Zum Inhalt der Seite

Breaking Marble

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

la trace

Sich ungesehen durch sein eigenes Haus schleichen zu müssen, war nicht seine Art. Das musste er ja auch sonst nicht tun. Jede Stufe, die knarrte, jede Tür, die im Treppenhaus quietschte, ließ ihn zusammenfahren. Jedes Licht, das durch den Bewegungsmelder und ihn selbst erneut aktiviert wurde, machte ihn wackeliger und unsicherer in seinem Tun. Auf seiner Etage angekommen tapste er weiter durch den Flur und erkannte an seiner Tür das Absperrband der Kriminalpolizei – doch es hatte einen Makel: Das Siegel war gebrochen.
 

Und auch wenn Uruha oft auf der Leitung stand und er meist einige Minuten für manche Erklärungen brauchte, kombinierte er sehr schnell: Jemand, der nicht zur Polizei gehört und das Siegel nicht erneuern konnte, war in seine Wohnung eingebrochen. Als Täter kamen nicht viele Personen in Frage, genau genommen nur eine.
 

Mit den Handschuhen und seinem eigenen Hausschlüssel, die er hatte aus Aois Wohnung mitgehen lassen, öffnete er zitternd die Tür. Plötzlich hielt er inne und kniff die Augen zusammen. Die Angst holte ihn ein, sie war anscheinend unbemerkt und ohne ein Geräusch zu machen hinter ihm die Stufen hochgekrochen. Was, wenn diese Person noch dort war? Wenn er auf ihn wartete und ihn für seine Flucht bestrafen wollte? Oder war ein Polizist noch drinnen, dem er Rechenschaft ablegen müsste? Was war besser? Sicher der Polizist auch wenn auf jede Möglichkeit nur ein Ergebnis folgen würde: Ein Wiedersehen mit Todokumi.
 

Es nützte nichts. Er musste hineingehen, um das zu holen, was ihn schützte. Der Schlüssel schnarrte im Schloss, dann war es offen. Leise verriegelte er den Eingang hinter sich zu, behielt seine Schuhe an, begab sich weiter in das Innere der Wohnung. Der Flur war unversehrt, nichts schien den Anschein zu erwecken, dass hier ein Verbrechen stattgefunden hatte. Die Schuhe standen ordentlich aufgereiht vor der kleinen Kante – so wie er es immer wollte. Weiter durchpirschend stutzte er. Erwartet hatte er an jeglicher Stelle diese kleinen Schilder mit den Nummern drauf, die Verdächtiges und Ungewöhnliches markieren sollten. An seine ungeleerte Kaffeetasse auf dem Küchentisch, die mit den blauen Bärchen drauf, konnte er sich zum Beispiel gut erinnern. Das Handtuch, das er nach dem Duschen hatte im Schlafzimmer über dem Korbstuhl hatte liegen lassen.
 

Eine alte Zeitschrift mit einem Bericht über seine Band, aufgeschlagen bei einer Doppelseite mit Livefotos aus der Decomposition Beauty. Noch in der Nacht, nachdem Ruki wieder gegangen war, hatte er darin geblättert gehabt, um zu überprüfen, ob man ihm die Anspannung angesehen hatte. Die Bühne war der einzige Ort gewesen, an dem er sicher und geschützt gewesen war. Umgeben von seinen Freunden und den Fans, die ihn liebten und hielten, wenn er fiel. Man hatte ihn nicht stolpern sehen. Keinen Augenblick lang.
 

Uruha ging in die Küche und strauchelte zurück. Eins der kleinen Schilder stand tatsächlich dort auf dem Tisch, doch keine Tasse war zu finden. Ein kleiner Kaffeefleck erinnerte nur daran. Er sah sich um. Die Bärchentasse seiner ältesten Schwester stand in der Spüle, ausgewaschen und kopfüber. Eine Falte zog sich über seine Stirn. Hatte er vergessen, dass er sie abgewaschen hatte? Machte die Polizei in letzter Zeit das Geschirr von Opfern fertig? Das hier war nicht so wild. Man tut doch so vieles, ohne darüber nachzudenken – das hier hatte sicherlich dazu gehört.
 

Vorbei an der einen Spalt breit offenstehenden Wohnzimmertür kam er seinem Ziel entgegen. Dort, wo normale Menschen normalerweise schliefen, bewahrte er eine Waffe auf, die ihm im unruhigen Schlaf selbst Verletzungen verabreichen könnte. Als er das Schlafzimmer erreicht hatte, stutzte er erneut. Das Handtuch ... es lag nicht mehr dort, wo er es für gewöhnlich ablegte. Es war eine seiner schlechten Angewohnheiten, dass er benutzte Tücher nicht zurück ins Bad brachte und über die Heizung hängte, wo sie auslüften konnten.
 

