Zum Inhalt der Seite

Edelstein

Gilbert/Roderich
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Edelstein
 

„Er schickte mich auf eine Odyssee über den schmalen Grad zwischen Himmel und Hölle. Segen oder Sünde, das wusste ich selbst nicht mehr.“
 

Ich hatte nie viel übrig für Musik und derartiges gesellschaftliches Amüsement. Trotz meiner Aversion gegen solche prunkvollen Anlässe, besuchte ich widerwillig die kostenspieligen Feste, die meine verehrte Mutter ausrichtete. Gesellschaftlich war unsere Familie sehr angesehen. Wohl aufgrund des hiesigen Erbes das mein Vater uns hinterlassen hat.

Gott habe ihn wohl.

Mir scheint es als würden seit seinem Tod noch mehr Menschen heranströmen um sich im Prunk dieser Anlässe zu sonnen. Kaum witterten diese Adligen zweiter oder dritter Klasse Geld kommen sie in Scharen heran geschwirrt wie die Moskitos.

Wirklich widerlich.
 

Ich seufzte und mir stahl sich ein schwaches Lächeln auf die Lippen.

Das grazile läuten eines Glöckchens riss mich aus meinen Gedanken und verriet mir, dass es an der Zeit war in den Konzertsaal zurück zu kehren. Meine Mutter schwärmte schon seit Wochen von dem neuen Pianisten, den sie für diesen Anlass lud. Er war noch nicht sehr bekannt, wohl eher ein Geheimtipp. Ein junger Österreicher aus der Wiener Provinz, aber er schien jetzt schon bei den Frauen sehr beliebt zu sein. Ich lauschte den angeregten Tuscheleien der anwesenden Damen und er war wirklich in aller Munde. Man könnte meinen er würde mir den Rang ablaufen wollen, obwohl er nicht mal anwesend war. Es begann mich wirklich zu interessieren was das für ein Typ war.
 

Also nahm ich in einer der vorderen Reihen platz. Die Lichter wurden langsam gedämpft, damit eine angenehme Atmosphäre entstand, während hingegen auf der Bühne einige Kandelaber entzündet wurden. Langsam und elegant schritt der brünette Pianist über das dunkle Parkett. Von seiner Grazilität und Eleganz konnte sich sogar manche Dame noch etwas abschauen, aber ich musste zugeben, man hatte nicht übertrieben.

Er war wirklich eine wahre Schönheit.

Die Haare leicht zurückgekämmt.

Und die Augen leuchteten wie zwei Amethysten.

Wahrlich eine Ironie, denn er trug den Namen Edelstein.

Bekleidet war er mit einem braunen Frack und einer ebenso braunen Hose, die weiße Schleife an seinem Kragen verlieh dem Allen noch das gewisse Etwas. Ich hörte neben mir meinen kleinen Bruder Ludwig hart schlucken, bei diesem Anblick durchaus nicht verwunderlich. Ich musste leise lachen und stupste ihn leicht mit meinem Ellbogen an, worauf er mich erst ertappt und dann etwas verstört ansah. Als der junge Österreicher dem Piano die ersten Töne entlockte horchten wir auf und wandten uns wieder der Bühne zu. Meiner Kehle entglitt ein Seufzer und ich ließ mich tiefer in meinen Stuhl sinken, den grazilen Pianisten nicht aus den Augen lassend. Obwohl ich die klassische Musik an sich nicht wirklich genießen konnte, so nahm mich jedoch sein Spiel sofort in Beschlag. Er spielte sanft und romantisch, wie der junge Mozart selbst, dennoch passagenweise so energisch wie der cholerische alte Zausel Beethoven.

Von Satz zu Satz wechselte die Stimmung.

Mal sanft, mal aggressiv, dann auf einmal sehr traurig und betrübt wie Chopin zu spielen pflegte.

Mir wurde mit einem Mal heiß und ich fragte mich wirklich ob das an der Präzision der Klänge lag, die mir in diesem Moment den Verstand vernebelten.

