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Digimon Pandaemonium

Zwischen Schatten und Licht
von

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Folge 1: Willkommen in der Digiwelt

Es war dunkel in dem kleinen Zimmer. Nur das Mondlicht, das durch das offene Fenster fiel und der hell erleuchtete Monitor spendeten Licht. Doch mehr brauchte er auch nicht. Nein, eigentlich hatte er noch nicht einmal bemerkt, dass es dunkel geworden war, dass irgendwann der Mond aufgegangen war. Seine rechte Hand lag auf der Maus und das hektische Klicken war das einzige Geräusch, das zu hören war. Kurz glitt seine andere Hand von der Tastatur zu seinen Haaren, um sie sich aus den Augen zu streichen. Die ungebändigten, blonden Fransen hatten wieder einmal ihr eigenes Leben entwickelt.

„Shit!“, entfuhr es ihm und er schlug mit der Faust auf die Tischplatte, bevor seine Finger über die Tastatur flogen.

Damn u seepin???

Das durfte doch nun wirklich nicht wahr sein! Sie waren so dicht dran gewesen und dann so etwas. Mit einem wütenden Schnauben lehnte er sich zurück und ließ die Augen über den Bildschirm gleiten, auf dem in großen Lettern you loose geschrieben stand. Eine Antwort auf seine Frage erhielt er nicht.

ShadowQueen: xD again…

Er seufzte leise. Ja. Schon wieder. Er ließ den Blick über sein Zimmer gleiten, dachte kurz darüber nach, ob er das Fenster schließen sollte. Aber da es sich die Mücken ohnehin schon im Zimmer bequem gemacht hatten, konnte er es genauso gut offen lassen. Vielleicht fanden sie ihren Weg ja wieder nach draußen? Die Hoffnung starb immerhin zuletzt.

Dann wanderten seine Augen weiter zu den Leuchtziffern der Funkuhr, die neben seinem Bett am Boden stand. Es war 4:17 Uhr morgens.

Gerade hatte er überlegt, ob er ins Bett gehen sollte, als ihn ein unangenehmes Piepen aus den Gedanken riss. Ohne darüber nachzudenken, drückte er eine Taste, um das Gespräch entgegenzunehmen.

„Hey, Wolf… Wir haben schon wieder verloren, ist dir das aufgefallen?“

Die vertraute Stimme von ShadowQueen drang aus seinem Headset.

„Sieht so aus. Dabei waren wir so dicht dran…“

„Was ist eigentlich passiert? Ich hab nur noch Blitze und Sternchen gesehen…“

„Drag hat geschlafen und ich war tot.“

„Ach, darum bin ich gestorben!“

Die beiden brachen in Gelächter aus und er drehte sich wieder zu seinem Monitor und klickte sich in die Charakterauswahl weiter. Er gähnte und verschränkte dann die Hände hinter dem Kopf.

„Sag nicht, dass du müde bist?“

„Es ist halb fünf, Shad.“

„Na und?“

„Morgens.“

Er hatte nicht wirklich damit gerechnet, dass sie sich an den Zeitunterschied erinnern würde. Es wäre das erste Mal gewesen.
 

Nur kurz darauf erklang wieder ein Piepen. Er brauchte keinen Blick auf den Monitor zu werfen, um zu wissen wer anrief.

„Drag ruft an“, kündigte er dem Mädchen am anderen Ende der Leitung an, bevor er ihn ins Gespräch holte.

„Hey, Leute. Neuer Versuch?“

FireDragon machte sich noch nicht einmal die Mühe die beiden anderen zu begrüßen. Wozu denn auch? Sie hockten sowieso schon länger gemeinsam vor dem Computer.

„Dir auch einen guten Morgen, Drag.“

„Ach ja. Hallo.“

„Ich geh schlafen, Drag. Es ist schon so spät, dass es schon fast wieder hell wird.“

Tatsächlich begann sich der Himmel im Osten bereits zu verfärben, kündigte das Aufgehen der Sonne an. Davon sah er allerdings nichts, da sein Fenster nicht in diese Richtung lag.

„Ach komm schon! Ein Versuch noch, dann kannst du deinen Schönheitsschlaf halten. Aber bringen wird es dir nichts.“

Mit den Fingern trommelte er auf der Tischplatte herum, ohne einen richtigen Rhythmus zu finden. Dafür war er schon zu müde. Dennoch musste er grinsen.