Es lag halb zusammengeknüllt auf der Bettkante, wo er es wirklich niemals hinlegen würde! Daneben war die Bettdecke so eingedrückt, als hätte dort jemand gelegen ... was war hier los? Schnell ging er hinüber zum Kopfkissen, um das zu holen, weshalb er hier war: Es war nicht da! Das Messer war nicht mehr da! Nur die Schutzhülle lag wie ein hämisches Lachen leer und halb aufgerissen unter dem Kissen. Wieso? Wer hatte es genommen? Wer saß auf der Bettkante mit dem Badetuch in seiner Hand und zog dann mit einer Waffe los? Wer spülte eine Kaffeetasse ab, wenn er sie nicht selbst benutzt hatte? Wer war hier gewesen?
 

Sich an den Kopf fassend taumelte er zurück, bis er mit dem Rücken an seinen Kleiderschrank lehnte. Der Spiegel in seinem Rücken strahlte eine unangenehme und erstarrende Kälte aus, die ihn frösteln und seine Gedanken nur sprunghaft laufen, beinahe einfrieren ließ. Todokumi war der Einzige, der in so einer Situation bei ihm einbrechen würde. Es fiel ihm niemand anderes ein. Doch der Haken an der Sache war, dass er nicht so romantisch veranlagt war ... Er hätte kein Interesse daran, nur an einem Tuch zu schnüffeln oder aus einer benutzten Tasse zu trinken.
 

Er würde sie mitnehmen als Trophäe für seine Sammlung an Utensilien. Aber das Messer – was sollte er damit wollen? Er hatte doch wohl selbst genug Druckmittel. Seine Kraft, seine beängstigende Gerissenheit, wenn es darum ging, einen Menschen zu quälen. Des Weiteren hätte er auf ihn gewartet, um den Triumph zu spüren, den er durch eine weitere aufgebrochene Wohnung, ein weiteres gelöstes Schloss an der verriegelten Tür seiner Seele erlangt hatte.
 

Langsam öffnete er die Augen und erlag den Bruchteil einer Sekunde einem Trugbild seiner Erinnerung: Aoi in seinem Bett, schlafend, ruhig atmend. Seine Lippen leicht geöffnet, ein leises Schnarchen zog durch den Raum. Und er spürte seinen Atem im Gesicht, während er die zitternden Lider beobachtete. Wenn das verloren gehen würde ... Er kniff die Augen wieder zusammen. Aoi hatte ihm gestern so liebevoll geholfen, ihm zugehört und ihn gehalten. Warum hatte er ihm nicht sagen können, wohin er ging oder was er vorhatte?
 

Die Antwort auf diese Frage war so einfach wie auch widersprüchlich: So war er sicherer. Aoi war in Sicherheit, so lange niemand ihn mit Uruha zusammen sah.
 

Der junge Fuchsblonde schüttelte sich und straffte die Schultern. Es war keine Zeit da, um zu zögern. Je eher er Todokumi zur Strecke gebracht hatte, desto eher konnte er wieder in Ruhe mit seinen Freunden und Kollegen eine angenehme Zeit verbringen. Vielleicht würde ihm dann auch einfallen, wie er seine Schulden bei Aoi begleichen könnte. Und um sich selbst dieses Seelenheil zu bringen, musste er womöglich das Schlimmste tun, was er je tun könnte ...
 

Egal, ob es nun dieses Messer war, mit dem er Todokumi richten konnte, oder etwas anderes. Er musste jetzt los. Jede Sekunde, die er noch länger wartete, konnte Irgendjemandes letzte sein. Zielstrebig – er kannte dieses Kellerloch, in dem er festgehalten worden war – ging er seinen Flur hinunter, direkt auf die Wohnungstür zu, bis ...
 

Noch etwas stimmte nicht. Die Tür ... diese Wohnzimmertür, sie war doch eben noch angelehnt gewesen. Nicht weit offen, wie sie es jetzt war. Wieso stand sie jetzt auf? Er spürte keinen Windzug, der sie hätte aufstoßen können, doch sie war bis zum Anschlag geöffnet, als wäre niemand mehr dazu gekommen, sie hinter sich zu schließen. Nur langsam registrierte er das unangenehme Gefühl, das ihn jetzt tatsächlich überkam, diese Unruhe, wenn jemand in sein Reich eingedrungen war, der dort nicht hingehörte. Diese Ohnmacht, wenn Todokumi seine Hände unsichtbar um seinen Hals schlang und ihn würgte. Hinter ihm lachte und ihn für seine Schwäche verhöhnte.
 