Er schaute mich an.

Nein.

Er starrte mich förmlich an.

Es war als ob mir die Musik eine Welt weit außerhalb des Realen eröffnete.

Griechische Tempel, nackte Männer, die einander liebkosten und auf einmal die sengende Hitze der Hölle.

Tod.

Verzweiflung.

Licht.

Erlösung.
 

Die Eindrücke fielen über mich herein wie die dunklen Wellen der See. Man hätte es auch eine wahre Reizüberflutung nennen können.

Zu schnell war alles wieder vorbei gewesen.

Zu schnell holte mich die Realität wieder ein und ließ die Mausern meiner Visionen zusammenbrechen und wusch die weg wie eine flüchtige Erinnerung.

Der Verursacher dieses Schauspiels zwischen Himmel und Hölle verneigte sich dem applaudierendem Publikum und verschwand wieder hinter den scheren pur pur Vorhängen.

Ich musste hier raus.

Als Erster sprang ich auf um in den Salon zurück zu kehren.

Dort angekommen ließ ich mir von einem Butler ein Glas Champagner reichen und nahm einen großen Schluck des prickelnden alkoholischen Getränks.

Ich lehnte mich leicht an eine der blanken Marmorsäulen, die dem Saal einen französischen Touch verliehen, und atmete tief ein und wieder aus.

„Gilbert, mon chére. Du wirkst blass…zumal du von Natur diese ungesunde Blässe hast, aber-„

„Francis“, ermahnte ich meinen Kindheitsfreund in einem genervten Ton und nippte ein weiteres Mal an meinem Glas.

„Wieso so gereizt? Du brichst mir das Herz“, gab er überzogen zurück und ließ es sich nicht nehmen das mit einem theatralischen Seufzer zu unterstreichen.

Francis Bonnefoy war ein junger Franzose, mitte zwanzig, adliger Abstammung, der sein Leben einzig und alleine der Liebe widmete, in welcher Form sie auch immer auftrat. Er war wohl das was man in unserer Gesellschaft als einen Sodomiten bezeichnen würde.

Ganz gleich ob er auch Frauen zugetan war.

Ich wusste von seinen ausgelassenen Festen, die überwiegend unter Ausschluss der Damenwelt stattfanden.

Er war wirklich ein Paradebeispiel für Unzucht und Perversion, aber in gewisser Weise fand ich seinen Lebensstil sehr anziehend, da ich seit je her weniger dem „hübschen Geschlecht“ zugetan war.

Nach dem Francis sich zu mir gesellt hatte folgten ihm weitere, die sich üblicherweise meiner Gesellschaft bemächtigten. Die meisten sind Männer mittleren Alters, Freunde meines verstorbenen Vaters, aber ich störte mich nicht an ihnen. Sie vertieften sich schnell wieder in ihre üblichen Gespräche über junge, hübsche Frauen, fragten mich zwischendrin ob ich ihrer Meinung sei, was ich mit einem Kopfnicken quittierte.

Mein Verstand rotierte noch immer und es wurde nicht besser als ich eben jenen Brünetten entdeckte, der mich auf eine Odyssee über den schmalen Grad zwischen Himmel und Hölle schickte. Einer der Herren, die mich umgaben, winkte den Pianisten zu sich.

Er schien ihn wohl persönlich zu kennen.

„Meine Freunde! Ich möchte euch gerne einen Bekannten vorstellen“, verkündete er freudig und gestikulierte wild herum, wie er es immer zu tun pflegte.

„Roderich Edelstein. Sehr erfreut“, stellte sich Angesprochener doch selbst vor und deutete eine leichte Verbeugung an. Dabei schaute er mich wieder sehr durchdringend an.

„Ich hoffe den Herren hat mein bescheidenes Spiel gefallen“

Ich merkte sofort, dass das kein Akt heuchlerischen Erhaschens eines Lobes war, sondern er wirklich bodenständig war.
 

„Ach seien Sie doch nicht so bescheiden. Die waren brillant“, ermahnte ihn der kleinere Herr und schaute erwartungsvoll in die Runde, worauf ihm alle beipflichteten.

