen in seinen Augen und diesmal schaffte er es nicht, sie weg zu blinzeln. Stumm kullerten sie aus seinen Augen und er ließ sie, weil er wusste, dass es unsinnig war sie weg zu wischen. Er brauchte das auch nicht machen, denn Nate versuchte sein Glück, doch es brachte nichts. Etwas gequält lächelte Shinji ihn an und als er sprach, war seine Stimme trotz der Tränen ganz ruhig: "Würde zumindest erklären, warum meine Beziehungen nie länger als ein paar Wochen gehalten hatten."

"Warum sind deine Beziehungen bisher gescheitert?", fragte Nate ruhig nach und zog die Hand wieder zurück, als er wohl merkte, dass das wegwischen sowieso nichts nutzte.

"Es ist nicht so, als würde ich mich mit Menschen im Allgemeinen wohl fühlen...", begann er leise und sah weiter in die Tasse. Nate bei diesem Thema jetzt anzusehen, war ihm unmöglich. Er hatte Angst doch noch so etwas wie Ekel zu finden. "Die meisten meiner Exfreundinnen sind stinkwütend auf mich und denken, dass ich sie nur einmal ins Bett kriegen wollte und danach zu feige war es ihnen zu sagen. Aber... das war es nie. Sex ist mir einfach nicht so wichtig, deshalb hab ich es nach dem ersten Mal meistens vermieden. Es wird immer davon geredet, wie großartig es doch wäre, aber... ich finde es ist mehr wie Arbeit. Ich dachte eben immer... ich... hätte einfach noch nicht die richtige gehabt... Na ja... die, die mich nicht hassen, bemitleiden mich, weil sie denken, ich könne keine Bindung eingehen. Sie sagten, es hätte sich nach ein paar Tagen eher nur noch freundschaftlich angefühlt. Deshalb dachte ich auch, ich sei Beziehungsunfähig."

Eigentlich beantwortete das doch schon die Frage. Und eigentlich wusste er das auch. Shinji hatte es all die Jahre gewusst, denn auch wenn die Nacht mit Nate damals etwas verschwommen durch den Alkohol war, wusste er, dass nichts, was er je mit einer Frau erlebt hatte, ansatzweise vergleichbar war. Er war nur immer vor diesem Gedanken weg gelaufen, hatte sich selbst belogen. Er wusste das... hatte es immer gewusst. Aber allmählich konnte er nicht mehr weg laufen. Nicht heute... heute hatte er da keine Kraft für.

Und plötzlich spürte er Nates Hand auf seiner.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Onlyknow3
2018-03-12T12:29:07+00:00 12.03.2018 13:29
Wird es wieder so werden, wie es früher mal war? Jetzt wo er es sich quasi eingestanden hat das er Schwul ist.
Nate könnte ihm helfen es zu akzeptieren. Bin echt gespannt was da noch alles.
Weiter so freue mich auf das nächste Kapitel.

LG
Onlyknow3
Antwort von:  Lyndis
12.03.2018 13:59
Tja, wird es wieder wie früher? Will denn überhaupt Nate mehr als nur Freundschaft?
Das und weiteres, erfahren wir in den nächsten Kapiteln ^^

Danke für den Kommi!
Von:  Yunaxxx
2018-03-11T18:58:07+00:00 11.03.2018 19:58
das ist so gemein *heul*. Im besten Moent endet das Kapitel. Hoffentlich kommt bald das nächste Kapitel. Ich bin so gespannt was Nate jetzt macht. ich fiebere richtig mit!
Antwort von:  Lyndis
12.03.2018 13:57
Thihihi :D Ja, man muss seine Leser ja irgendwie bei der Stange halten ;)
Vielen Dank, für den Kommentar :D
Antwort von:  Laila82
12.03.2018 22:11
Zuviel nervliche Anspannung schadet der armen Leserschaft, das ist nicht gut für Herz und fürs Nervenkostüm.
Antwort von:  Lyndis
12.03.2018 22:12
Naaaach, ihr überlebt das schon. Dann weiß ich wenigstens, dass ihr nächste Woche wieder kommt ;)


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