Blut rann an der Wand hinunter. Es war der rote Streifen, der ihm ins Auge stach und gleichzeitig das Herz zerbrach. Uruha stolperte näher an die tapezierte Wand, auf der anders als die anderen Male, nicht direkt die Schrift stand. Dort war ein Zettel, weiß und beschrieben. Es waren unglaublich saubere Schriftzeichen, die ihn verwunderten. Sein Lieblingsfüller lag mit der Kappe daneben auf dem weißen Teppichboden. Aber das Blut ...
 

Es tropfte. Es lief die Klinge hinab und versickerte im Papier, in dem sie steckte. Es war, als würde die Wand, seine Wohnung bluten – durch sein Messer. Es war sein Messer, das dort in der Mauer steckte und ihn dazu zwang, genauer hinzusehen. Sein Messer, das ihn hätte schützen sollen. Je näher er kam, desto mehr konnte er lesen, was auf dem Blatt stand. Und sein Herz verkrampfte mehr und mehr, mit jedem Wort, das zu seinen Gedanken vordrang. Jetzt hatte die Klinge jemanden getroffen, für den sie nicht bestimmt gewesen war.
 

‚Oh, ich wusste, du würdest herkommen ... genau so wie ich wusste, du würdest es nicht ohne einen Mann aushalten, der dich züchtigt und zu dem du aufsehen kannst. Jetzt sind es sogar zwei, nicht wahr? Du bist nicht bei dem Zwerg, der hier so Stein erweichend auf dich gewartet hat. Oder ist es gar so, dass du nichts von seiner Liebe weißt? Er hat aus deiner Tasse getrunken, an deinem Handtuch geschnuppert, auf deinem Bett gesessen, als könnte er dich so zu sich holen. Du bist nicht hier, um ihn zu retten, Uruha-chan ... Ruki-san wird so lange weinen, bis du bei uns bist. Und wenn es blutige Tränen sind.’
 

~~~~~
 

Aoi zuckte zusammen. Das flappende Geräusch eines Bündels Stoff, das in eine spezielle durchsichtige Plastiktüte gesteckt worden war, holte ihn zurück in die Realität – ohne Rücksicht hatte man sie ihm vor der Nase auf den Tisch geknallt.
 

„Wir hatten eine Abmachung!“
 

Uruhas Sachen vom Vortag waren darin. Aoi hatte sie nicht weggeschmissen. Er hatte sie aufgehoben, für die Ermittlungen, für ... das hier ...
 

Nun schwieg er erst mal.
 

„Wir hatten eine Abmachung!“, wiederholte Hitô lauter, fast bellend.
 

„Hai!“, trotzte Aoi halblaut zurück. „Ich bin nicht taub ...“
 

„Er war bei Ihnen, Sie hätten uns sofort informieren müssen. So war es abgesprochen!“
 

Wieder schaute Aoi nur zur Seite. „Ich weiß, aber er war total am Ende ... ich wollte erst, dass er sich ausruht und ein bisschen schläft ...“
 

„Ihnen ist wohl die Bedeutung des Wortes sofort nicht bekannt ... junger Freund ...“
 

„Tut mir leid ...“
 

„Pah!“
 

„Es tut mir leid!“, brach es laut aus Aoi heraus. „Ein Mensch, der mir unheimlich wichtig ist, hat sich mir anvertraut und schwebt jetzt vielleicht in Lebensgefahr und Sie halten mich hier fest und motzen mich wegen einer Abmachung an?! Mein Gott, mir ist echt elend zu Mute, das müssen Sie doch verstehen! Oder nicht ...?“
 

„Hai, das verstehe ich ...“, sprach Hitô leise. Der kurzhaarige Mann mit der kleinen Narbe am Kinn lehnte resignierend an der Wand des dunklen Vernehmungszimmers auf dem Präsidium 154.
 

Gleich nachdem Aoi aus dem Bett aufgesprungen, zur Schlafzimmertür gehastet war, um Uruha noch irgendwie zu folgen, hatte es an der Tür geklingelt und Hitô hatte den vor Sorge völlig verängstigten Mann eingesackt. Alles Widersprechen und Bitten hatte nichts gebracht.
 

„Ich hab Ihnen alles gesagt, was ich weiß, und jetzt lassen Sie mich endlich gehen!“
 

„Meinen Sie, ich lasse zu, dass Sie sich auf die Suche nach Ihrem Freund begeben? Wenn ich verhindern kann, dass noch mehr Menschen zu Schaden kommen, dann werde ich das tun.“
 

„Aber Sie haben keinen triftigen Grund, mich hier festzuhalten! Verdammt, lassen Sie mich gehen!!“, begehrte Aoi auf und erhob sich von dem unbequemen Eichenholzstuhl. Er stapfte zielstrebig in Richtung Tür. Das durfte alles nicht wahr sein. „Ihm könnte bereits jetzt Schlimmes widerfahren sein. Ich kann nicht hier bleiben, ich muss ihn finden! Ich sterbe vor Sorge ... Ich ...“
 

„Lieben Sie ihn?“
 

Diese Frage ließ Aois Körper so abrupt stehen bleiben, dass es schien, als hätte man ihn mit einem Lasso eingefangen. Er drehte sich zum Polizisten um. „Was ...?“
 

Im Halbdunkel des kargen Raumes sah er ihn auf sich zukommen. „Lieben Sie ihn?“, wiederholte Hitô seine Frage gelassen, als wäre sie das Normalste auf der Welt. „Sind Sie in Takashima-san verliebt ...?“
 

Mehr als die Frage selbst überfuhr den Rhythmusgitarristen gerade die blanke Tatsache, dass er nicht sofort mit Nein geantwortet hatte, und nachdem er sich ihrer Bedeutung bewusst geworden war, mehr als sehnlich einen Moment lang Zeit gelassen hätte, um darüber gründlich nachzudenken, bevor er antwortete. Unfassbar, dass ihn etwas so Simples einen Augenblick lang tatsächlich den Boden unter den Füßen wegsprengte, bis nichts mehr da war, was ihn hielt.
 