„Danke. Es lässt sich viel einfacher Spielen, wenn man weiß, dass man einen besonderen Zuhörer hat“, antwortete er und wandte sich zu mir,

„Aber mein Lieber! Jeder im Saal hat Ihren besonderen Klängen Gehör geschenkt, besonders die Damen“, war die prompte Antwort des etwas schroffen Herren.

Danach driftete das Gespräch wieder in Richtung Frauen und deren, pardon, wohlgeformten Schößen ab,

„Darf ich auch Ihren Namen erfahren?“, fragte mich der junge P-, nein Roderich Edelstein, und legte dabei den Kopf etwas schief, was ihn doch sehr feminin wirken ließ.

„Gilbert Beilschmidt“, gab ich trocken zurück.

„Vielen Dank, dass Sie mir so aufmerksam zugehört haben“, bedankte er sich und ich war mir nun sicher, dass ich dieser besondere Zuhörer gewesen sein muss.

Ich sagte ihm, dass mich sein perfektes Spiel wirklich gefesselt hatte.

Er quittierte es mit einem Lachen und einem „Dachte ich es mir doch“ und konnte mir erschreckend genau das beschreiben, was die Klänge in meinem Verstand erschaffen hatten.
 

Die Stunden vergingen und ich hatte mich dazu entschlossen in die Villa einzukehren. Er ließ es sich nicht ausreden und bestand darauf mich noch bis zur Kutsche zu begleiten. Draußen angekommen fuhr mir leicht die milde Abendbrise durch meine silbernen Haare. Ich setze gerade an um etwas zu sagen, als er sich mit einem Mal an meine Brust drängte.

Verblüfft sah ich ihn an, nicht fähig etwas zu sagen.

Ehe ich reagieren konnte fühlte ich seine weichen Lippen auf den meinen. Der Kuss war sehr zaghaft, aber ich hatte trotzdem den Eindruck mein Gegenüber ganz genau wusste was er wollte. So plötzlich wie er mich geküsst hatte, so schnell war es auch wieder vorbei. Er nestelte etwas an meinem Jabot rum und schaute mich wirklich verboten an.

„ich hoffe Sie werden auch meine nächsten Konzerte besuchen, Herr Beilschmidt“, hauchte er, ließ von mir ab und verschwand wieder in dem hiesigen Gebäude.

Als ich am nächsten Morgen zu mir kam, klang sein Name mir im Ohr und meine Gedanken wanderten wieder zu ihm. Die Ekstase, die ich am vorherigen Abend empfand brannte immernoch tief in meinem Verstand und es schien als könne nichts in der Welt dieses Feuer der Begierde löschen. Mit jedem Augenblick in dem ich an ihn dachte wurde es sogar noch entfacht und der Drang diesen Mann zu besitzen stieg und stieg.
 

Seufzend leckte ich mir über meine trockenen Lippen und versuchte diese Visionen aus meinem Kopf zu verbannen.

War das diese Sehnsucht, die viele Dichter beschrieben?

Ich konnte mir kaum vorstellen, dass man über so eine Pein in derart romantischer und verträumter Art und Weise schreiben konnte, dass es den Eindruck vermittele es wäre ein schönes Anhängsel der Liebe.

Ich lachte leise.

Ein solches Verhalten war normalerweise nicht meine Art und ich fragte mich wirklich ob ich noch bei Sinnen sei.

Resigniert kam ich auf eine eindeutige Antwort.

Nein.

Innerhalb eines Augenblicks wurde mein klarer Verstand zerstört, wie Glas zerberstet, wenn es von der Kugel eines Revolvers getroffen wird.
 

Schwerfällig erhob ich mich aus meinem Bett und kleidete mich an. Ich blickte in den großen Wandspiegel und in mir stieg willkürlich das Gefühl auf beobachtet zu werden. Mein Blick viel auf einen großen Amethysten der auf meiner Kommode lag und schon sah ich seine leuchtenden lila Seelenspiegel vor meinem geistigen Auge.