„Na von mir aus. Ein Versuch noch. Aber dieses Mal nimmt Shad den Heiler.“

„Tu mir das nicht an!“, stieß sie hervor.

„Und was mach ich dann?“

„Den Tank. Damit du mal weißt wie das ist, wenn der Heal auf dich vergisst.“

„Was kann ich dafür, dass mein Internet sich überfordert gefühlt hat, Wolf?“

„Besorg dir ein Besseres“, antwortete ShadowQueen an seiner statt.

Er nickte. Bis ihm einfiel, dass die beiden das ja nicht sehen konnten.

„Kommt, beeilt euch. Wenn das noch länger so geht, komm ich erst zu Mittag ins Bett.“

„Na und?“

„Rain kommt zum Mittagessen.“
 

Die Kommentare der beiden ignorierte er mehr oder weniger. Vielleicht hatten sie ja kein reales Leben, aber er zumindest hatte eines. Dass seine Freundin auch gerne spielte, brachte ihn zwar nicht unbedingt von seinem Computer weg, aber wenn sie da war, dann würde er sich auch um nichts in der Welt wieder davor setzen. Denn für ihn steckte hinter dem Namen RainDrop viel mehr als nur das aufgeweckte Mädchen, das seine Gegner am Liebsten aus dem Hinterhalt überfiel.

Als ShadowQueen und FireDragon mehr oder weniger zugestimmt hatten, dass sie jetzt anfangen sollten, wählte er seinen Charakter aus, um das Spiel zu starten.

Disconnect.

Stirnrunzelnd starrte er das Wort einen Moment lang an.

„Mich hat’s rausgeworfen, muss mich neu einloggen“, murmelte er dann.

„Aber über mein Internet lästern. Oh, shit!“

„Was?“

„Ich auch.“

Ein weiteres Fluchen sagte den beiden, dass es auch ihrer Mitspielerin nicht anders ergangen war. Seltsam. Aber darüber machten sich die Jugendlichen im Augenblick weniger Gedanken. Stattdessen loggten sie sich lieber wieder neu ein - oder versuchten es zumindest.

Error. Invalid username or password.

Ja, er war eindeutig schon zu müde, wenn er noch nicht einmal sein Passwort eintippen konnte, ohne einen Fehler zu machen. Doch als er nach dem dritten Versuch immer noch das gleiche Ergebnis erhielt, beschloss er, dass es nicht an ihm liegen konnte.

„Ich kann mich nicht einloggen.“

„Ich auch nicht.“

„Muss ein Serverproblem sein, Jungs. Ich näml…“

Mehr hörte er nicht mehr, denn ohne Vorwarnung war seine Internetverbindung nun völlig zusammengebrochen. Leise schimpfte er vor sich hin, beschloss aber, dass es ohnehin besser wäre, wenn er schlafen ging. Wenn er sich jetzt noch darum kümmerte, lief er nur Gefahr so lange mit den beiden anderen zu reden, bis es Zeit zum Mittagessen war. Doch als er den Computer herunterfahren wollte, wurde das gesamte Bild plötzlich blau.

Grundsätzlich hatte er ja nichts gegen diese Farbe, allerdings mochte er es nicht, wenn das Gerät Dinge tat, die es eigentlich nicht tun sollte. Schnell musste er feststellen, dass er weder seine Maus benutzen konnte, noch die Tastatur. Er probierte einige Tastenkombinationen. Nichts.

„So ein Mist aber auch…“

Mit einer Hand tastete er nach dem Powerknopf, um den Computer eben so auszuschalten. Er drückte den Finger auf den Knopf. Nichts. Zehn Sekunden, zwanzig Sekunden und noch immer geschah nichts.

Doch. Jetzt geschah etwas.

Auf dem blauen Hintergrund tauchten nach und nach einige Buchstaben auf und er brauchte einen Moment, um zu bemerken, dass es Worte waren. Und dass sich diese Worte an ihn richteten.

hi, IceWolf! u there?