Liebe? Liebe ...? Liebe ...
 

„Das ... das tut doch nichts zur Sache ... Uruha ist mein bester Freund und ...“
 

„Warum weichen Sie mir aus?“
 

„Weil ... weil sie das nichts angeht ...“
 

„Also stimmt es ...“
 

Aoi wollte den Mund aufmachen und widersprechen, mehr als ein aufgeregtes Nachluftschnappen kam nicht aus ihm heraus. Was war denn auf einmal ...
 

Die Tür sprang auf. Eine hübsche, farbige Polizistin kam herein. Selbstbewusst hielt sie ein Klemmbrett mit Notizen und eine Akte in der Hand. „Also, die Untersuchung der Spurensicherung ist abgeschlossen ... Die Kleidung des Opfers ...“ Sowohl Aoi als auch Hitô konnten sie nur verdutzt beobachten, während ihr pastellgrüner Kugelschreiber noch ein paar Notizen vornahm. „... wies Spuren von Blut und Schweiß auf, Dreck – vermutlich Lehmschlamm – Gras, Hautschuppen des Opfers und Todokumi-san sowie Reste von Chloroform, Make-up, roten Stücken eines verhärteten Versiegelungslacks für Brandschutztüren auf. Außerdem wurden zwei verschiedene Parfums festgestellt, wobei eines zum Opfer gehört sowie Spuren eines Schimmelpilzes. Die Spuren, die potenziell von Ihnen sind, Shiroyama-san, haben wir aufgenommen und dokumentiert, sie werden nur archiviert, bis die Untersuchungen abgeschlossen sind.“
 

Vollblutprofi ..., war alles, was Aoi denken konnte, während er ihr zunickte und die süße Exotin unter den Japanern innerlich abknutschte dafür, dass sie die Situation abwendete.
 

„Ich bin selten ein Überbringer schlechter Nachrichten, aber ...“ Sie packte eine weitere Türe mit Beweisstücken auf den Tisch mit der Gummiunterlage. „Das hat die Spurensicherung heute Morgen in der Wohnung von Takashima-san gefunden. Der eifrige Polizist schnellte vor Aoi zur Tüte. „Anscheinend wurde gestern zwischen zweiundzwanzig Uhr dreißig und dreiundzwanzig Uhr vierzig erneut in die Wohnung eingebrochen ... Diese Nachricht war mit einem spitzen Gegenstand in eine der Wohnzimmerwände gepinnt worden, die Wand war voller Blut ...“
 

Als Aoi die Nachricht las, wurde ihm schlecht. Er vernahm nur noch beiläufig die Worte der jungen Frau.
 

„Das Blut stimmt mit einer Blutprobe überein, die wir wegen eines Deliktes wegen Trunkenheit am Steuer vor drei Jahren aufgenommen haben. Sie gehört eine m gewissen Takanori Matsumoto ... Der ist bei uns seinen Führerschein losgeworden“, sagte sie in einem US-Profiler-Tonfall.
 

„Ruki ...“, konnte Aoi nur entgeistert flüstern.
 

„Die Haare, die am Tatort fanden, stimmen per DNS mit der Probe überein. Wir müssen davon ausgehen, dass Matsumoto-san nun ebenfalls involviert ist und Takashima-san sich auf den Weg zu Täter und Geisel befindet.“
 

Aoi war einfach nur überfordert. Was war das nur für ein Albtraum.
 

„Wir konnten durch eine Zeugenaussage belegen, das Takashima-san heute Morgen in seiner Wohnung war, und den Brief vor unseren Mitarbeitern fand. Da der spitze Gegenstand nicht gefunden wurde, rechnen wir damit, dass Takashima-san ihn mitgenommen haben muss ...“
 

Erst als sie es erwähnte, wurde Aoi bewusst, was das bedeutete ... Uruha war zu allem bereit! Wenn er und Ruki ... sich liebten, dann würde er alles tun, um den süßen Sänger zu befreien, wirklich alles ...
 

Er musste schlucken. Eine solche Verzweiflungstat war ihm in diesem Zustand definitiv zuzutrauen.
 

In diesem Moment kam ihm sein Straucheln von eben völlig Fehl am Platz vor. Ruki liebte Uruha. Deshalb hatte er den ganzen Abend in seiner Wohnung auf ihn gewartet und nun war er Todokumi in die Hände gefallen. Und Uruha war scheinbar sofort losgestürmt, um ihn zu befreien. Da gab es doch überhaupt keinen Platz für ihn. Wie kam Hitô auf die blödsinnige Frage, ob er ihn liebte? Was spielte das noch für eine Rolle? Was spielte es für eine Rolle, dass sein Herz sich einen Moment lang schmerzlich zusammen zog? Das war doch jetzt völlig egal ... Das gehörte hier nicht hin. Nicht, dass er gestern durch ganz Tokio gefahren war. Nicht, dass ihm fast das Herz stehen geblieben war, als er das Wrack aus dem Wasser tauchen sah wie ein gehobenes Geisterschiff, so, dass er gelähmt war vor Angst und schockiert genug, um nicht weinen zu können. Nicht, dass er mit Uruha gebadet und ihn die ganze Nacht festgehalten hatte. Das war alles Fehl am Platz.
 

Es war nichts im Vergleich zu Rukis Gefühlen, nichts im Vergleich zu dem Mut, den Uruha in diesen Minuten dazu brachte, seiner größten Angst in die Augen zu sehen, obwohl er noch am gestrigen Tag ohnmächtig vor Furcht beinahe erstarrt war im puren Gedanken an diesen Mann, der ihn so gedemütigt hatte ...
 