Es war wirklich hoffnungslos.

Ich habe den Verstand verloren.
 

Ich stieg die hölzerne Treppe hinab in den Salon und anschließend betrat ich das Frühstückszimmer, wo mich bereits meine Mutter erwartete. Sie war betroffen über mein verändertes Aussehen und fragte mich, ob ich mich nicht gut fühle.

„Ich muss wohl etwas Fieber gehabt haben. Außerdem ist das Wetter schwül und drückend“, erwiderte ich selbstsicher wie immer um mir nichts anmerken zu lassen.

„Drückend?“, sagte sie lächelnd.

„Etwa nicht?“

„Ganz im Gegenteil, es ist sogar ziemlich frisch. Ich musste alle Fenster im Salon schließen lassen, da sich auf den Innenseiten schon Eisblumen bildeten.“

„Na dann muss es dein Konzert gewesen sein, was meine Nerven durcheinander gebracht hat“

„Mein Konzert“, sagte meine Mutter lächelnd und reichte mir eine Tasse Kaffee.

Bei dem bloßen Anblicks des schwarzen Gebräus wurde mir schlecht und es schien mir sinnlos es zu probieren.

Besorgt blickte meine Mutter mich an.

„Es ist nichts, mir ist nur neulich von Kaffee schlecht geworden“, gab ich ihr beruhigend zurück.

„Davon hast du mir nichts erzählt“

„Habe ich das nicht?“, sagte ich geistesabwesend, „außerdem… Wo ist eigentlich Ludwig?“

Ich wollte von dem Thema ablenken und das war das erste was mir einfiel.

„Ludwig? Der ist schon vor Sonnenaufgang abgereist. Er hat ein Treffen mit einem Geschäftspartner, so sagte er“, antwortete sie leicht verwundert über den plötzlichen Themawechsel.
 

Nach einem kurzen Moment des Schweigens kamen wir dann doch noch auf das Konzert zu sprechen. Es verlangte mich meine Mutter zu fragen, ob sie etwas über Roderich wüsste, doch wagte ich mich nicht den Namen auszusprechen, der mir auf den Lippen brannte. Ich war erleichterte als ihn meine Mutter selbst erwähnte, zuerst sein Spiel preisend und dann seine außergewöhnliche Schönheit.

„Du findest er sieht gut aus?“, fragte ich ungehalten dazwischen.

„Du etwas nicht? Tut mir leid ich vergaß wie atemberaubend du bist“, erwiderte sie in einem neckischen Tonfall.

Sie kannte mein großes Ego nur zu gut.

„ Die Damen fanden ihn wirklich liebreizend und bestimmt haben viele gestern Abend ihr Herz an ihn verloren. Bei seiner prinzenhaften Erscheinung durchaus kein Wunder“, schwärmte sie.

„Aussehen ist nicht alles. Kann ein Künstler nicht nur durch sein Talent berühmt werden?“, fragte ich schnippisch.

„Vielleicht“, sie machte eine kurze Pause, „aber es kann dir doch ganz egal sein, ob die Frauen für ihn schwärmen oder nicht; und wenn es seiner Karriere nützlich ist – was hast du dagegen?“

Ich schnaubte verächtlich.
 

Bei dem ganzen Gerede über seine Bewunderinnen kam in mir wirklich der blanke Neid zum Vorschein.

„Du benimmst dich wirklich wie eine eitle Schönheit, die nicht hören kann, dass eine andere neben ihr gerühmt wird. Du bist heute wirklich ein außerordentlicher Neidhammel“, sagte sie amüsiert.

Ich versuchte meine Gesichtszüge zu entspannen um nicht allzu viel meines Missmutes preiszugeben.

„Ich meinte ja nur“, ließ ich schmollend verlauten.

Sie fing an herzlichst zu lachen und ihr glockenhelles Gelächter erfüllte den hiesigen Raum.

