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Mitternacht

Teil 1
von

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Christines Vergangenheit

Ich starrte Naruto an, wie einen Außerirdischen.

Natürlich bemerkte er das, seine niedliche Nase kräuselte sich und er legte die Ohren an. Ich konnte förmlich hören, wie er fragte, was habe ich jetzt schon wieder falsch gemacht?

Ich hatte vorher noch nie Kontakt zu einem misshandelten Kind gehabt, und wahrscheinlich hätte ich irgendetwas Beruhigendes sagen sollen, etwas wie, keine Sorge, alles in Ordnung oder etwas ähnliches, aber ich war einfach – vollkommen – geplättet.

Deshalb drehte ich mich von ihm weg, legte meine Arme auf Christines Dach und sagte nur: „Naruto, geh doch bitte schon mal zum Wohnwagen. Ich – muss nochmal weg. Hab was vergessen.“

Wortlos drehte er sich um und ging zurück.

Eine Weile streichelte ich Christine, dann stieg ich ein und fuhr los. Durch die Stadt auf eine kleine Landstraße.

Es war mir einfach schleierhaft. Was hatte das zu bedeuten? Bisher hatte Christine noch jeden vergrault, der mir irgendwie nahe war. Und sie hatte niemanden außer mir überhaupt akzeptiert. Oder hatten sich hier zwei Monster gesucht und gefunden? Hör auf, so darfst du nicht denken.

Oder hatte Christine irgendeinen Plan? Tat sie nur so, um mich in Sicherheit zu wiegen und wollte ihn dann verjagen? Nein, das konnte auch nicht sein. Klar, sie war manchmal unberechenbar und auch extrem eifersüchtig, aber nicht hinterlistig, sie hätte sich niemals von ihm anfassen lassen, wenn sie es nicht selbst gewollt hätte. Das Motorengeräusch beruhigte mich. Meine Gedanken schweiften ab.

Ich war nur ein Jahr älter als Naruto gewesen, der bald 16 wurde, wie ich im Ausweis gesehen hatte, als ich Christine zum ersten mal traf, auf einem Schrottplatz. Und sie war auch nicht mehr als Schrott gewesen, man konnte sie kaum als ein Auto erkennen. Meine Hormone machten mir damals schwer zu schaffen. Ich war wütend, aggressiv und doch unglücklich ohne Ende. Dann sah ich sie. Und war sofort fasziniert. Ich fragte den Händler ob ich sie haben könnte, er lachte mich aus, und meinte für 50 Mäuse gehört sie dir. Ich gab ihm das Geld. Vermutlich hielt er mich für verrückt, aber für mich war sie damals meine Rettung. Endlich hatte ich etwas gefunden, eine Aufgabe. Nicht das ich groß eine Ahnung von Reparaturen gehabt hätte. Ich pfuschte nur herum, aber – als ich anfing die Reifen aufzupumpen, die danach sofort wieder platt waren, und sie dann durch andere alte Reifen auswechselte, waren sie am nächsten Tag alle vier nagelneu. Dann machte ich sie sauber, und fing an, sie mit roter Farbe zu bestreichen, als ich wieder kam, war der komplette Wagen so glänzend wie jetzt. Damals dachte ich, jemand anderes tat das, sobald ich weg war. Ich machte die Motorhaube auf, aber hatte keine Ahnung, was wohl defekt war. Um genau zu sein, flog die Haube knirschend herunter, als ich sie öffnete. Dann, wieder am Tag darauf, war sie oder eine neue fest an ihrem Platz und als ich sie öffnete, glänzte mir ein Motor entgegen bei dem sogar ich erkennen konnte, das der nicht gerade billig war. Wer tat so etwas? Und warum? Als nächstes nahm ich mir die Sitze vor. Sie hatte keinen einzigen mehr der in Ordnung war, der Boden war ebenfalls voller Löcher, den der Rost im Laufe der Zeit hineingefressen hatte. Also nahm ich einen alten Sitz eines anderen Autos, baute ihn mehr schlecht als recht ein, und legte mich auf die Lauer. Ich wollte wissen, wer dieses Heinzelmännchen war. Insgeheim hatte ich meinen Vater eine Weile in Verdacht, bis ich eben jenen Motor sah. Soviel Geld hatten wir nicht. Leider schlief ich ein. Als ich morgens wach wurde und zu ihr ging, hatte sie nagelneue Sitze. Rotes und schwarzes Leder. Echtes Leder. Teuer und weich. Ich war ratlos. Und müde. Aber ich wollte noch das Radio anschließen. Natürlich, andere Arbeiten wären wichtiger gewesen, aber ich wollte Musik hören. Es gelang mir die Stromkabel zu verbinden, das Radio und die Scheinwerfer leuchteten auf und ich hörte sie zum ersten Mal. „You are my destiny. I love you.“