Was spielten seine geheimen Gedanken, die gerade sein Herz infizierten, da noch für eine Rolle? Das zwischen Uruha und ihm war nichts Besonderes. Er musste Hitô nicht darauf antworten. Und wieso konnte er ausgerechnet jetzt mit dem Grübeln anfangen? Was gab es denn da noch zu denken? Uruha hatte wahrscheinlich auch nicht nachgedacht ...
 

„Also müssen wir davon ausgehen, dass Takashima-san unter Umständen auch zum Täter werden könnte ... Es klingt laut Brief so, als würde sich Matsumoto-san und Takashima-san mehr als nur ...“ Im Umdrehen zu Aoi erstickte ihr Satz an Leere. „Shiroyama-san?“
 

Aoi war verschwunden.
 

Er rannte. Es kam Aoi vor, als würde er nicht um Uruhas oder Rukis, sondern sein eigenes Leben rennen. „Entschuldigung, ich muss telefonieren“, rief er immer nur, wenn er mit Jemandem zusammenstieß. Alle schauten nur verdutzt, doch wie durch ein Wunder hielt ihn keiner auf. Er stürmte zur Straße. Rief sich ein Taxi.
 

Dieser verfluchte Bunker ... er musste irgendwo in der Nähe des Parks mit dem Barocken Garten und dem Statuettenbrunnen sein. Uruha konnte in seinem Zustand nicht weit gekommen sein.
 

Er ließ sich im Vorbeilaufen erklären, wo die Schutzanlagen waren, stolperte immer wieder fast im unwegsamen Gelände, in das er nun eingedrungen war, und entdeckte bald daraufhin eine durch ein großes Stück des Waldgebietes angesiedelte Gruppe an mit Stahl überdachten Lüftungsschächten, allesamt mit Rotorblättern abgegrenzt, und jeder führte in einen anderen Bunker, den er mit Sauerstoff versorgte.
 

Verdammt, woher sollte er wissen, welcher der Richtige war? Er klapperte alle ab. Drei ... nur drei waren so marode oder beschädigt, dass man die Rotoren einfach abnehmen konnte. Aber welcher war der, in dem sein Freund gerade mit Todokumi kämpfte. Aoi war sich ja nicht mal sicher, dass er hier war. Hitô würde ihm auch bald nachkommen. Er lauschte ... aber hören konnte er nichts ... verdammt!
 

Er konzentrierte sich ... er musste sich für eine entscheiden – und zwar gleich! Er drehte sich aus Verzweiflung kurz weg, hielt sich den Kopf, presste die Augen zusammen. Seine Angst kam ihm zunehmend vor wie ein Schwelbrand, der wieder aufzuflammen drohte und über schwarzer Asche kämpfte Feuer. Da kam ihm ein Gedanke!
 

Er musste an die kleine Beamtin denken, die ihn vorhin gerettet und den beiden Männern die Nachricht gebracht hatte ... Sie hatte was von rotem Feuerschutzlack auf Uruhas Klamotten gesagt. Sein Blick fiel auf die Rotorblätter in den viereckigen Verschalungen, mehr oder weniger nahe um ihn herum.
 

Einer davon war mit einer roten dreiundvierzig markiert. Die hatte sich auch relativ leicht abziehen lassen. Das musste sie sein. Der Lack war brüchig und hielt sich nicht gut auf dem Schutzgitter, dass neugierige Hände vor den Rotoren schützen sollte. Bingo. Nummer dreiundvierzig musste es sein. Kein anderer hatte roten Lack, alle anderen hatten schwarze Zahlen. Es war der Hauptbunker, vier für vier Einheiten, daher vier Räume, und drei für Stufe drei, hieß sicher gegen Bombenangriffe der Stufe drei. Herr Gott, was war er froh, seinem Onkel doch ein mal zugehört zu haben. 4.3 machte Sinn ... es war der Bunker, der die meisten Menschen fasste und am Tiefsten gelegen war, unter allen anderen. Normalerweise kam man über einen langen Abgang hinüber, aber der war verschlossen gewesen.
 

Aoi hatte also nur die eine Chance ... Er musste in den Schacht und sich langsam Meter für Meter hinunterhangeln. Er zögerte einen Moment. In was er da sah, war die tiefste Schwärze, die er je gekannt hatte. Außerdem war er sich immer noch nicht sicher, ob die Drei wirklich dort waren, und er hatte auch keine Waffe. Er lief kurz unruhig auf und ab. Er hatte Angst, schließlich wusste er nicht, wo er landete. Und ob er da wieder raus kam ... und ... Egal! Uruha war mutig, um Ruki zu retten, und er musste mutig sein, um beide zu retten, egal wie ... Er hängte sein Armband ans Schloss.
 

Zitternd kletterte er in die Öffnung, seine Muskeln angespannt wie noch nie. Er stemmte alle Viere von sich und presste sich gegen die Wände des Schachts ... Kein Wunder, dass Uruha vollkommen ausgelaugt gewesen war ... Sich hinunter zu bringen, ohne zu fallen war eines, aber raufzukommen würde sich als noch etwas anderes darstellen.
 

Um ihn herum nichts als Dunkelheit und Enge ... Ihn überkam ein leichter Anfall von Platzangst. Eine Träne rannte seine Wange hinunter. Stück um Stück verschwand er mehr in völliger Lichtlosigkeit.
 

