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Blur - Ancient Curse

[Aoi & Kai] [Ruki & Uruha] [Karyu & Zero] [MC] [Singlework]
von

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Sie war da.

Die finale Nacht bevor die Monde in eine Reihe fanden.

Hizumi schloss kurz die Augen, bevor er tief durch atmete und sein Zelt verließ.

Außerhalb begrüßten ihn die hellen Feuer seines Clans; sie feierten und tranken auf den Anstieg ihrer Kräfte, doch dem Fürsten war nicht danach, sich an den Gelüsten von Leib und Seele zu beteiligen. Ihn zog es – wie auch schon die voran gegangenen Tage – in die Stille der umliegenden Steppe. Er liebte ihre raue Schönheit, mit den kargen, rötlichen Felsen auf dem sich bei Sonnenauf- und Untergang verschiedene Reptilen sonnten. Er mochte das, zum Teil, hüfthohe Gras, den Duft der wenigen wilden Blumen, die sich mit der würzigen Note von Kräutern mischten. Tiere und auch Essbares fand man nur, wenn man ein ausgezeichneter Jäger und Sammler war. Man konnte nicht nach Java kommen und erwarten, dass sich die Welt auf einem Silbertablett präsentierte und man nur zu zugreifen brauchte.

Eher das Gegenteil. Java war in weiten Teilen tödlich und erbarmungslos. Wusste man nicht, wohin man trat oder welche Art von Zeichen man richtig zu deuten hatte, konnte man hier schnell vergehen. Hilfe gab es nicht, selbst sein Clan unterstützte untereinander nur bedingt; Fremde wurden äußert argwöhnisch behandelt und nur nach langer Zeit endgültig in das Leben innerhalb der Nomaden aufgenommen.

Die Wesen die, wie er, Schwingen trugen, patrouillierten den Himmel alle paar Stunden. Auch er selbst flog oft über Java, suchte nach möglichen Feinden, aber auch Dingen wie rohen Kristallen und Metallen. Diese tauschten sie in den größeren Städten gegen Stoffe oder andere Waren, die sie in Java nicht fanden. Zum Teil floss das so erwirtschaftete Geld auch in magische Artefakte und Waffen, sowie Rüstungen. Hizumis Clan besaß mehrere, hervorragende Schmiede und einige Magier, doch auch ihnen waren Grenzen gesetzt und die Alchemisten sowie arkanen Meister[1] in Gebik stellten sie weit in den Schatten, aus dem einfachen Grund, dass sie Bücher lesen konnten, um ihr Wissen zu vergrößern. Sie hier in Java lernten allein aus den Prüfungen und Begegnungen des täglichen Lebens.

Hizumi bezweifelte stark, dass ein Trankmischer wissen würde, was er tun musste wenn er einer Hikail begegnete; eine kleine Schlange, die sich in den Ritzen und Vertiefungen neben den wenigen Wasserlöchern verbarg. Sie war nur eine Handbreit, doch ihr Gift tötete einen Dämon innerhalb von zwei Tagen. Andere Wesen starben sogar noch schneller. Es gab kein bekanntes Heilmittel, nicht einmal die weit verbreitete schwächere weiße Magie war ausreichend, aber man konnte dem Reptil zuvorkommen, indem man einige Brocken Salz neben dem Wasserloch verstreute. Dieses Mineral war derartig selten, dass eine Hikail einfach zuschlagen musste.

Im Gegensatz zu den normalen Schlangen besaß sie neben ihren Giftzähnen auch einige Fang-und Backenzähne, die in der Lage waren das Salz, aber auch Nüsse, Knochen und bestimmte Arten an weicherem Gestein zu zerbeißen. Sie war hervorragend auf ihr Leben in Java eingestellt und galt unter den seinen als einer der gefährlichsten Feinde, denen man hier begegnen konnte.

Mit einer agilen Bewegung schwang sich der dunkelhaarige Dämon auf einen der größeren Felsen und ließ sich im Schneidersitz auf diesen nieder. Einige Zeit starrte er zufrieden hinauf in das Sternenmeer, ließ seine Gedanken im Nichts treiben. Die Monde überstrahlten jene Sterne, die ihnen am nächsten standen; es war ein spektakulärer Anblick, denn je näher die Mode aufrückten, desto größer wurde ihr Glühen, bis es in der morgigen Nacht aussehen würde, als würde die gigantische Klinge eines silbernen Schwertes in der Luft hängen. Die Natur um ihn herum summte leise mit der ansteigenden Magie; es war wie ein Schwarm Bienen und je nachdem ob man ein Grashalm streifte oder nicht verändere sich der Ton in den Höhen und Tiefen. Und es glitzerte, als wäre alles von unzähligen Tautropfen bedeckt. Es war ein wunderbarer Anblick und Hizumi bedauerte jede Seele, die es sich nicht ansehen konnte.

Zarte Finger schoben sich über seine Schultern, gefolgt von schlanken bloßen Armen, deren helle Haut über und über mit fliederfarbenen Runen übersät war.

„Ich bin gekommen, dich abzuholen. Maikira wird gleich tanzen.“

Die Stimme war – passend zu den Händen, die nun mit dem Fell spielten, dass um seine Schultern lag – hell und weich. Sie hatte einen unnatürlichen Hall inne, bei dem jeder, der ihn zum ersten Mal hörte, schauderte. Hizumi hingegen schob seine Hand über die Kleineren, drehte den Kopf um den Ellenbogen mit den Lippen zu streifen.

„Um nichts in der Welt würde ich das verpassen wollen.“

Ein leises Lachen war seine Antwort.

„Warum? Hast du Angst, dass dir Mutter eines mit dem Kochlöffel überbraten wird?“

„Sie würde mir wohl eher ein Stilett zwischen die Rippen stoßen.“

Wieder ein Lachen, bevor sich die zierliche Frau weiter über seine Schulter beugte, sodass ihr langer Zopf aus geflochtenem Haar über ihre Schulter rutschte, derweil ihre hell bernsteinfarbenen Augen vergnügt funkelten.