„Was zum…?“

Er starrte verwundert auf den Bildschirm, war fassungslos. Erlaubte sich hier jemand einen Scherz mit ihm? Wahrscheinlich, denn anders konnte er sich das nicht erklären. Aber da sich sein Computer immer noch nicht abschalten ließ – auch nicht gewaltsam – blieb ihm nichts anderes übrig, als darauf einzugehen. Immerhin schien seine Tastatur wieder zu funktionieren, wenn man einmal von seinen geliebten Tastenkombinationen absah.

know u there. answer

Sein Gesicht verzog sich kurz zu einer Grimasse, bevor er wütend auf die Tasten hämmerte.

who are u?

Dafür, dass der andere zuerst so ungeduldig gewesen war, ließ er sich nun ziemlich viel Zeit mit seiner Antwort. Sofern überhaupt eine kommen würde. Gerade als sich sein Finger wieder auf den Power-Knopf gelegt hatte, tauchten endlich weitere Buchstaben auf. Langsam aber sicher begann sein Bildschirm einem Chatfenster zu gleichen, einzig mit dem Unterschied, dass der gesamte Hintergrund immer noch blau war.

Vaccine

we need u IceWolf

Ganz sicher war er nicht, war die Antwort auf seine Frage hier enthalten, oder eher nicht? Wahrscheinlich nicht, immerhin war der einzige Name, den er in diesem Geschriebenen erkennen konnte, sein eigener. Wer auch immer ihn hier auf den Arm nahm: Er verstand etwas von seiner Sache. Der Junge, den sie IceWolf nannten, konnte sich noch nicht einmal vorstellen, wie dieser Fremde es geschafft hatte in seinen Computer einzudringen und ihn auch noch daran zu hindern ihn abzuschalten. Er sah sich mit einer Situation konfrontiert, die er für unmöglich gehalten hatte.

Wenn er in diesem Moment geahnt hätte, dass es seinen beiden Freunden nicht anders erging, dass sie sich in einer Situation befanden, die der seinen zu ähnlich war, als dass es Zufall hätte sein können, dann wäre er beunruhigt gewesen. Doch so? So war er nur wütend. Und müde.

f*** off!
 

Als wäre das das Stichwort gewesen, begann sich der Hintergrund erneut zu verändern. Scheinbar aus dem Nichts, begannen Grashalme zu sprießen, bedeckten einen großen Teil jener Fläche, die zuvor in das Blau getränkt worden war. Erst nach und nach nahmen sie die Farbe an, die Grashalme eigentlich hatten. Gebannt starrte IceWolf auf den Bildschirm. Beinahe schien es ihm, als würde Wind durch das Gras streifen. Auch der Rest des Bildes veränderte sich, zeigte den Nachthimmel. Einzelne Sterne prangten an diesem, doch ihr Licht war schwach und hin und wieder wurden sie von den vorbei treibenden Wolken verdeckt. Das Ganze war in derart guter Grafik gehalten, dass er die einzelnen Grashalme beinahe zählen konnte.

Wie war das möglich?

Gerade als er sich ein wenig gefasst hatte, zog eine Bewegung am unteren Bildrand seine Aufmerksamkeit auf sich. Ein kleines Wesen sprang von dort hervor und begann auf der Wiese herumzutollen. Es erinnerte ihn an einen jungen Hund, einzig die Farbe wollte nicht so ganz passen. Erst als das Wesen stehen blieb und sich hinsetzte, konnte er erkennen, dass noch einige andere Details nicht so ganz passen wollten. Er schüttelte den Kopf.

Das kleine Wesen blickte nach rechts und IceWolf folgte dem Blick. Dort kam eine Gestalt…

Scharf zog er die Luft ein. Das war ja er selbst!
 

Das Bild verschwand und zurück blieb ein schwarzer Hintergrund.

welcome IceWolf

„Was soll das denn jetzt heißen?“

Er bemerkte noch nicht einmal, dass er die Worte laut aussprach. Er bemerkte auch nicht, dass in seinem Zimmer plötzlich Grashalme zu sprießen begannen und die Decke verschwand. Nein, er starrte auf die Worte und versuchte den Sinn dahinter zu ergründen. Ein Windstoß wirbelte sein Haar durcheinander. Vielleicht sollte er das Fenster doch schließen?

Doch als er sich umdrehte, war da kein Fenster mehr. Da war auch keine Wand mehr. Er drehte sich noch einmal um. Seine Augen huschten über die Graslandschaft, die vorher noch nicht da gewesen war. Glitten über den nächtlichen Himmel, die vereinzelten Sterne.