~~~~~
 

„Lass ihn bitte gehen ...“, stammelte Uruha dem Halbengländer zu, doch Todokumi konnte nur lachen.
 

„Liebst du ihn ...?“, fragte er kalt und hielt das Kinn des Kupferblonden, den er mit einer Waffe in Schach hielt die stets auf den Sänger gerichtet war, der mit Schiffsseilen einer Leichtbetakelung gefesselt an der Wand hing.
 

An seinem Kopf klaffte eine kleine Platzwunde, die seine linke Schläfe und seinen Hals mit rotem Lebensaft benetzte. Es schien zu bluten aufgehört zu haben . Ruki war bei Bewusstsein. Sonst hatte er keine Verletzungen.
 

„Do you love him?“, schrie Todokumi und alle Wände schienen zu zittern.
 

Uruha stand ihm nur starr gegenüber. Er wechselte einen Blick mit Ruki. Beide Männer hatten Angst. Er musste den anderen retten, nur wie? Im Moment war er klar im Nachteil ... „Nein“, antwortete er dann und sah Ruki im Blickwinkel zucken. „Wir sind Freunde ...“
 

Todokumi entsicherte seine Waffe, deren Lauf immer noch auf den Jüngsten gerichtet war, der einfach nur die Augen schloss und nicht mal wusste, ob er es aus Angst tat oder aus Bestürzung. Bedeutete doch Uruhas Antwort auch eine persönliche Niederlage für ihn. Er weinte. Doch hoffte er immer noch inständig, dass Uruha dies nur gesagt hatte, um ihn zu beschützen.
 

„Ruki ... es tut mir leid ...“, sagte Uruha leise, was die Hoffnungen des Gefesselten gänzlich zerschmetterte. Er sah in Uruhas Blick, dass er wahrheitsgemäß geantwortet hatte.
 