„Dann hätte sie niemanden mehr, der für sie jagt, also kannst du dich noch ein paar Jahre in Sicherheit wiegen.“

„Zumindest so lange du noch brauchst, genauso gut zu werden, wie ich?“

„Ganz genau.“

Hizumi schnaubte leise, erhob sich aber und folgte seiner Tochter zurück in das Lager. Sie war noch kleiner als er selbst, doch sie kam nach ihrer Mutter und würde ihn – wie diese – sicherlich um einiges überragen, sobald sie wirklich erwachsen geworden war. Auch die Runen und die Augen stammten von Maikira. Die Nachtelfe war eine Ausgestoßene innerhalb ihres Clans, weil sie sich in den falschen Mann verliebt hatte.

Hizumi dachte besser nicht zu intensiv darüber nach. Die Vergangenheit löste einige blutige Gelüste in ihm aus.
 

Maikira fing seinen Blick, als er den zentralen Feuerplatz betrat und seinen rechtmäßigen Sitz auf dem Thron einnahm, welcher im Grunde ein breiter, robuster Stuhl war, der mit Fellen und bestickten Tüchern gepolstert war. Hizumi lag fast darin, was seiner fürstlichen Präsenz eine sehr entspannte Note gab und es den seinen einfacher machte ihn zu akzeptieren, denn viele von ihnen wollten nicht beherrscht werden. Dennoch, eine führende Hand war unerlässlich, wenn der Clan nicht im Chaos und ständigen Kämpfen um Gold und das Weib eines anderes untergehen sollte. Und so hatte Hizumi mit Maikira einfache, sehr klare Regeln erstellt, nachdem er sich seine Position in mehreren, rauen Auseinandersetzungen erobert hatte.

Nun – Jahre später – teilten sie ein recht friedvolles Miteinander, brauten Igar, einen Schnaps der einen mit einem Schlag umhauen konnte und bestellten kleine Felder, auf denen sie Jigal, Hebra und Imol züchteten. Es war ein einfaches Leben und obgleich Hizumi es auch anders haben könnte, war er zufrieden.

Nicht zuletzt deswegen, weil er eine stolze, starke und wunderschöne Gefährtin an seiner Seite wusste, die ihn mit zwei Söhnen und einer Tochter beschenkt hatte.

Und sie war fürwahr eine Augenweide. Sie trug ihr schwarzes, hüftlanges Haar stets in einem strengen Zopf, in den sie ab und an Juwelen, Muscheln oder andere Schmuckstücke einflocht. Ihre Augen ähnelten einem hellen Bernstein, dass manches Mal wie Honig und ein anders Mal wie pures Gold aussah. Ihre Runen waren rot-braun und hoben sich getrocknetem Blut gleich von dem Untergrund ihrer schneeweißen Haut ab. Sie hatte ihn im Augenblick ihrer ersten Begegnung gefesselt und dies hatte sich bis zum heutigen Tage nicht geändert.

Sie schenkte ihm ein wissendes Lächeln, welches er mit einem schiefen Grinsen seinerseits beantwortete – dann erhob sich der dunkle Ton der Schalmei, deren Klang wie ein feuriger Atem durch die Luft des Festplatzes spie. Ihm gesellten sich alsbald Trommeln und Goldrat hinzu, eine Art Streichinstrument, dessen tiefer Ton durch den Boden selbst vibrierte.

Es war ein klagender, düsterer Laut der im starken Kontrast zu dem Fest stand, das zwischen den Zelten tobte, doch die Geschichte der Monde brachte bei weitem nicht nur Gutes und Maikira war da, um alle seines Volkes daran zu erinnern.

Ihre Stimme hatte einen warmen Klang mit schwerem Akzent; sie rollte jedes 'r', fing die Worte mit Höhen und Tiefen verschiedener Noten und hielt darüber hinaus eine Emotionalität inne, die Hizumi nicht selten glauben ließ, sie hätte das Erzählte selbst gesehen und berührt.

Doch heute Nacht würde sie nicht singen, sondern tanzen.

Sie erschuf mit simplen Blicken und Gesten Bilder in jedem Geist; sie malte die Legenden mit ihren Bewegungen, ließ sie im Schein des Feuers zu greifbarer Realität werden und auch heute Nacht verharrte jeder, um sie tanzen zu sehen. Unlängst hatten sich die Kinder in der Nähe des größten Feuers zusammen gescharrt, doch nicht nur sie sahen mit großen Augen und offenen Mündern zu. Auch die Krieger waren aufmerksam, die Hände auf mächtigen Schwertern abgestützt, die Jäger und Wächter – sie alle verharrten in einem atemlosen Moment der Zeit, derweil Maikira sich in die erste Bewegung warf.

Ihre Geschichte erzählte die Legende der Monde, dem Kampf des Geistes mit dem Elfen. Es war eine kraftvolle Erzählung, riss einen mit sich - vor allem, wenn Maikira sich ihrer Magie bediente, um mächtige Schwingen in den Himmel zu projizieren, wenn alles um sie herum in bedrohlichen Farben und Formen explodierte.

Die Kinder ihres Clans jauchzten begeistert als sich ein Meer von hellen Blütenblättern in den pechschwarzen Himmel zeichnete, staunten als sich zwischen die Flammen ihres Feuers blau, grün und türkis mischten.

Maikira drehte sich um die eigene Achse, entrückt dieser Welt, so schien es, als sie mit sanft-fließenden Bewegungen über ihren Körper strich, dann langsam eine zur Faust geballte Hand ausstreckte und diese öffnete. Sand rieselte herunter, Zeit, die unwiderruflich verging und von niemandem mehr zurück gebracht werden konnte.