Auch auf mein Gesicht legte sich wieder das übliche Grinsen und ich konnte alle anderen Gedanken für einen kurzen Moment abschütteln.

Ich verweilte noch einen Augenblick bis ich mich letztendlich erhob um mich auf den Weg ins Geschäft zu machen.

„Du solltest nicht ins Büro gehen, wenn du dich nicht gut fühlst“

Sie blickte mich wieder genauso besorgt an wie zuvor.

„Mach dir keine Sorgen“, antwortete ich knapp, verabschiedete mich dann und ging ins Büro.

Zu meinem Ärgernis war es mir gänzlich unmöglich meiner Arbeit nachzugehen. Selbst meinem Buchhalter war meine Misere aufgefallen. Immerhin konnte ich ihn mit einer Ausrede abspeisen, denn er wär glücklicherweise nachgiebiger als meine Mutter.
 

Dauernd hatte ich Roderichs bezaubernde Gestalt vor meinen Augen und das brachte alles durcheinander was ich in den Händen hielt. Ich dachte wieder an das was meine Mutter zuvor zu mir sagte; Jede Frau liebte ihn und diese Liebe brauchte er zum Leben. Ich versuchte daher also mit aller Kraft ihn aus meinen Gedanken zu verdrängen.

„Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg. Also werde ich diese sentimentale Obsession abschütteln“

Ich blieb nicht lange im Büro.

Mein Gemütszustand schlug sich wahrlich negativ auf meine Arbeit nieder und so beschloss ich es lieber bleiben zu lassen bevor ich auch noch meinen Buchhalter mit meiner Ungeschicktheit konfrontieren musste.

Als ich das Haus betrat viel mir direkt ein weißer Umschlag auf, der auf dem verzierten Ebenholztischchen im Eingangsbereich lag.

„Ein Brief von dem liebreizenden Fräulein Zwingli“

Mein Bruder war also wieder eingekehrt.

„Liebreizend?“

„Pardon, ich vergaß, dass du nicht viel für solch liebreizende Geschöpfe übrig hast“, ich strafte ihn mit einem bösen Blick, „es ist dir dennoch nicht zu verübeln“,

„Ich möchte dich an deine… wie soll ich es sagen? Heftige Reaktion des gestrigen Abends erinnern“, flachste ich grinsend.

Seine Wangen nahmen einen verdächtigen Rotton an und ich brach in lautes Gelächter aus.

Kaum etwas bereitete mir so große Freude wie meinen jüngeren Bruder aufzuziehen.

„Keine Sorge ich werde den Brief beantworten sobald mir der Sinn danach steht“, beruhigte ich ihn.
 

Also nahm ich den Brief und ging langsamen Schrittes die Treppe hinauf in meine Gemächer.

Dort setzte ich mich erstmal in den mit rotem Samt überzogenen Sessel, spielte kurz mit dem Brief in meinen Händen und entschied mich dann doch dagegen ihn zu lesen.

Er fand den Weg in die Schublade des Ebenholzpultes und war somit vorerst sekundär.

Es war wohl nicht sehr höflich der Dame nicht direkt zu antworten, aber es war im Sinne ihres Bruders, der mich wohl gemerkt nicht sehr….passend für seine kleine Schwester empfand, aber war es wohl hauptsächlich in meinem eigenen Sinne, denn der Blonde konnte sehr ausfallend werden.

Also widmete ich mich wieder entspannenderen Tätigkeiten.

So legte ich meine Füße hoch und genoss die sanften Sonnenstrahlen die durch das große Fenster ins Zimmer fielen.

Ich entspannte mich merklich, was sehr angenehm bei den Strapazen des heutigen Tages war.

Und wieder war ich alleine mit meinen Gedanken.

Auch wenn ich den Brief nicht ganz verdrängen konnte.
 

Ich erinnerte mich an die Worte mit denen mich einst mein Vater mahnte.

„Wenn du dich so abweisend gegenüber einer Dame verhältst wird dich nie eine heiraten“

Mir legte sich ein leichtes Lächeln auf die Lippen.