„Was…?“

War das ein Traum? Sein Gefühl sagte ihm, dass es nicht so war. Er war immer noch müde, ihm war kalt und das Entsetzen, das er empfand, fühlte sich zu echt an. Nein. Kein Traum. Dennoch kniff er sich selbst in den Arm. Aber es änderte nichts an seiner Situation. Er schlief eindeutig nicht.

Aber wo war er?

Welcome, IceWolf! New Quest: Find your Partner! You Accept?

Die Stimme klang metallisch, computergeneriert. Auf jeden Fall nicht menschlich. Ganz automatisch antwortete er mit einem Nicken. Es dauerte einige Augenblicke, bis er verstand was hier eigentlich gerade passiert war. Irritiert richtete er seinen Blick gen Himmel. Woher kam die Stimme? Hier war nirgendwo etwas, woran man einen Lautsprecher aufhängen könnte. Außerdem wurde er das Gefühl nicht los, dass diese Stimme zu den Nachrichten auf seinem Monitor gehörte… Wieder drehte er sich einige Male um die eigene Achse, bis er die Suche schließlich aufgab. Das hatte so wohl keinen Sinn. Dann begann er über das nachzudenken, das die Stimme gesagt hatte. Neue Quest?

„Ach, verdammt, ich zocke eindeutig zu viel…“

Dennoch sah er sich erneut um. Welchen Partner? Und wie sollte er diesen finden? Und überhaupt: War das hier ein verfluchtes Computerspiel?
 

In der Zwischenzeit war es auch FireDragon nicht viel anders ergangen. Er saß auf einem Baumstumpf, inmitten eines Waldes, umgeben von Bäumen, die er nicht kannte. Das einzige Licht, das er sah, kam von einigen seltsamen Blüten, die am ganzen Erdboden wuchsen. Auf den ersten Blick hatte er sie für normale Blumen gehalten, doch da sie inzwischen angefangen hatten in allen Farben des Regenbogens zu glühen und zu leuchten, hatte er beschlossen, dass er sich geirrt hatte.

Er schnaubte, blies sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Allerdings zeigte sich eben diese Strähne von dem Versuch nicht sonderlich beeindruckt und kehrte schon nach kurzer Zeit dorthin zurück, von wo er sie zu verscheuchen versuchte. Da er seine Hände aber nicht frei hatte, hatte er keine andere Möglichkeit, als es erneut zu versuchen.

Seine Hände hatte er demonstrativ vor der Brust verschränkt. Doch auch hier galt: Derjenige, an den sich diese Geste richtete, war davon nicht unbedingt beeindruckt.

New Quest: Find your Pa…

„Ja doch, wenn du mich dann endlich in Ruhe lässt!“

Schon seit einigen Minuten hatte ihn diese seltsame Stimme mit eben jenem Satz angesprochen. Er hatte gar nicht daran gedacht diese Quest anzunehmen. Aber nun musste er wohl einsehen, dass er keine andere Wahl hatte. Und wenn er sich schon dazu entschieden hatte anzunehmen, dann konnte er sich auch gleich auf die Suche nach diesem Partner machen, bevor er hier noch Wurzeln schlug. Oder Schlimmeres.

Er fuhr herum. Wieder hatte er sich eingebildet etwas gehört zu haben. Aber scheinbar hatte er sich getäuscht, denn hier war nichts. Einzig die Blumen wiegten sich leicht im Wind. Scheinbar waren sie ansonsten aber harmlos, immerhin stürzten sie sich nicht auf ihn, um ihn zu fressen.

Ohne lange weiter nachzudenken, schlug er eine beliebige Richtung ein und schlängelte sich zwischen den Bäumen hindurch. Er versuchte leise zu sein, war besorgt, dass ihn irgendetwas, das hier leben könnte, entdecken könnte. Die ganze Situation ähnelte zu sehr einem Spiel, als dass er der Stille des Waldes getraut hätte.

Ein lautes Krachen ließ ihn ein Stück zurückspringen. Sein Herz hämmerte gegen seine Brust und seine Augen glitten suchend durch die Dunkelheit. War das eine Bewegung im Schatten? Hatte es dort geraschelt? Ohne dass er es bemerkte, hatte sich seine Hand zur Faust geballt, zitterte leicht. Ein kalter Schauder lief ihm den Rücken hinab. Wurde er beobachtet?