Sie tat die nächste Bewegung, eilte mit leichtfüßigen Schritten über den Platz, nur um an dessen Ende abrupt stehen zu bleiben und in die Nacht hinaus zu starren.

Dies war nicht Teil ihres Tanzes und auch Hizumi hatte sich erhoben, derweil die Frauen die Kinder an einem Punkt sammelten, um sie notfalls in Sicherheit zu bringen.

Weit entfernt von ihrem Lager und trotzdem so, dass man es mit bloßen Auge erkennen konnte, regneten grell leuchtende Steine vom klaren Himmel herab.

Seine Frau kam zurück, beobachtete das Schauspiel mit ebenso besorgten Augen wie auch der Fürst. Seine Tochter schmiegte sich an seine Seite, die Arme um seine Mitte geschoben, als sie zu ihm aufsah.

„Vater, was ist das?“

Hizumi schüttelte kurz den Kopf, sah sie dann an.

„Ich weiß es nicht, Meradi.“ Er drückte sie beruhigend näher an sich, fing als nächstes den Blick seiner Gemahlin. „Hast du etwas derartiges schon einmal gesehen?“

Sie schüttelte langsam ihr Haupt, die schöne Stirn in kleine Falten gelegt.

„Nein. Und mir sind auch keine Erzählungen meines Volkes bekannt.“

Während sie sprachen erhöhte sich die Zahl der Meteoren; sie stürzten mit rapider Geschwindigkeit und man hörte die Wucht ihres Aufschlags, sah das Nachglühen ihres Schweifs, der fehl platzierten Blitzen gleich mehrere Sekunden bestehen blieb und dann scheinbar Spurlos verschwand.

Der Fürst presste die Kiefer zusammen, dann fällte er seine Entscheidung.

„Maikira. Hol dir Gai zur Seite und riegelt das Lager ab. Bringt die Kinder in die Höhlen, wenn sich heraus stellt, dass wir in Gefahr sind.“ Hizumi löste das Fell um seine Schultern, ließ es auf den Thron fallen, derweil er seine Flügel offenbarte. „Gabak, Jin und Kulareth. Ihr kommt mit mir. Wir sehen uns das näher an.“

Die Angesprochenen nickten, doch bevor sich Maikira tatsächlich von ihm trennte, umarmten sie einander, fest und dankbar, den Anderen an ihrer Seite zu haben. Es war Teil eines Rituals, in einem Leben in dem man einander schnell verlieren konnte. Auch seine Tochter und seine Söhne verabschiedeten ihn auf gleiche Art und Weise. Ihre Umarmung war nicht ganz so sicher, wie die seiner Frau, dann traten sie einen Schritt zurück und er erhob sich mit den anderen Kriegern in den Himmel.
 

Sie flogen nicht lange.

Der Schauer war ebenso schnell versiegt, wie er gekommen war, doch als sie landeten, konnte Hizumi den Geruch von brennendem Gehölz wahrnehmen und der Sand unter seinen Stiefeln splitterte, als sie sich dem ersten der Krater näherten. Die Hitze des Einschlags war derart intensiv gewesen, dass Glas entstanden war. Das Erdreich um das Loch war dunkel verkohlt, der ehemals feurige Ton verschwunden und auch wenn man sie nicht sah, so konnte man Magie auf der Zunge schmecken.

Es hinterließ eine Art leichtes Brennen und Ziehen; etwas Derartiges war Hizumi noch nie in seinem Leben widerfahren. Es machte ihn nervös.

Vor einem der Krater ging er in die Knie, spähte in die Dunkelheit. Im Inneren desselben konnte er einen eisblauen Stein sehen; er maß die ungefähre Länge seines Unterarms und schien an beiden Seiten spitz zu zulaufen, da er aufrecht im aufgebrochenen Erdreich steckte, dort immer wieder in langsamen Wellen pulsierte.

„Was denkst du, was das ist?“

Kulareth kniete sich an seine Seite, die hellen Schwingen eng an den Rücken angelegt und Hizumi schüttelte erneut den Kopf.

„Keine Ahnung. Aber ich werd mir das mal näher ansehen. Gib mir dein Seil.“

Die beiden Männer hatten sich erhoben und obgleich der Dämon die Stirn runzelte, reichte er das Gewünschte an den Fürsten weiter, welcher seine Flügel schwinden ließ und sich das Seil um die Hüfte band. Es war nicht so, dass er nicht ohne Hilfe hinunter oder später hinauf kommen konnte, eher im Gegenteil, allerdings wusste Hizumi nicht, ob er da unten nicht negativ beeinflusst werden würde. Nachdem das andere Ende des Seils fixiert worden war, rutschte der Schwarzhaarige die Füße voran in den Krater. Er stützte sich mit den Händen und Fersen, bremste und hielt die Balance, derweil Kulareth und Jin oben mehr des Seils gaben und ihm so eine relativ freie Bewegung ermöglichten.

Nun, wo er dem fremden Gegenstand näher war, verstärkte sich das Gefühl auf seiner Zunge und er zögerte einen Moment, stellte sicher, dass sich nichts anderes veränderte, erst danach ging er weiter und vor dem Stein abermals in die Knie.

Von nahen betrachtet war dieser eher einer Art Kristall ähnlich, die Kanten und Ränder waren unglaublich glatt und schienen nicht natürlich entstanden zu sein. Gefestigt wurde diese Vermutung von den feinen Gravuren die sich im Zentrum des Steines befanden und Hizumi an eine Schneeflocke erinnerten.

„Hizumi?“

„Alles in Ordnung.“

Er antwortete ruhig, derweil er die Hand ausstreckte und den Stein vorsichtig berührte. Unter seinen von Leder umhüllten Fingerspitzen entstand ein feines Summen, sonst veränderte sich weder die Magie noch das Pulsieren, weswegen Hizumi die ganze Hand um das fremde Objekt legte. Er konnte es vollständig umgreifen und nachdem er vorsichtig daran gerüttelt hatte löste sich der Stein, so dass er ihn aus dem Erdreich ziehen konnte.

