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Vom Selben Stern

Eine Southpark-Albumfic
von

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Stark

Stans POV
 

Es war ziemlich früh, als ich aufwachte. Der Wecker zeigte eine Uhrzeit von 6.15 Uhr und draußen war es noch ziemlich dunkel. Trotzdem war ich hellwach, lag in dem alten Bett von Kyle und sah diesen an, der noch immer schlafend neben mir lag.

Ich seufzte, als mir der gestrige Abend einfiel. Die Fahrt nach Southpark, das Gespräch mit Ike...

Und schon waren meine Gedanken voller Sorgen. War Kenny wirklich „endgültig“ tot? Wir hatten das ja schon einmal gedacht, doch selbst da kam er zurück. Ziemlich spät und recht ungewöhnlich, aber immer hin...
 

Das zweite Problem: Cartman. Was zum Geier hatte dieser Arsch schon wieder angestellt? Und warum mussten wir uns immer mit ihm herum schlagen? Ich meine, klar, wir haben ihn in der Vergangenheit oft genug in die Schranken gewiesen, doch das bedeutete doch nicht, dass wir die „Universallösung“ für das Problem Fettarsch waren. Und nach allem, was passiert war, sollen wir ernsthaft wieder die „Retter von Southpark“ spielen? OK, Ike hat uns kontaktiert und mal abgesehen davon verhindert mein Helfer-Komplex oder meine Moral (oder beides, beides sehr lästig!) dass ich einfach zusehen könnte, wie der Stadt oder deren Einwohnern (so wenig ich die meisten davon mag oder auch nur kenne) etwas passierte.

Aber trotzdem: Was erwarten die eigentlich von uns? Warum wir?

Eigentlich kannte ich die Antwort: Weil das hier Southpark war. Darum. Verdammter Mist!
 

Ich bin seit Wochen unterwegs und trinke zu viel Bier und Wein.

Meine Wohnung ist verödet, meinen Spiegel schlag ich kurz und klein.

Ich bin nicht der, der ich sein will und will nicht sein, wer ich bin.
 

Manchmal hasse ich mich selbst dafür, dass ich nicht „Nein“ sagen kann... Dass ich einfach nicht genug hassen kann... Ich liebe nach wie vor meine Eltern, ich hasse nach wie vor diese Stadt nicht (Obwohl ich sie verfluche und sie mich rasend macht... ich hasse sie nicht...), Kyles Eltern nicht, all die Leute hier nicht, nicht wirklich jedenfalls.
 

Selbst den Fettarsch hasse ich nicht in diesem Sinne. Ich mag ihn nicht, er macht mich wütend und ich weis, dass er ein verdammtes Arschloch ist und sicher jede Gelegenheit gnadenlos nutzen würde, um mich fertig zu machen. Jesus, der Kerl hatte die Eltern eines Typen gekillt, diese zu Chilli verarbeitet und das ganze dann dem Sohn zu essen gegeben! Wenn das nicht psycho ist, bin ich ein Waldpilz!

Und doch hasse ich ihn nicht. Er hat mich und Kyle beschimpft, uns das Leben zur Hölle gemacht, hat laut Ike mal wieder irgendeine Psycho-Scheiße angestellt und doch... kann ich ihn nicht hassen.

Ich bin wütend auf ihn, würde ihn am liebsten windelweich prügeln und anschließend in irgendein dunkles Loch stopfen... oder ins Todescamp der Toleranz...
 

Ich denke, Kyle geht es ähnlich. Auch er tat sich schon immer schwer darin, jemanden zu hassen, auch er liebte seine Familie und ich denke, er liebte auch nach wie vor die Stadt, genau wie ich. Es war eine bittere Liebe, für die man sich zum Teil selbst hasst, doch man kann einfach nichts dagegen tun, weder ich konnte das, noch er...
 

Mein Leben ist das Chaos, schau mal genauer hin.
 

Ich schaute wieder auf Kyle, der noch ruhig und friedlich schief. Er sah NICHT der allgemeinen Kitsch-Meinung nach jünger im Schlaf aus. Jesus, wir waren gerade mal in unseren zwanzigern! Er sah einfach nur entspannt im Schlaf aus, gelöst und friedlich. Ich sah ihm wirklich gerne beim Schlafen zu.

Seine Atmung war ganz gleichmäßig und tief, ich spürte, wie bei jedem einzelnen Atemzug sich die Decke hob und senkte. Da er sein Gesicht zu mir gedreht hatte, konnte ich sogar seinen Atem auf meiner Haut spüren. Er war warm. Kyles ganzer Körper war warm. Und ich spürte diese Wärme nur zu deutlich...
 

Irgendwann bemerkte ich ein leichtes Stirnrunzeln seitens von Kyle. Seine Augenbraunen zogen sich kurz zusammen, seine Atmung kam aus dem völlig regelmäßigem Takt und er atmete einmal stoßweise aus, produzierte dabei ein fast knurrendes Geräusch.

Kyle wachte auf.