Erst allmählich beruhigte er sich wieder.

„Okay, ganz ruhig… hier ist nichts. Hier kann gar nichts sein…“

Seine Stimme klang rau und kratzig. Er fühlte sich wie ausgetrocknet.

Leicht schüttelte er den Kopf und drehte sich noch einmal im Kreis. Nein, hier war wirklich nichts. Also weiter.
 

Er hatte beschlossen seiner Umgebung mehr Beachtung zu schenken. Wer weiß, vielleicht war er vorhin selbst auf einen Ast getreten? Er hoffte es zumindest. Sein Blick wanderte an einem der Bäume nach oben. Sie waren viel größer als jene, die er von zu Hause kannte. Sie hatten nicht einmal Ähnlichkeit mit den Bäumen, die er kannte… Die Rinde war grau, doch schien es ihm, als würde sie von innen heraus leuchten. Vorsichtig legte er die Hand darauf. Sie war glatt, wies nicht die kleinste Unebenheit auf, und als er mit dem Fingernagel ein Zeichen hineinritzte, da verschwand es fast augenblicklich wieder. Zurück blieb nur ein dunklerer Schatten an jener Stelle, doch auch dieser war schon nach kurzer Zeit verschwunden.

„Krass…“

Ein leises Rascheln veranlasste ihn dazu sich umzudrehen. Wieder beschleunigte sich sein Herzschlag. Was war nur los mit ihm? Er hatte sich nie für einen Feigling gehalten, doch der nächtliche Wald setzte ihm zu…

Nein, er hatte es sich nicht eingebildet. Nun sah er es ganz deutlich. Dort hinten im Gebüsch, da bewegte sich etwas. Sollte er nachsehen?

Kurz rang er noch mit sich selbst. Doch schließlich siegte seine Neugierde und er schlich vorsichtig auf das Gebüsch zu. Mit beiden Händen zog er die dünnen Äste des Strauches auseinander und…

„Uah!“

Er wich zurück, doch das nutzte ihm nur wenig, denn das Wesen, das er gefunden hatte, folgte ihm einfach.

„Pierre! Da bist du ja endlich!“

Find your Partner. Quest completed.

Der Junge wich zurück, bis er mit dem Rücken an einen Baum stieß. Immer noch kam das Wesen auf ihn zu, näherte sich ihm mit seinen sechs winzigen Beinchen. Entfernt erinnerte es ihn an eine Raupe. Allerdings musste sie in der Nähe von Tschernobyl aufgewachsen sein, denn eine Raupe dieser Größe konnte es einfach nicht geben! Sie war etwa so lange wie sein Unterarm, aber mindestens doppelt so dick. Auch die Farbe war alles andere als gewöhnlich. Die Unterseite war dunkelgelb, während es an der Oberseite orangerot war. Doch viel irritierender als das, fand er den Kopfschmuck des Tieres. Er wirkte fransig, schien sich unruhig zu bewegen, obwohl kein Wind mehr ging. Kurz dachte er nach. Hatten Raupen einen Schwanz? Eher nicht, wie er glaubte, doch mit diesem Detail beschäftigte er sich nicht länger. Sein Blick war von den Augen des Tieres gefangen worden. Rote, glühende Augen, die nichts Gutes bedeuten konnten. Er warf einen Blick zur Seite und beschloss sich von dem Baum zu trennen und lieber noch ein Stück zurückzuweichen.

„Pierre?“

Woher kannte das Ding seinen Namen? Und warum konnte es überhaupt sprechen?

„Pierre, da piept etwas…“

Das Wesen war stehen geblieben und beobachtete ihn. Auch er beobachtete es. das Piep-Geräusch hatte er noch gar nicht bemerkt, erst jetzt, als er darauf aufmerksam gemacht wurde… Leicht irritiert blickte er an sich herab, fasste schließlich in eine der zahlreichen Taschen seiner Hose und zog ein kleines Gerät hervor. Dieses Gerät war mindestens ebenso sonderbar wie das Wesen, das vor ihm stand.
 