Das Pulsieren erlosch wenige Herzschläge später, weswegen der Fürst die Stirn in tiefe Falten legte. Wenn er es nicht besser wüsste, dann würde er seinen Fund für eine Art Signal halten. Doch von wem war es gesandt worden? Und zu welchen Zweck? Er würde es Maikira zeigen; vielleicht konnte sie doch noch etwas dazu sagen, wenn sie es von Nahen betrachtet hatte. Und danach würde er Aoi aufsuchen – der Herr Kistaras musste informiert werden. Vielleicht gab es keinen Grund zur Beunruhigung und das Geschehnis war etwas, das Aoi erwartet hatte. Behutsam schlug er den Stein in seiner Schärpe ein, verwahrte ihn dann in seinem Hemd.

„Ich komme wieder hoch.“

Er kletterte behände an der steilen Wand hinauf, löste den Knoten des Seils und derweil Kulareth es zusammenrollte, zeigte er den drei anderen Dämonen den seltsamen Stein, aber auch sie standen vor einem Rätsel und hatten etwas derartiges noch nie zuvor gesehen. Als Hizumi sie nach der Wirkung der Magie befragte, gaben sie die gleichen Symptome an, die auch er selbst verspürte. Ein Brennen und Kribbeln im Gaumen und auf der Zunge, wie es auftrat, wenn man zu viel Galu gegessen hatte, eine Frucht mit dicken, pelzigen Fleisch.

Noch immer die Stirn gerunzelt schlug er den Stein wieder in das Tuch, steckte ihn ein und stieß sich dann mit einem kräftigen Schlag seiner Schwingen vom Boden ab; seine Begleiter folgten einige Momente später und flankierten ihn für den Fall, dass es zu unvorhergesehenen Zwischenfällen kam, wenn sie sich von der Fundstelle entfernten, doch nichts dergleichen geschah.

Hizumi setzte sicher im Zentrum ihres Lagers auf dem Boden auf, wo ihn seine Gemahlin erwartete und ihm in das Hauptzelt folgte.

In diesem saßen seine Kinder und die Magier seines Clans um eine große Feuerstelle herum.

Sie alle schwiegen, warteten, bis er das Gefundene ausgewickelt und an Maikira gereicht hatte, die aber nur den Kopf schüttelte und den Stein an Redrik, dem Ältesten der Magier, weiter reichte.

„Nichts daran löst eine Erinnerung in mir aus. Wie sah der Ort aus, an dem du es gefunden hast?“

„Der Boden war verbrannt, die Krater tief. Es steckte aufrecht in der Erde und hat pulsiert, so wie alle anderen auch, die wir während unseres Fluges gesehen haben. Ich halte es für eine Art Signal.“

„Für wen? Und weswegen?“

„Fragen, die ich nicht beantworten kann, Redrik. Aber ich werde aufbrechen, Aoi zu sehen und es ihm zeigen. Er wird in jeden Fall wissen, was zu tun ist, egal ob er den Stein, dessen Verwendung und Ursprung kennt oder nicht.“

Redik brummte zustimmend, auch wenn man am Gesicht sah, dass es dem alten Magier nicht passte, den Herrn Kistaras zu kontaktieren; er hielt nicht viel von diesem, aber dies war eine Angelegenheit, bei der man jegliche persönliche Ansicht hinten anstellen musste.

„Wen wirst du mitnehmen?“

„Niemanden. Allein bin ich am schnellsten und es droht keine unmittelbare Gefahr.“

Es fielen keine weiteren Worte, nachdem Hizumi entschieden hatte; die Magier verließen das Zelt, gefolgt von den Kindern, welchen der Fürst verschiedene Aufgaben zuwies. Es war wichtig, dass sie lernten, den Fokus zu wahren; gerade Meradi fiel dies unglaublich schwer. Hizumi hatte das Volk nie zuvor für eine längere Zeit verlassen müssen, wenn sie Aoi begegnet waren, war der Herr zu ihnen gekommen und nicht anders herum. Ihre Augen waren mit Tränen gefüllt, als sie ihm die Arme in einer letzten Umarmung fest um seinen Hals legte.

„Eine sichere Reise, Vater. Komm unversehrt wieder.“

„Sei ohne Furcht, Meradi. Es wird nichts geschehen.“

Sie nickte und versuchte ihm ein tapferes Lächeln zu schenken, bevor sie einen Kuss auf seine Wange presste und ebenfalls das Zelt verließ.

Seine Frau half ihm seine Rüstung anzulegen; sie war aus einem leichten Metall und schützte Brust, Rücken sowie seinen Schwertarm. Der andere Arm war frei, um ihm mehr Bewegungsfreiheit zu gewähren, denn auch wenn es bewegliche Glieder an den Gelenken gab, schränkte die Panzerung ein. Sie war mit einem groben, kantigen Muster graviert das den Runen der Nachtelfen glich und wurde mit Schnallen in seiner Seite und unter dem Arm gefestigt. Sie war darauf ausgelegt, dass man sie allein anlegen konnte, doch nun wo Maikira jede Schnalle überprüfte und fest zog ging es um die Intimität der Geste. Ihre schmale Hand blieb auf seiner Schulter liegen, als sie hinter ihm in Stillstand verharrte.

„Sei achtsam und erzwinge keine Konfrontation.“

„Du klingst, als würde ich in den Krieg ziehen.“

„Das nicht, aber ich kenne dich und deinen unverbesserlich dicken Schädel. Bitte denke nach, bevor du sprichst oder dich Hals über Kopf in eine unübersichtliche Situation stürzt.“

Mit einem liebevollen Lächeln legte er die Hand auf die seiner Frau, drückte sie behutsam, derweil er über seine Schulter sah.

