Der Horror
2012.10.27
Der Horror
Schreie ... beängstigende Schreie. Blut, welches von allen Seiten an den Fliesen hinunterfloss. Die Farbe Rot, die schon lange die Macht über die grau-gelblichen Fliesen erlangt hatte. Sicher waren diese Fliesen mal strahlend weiß, doch … das muss schon lange her gewesen sein. Vor mir ein altes Waschbecken … welches auch schon bessere Tage gesehen hatte. Völlig verdreckt, mit Spinnweben benetzt und tiefe Risse in der Keramik … in dem sich das Blut sammelte. Argh, was lag da drin? Ich beugte mich etwas darüber, als plötzlich der Stöpsel absprang und die tiefrote Flüssigkeit im Ausguss verschwand. Jetzt sah ich endlich was sich in dem Becken befand ... Ein Herz … es schlug nicht … bewegte sich nicht. Hatte kein Leben zu erhalten. Der Gedanke daran, das von uns allen eines Tages das Herz einfach stehen bliebe … nun ja … für mich schon lange nichts Bedeutendes mehr. Ich habe mich schon oft genug mit dem Tod befasst … zu oft vielleicht. Doch das Thema will ich jetzt nicht weiter ausbreiten. Schließlich stand ich gerade in einem alten Badezimmer voller Blut und Innereien, die auf dem Boden lagen und vor mir ruhte friedlich ein nicht schlagendes Herz im Waschbecken. Der Anblick war sicher nicht für jedermann, jedoch … wir hatten keine Wahl. Ich … hatte keine Wahl. Mein Freund Koichi wollte es so.
„Tsuzuku-saaaan!!!“, rief mich plötzlich der besagte Freund von weitem. „Wo bleibst du denn, ich geh hier keinen Schritt weiter ohne dich.“ Haha, ja Koichi hatte Angst, das sah man ihm mehr als an. Weiter vorne sah ich Meto, der fast schon gelangweilt einfach weiter lief. „Koichi … du wolltest unbedingt hier her. Wo ist Mia eigentlich?!“, fragte ich ihn. Doch kaum hatte ich den Namen ausgesprochen, hörte man ihn auch schon aufschreien. Was war los? Ich nahm Koichi an die Hand und zog ihn hinter mir her. Koichi klammerte sich an meinen Arm. „Tsu …Tsuzuku … !“, wimmerte Koichi hinter mir. Genau wie ich sah er endlich Mia, der in der Ecke hockte und die Hände schützend über seinen Kopf schlug. „Mia-chan … was ist los?!“, fragte ich unseren kleinen Blondschopf. „ … warum bin ich hier nur mitgegangen, das ist krank!“, antwortete er leicht panisch. Ich atmete seufzend aus, bevor ich Mia auf die Schulter klopfte und er mich ansah. „Mia-chan … wir haben es gleich geschafft. Wenn wir wieder zu Hause sind, weißt du, bei wem du dich dafür richtig bedanken kannst.“ Ich deutete mit einem Kopfzucken auf Koichi, der diese Idee hatte. Doch bevor die beiden das hier an so einem Ort klärten, nahm ich lieber Mia an meine Seite und sprach mit ruhiger Stimme: „Na komm … ich nehme euch mal mit, damit wir hier bald raus kommen. Schaut am besten auf mich oder auf den Boden, wenn ihr solche Angst habt.“ Beide nickten, hatten sie nun endlich etwas durchatmen können, um sich zu beruhigen.