Nur Sekunden später schlug er seine Augen auf und sah mich an.
 

„Guten Morgen.“, flüsterte er.
 

„Morgen...“ antwortete ich.
 

Ich musste ihn nicht fragen, wie es ihm ging. Er musste mir nicht sagen, wie er sich fühlte. Ich wusste einfach, dass es schwer für ihn war. Und er wusste, dass ich ihn immer und egal bei was voll unterstützen würde.
 

Ich bin tierisch eifersüchtig und ungerecht zu Frauen.

Und wenn es ernst wird, bin ich noch immer abgehauen.
 

Der Wecker zeigte 6:42 Uhr an, als wir aufstanden. Während Kyle im Bad war, lief ich, nur einen alten Bademantel von Kyle übergeworfen, nach draußen, um einige von unseren Sachen zu holen. Etwa eine halbe Stunde später saßen wir in der Küche, ich machte uns beiden Kaffee, während Kyle zwei Schüsseln mit Cornflakes vorbereitete. Nur wenig später stieß Ike zu uns, wortlos holte Kyle eine dritte Schüssel und füllte sie.
 

Wir saßen leise, niemand wollte jetzt Kyles Eltern auf dem Plan haben. Kyle liebte seine Eltern nach wie vor, aber ich war mir sicher, dass es... schwierig werden würde. Und er sicher auch. Es erscheint feige, doch wir beide wollten uns ihnen nicht stellen. Nicht jetzt jedenfalls.

Ja, es war ein weglaufen, doch was sollten wir machen? Weder er noch ich hatten momentan die Kraft dazu, uns ihnen zu stellen... auch nach zwei Jahren nicht.
 

Nach einigen Minuten stand Ike auf und räumte unsere Schüsseln in die Spüle, wusch alles auf, während ich abtrocknete und Kyle alles zurück in die Schränke stellte. Nichts erinnerte daran, dass wir hier gefrühstückt haben.
 

„Ok...“, begann Ike und atmete tief durch. „Wir sollten los. Wir treffen uns jetzt mit ein paar Leuten und dann besprechen wir alles...“
 

„Gut, ich fahre.“, antwortete ich. „Sag mir nur wohin.“
 

Wenig später parkte ich unser Auto aus und fuhr die Hauptstraße von Southpark entlang. Nichts im Haus deutete darauf hin, dass Kyle und Ich die Nacht dort verbracht hatten.
 

Ich frage gerade dich: Macht das alles einen Sinn?

Mein Leben ist ein Chaos, schau mal genauer hin.
 

Ike lotste uns schließlich zum See... Jesus, waren wir lange nicht mehr hier... ich hatte ganz vergessen, wie es hier aussah. Überall lag Schnee, das Ufer, die einzelnen Nadelbäume, alles weiß. Eine dicke Eisdecke bedeckte den See. Zahlreiche Furchen im Eis deuteten darauf hin, dass die Kinder von Southpark täglich Schlittschuh fuhren.
 

„Schau mal Kyle...“, sagte ich und zeigte auf das Eis. „Der See ist zugefroren. Wollen wir später Eislaufen gehen? So wie früher?“
 

Kyle schaute mich an und lächelte dabei leicht. Es war ein erschöpftes, müdes Lächeln. Das Lächeln, mit dem man den kläglichen Versuch bedachte, Normalität ist den Irrsinn zu bringen und von den Sorgen und Ängsten vor uns abzulenken. Ich hätte es wissen müssten, das war erbärmlich...

Er verurteilte mich aber dafür nicht, sondern lächelte. Gebrochen und wehmütig, aber er lächelte mich an.
 

„Wir waren wirklich lange nicht mehr Eislaufen...“, meinte er schließlich. „Wenn wir alles erledigt haben... sollten wir es mal wieder machen, bevor wir abreisen.“
 

Ich sah ihn kurz erstaunt an. Obwohl er mich offensichtlich durchschaut hatte, obwohl er wusste, wie erbärmlich ich war, obwohl er wusste, wie dämlich dieser Vorschlag von mir war und welche Motive mich leiteten... er ging dennoch darauf ein.
 

Oft dachten die Leute, ich sei der „stärkere“ von uns beiden. Ich war immer etwas größer als Kyle gewesen, ich war immer insgesamt etwas muskulöser als er und Kyle wirkte oberflächlich gesehen immer etwas emotionaler als ich. Kurz: Viele dachten, dass Kyle der „schwächere“ von uns beiden war.

Das stimmte aber nicht... In unserer „Partnerschaft“ waren wir beide schon immer gleichwertig. Doch absolut gesehen würde ich sagen, dass Kyle der stärkere von uns beiden war. Niemand kannte Kyle so gut wie ich. Ich mag körperlich stark sein, doch sein Geist war wesentlich stärker als meiner. Gerade wenn es ums emotionale geht... ich flippe in Krisensituationen viel schneller aus, hey, wer von uns beiden wurde aus Trauer und Schmerz zum Goth, als sich seine Freundin in DER 3. KLASSE von ihm getrennt hatte? Wer von uns beiden bekam immer feuchte Augen bei traurigen Filmen? Wer von uns beiden spendete regelmäßig für das Tierheim in L.A., päppelt Wildtiere in seiner Freizeit auf und ist Mitglied im Tierschutzbund von Kalifornien?