„So, so, well ...“, brummte Todokumi dazwischen ... er war anscheinend noch nicht wirklich überzeugt. Mit einem unheimlich schnellen Schwenk wechselten Kimme und Korn in Uruhas Richtung, der nur erschrocken wie ein Fuchs im Wald in den Lauf starren konnte.
 

Doch er hatte sich nicht vorstellen können, dass Todokumi ihn einfach erschoss. Töteten Stalker ihre Opfer ...?
 

„Ich glaube dir kein einziges Wort! Aber es gibt einen einfachen Weg, das zu prüfen ... How far ... Wie weit würdest du gehen, Ruha-chan ...?“ Er kam auf den Leadgitarristen zu, Stück für Stück, das ließ diesen weichen.
 

Uruhas Herz pochte Staccato. Sein Mund zitterte.
 

Dieser hämische Blick ... dieses verräterische Grinsen und die angeboren hängenden Augenbrauen. Näher und näher. Der Lauf berührte sein Kinn, hob es an.
 

Jetzt oder nie! Uruhas Handschuh am Griff seines Messers knirschte. Diese Handschuhe ... es waren Aois Handschuhe – er würde ihn mit Aois Handschuhen erstechen. Die Handschuhe, in denen für gewöhnlich diese schönen, sanften Hände steckten ... die so zärtlich waren, dass sie es mühelos schafften, durch ein bisschen Streicheln alle Angst aus seinem Körper zu ziehen ... diese Handschuhe ... damit ... damit durfte er so etwas nicht tun, redete er sich plötzlich ein.
 

Eine Ausrede.
 

Uruha war kein Mörder ...
 

Er konnte so etwas nicht tun ... niemals .. Er konnte einen anderen Menschen nicht töten ... niemals ... niemals ...

Diese Erkenntnis ließ ihn verzweifeln, als Todokumi so nahe vor seinem Gesicht erschien, dass er sich am liebsten übergeben hätte. Er hasste sich für seine Schwäche, die eigentlich eine Größe war.
 

Er ließ das Messer fallen.
 

„Lass wenigstens ihn gehen ...“, flehte er mit tränendurchtränktem Blick. „Er hat doch nichts damit zu tun ...“ Er sah nur das Gesicht des anderen auf sich zukommen, presste die Augen zusammen, sodass gleich mehrere Tränen sich über seine Wangen abseilten, die sich vorher vor Angst eine Schwäche zu zeigen, an seine Wimpern geklammert hatten. Er wimmerte und schniefte vor Angst und fuhr entsetzlich zusammen, als er eine glitschige, raue Zunge auf der Haut spürte.
 

„Hm ... Diese Tränen sind das Salz in meiner Suppe“, wurde es ihm ins Ohr geraunt, alles Folgende sagte er wieder laut, so dass Ruki es auch hören konnte. „Gib dich mir hin ...“
 

Uruha sperrte Lider und Mund auf. Er konnte nur bebend ausatmen, antworten konnte er nicht.
 

„Lass dich von mir nehmen – und der Zwerg ist frei ...“



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (25)
[1] [2] [3]
/ 3

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Len_Kagamine_
2012-12-06T23:13:52+00:00 07.12.2012 00:13
ich habe so angst um Uruha ich hoffe er ist wirklich alleine in der wohnung ist
ich bi geschockt am heulen und könnte kotzen uund alles gleichzeitig
Ruki q___q
er dieser bastat tuht ihm was weh
und Uruha tuh nichts unüberlgtes geh zu Aoi und er wird dir helfen aber das wirst du nicht machen q___q du wirst bestimmt versuchen ihn alleine zu retten q__q
ich wiel nicht das Uruah da alleine hin geht
nein er ist allein da hin gegangen q__q
und das ist Rukis blut q__q
*heul*
ich hasse ihn wie kann man nur so drauf sein ich bringe ihn um wen ich ihn in die finger bekommen und ich hiffe der stirbt der hat es nicht verdint weiter zu leben dieser ...
und nein Aoi q__q
wieso hat dieser Plizist bei Aoi das jetzt aus gelöst das ist fehl am platz das er sich solche gedanken macht er muss doch die beiden retten gehen da die polize ja nicht im stande ist irgentwas zu machen
Renn Aoi renn du kansnt es schafen die beien zu retten ich weis es ich galube an dich
Gut so Aoi gut das du dich daran erinert hast
*Aoi fahne schwenk*
Ruki *heul*
ich habe gearde so eine scheiß angst um die beiden
Aoi du musstt schnel kommen das darf Uuha nicht machen du bist ihre einzige retung
weiter lessen geh
Von: abgemeldet
2009-09-13T00:43:23+00:00 13.09.2009 02:43
woah die story ist so krass! ;_;
ich musste im zweiten kapitel fast heulen XDDDDD das ist ja wohl mal echt gemein .. *sfz*
woah jedenfalls voll spannend & echt gut geschrieben! voll der miese cliffhanger D: ich will unbedingt wissen wies weiter geht ;_; das ist so schrecklich alles ...