„Ich gebe Acht.“

„Mehr kann ich nicht von dir verlangen.“

Ihre zweite Hand legte sich auf seine Brustpanzerung, als er sich herum drehte und die Hand um ihr Kinn legte, damit er sie in einen intensiven Kuss ziehen konnte, der aussagte, was Worte allein nicht auszudrücken vermochten. In ihm steckte all seine Liebe für seine Familie, sein Volk, sein Wille sie unter allen Umständen zu beschützen, aber auch die Sorge, was die Zukunft brachte, wenn das Gefundene nicht so harmlos war, wie es den Anschein hatte. Sie erwiderte die Berührung mit gleicher Leidenschaft, strich ihm sanft über die Wange, nachdem sie sich gelöst hatten.

Er griff ein letztes Mal nach ihrer Hand, lächelte sie an – dann atmete er tief durch und verließ das Zelt, um sich in den Himmel zu schwingen.

Maikiara sah ihm nach, bis er nicht mehr zu erkennen war, bevor sie ein Gebet für seine sichere Reise sprach; mehr konnte sie nicht tun, weswegen sie sich abwandte und zurück in das Zelt trat.
 

Keiner von ihnen konnte wissen, dass sie unter Beobachtung standen und das Zero in diesem Moment das Artefakt der Zeit sinken ließ und sich mit einem kleinen, zufriedenem Lächeln von dem Fenster weg drehte vor dem ein wütender Schneesturm toste. Es lief perfekt und der Fürst der Fenir war wie geplant in seine Falle getappt. Nun war der Weg für ihn geebnet. Er schloss die Augen, ließ die Magie des Artefakts durch seine Sehnen gleiten, seufzte ob des Gefühls das ihm diese gewaltige Macht schenkte. In einer zärtlichen Bewegung strich er über den Kristall um seinen Hals, dann trat er mit langen Schritten aus dem Raum.