Worum es sich handelte, konnte er nicht so genau sagen. Es hatte vage Ähnlichkeit mit seinem Handy, war aber flacher. Tasten hatte es keine, er schloss einfach, dass es sich um einen Touchscreen handelte. Am Rand glaubte er diverse Schnittstellen erkennen zu können, doch wofür sie gut waren, wusste er nicht. Außerdem entdeckte er eine Stelle, an der man etwas ausklappen konnte. In seinen Augen ähnelte es einen USB-Stick und schnell stellte er fest, dass die Schnittstelle auf der anderen Seite des Gerätes, scheinbar für eben diesen Stick gemacht war.

„Was ist das?“, fragte er sich laut.

„Das ist dein Digivice.“

Erst einmal musste er nachdenken woher diese Antwort kam. Dann fiel sein Blick wieder auf das seltsame Wesen, das inzwischen zu seinen Füßen saß. Schnell wich er einige Schritte zurück.

„Du brauchst keine Angst haben, Pierre. Ich bin doch dein Partner…“

Es sah so aus, als würde das Wesen den Kopf hängen lassen und tatsächlich brachte es ihn dazu stehen zu bleiben. Wenn es ihn angreifen wollte, hätte es das wohl längst getan. Oder?

Erst jetzt erinnerte er sich an die Stimme. Quest abgeschlossen, hatte sie gesagt. Also war das kleine Ding hier wohl wirklich sein Partner.

„Was ist ein Digivice? Und… was bist du?“, fragte er vorsichtig.

Er hockte sich hin und wartete bis das Wesen zu ihm gekrochen kam. Glücklich rieb es seinen Kopf an Pierres Hose.

„Au… was? Das ist ja heiß!“

„Entschuldige, Pierre…“

Es zog seinen Kopf wieder zurück. Pierre musterte es erstaunt.

„Ist das eine Flamme?“

„Nein. Aber da ist eine Flamme drinnen“, teilte es ihm mit, als Pierre auf seinen roten Kopfschmuck zeigte.

„Aha…“

Wieder glitt sein Blick zu dem kleinen Gerät. Einfach um etwas zu tun, tappte er auf den Bildschirm, der daraufhin sofort hell wurde. Nur Augenblicke später, erschien über dem Bildschirm ein kleines Hologramm, das das kleine Wesen darstellte, das neben ihm hockte.

„Wow…“

Daneben erschien eine winzige Schrift. Als Pierre das Hologramm an dieser Stelle berührte, verschwand das Wesen, dafür wurde die Schrift leserlich.

Blacemon

Type: Flame

Level: BabyII

Attribute: none

Attack: Bubbles

„Blacemon? Bist das du?“, wollte er wissen. Das kleine Wesen nickte.

„Ich bin ein Digimon“, fügte es dann noch hinzu.

„Ein Digimon?“

Er runzelte leicht die Stirn und verkniff sich die Frage, was denn nun ein Digimon sei. Vielleicht wollte er es gar nicht allzu genau wissen.

„Und jetzt?“, fragte er. Diese Quest war zwar beendet, aber eine neue hatte er nicht erhalten.

Auch Blacemon gab ihm erst einmal keine Antwort, sondern wandte nur den Kopf in eine andere Richtung.

„Hast du das gehört, Pierre?“

„Was?“

Aber auf die Antwort brauchte er gar nicht lange zu warten, denn von dem Ast über ihm, ließ sich langsam aber stetig ein anderes Wesen herab. Es hing an einem seidigen Faden, den es wohl selbst gesponnen hatte. Auch dieses Tier hätte er auf den ersten Blick als Raupe eingestuft, allerdings hatte es mit Blacemon keinerlei Ähnlichkeit und sah auch eindeutig weniger freundlich aus. Pierre schauderte leicht, als er in die blitzförmigen Augen des gelben Tieres blickte, die ihn zornig anzufunkeln schienen.

„Das ist Kunemon!“

Ihm blieb nicht die Zeit zu fragen was ein Kunemon war, denn in diesem Moment hatte es den blauen, schnabelartigen Mund geöffnet. Dort sammelten sich jetzt bläuliche Funken, die einen sehr bedrohlichen Eindruck machten.

„Schnell weg hier!“, rief Blacemon.

Pierre reagierte gerade noch schnell genug, denn kaum hatte er sich in Bewegung gesetzt, schlug an jener Stelle, an der er eben noch gestanden hatte, ein Blitz ein!