wow und 100. kommi XD
Von:  Snaked_Lows
2009-09-11T21:37:49+00:00 11.09.2009 23:37
O________________________O
wie kannst du mit so einem satz enden???????????????
OMG!!!!!!!!!!!
aoi muss ihn retten!!!!!!!!!
sofor!!
Von: abgemeldet
2009-09-10T21:51:29+00:00 10.09.2009 23:51
Das du immer aufhörst wenn es spannend wird ...
Ich würde soooogerne weiterlesen ... aber das geht schlecht

Gott der arme Ruki ,zuerst entfürt , bedroht und dann noch herz gebrochen ...irrgentwie unfair

Zum Glück hat Uruha den bösen typie nicht umgebracht , das hätte einfach nicht gepasst und nichts gebracht

Und Aoi , ich finde es gut wass er da macht auch gut das er daran denkt den schacht zu makieren und ich finde ihn soeben voll tollig
Er muss sich aber beeilen .... armer Uruha soll nciht vergewaltigt werden *schnief*

und achjaa nach dem letzten kapi hatte ich auch ein bild dazu gemalt =) muss ich dir mal zeigen
Von:  Siamese_Almeida
2009-09-08T19:18:06+00:00 08.09.2009 21:18
meine augen wollten schneller lesen als ich konnte xD
uh-
wie angeekelt sich uruha fühlen muss >.<
*ruki pate* ein "richtig toller, passender moment" von seiner liebe abgewiesen zu werden <.<"
und aoi! fighting for love! T^T
Von:  Neii-da
2009-09-08T17:24:58+00:00 08.09.2009 19:24
Wahhhh, jetzt kann ich heute Nacht net mehr schlafen!!!!
Von:  DragonSoul
2009-09-08T15:32:38+00:00 08.09.2009 17:32
Mahh diesesmal mach ichs kurz x.x soweit ichs aufnehmen konnte war es nen tolles Kapitel <3
Wie immer eigentlich xDD
Muss es aber unbedingt nochmal lesen wenn ich wieder richtig fit bin x.X
ja~ was noch ruki tut mir schon leid, armes kerlchen ~_~
aber gut bin ja mal gespannt wie es weiter geht =D
War ja wieder ne fieses stelle aufzuhören >_< freu mich auf jedenfall wenns weiter geht <3
Baba und lg Sui^^
Von:  Saga_the_Cheater_Kid
2009-09-08T14:01:34+00:00 08.09.2009 16:01
uwaaa toll *-*
ich glaub an dich aoi! *fahne schwenk*
omg uruha tut mir leid
ob er es macht? ich könnte mir denken das er das macht, weil er ruki da raus haben will
doch ob todokumi dann auch sein versprächen hält... na ja ich glaub ja nit
ich hoffe aoi schafft es die beiden zu retten x3
freue mich auf mehr <3
super gemacht, super geschrieben

lg
Saga
Von:  Ruha_Chan
2009-09-08T12:23:43+00:00 08.09.2009 14:23
Ihr Monster ! An dieser Stelle aufzuhören...
Nein, ich liebe diese Geschichte! Mir ist gerade eine kompellte Zigarette verqualmt, bis ich mir die Finger angesengt habe, weil ich zu gefesselt war um dan das Ding zu denken!
Himmel, rettet die drei! Aoi, tu was! Irgendwas! Hilf ihnen! Ich bin so gebannt, ich könnte das Teil gleich weiter lesen. (Das ist ein deznter Hinweis, dass es weiter gehen soll...)
Was ist für Ruki schlimmer - da zu hängen, oder das Uruha ihn nicht liebt? Was ist mit Uruha, liebt er Aoi? Dass Aoi ihn liebt ist nicht so schwer zu raten. Gott, Uruha denkt dabei immer noch an die Gitarre von Aoi... Junge, lass dich halten...
Ich wünsche mir ein Happy-End, egal, wie es aussieht - aber der einzige der drauf gehen darf ist dieser Spinner, blos keiner der Jungs! Bitte!
Von:  Reika-Atore
2009-09-08T09:58:26+00:00 08.09.2009 11:58
ich bin begeister *.*
die ff ist sooooooooooooooooo spannend. ich hoffe ihr schreibt bald weiter! es ist echt mies bei den besten stellen aufzuhören. ich bin doch von natur aus so neugierig >.<
Freu mich schon wenns weiter geht

Liebe Grüße
Reika-Atore


Zurück