Es war an der Zeit den kleinen Menschen zu holen.
 

~~~~~
 

Kai stöhnte lang gezogen, als er sich mit dem Gesicht voran und in voller Rüstung auf sein Bett fallen ließ.

„Oh Gott. Ich bin tot.“

Ein leises Lachen folgte auf seine um Mitleid heischende Aussage; Ari hatte den Raum kurz nach ihm betreten, legte nun die Waffen auf dem großen Tisch nieder, bevor er ans Bett heran trat und den Himmel ein wenig beiseite zog.

„Noch nicht ganz, aber wenn du weiter so liegen bleibst, Slua, dann schaffst du es sicher, dich zu ersticken bevor es Abendessen gibt.“

Kai stöhnte nur wieder, drehte aber seinen Kopf, damit er besser atmen konnte, aber selbst diese Bewegung war mit schier unüberwindlicher Kraftanstrengung verbunden.

„Ich kann meine Arme nicht mehr fühlen. Ich kann gar nichts mehr an mir fühlen.“

„Du wirst dich daran gewöhnen, Slua. Vertrau mir.“

Die Antwort des Menschen war unverständlich und konnte alles von 'Du hast recht' bis 'Ich sterbe, steh nicht nur herum' heißen, was Ari erneut schmunzeln ließ, währenddessen er weiter um das Bett trat, um Kais Füße zu erreichen und sie von den schweren Stiefeln zu befreien.

„Nicht...“

Der Protest war nur halbherzig; Ari hatte schnell gelernt, dass Kai es nicht mochte, wenn man ihn bediente, doch manches Mal war es effektiver und dies war nun der Fall. Der Kleinere brauchte allein gefühlte Stunden um seine Rüstung an oder ab zu legen; die vielen Schnallen und Verschlüsse waren zu unübersichtlich, wenn man sich nicht damit auskannte. Und so übernahm Ari dies, welcher die Stiefel neben sich stellte, derweil er die Braue hinauf schob.

„Kai.“

Ein Summen antwortete ihm, sonst passierte allerdings nichts.

„Du wirst dich aufsetzen müssen, wenn ich dich weiter abrüsten soll.“

„Wie kannst du noch immer so fit sein?“

Kai rollte sich schwerfällig auf den Rücken, schob sich dann an den Rand des Bettes, bevor er sich langsam aufsetzte – er erinnerte an einen Sack Kartoffeln, der Rücken so krumm es ging, als die Arme zwischen den Beinen baumelten.

„Übung, Slua. Selbst die Rangniedrigesten des Schlosses werden in Kampf und Verteidigung ausgebildet. Ich halte einen Bogen seit ich vier Jahre bin.“ Ari griff nach Kais Arm, löste die Schiene von diesem, dann öffnete er den Schulterschutz um an die darunter liegende Brustpanzerung zu gelangen. „Wenn man das mit dir vergleicht, dann schlägst du dich sehr gut.“

Kai schnaubte unzufrieden, obgleich er wusste, dass Ari mit seinen Worten die Wahrheit sprach. Viele der Krieger mit denen er in den letzten Tagen trainiert hatte, lobten seine Verbissenheit und seine schnelle Auffassungsgabe. Allerdings half dies seinen hoch gesetzten Ansprüchen in keiner Weise. Frustriert strich er sich durchs Haar, nachdem Ari ihm den Panzer abgenommen hatte.

Was erwartete er von sich?

Das er innerhalb kürzester Zeit so kämpfen konnte, wie Reita oder Ruki es konnten?

Das war absurd. Und trotzdem hatte er sich eben dies Ziel gesetzt, übte auch allein oder mit Ari, der ihm allerdings auch den Kopf gerade rückte, wenn er etwas versuchen wollte, dass absolut außerhalb seiner Fähigkeiten lag.

„Ich lasse dir ein Bad ein.“

„Danke.“

Ein Lächeln antwortete ihm und nachdem Ari im angrenzenden Raum verschwunden war, ließ sich Kai wieder auf das Bett fallen, starrte in den dunkelroten Himmel, die Arme zu beiden Seiten ausgestreckt. Es gefiel ihm auf Schloss Draigh. Nicht nur, weil man ihn nicht wie ein rohes Ei behandelte und auf seine Räumlichkeiten beschränkte, sondern weil er wie Mitglied des Hofs aufgenommen worden war und aktiv in alle Geschehnisse einbezogen wurde. Das war die ersten Stunden enorm anstrengend gewesen; ihm hatte der Kopf geschwirrt nachdem er Ari kennen gelernt und dieser ihm das Schloss gezeigt hatte. Am nächsten Morgen hatte er Tsukasa auf dessen Rundgang begleitet und er hatte seine Rüstung erhalten.

Sie war – auch wenn das kitschig klang – bedrohlich schön. Das Metall war schwer, schwarz und erinnerte Kai gerade bei den ebenfalls daraus gefertigten Schwertern an einen Splitter der Nacht. Die Bewohner von Gebik nannten es Esragol; es war das härteste Metall das in Lagua geborgen werden konnte. Eine Rüstung zu schmieden dauerte mehrere Tage harter, schweißtreibender Arbeit und es verblüffte Kai, dass sie seine so gut saß, immerhin war er nie zuvor in Gebik gewesen. Tsukasa hatte auf sein offensichtliches Erstaunen geschmunzelt und ihm den Schmied vorgestellt. Es hatte einen Moment gedauert, dann war die Realisierung gekommen, dass sie sich schon einmal in Lutar begegnet waren. Sie hatten allerdings nur ein, zwei Worte gewechselt und das der kurze Blick auf ihn gereicht hatte, um ihm diese Rüstung zu fertigen war unglaublich.

Er war bewundernd über ihre Gravur gefahren, die eher an ein abstraktes Ornament erinnerte und damit einmalig schien; alle anderen Rüstungen die er gesehen hatten trugen neben Blumen und Ranken vor allen die Drachenschwingen, die er hier im Schloss überall wahrnahm. Als er gefragt hatte, warum dem so war hatte Tsukasa ihm simpel geantwortet, dass er der Gefährte des Herrschers sei.

Kai war ein wenig errötet und hatte ihr Thema bewusst auf die zahlreichen Armbrüste und Speere gelenkt, bis es an der Zeit gewesen war, seine Rüstung in der Praxis zu testen.

Das erste Tragen hatte ihn enorm Kraft gekostet – und dabei war er nur herum gelaufen! Seine Panzerung wog schwer und nach einigen Stunden hatte der Braunhaarige geglaubt, seine Schultern ersetzten zu müssen. Dann hatte Ari ihm sein Schwert und einen Schild gegeben und ihn eines Besseren belehrt.
 

Allein das Schild oben zu halten hatte Kai nahezu alles abverlangt und dabei war er als Drummer gut trainiert und hatte auch seit er in Kistara war nicht aufgehört sich fit zu halten. Erst hatte er es mit beiden Händen gehalten und schlicht weg versucht den Schlägen seines Dieners Stand zu halten, dann hatte er es auf eine Hand gewechselt und sein Schwert gezogen. Zu sagen, dass die ersten Trainingsstunden in einem einzigen Dilemma ausarteten war noch milde ausgedrückt. Am Ende konnte Kai gar nicht mehr zählen, wie oft er unsanft auf seinen Rücken, seine Seite oder die Arme geprallt war. In seinen Ohren klingelte es von den Schlägen, die er gegen seinen Helm bekommen hatte. Alles hatte wehgetan und wenn Ari es zugelassen hätte, wäre er mitten auf dem Übungsplatz eingeschlafen.