Es dauerte eine Weile bis ich begriff, oder besser gesagt, akzeptierte, was hier los war. Ein Geheimnis. Ein Geheimnis das nur wir beide kannten. Und als sie plötzlich vom Schrottplatz weg fuhr und vor meiner Tür anhielt, wunderte es mich nicht mehr. Es stellte sich dann heraus, das der Besitzer des Schrottplatzes wohl glaubte, ich sei ein begnadeter Mechaniker, warten wollte bis ich fertig war, und Christine teuer verkaufen wollte. Er meldete den Wagen als gestohlen, sogar meine Eltern glaubten, ich hätte ihn gestohlen, was ich ihnen wirklich verübelte, und die Polizei kam. Ich hielt ihnen kurz den Kaufvertrag unter die Nase und sie dampften wieder ab. Kopfschüttelnd, nicht begreifend, wieso der Mann mir so einen Wagen für so wenig Geld verkauft hatte.

Meine Eltern waren begeistert. Nun waren sie es, die Christine für sehr viel Geld verkauften. Am nächsten Tag war sie wieder da. Und meine Eltern bekamen jede Menge Ärger. Sie mussten das Geld, das sie schon ausgegeben hatten zurückzahlen.

Natürlich dauerte es nicht lange, bis sie merkten, dass Christine kein normales Auto war. Sie konnten sich damit auch nicht abfinden und stellten mich vor die Wahl. Entweder wir oder Christine. Ich entschied mich für Christine. Immerhin war sie die einzige, von der ich mich verstanden fühlte. Auch wenn ich damals noch nicht wusste, das ich meine Eltern nie wiedersehen würde.
 

Ich seufzte und lehnte mich zurück, Christine hatte mir mittlerweile die Rücklehne bequem eingestellt und unterhielt mich mit einem ruhigen, harmonischen Lied. Sie machte ihr Fenster auf, und ich verschränkte meine Arme hinter dem Kopf, während sie mich durch den Wald fuhr.
 

„Na schön, Christine, du bist eben immer für eine Überraschung gut, wie?“

Der Rückspiegel drehte sich hin und her, als würde sie lachen.

„Du magst ihn?“ ich konnte es immer noch nicht glauben und wollte mich vergewissern.

Die angenehme ruhige Musik wurde abgelöst durch „my friend of misery“
 

"Es gibt mehr für das es sich zu leben lohnt als das was du siehst

Mein Freund des Elends

Du stehst immer noch schreiend da

Niemand kümmert sich um die Worte die du sagst"
 

Es machte mich irgendwie traurig das zu hören. Ich fühlte mich sogar beschämt. Von jetzt an würde ich Naruto zur Seite stehen, nahm ich mir vor. Mich um ihn kümmern, wie ein Freund. Jawohl. Und doch, welche Ironie des Schicksals hatte da zwei Menschen zusammen geführt. Ich, der ich mich gegen meine Eltern entschieden hatte, aus reinem Egoismus, ohne an ihre Gefühle zu denken, und dann er, der von seinen Eltern verstoßen wurde, ohne das sie an seine Gefühle dachten und auch aus reinem Egoismus.

„Lass uns in die Stadt fahren. Kaufen wir ihm etwas Nettes. Ein Geschenk.“

Christine wendete auf der Stelle und ich fühlte mich wieder besser.

Genau. Das war es, was ich vergessen hatte. Naruto ein Geschenk zu kaufen. Vielleicht was zum anziehen? Er sollte sich freuen. Jetzt fiel mir auch auf, das er zum ersten Mal gelacht hatte, als er bei Christine war.

„Christine, was sollen wir ihm schenken?“

Das Musical „Cats“ wurde gespielt. Eine Katze? Hätte ich bloß nicht gefragt.
 

Autor Akio



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