Er kam noch nicht einmal dazu zu fluchen, sondern bemühte sich von hier wegzukommen.

„Pierre! Warte auf mich!“

Kurz blieb er stehen und sah sich nach Blacemon um, der mit seinen kurzen Beinen nicht so schnell laufen konnte. Das Digimon war schon ein ganzes Stück zurückgeblieben. Er lief zurück und hob es hoch, konnte dabei nicht umhin noch einmal einen Blick auf Kunemon zu werfen. Dessen Augen hatten sich zu schmalen Schlitzen verengt. Aber nicht nur die Augen, sondern auch die blitzförmigen Muster, die es am Körper trug, hatten sich verengt. Und wenn er sich das so recht überlegte, dann sah dieser Stachel, den es trug, auch ziemlich gefährlich aus. Und giftig…

„Jetzt aber schnell weg hier…“

Wieder schlug hinter ihm ein Blitz ein, dann noch einer und noch einer und…

„Shit!“

Einer der Blitze hatte vor ihm eingeschlagen, ihn zum Stolpern gebracht. Noch während er fiel, sah er sich nach seinem Verfolger um. Doch Kunemon hatte Verstärkung bekommen!

„Schnell, Pierre!“

Das ließ er sich nicht zweimal sagen. Er sprang wieder auf, hastete an den letzen Bäumen vorbei und wäre beinahe gegen eine Felswand gelaufen, wenn ihn nicht rechtzeitig jemand am Arm gepackt und in eine andere Richtung gezerrt hätte. Dennoch stieß er sich die Schulter und schrammte sich am Unterarm auf.

Wer auch immer ihn vor diesem unsanften Zusammenstoß bewahrt hatte, zog ihn an der Felswand entlang. Erst jetzt begann sich Pierre zu wehren.

„Loslassen!“

Doch die einzige Reaktion, die er dadurch auslöste, war, dass sich eine Hand auf seinen Mund legte und er nur noch fester gehalten wurde. Er schlug um sich, versuchte sich zu befreien, doch es gelang ihm nicht. Selbst als er in die Hand biss, ließ man ihn nicht los! War er etwa den Kunemon entgangen, nur um einer noch größeren Bedrohung direkt in die Arme zu laufen?
 

Es schien eine Ewigkeit vergangen zu sein, in der er sich gewehrt hatte so gut es eben ging. Schließlich wurde er doch losgelassen und in eine dunkle Öffnung hineingestoßen.

„Blacemon! Hilfe!“

Doch das Digimon antwortete ihm nicht.

Unsanft kam Pierre am Boden auf und hob den Blick. Seine Augen blieben an einem blonden Burschen in seinem Alter hängen, der lässig vor ihm stand. Blacemon hockte zu seinen Füßen und sah zwischen ihm und Pierre hin und her.

„Was zum Teufel fällt dir eigentlich ein, dass du mich einfach so in ein dunkles Loch schleifst!“

„Ich freu' mich auch dich zu sehen, Drag. Reg dich ab, das gibt nur Falten. Haben wir sie abgehängt?“

„Ich denke schon“, antwortete Blacemon.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  PenAmour
2011-09-17T21:18:50+00:00 17.09.2011 23:18
Die Aufmachung des Kapitels war durchaus interessant - sprich die Situation kam realistisch rüber und wirkte - trotz Chats - nicht abhackt, sondern war gut eingebunden. Die Namenswahl finde ich sehr interessant ;D
Ansonsten fällt mir nur auf, dass es manchmal zu sehr ins Umgangssprachliche geht und dadurch etwas holprig wird.
Viel anders war wäre so ein Beispiel, wo man mit einer anderen Wortwahl à la "Unterdessen" oder "Auf der anderen Seite" o.ä. Aber das ist auch eine persönliche Geschmacksfrage, denke ich.
Die Beschreibungen der technischen Gerätschaften scheint dir zu liegen, was ich mir allerdings gewünscht hätte, wäre, dass du die Digimon mit ein paar Details und Merkmalen versiehst, damit man eine Vorstellung von ihnen bekommt.

Besonders cool finde ich die Tatsache, dass man erst nach und nach die richtigen Namen kennenlernt, das hat was.
Ich werde auf jeden Fall weiter lesen.
Bis dahin
PenAmour


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