Aber der größere Mann hatte ihn erbarmungslos auf die Füße zurückgezogen und ins Innere des Schlosses gebracht. Dort war es nicht nur viel wärmer gewesen – ging die Sonne in Kistara unter wurde es wirklich kalt! - sondern Kai war gezeigt worden, was ein mit Magie versetztes Bad für Wunder tat. Es ließ blaue Flecken und Abschürfungen verschwinden und bekämpfte die tiefer sitzenden Schmerzen, löste Verspannungen und Zerrungen. Aber auch an diesem Ort hatte der Braunhaarige nicht seiner Müdigkeit nachgeben dürfen und erst nach dem reichhaltigen Essen war er wie ein Stein in sein Bett gekippt und sofort eingeschlafen.

Am nächsten Morgen war es über ihn gekommen Ari besser kennen zu lernen, etwas das er am Tag zuvor vollkommen versäumt hatte.

Eines der ersten Dinge die ihm an dem blonden, grünäugigen Mann aufgefallen war, war sein kluger Geist und seine scharfe Zunge. Ari behandelte ihn mit Respekt, doch scheute nicht davor, ihm die Meinung zu sagen. Sie hatten nur ein Jahr Altersunterschied und trotzdem schien Ari sehr viel standfester in seinem Leben zu sein und als Kai dies hatte fallen lassen, hatte Ari nur gelacht und ihn daran erinnert, wie lange er denn in Kistara lebte, einer Welt, die dem Braunhaarigen in weiten Teilen noch immer unbekannt war. Darüber hinaus war er bisher immer bei Aoi gewesen, was es schwer machte einen wirklichen Blick auf das Leben hier zu erhaschen; der Dämon war nun einmal der Herrscher und von so lief in seiner Präsenz alles anders ab.

Das nächste, das Kai lernte war, dass Ari ein wahnsinnig guter Kämpfer war. Die Rüstung seines Dieners war ebenfalls aus Esragol, doch weniger stark gepanzert; der Blonde besaß zum Beispiel keinen Schulterschutz, damit er genug Freiheit besaß den Bogen zu spannen. Über der linken Hand trug dieser einen Schießhandschuh, was im Grunde drei Stulpen für Zeige-, Mittel- und Ringfinger war, deren Lederbänder über den Handrücken liefen, die an einem Lederband am Handgelenk befestigt waren. Rechts hingegen trug Ari einen Bogenhandschuh, weiches Leder das Daumen und Zeigefinger umschloss und so über die Stellen des Handrückens lief auf welcher der Pfeil aufgelegt wurde. Hinzu kamen Arm- und Beinschienen, allerdings ohne Helm, es würde das Sichtfeld des Schützen zu sehr eindämmen, auch wenn Ari einen besaß und ihn trug, wenn es zu extrem schweren Gefechten kam. Man konnte nie gut genug ausgerüstet sein.

Das hatte auch Kai sehr schnell begriffen; neben seiner Rüstung hatte er von Ari einen Ring erhalten, der seine Tragfähigkeit magisch erhöhte, was bedeutete, dass das Gewicht der Panzerung nun wesentlich leichter zu stemmen war. Darüber hinaus hatte er ein Heilpendant bekommen, welches er nun mit dem Leviathan unter seiner Kleidung trug. Es gab noch weitere verzauberte Schmuck- und Rüstungsgegenstände, aber keines davon nutzte Kai etwas, da er keinerlei Magie inne trug; ein Umstand den er zu bedauern begann.

Ari konnte das Wasser beherrschen; er war ebefalls kein wirklicher Zauberer aber er hatte die Begabung und verstärkte sie mit einem Stirnreif, eine Möglichkeit, die auch Kai offen stand, wenn er weit genug in seinem Training war. Ari hatte ihm erklärt, dass es durchaus möglich war, geistige Energie so zu lenken, dass einem die Elemente gehorchten, zumindest soweit, dass es zur Verteidigung reichte oder man einen Brand löschen konnte.

Und so war Kais Tagesablauf straff durchorganisiert. Ari würde ihn in den frühen Morgenstunden wecken, dann würden sie gemeinsam Laufen gehen, bevor es ein leichtes Frühstück gab. Danach folgten sogenannte Trockenübungen mit Schwert, Schild und Bogen sowie Kraft- und Konzentrationstraining. Nach dem Mittag wechselten sie in ihre Rüstung und übten vor allem Block und Angriff, sowie Kais Standfestigkeit auf verschiedenen Böden. Nicht selten zauberte Ari einen Eimer Wasser vom Himmel und verwandelte den Untergrund so in ein einziges Schlammbad in dem sich Kai regelmäßig auf dem Rücken wiederfand. Am Abend war er so erschöpft, dass er in sein Bett fiel und wenn Ari nicht auch nachts bei ihm sein würde, dann hätte er sich sicherlich schon den Tod gefangen, weil er sich nie zudeckte und vergaß das Feuer anzuheizen.
 

„Es ist fertig. Komm, du fühlst dich danach besser.“

Er hob den Kopf, als Ari – nun ebenfalls abgerüstet – zu ihm zurück kam und ihm eine Hand hinhielt, welche er ergriff und sich auf die Füße ziehen ließ.

Im Bad zog er sich bis auf die Unterhose aus und stieg in die Wanne, wo er mit einem Seufzen bis zum Kinn in das heiße Wasser sank.

Sofort bildeten sich entlang seiner Gliedmaßen kleine Luftbläschen, die angenehm kribbelten, wann immer er sich bewegte; die Magie sank sanft und unaufdringlich in ihn, weswegen er kurz die Augen schloss. Ja, so fühlte er sich doch tatsächlich wieder menschlich.

Ari saß bei ihm, wie die letzten Tage auch, und wartete ob er Fragen haben würde. Sie gingen den Tag noch einmal im Detail durch, sprachen über Schwächen und Stärken, sowie Methoden seine Fähigkeiten zu bessern und aktiv zu nutzen. Kai hatte eine sehr gute Schwerthand mit viel Wucht dahinter; nun musste er nur noch lernen, wie man den Block des Gegners besser durchbrach und keine Kraft damit vergeudete, auf das Schild oder die Waffe des Gegenüber zu prallen.

„Ari?“

„Ja, Slua?“

„Warum bildet ihr mich im Nahkampf aus? Ich meine, wäre es nicht sinnvoller, wenn ich auch ein Bogenschütze werden würde, so wie du?“

Ari schüttelte den Kopf, streckte sich auf der Bank neben der Wanne aus.

„Nein, wäre es nicht. Tsukasa will, dass du dich im Notfall allein verteidigen kannst. Natürlich werden wir darauf achten, dass du nicht allein bist, aber ein Gefecht kann schnell unübersichtlich werden und Tsukasa will, dass du möglichst schnell lernst, nicht gleich getötet zu werden.“