So musste ich wahrlich feststellen, dass ich noch nie wirklich verliebt war.

Zumindest nicht so, wie es die Gesellschaft für angebracht hielt.

Mir gefielen diese fleischigen, gepuderten und parfümierten Leiber gänzlich nicht.

Es weckte in mir immer eine Abneigung, gar einen Würgreiz, wenn sie ihre üppigen Dekolletees in Korsagen zwangen und sie aufreizend präsentierten, wie ein Pfau seine blau-grünen Federn.

Bei dem bloßen Gedanken daran stieg mir ein mulmiges Gefühl in der Kehle auf und ich versuchte diese Bilder verdrängen.

Stattdessen erinnerte ich mich an meine frühste Kindheit zurück.

Schon im Knabenalter hatte ich eine gewisse Neigung für schmächtigere Gleichaltrige.

So kam es eines Tages dazu, dass mich meine Neugier übermannte und ich kurzerhand meine Lippen mit denen meines Kindheitsfreundes Francis versiegelte, was in mir ein unglaubliches Gefühl der Befriedigung auslöste.
 

Dies zog sich letztendlich weiter bis ins Jugendalter, als ich statt mir ein Mädchen anzulachen lieber weiterhin von dieser verbotenen Frucht naschte und mich erst gar nicht auf Damenbekanntschaften einließ.

Wieso auch?

Der bloße Anblick heller Haut, rosa Brustwarzen, die sich so ansehnlich präsentierten wie kleine Aprikosen und dazu einluden sie zu liebkosen, reichte aus um diese durchaus nervigen Geschöpfe auszublenden.

Es war bedauerlich, dass sich mir bisher nicht die Möglichkeit bot dieses Erlebnis voll auszukosten, welches die griechische Mythologie als reine, körperliche und geistige Liebe bezeichnete.

Ohne die natürlichen Zwänge.

Einfach nur die Liebe, die die Herzen zweier Menschen verband.

So sehr meine Mutter immer versuchte mich von jeglichen Versuchungen fernzuhalten, so sehr war ich zuletzt der Sündhaftesten erlegen.

Was sie wohl sagen würde?

Einen Sodomiten würde sie mich nennen, ganz gleich wie sehr sie mich liebte.

Was ich fühlte war gottlos.

Falsch.

Aber die Versuchung war groß.

Vorallem Roderich Edelstein.

Das Antlitz eines Engels und doch so sündhaft.

Vielleicht wäre er eher mit der Frucht des Baumes der Erkenntnis aus der Schöpfungsgeschichte zu vergleichen, ein verführerischer Anblick, aber wenn man von ihm naschte erwartet einen nur Ungnade.

Auch Eva war der Versuchung erlegen und die Konsequenzen sind ja bekannt.

Ich seufzte.

Schon wieder dachte ich an ihn.

Ich sah Roderich erstmal eine ganze Weile lang nicht, allerdings schien dies mein Verlangen nach dieser verbotenen Frucht nicht zu stillen, im Gegenteil, es hungerte mich noch mehr nach seiner sinnlichen Gestalt. Beim bloßen Gedanken an das Gefühl dieser geschwungenen, weichen Lippen auf den meinen ließ ein Feuer in mir auflodern, welches sich kaum löschen ließ.

Ich hielt es jedoch für eine bessere Idee ihn selbst zu meiden.

Aber ich wollte ihn sehen.

Nein.

Ich musste ihn sehen.
 

Also versteckte ich mich in den Zuschauermassen bei seinen öffentlichen Konzerten.

Das Opernglas natürlich starr auf ihn gerichtet um jede sanfte Bewegung dieses Gottes aufzunehmen und in mein Gedächtnis einzubrennen.

Es glich normalerweise schon einer Unverschämtheit jemanden derart zu mustern, besonders mit diesen sündhaften Hintergedanken, die meinen Verstand einnahmen.

Er sah mich bestimmt nicht.