Wir liefen also zu dritt ganz dicht beieinander. Natürlich musste ich immer voraus gehen und die beiden folgten mir auf dem Fuße. Sie sahen sich wirklich kaum mehr richtig um, doch ich … haha … ich muss zugeben … mir gefiel der Ort irgendwie. Dunkle Räume, die man betreten musste, um weiter zu kommen. Flackerndes Licht auf dem langen Flur, auf dem wir nun auch Meto wieder einholten. Dieser natürlich nach wie vor unbeeindruckt. Ich fand diesen Ort richtig cool. Bluthände, von Erwachsenen, aber auch von vielen Kindern wie es schien, führten wie ein Wegweiser an den Wänden entlang. Nach gefühlt einer Stunde, kamen wir endlich aus dem Haus hinaus und über der Tür war ein großes Schild mit dem Schriftzug: -„Beehren Sie unser Gruselkabinett bald wieder … es wartet auf Sie … jederzeit wieder … !“-
„Tse, vergiss es, nie wieder!!!“, legte Mia energisch fest. Auch Koichi schüttelte den Kopf: „Nein … das … muss ich nicht noch mal haben.“ Meto hingegeben zuckte mit den Schultern und zündete sich an der frischen Luft erstmal eine Zigarette an. Koichi ließ noch immer nicht von meinem Arm ab. Ich sah ihn an: „Koichi, mein Freund … du kannst mich jetzt wieder los lassen. Hier draußen lauern keine Zombies, die dich verschleppen wollen. Außerdem … ich weiß gar nicht was ihr habt. Es war doch cool. Also ich hab Videospiele gespielt, die waren weitaus schlimmer als das. Wobei es echt schon gut gemacht war, muss ich zugeben!“ Koichi schüttelte fassungslos den Kopf und meinte: „Ja du bist ja auch unser Leader, du musst taff bleiben bei sowas. Aber Mia und ich sind für so was nicht gemacht. Ich mein … ein wenig Grusel und Horror ist ja mal ganz schön, aber … wuah ... das hier war dann doch zu viel für mich. Bitte ... lasst uns nach Hause gehen, ja?!“
Gesagt ... getan. Während Koichi und Mia hinter Meto und mir liefen und sich noch ewig über das Gruselkabinett unterhielten, schlenderte ich weiter stillschweigend neben Meto her. Dieser hatte ja auch nie was zu sagen. Wir zogen beide immer abwechselnd an der letzten Zigarette, die wir parat hatten, bis wir schließlich zu Hause ankamen. Die Uhr im Flur zeigte 23:56 Uhr an. Koichi streckte sich und gähnte kurz: „Oh Gott, ist das spät. Ich geh jetzt noch schnell ein Bad nehmen und dann ab ins Bett!“ Mia jammerte sofort rum: „Ahh nein nicht, ich wollte grad Duschen gehen!“ Tja … was soll ich sagen … während die beiden untereinander ausmachten, wer nun zuerst das Bad benutzen durfte, schlenderte ich gemütlich an den beiden vorbei, warf ein Handtuch um meine Schulter und informierte die beiden, wer hier nun als erstes ging: „Sagt mir Bescheid, wer von euch beiden dann geht. Ich dusche in der Zwischenzeit mal genüsslich meinen Körper ab.“ Mia schmollte auf einmal. Gott war der süß, wenn er so eine Schnute zog und dann noch meinte: „Waas … och man Tsuzu-san, das ist jetzt gemein, ich wollte duschen!“ Mit einem kleinen Schmunzeln, das sich mehr und mehr zu einem selbstherrlichen Grinsen meinerseits verwandelte, drehte ich mich an der Badetür noch mal zu Mia um und antwortete mit einer tieferen Stimmlage in Ruhe: „ … tja … wenn du willst kannst du auch gerne mit unter die Dusche kommen. Es sei denn, es gibt da was, was du vor mir verstecken müsstest. Aber Gesellschaft tut jedem von uns mal gut … nicht wahr?!“, grinste ich leicht fies meinen Gitarristen an.
Mia fand darauf keine Worte und ließ mich somit in Ruhe und allein unter die Dusche gehen. Koichi nahm es hin, dass er wohl heute auch nur noch duschen konnte und kein Bad mehr nehmen durfte, da er sich dabei immer gern Zeit ließ. Doch sein Bett rief zu sehr nach ihm, als dass er jetzt noch entspannt Ewigkeiten in der Badewanne liegen könnte. Also machte er sich in der Zwischenzeit einen Tee und setzte sich neben Meto auf die Couch, der gerade die Playlist für den nächsten Live-Auftritt durchging.
Ich derweil entspannte unter der heißen Dusche. Gott, tat das immer wieder gut. Für mich kam immer nur Duschen infrage. Ich verstand noch nie, wie Menschen lieber ein langes Bad vorzogen. Baden dauerte mir immer viel zu lange, doch Koichi liebte es. Wenn der einfach ein Bad nahm, wusste man, dass das Badezimmer mindestens 30-45 Minuten besetzt war. Wie gesagt … mindestens. Duschen hingegen ging schnell. Innerhalb von 5-10 Minuten war man sauber, die Haare gewaschen und die Seele gereinigt. Genau so war es jetzt auch wieder. Ich fühlte mich gut. Frisch geduscht stieg ich aus der Dusche und legte mir das schwarze Tuch elegant um meine Hüften. Mit dem weißen Handtuch rubbelte ich mir wie immer meine Haare ab und legte es anschließend um meine Schultern: „Der Nächste kann~!“, rief ich als ich aus dem Bad kam. Mia, immer noch sichtlich von meinem Angebot benommen, schlich kleinlaut an mir vorbei, hinein ins Badezimmer. Somit konnte auch er endlich den gruseligen Tag von sich waschen.
Als später dann auch Koichi und sogar Meto noch unters Wasser konnten, war es weit nach 2 Uhr. Ein neuer Tag hatte schon begonnen, doch erschöpft und manche von uns nervlich am Ende, fielen wir in den verdienten Schlaf, um neue Energie für einen wichtigen Tag zu sammeln...