„Ein netter Beweggrund.“, murmelte Kai sarkastisch, doch der Blonde sah ihn nur ernst darauf an.

„Es ist der beste Grund und das weißt du auch. Du bist doch der, der mir immer wieder sagt, er möchte an Stärke gewinnen, um an Aois Seite stehen zu können. Wie sollte dies besser gehen, als wenn du lernst auf dich selbst zu achten?“

„Entschuldige.“

„Du musst dich nicht entschuldigen, nicht bei mir. Sieh lieber in den Spiegel, konzentriere dich und arbeite dich voran. Lerne aus deinen Fehlern und werde besser. Und dann wirst du sehen, sind Bäder wie diese nicht mehr nötig.“

Nun entlockte Ari ihm ein Lachen, bevor er demonstrativ noch tiefer ins Wasser sank.

„Nötig vielleicht nicht, aber ich genieße sie viel zu sehr, als das ich sie so schnell aufgeben würde.“

„Ich könnte dir einen Eimer Eis hinein schütteln, um dich zu entwöhnen.“, bot Ari hilfreich an, weswegen sich ein breites Grinsen auf Kais Züge legte.

„Danke, aber ich verzichte.“

„Wirklich? Zu schade.“

Eine Weile neckten sie noch einander und erst als Kai glaubte Schwimmhäute zwischen Fingern und Zehen zu entwickeln verließ er die Wanne, trocknete sich und schlüpfte in die Kleidung, die ihm sein Diener hingelegt hatte, welcher sich in dieser Zeit ebenfalls wusch und umzog.

Mit knurrenden Mägen liefen sie anschließend die vielen, verwinkelten Gänge entlang und Kai war stolz, dass er den Weg dieses Mal allein gefunden hatte. Es zeigte ihm, dass er doch Fortschritte machte und das er nicht immer rennen sollte bevor er gehen konnte.

Die Tafel im Hauptsaal war rund und erinnerte Kai stark an die Legende von König Arthur, doch sie war unglaublich gemütlich und erlaubte Tsukasa, obgleich Fürst, eher ein Mitglied seines Hofes zu sein, als die zentrale Figur. Gespräche konnten so auch besser geführt werden und Kai erhielt den Eindruck, dass sich die Ritter mit Absicht so setzen, dass sie quer über den Tisch brüllen und scherzen konnten.

Es war eine fröhliche Truppe, sie lachten enorm viel – auch etwas, an das sich hatte Kai gewöhnen müssen. Mit Aoi waren die Dinge meist sehr viel ernster, was wohl an dessen Wesen lag und Kai erstaunt an all die Zeiten in ihrer Band zurück denken ließ, in denen sein Gefährte sich wie ein kleines Kind benommen hatte. War all dies nur Schauspiel gewesen? Oder hatte Aoi sich auf der Erde wirklich freier gefühlt und nachgeholt, was ihm als Junge verwehrt geblieben war? Es war durchaus möglich. Kai machte sich eine mentale Notiz Aoi danach zu fragen, wenn sie sich das nächste Mal begegneten.

Nun aber schlug er erst einmal zu, häufte sich Hähnchen, Obst und Brot auf seine Platte, dazu noch zwei Würstchen und eine Art Rührei, nachdem er seit dem ersten Frühstück regelrecht süchtig war. Allerdings konnte nichts seine geliebten Eisbeeren übertrumpfen. Das hatte auch die Köchin des Hofs schnell bemerkt und ihm am zweiten Abend auf Schloss Draigh mit einer gesamten Schale davon überrascht, etwas worauf die Kinder enorm eifersüchtig waren. Allerdings konnte Kai die Wogen schnell glätten, indem er freimütig mit ihnen teilte, als sie nach dem Essen in der Bibliothek vor dem Feuer saßen und lasen.

Die Drillinge knieten dabei über ihren Kinderbüchern, derweil Ari und Kai eher Geschichtsbücher wälzten, weil es wichtig war den Geist ebenso fit zu halten wie den Körper. Außerdem mochte es Kai, über die alten Seiten zu fahren und den Geruch der Bücher, der – ganz anders als er es gewöhnt war – durchaus auch mal süßlich oder herb sein konnte, je nachdem ob man ein Buch über Magie in der Hand hielt oder nicht.

„Gute Nacht, Kai!“

„Gute Nacht ihr drei!“

Kai winkte den kichernden Mädchen zum Abschied, dann schloss er die Tür zu ihrem Gemach und begab sich in sein eigenes; Ari folgte ihm dabei derart leise, dass Kai sicher wusste, dass er einen Herzinfarkt erleiden würde, wüsste er nicht, dass der Grünäugige hinter ihm lief.

Mit einem zufriedenem Laut schob er die Türen zu seinen eigenen Räumen auf und zog sich schon halb aus, derweil er zum Bett hinüber ging.

„Slua?“

„Was ist?“

„Was hältst du von einer kleinen Herausforderung, morgen?“

Kai schob eine Braue in die Höhe, als er sich auf sein Bett setzte und die Stiefel auszog.

„Worum geht es?“

„Du könntest lernen, in Rüstung zu reiten.“

Kai grinste, ließ den zweiten Stiefel neben den ersten fallen.

„Reiten wir auch aus?“

Nun grinste auch Ari und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Wenn du es schaffst im Sattel zu bleiben?“
 

[1] Hierbei handelt es sich um Männer und Frauen die Waffen, Rüstungen und Gegenstände verzaubern und ihnen so Effekte wie schnelleres heilen, mehr Ausdauer etc. geben.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2012-10-30T18:34:32+00:00 30.10.2012 19:34
Hach das war mal wieder ein super Kapitel.
Nicht zuletzt natürlich, weil Hizumi einen schönen großen Auftritt hatte ;-)
***

Das hört sich ja gar nicht gut an. Da scheint Zero wohl mal wieder was geplant zu haben.
Irgendwie ist er den anderen immer einen Schritt voraus, das will mir ja so gar nicht gefallen. Ich bin ja mal gespannt, was er noch so alles versucht und ob die anderen endlich mal mitbekommen, dass sie Zero immer in die Hand spielen und genau das machen, was er eigentlich will.

Ich mag Ari. Er scheint ein guter Kerl zu sein.

Na, da hat Kai ja jetzt 'ne ganze Menge zu tun, was? So ein Kapftraing scheint sehr anstrengend zu sein.
Das er im Schwertkampf trainiert wird, ist einerseits echt gut, so kann er sich im Notfall wirklich besser verteidigen wie als Bodenschütze, aber andererseits... wird man so auch eher zur Zielscheibe. Aber naja, das ist Kai ja auch so.
Wie Zero sich ihn schnappen will, darauf bin ich ja jetzt mal gespannt.
***

Immer wieder staune ich, wie du es schaffst die Umgebungen so gut zu beschreiben dass man sich fühlt, als sei man persönlich dabei. Das macht das Lesen noch viel interessanter und spannender.

Auf die nächsten Kapitel freue ich mich jetzt schon.
Und natürlich auf Hizumis und Tsukasas nächsten Auftritt.
LG Cat


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