Das versuchte ich mir zumindest einzureden, obwohl ich wusste, dass er mich jedes Mal wahrnahm. Er musste mich nicht sehen um zu wissen, dass ich hier war.

Er spürte es.

Obwohl er die meiste Zeit seines Spiels die Augen geschlossen hatte, so lüftete er den Schleier aus langen schwarzen Wimpern und sein Blick traf mich direkt. Ich fühlte mich ertappt, auf tiefste beschämt.

Egal wo ich mich immer verschanzte.

Auf der Galerie.

In der Parterre.

Egal.

Es schien mir beinahe er könnte mich wirklich zwischen den Massen ausmachen.
 

Diese Obsession nahm überhand.

Das sündige Verlangen besaß mich.

Ich blätterte täglich alle Zeitungen nur um auch nur einen Artikel über ihn zu finden und jeden Tag aufs Neue wurde ich belohnt auch wenn es nur belangloses Geschwafel war, so stillte es jedoch meine Sehnsucht für eine Weile.

Ungesehen und mit einiger Entfernung folgte ich ihm nach jedem Konzert.

Gewöhnlich war er allein.

Eines Abends jedoch stieg er in eine Kutsche in der, wie mir schien, eine Frau saß.

Ich rief also eine andere Kutsche heran und folgte ihnen bis zu Roderichs Haus.

Also wies ich den Kutscher an zu halten.

Der Brünette stieg aus und bot einer dicht verschleierten Dame seine Hand an, die flink vom Trittbrett hüpfte, auf das Haus zutippelte und im offenen, eisernen Tor verschwand.

Ich ließ meinen Kutscher dort die ganze Nacht halten.

In jener war mir so als würde sich mein Geist von meinem Körper lösen und wie ein Schatten dem Mann zu folgen den ich liebte.

Ich verfiel in eine Art Trance und sehr lebendige Halluzinationen überkamen mich, stets das zeigend was die beiden hinter den Mauern des Hauses vollzogen.

Heiße Küsse, Liebkosungen.

Man mag nicht bei seinem Anblick gar nicht vermuten welch Wesen doch ihn im wohnte.

Jedoch schien es mir so als würde er ihre Gesten lediglich empfangen und nicht wirklich erwidern.

Dies minderte aber nicht den Hunger dieses Weibstücks.

Sie bot sich ihm an wie eine räudige Hündin einem lechzenden Rüden.
 

Als der Morgen graute fuhr dieselbe Kutsche wie vom Vorabend vor.

Wenige Minuten später öffnete sich das Haustor und die Dame schritt hastigen Schrittes auf die Kutsche zu. Ihr „Geliebter“ half ihr in ihre Kutsche.

So war es natürlich denkbar, dass ich wissen musste wer sie war.

Ich beglückwünschte mich selbst für den genialen Einfall, dass der einfachste Weg war ihre Identität aufzudecken darin bestand ihr einfach zu folgen. Meine Awesomeness, wie ich nach erworbenen Kenntnissen der englischen Sprache zu sagen pflegte, war einfach unübertrefflich.
 

Einige Tage später wusste ich wer sie war.

Ihr Name war Elizaveta Hédeváry.

Eine Dame untadeligen Rufs, jedoch im Besitz eines stattlichen Vermögens und atemberaubender Schönheit.
 

Jene Nacht verhallte nicht ganz ohne ein Nachspiel.

Neun Monate später gebar die Gräfin einen Knaben.

Jedoch sah er weder dem Grafen noch Roderich ähnlich.

Er hatte rubinrote Augen genau wie sein stattliches Vorbild von Vater.

Auch wenn es mich viel Überwindung und Selbstbeherrschung kostete so schlug ich diesem Biest ein Schnippchen und stach meine Rivalin aus.

Natürlich konnte sie ihrem Gatten nicht beichten wer der richtige Vater seines Stammhalters war und er war zufrieden als er eine Ähnlichkeit zwischen dem Erben und einem Portrait in seiner Ahnengalerie ausmachen konnte.

Aber das ist eine andere Geschichte.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu dieser Fanfic (6)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: abgemeldet
2012-10-03T09:51:55+00:00 03.10.2012 11:51
Wow, ich liebe deinen Schreibstil, er passt einfach perfekt und fesselt einen wirklich. Zudem finde ich die Länge der Kapitel passend; Nicht zu lang und nicht zu kurz.
Mir wurde die FF empfohlen und ich muss sagen, es hat sich gelohnt sie anzufangen und ich hoffe, dass es bald schon weiter geht :)
Auf Rechtschreibfehler habe ich persönlich nicht geachtet, und wenn welche da waren, waren sie wohl nicht so gravierend, als das sie mir aufgefallen sind.
Ich finde nur, dass Gilbert sein 'Ego' ein wenig mehr vertreten könnte, aber sonst wirklich gut. Ich hoffe bald mehr lesen zu dürfen :)

Von:  Stubsii
2012-06-29T18:01:59+00:00 29.06.2012 20:01
Wow. Ich bin wirklich gefesselt von diesem Stil zu schreiben. Kommt nicht oft vor dass ich nicht aufhören kann zu lesen.
Alle Achtung.
Ich finde es auch ganz schön mal einen ... etwas schüchternen Gilbert zu sehen ^-^
Ich hoffe doch du schreibst bald weiter würde mich echt freuen :3
Von:  Shunya
2012-05-31T23:24:59+00:00 01.06.2012 01:24
Die FF gefällt mir wirklich gut. Die Zeit in der sie spielt und wie du es be- und geschrieben hast, ist einfach nur atemtberaubend! Hat mir richtig gut gefallen und es hat Spaß gemacht zu lesen. Man hatte schon fast das Gefühl, als wäre man selbst dabei. ;P

Die Vergleiche zu Pianisten und wie du die Gefühlswelt von Gilbert während des Konzerts beschrieben hast, hast du auch sehr gut rübergebracht. :D

Die Unterhaltung am Ende fand ich gar nicht mal so übel. Francis ist auch dabei. Hahaha~ XD lol
Das Ende des Kapitels war überraschend, aber ich finde es toll, dass beide Charaktere sich scheinbar zueinander hingezogen fühlen. >.<

Ich freue mich schon auf das nächste Kapitel. *o*
Von:  Niekas
2012-05-23T09:15:01+00:00 23.05.2012 11:15
Wow. Meine Hochachtung vor diesem Stil. Wunderschöne Atmosphäre im gesamten Text, wobei du seltsamerweise im zweiten Teil (ab Mitte Seite 2) plötzlich Tippfehler machst, anders als im ersten Teil. Nur so Mini-Sachen, nichts Gravierendes.
Allerdings, verzeih, wenn ich klugscheiße, aber... "Trotz meiner Abstinenz gegen solche prunkvollen Anlässe, besuchte ich widerwillig die kostenspieligen Feste"? Abstinenz bedeutet doch sowas wie Enthaltsamkeit, Verweigerung, aber wenn er widerwillig doch hingeht, verweigert er sich ja gerade nicht. Sicher, dass du nicht einfach Aversion meintest? (Wenn ich jetzt hier alles durcheinander schmeiße, verzeih noch einmal meine Klugscheißerei.)

Ja. Insgesamt bin ich trotzdem ziemlich begeistert, alle Achtung.
Liebe Grüße,
E-vieh
Von:  Schpain
2012-05-22T21:01:41+00:00 22.05.2012 23:01
o_______o
Extrem hart geil...
*am Bildschirm leb*
Wehe du machst nicht weiter ò_ó ♥
Von:  Sternenschwester
2012-05-22T19:46:14+00:00 22.05.2012 21:46
So weit kein schlechter Anfang(,wenn auch auf mich Gilbert einen gar schüchternen Eindruck macht). Einzig was ich noch anmerken möchte ist das wenn sich Francis an Gilbert wendet, wäre es korrekt "mon chère" und nicht "ma chère".
nun gut, freue mich wenn es weiter geht und glück auf,
Lg, Sternenschwester


Zurück