Ich war schon immer etwas näher am Wasser gebaut und Kyle... Kyle konnte manchmal eiskalt und berechnend werden, wenn es die Situation verlangte. Er blieb völlig ruhig, wenn alle andern in Panik verfielen. Egal wie schwierig die Lage war, er konnte einen kühlen Kopf bewahren und ruhig und logisch an der Lösung des Problems arbeiten. Und das machte ihn so stark, das ließ ihn jede schwierige Situation meistern.

Kyle ist der stärkere von uns beiden.
 

Und du glaubst ich bin stark und ich kenn den Weg.

Du bildest dir ein, ich weiß wie alles geht.

Du denkst ich hab alles im Griff und kontrollier was geschieht.

Aber ich steh nur hier oben und sing mein Lied.
 

„Wir sind gleich da...“, informierte uns Ike kurz darauf.
 

Eine kleine Holzhütte kam in Sicht. Sie war aus alten Brettern und rostigen Nägeln mehr schlecht als recht gezimmert, besaß aber eine richtige Tür, die scheinbar vom Sperrmüllplatz stammte. Zudem hatte irgendjemand angefangen, die Hütte in „Tarnfarben“ zu streichen... naja, offenbar standen demjenigen kein Braun zur Verfügung, stattdessen nur Grün, Gelb, und Rot. Was ein undefinierbares Mischmasch an Farben ergab. Oh man, irgendwer hatte das Prinzip der Tarnung hier deutlich missverstanden: Man hätte die Hütte weiß streichen müssen, also ähnlich der Umgebung, damit man sie nicht erkannte!
 

„Sag mal, ist das nicht die alte Hütte, die wir mit Elf oder so gebaut hatten?“, fragte Kyle mich ungläubig.
 

„Ich denke schon... wow, erst jetzt erkenne ich, wie dämlich die Idee war, die Hütte in „Tarnfarben“ anzustreichen...“, scherzte ich.
 

Kyle lachte.
 

„Ich glaube, das war der Grund, warum wir aufgehört hatten, es anzustreichen...“, setzte er hinzu, mit diesem Funkeln in seinen Augen.
 

Ich lächelte auch, verlor mich kurz in den Erinnerungen an die guten Tage unserer Kindheit.
 

„Kann sein... das war damals noch toll... Kenny, Cartman, du und ich... Irgendwie war damals alles besser...“
 

„Ja...“, entgegnete Kyle, während er auf die alte Hütte sah. „Erinnerst du dich, dass Butters, Pip, Tweek, Craig, Clyde und Token auch manchmal hier waren?“
 

“Ja... sie waren alle in regelmäßigen Abständen her gekommen... Wir hatten das „Männerabende“ genannt...“, erinnerte ich mich und musste unwillkührlich darüber lachen.
 

„Ha, das hatte ich ganz vergessen.“, sagte Kyle lachend.
 

„Und... Token hatte mal gefragt, warum das Haus in so einer dämlichen Farbe halb-angemalt ist...“
 

Wir lachten beide.
 

„Ja... Und Cartman hatte ihn gesagt, er soll sein Maul halten, und weist du noch, was Pip dazu gesagt hatte?“
 

„Ach Gottchen.“ antwortete ich und wieder lachten wir beide, wohl die Erinnerung nun wirklich nicht so super-lustig war.
 

Doch nach Sekunden wirkte unser Lachen gezwungen und falsch. Wir hörten fast gleichzeitig damit auf, sahen uns ernst an. Wir wussten doch beide, wie dämlich dieses Gespräch war. Nur eine Flucht vor etwas, das vor uns lag und wir uns stellen mussten, früher oder später.
 


 

Ich bin dauernd auf der Suche und weiß nicht mehr wonach.

Ich zieh Nächte lang durch Bars, immer der, der am lautesten lacht.
 

„Leute, kommt endlich.“, kam es leicht nörgelnd von Ike. Ich riss mich selbst aus meinen Erinnerungen und folgte Kyle und Ike in die Hütte.
 

Und als ich mich an die schummrigen Lichtverhältnisse gewöhnt hatte, klappte mir echt die Kauleiste nach unten.
 

„Butters? Bist du das?“ entfuhr es mir.
 

Der blonde Junge nickte und lächelte. Eigentlich hätte er gar nicht nicken müssen, sein Lächeln allein ist vermutlich einmalig auf dieser Welt... dieses „Ich bin ein lieber, kleiner Junge“-Lächeln... Aber Gott, ich hätte ihn beinahe nicht wiedererkannt.

Tiefe Augenringe zierten sein Gesicht, die Augen glänzten müde aber entschlossen, das Haar war blond und vertruppelt, ähnelte so eher der Frisur von Kenny, als dem gepflegten, kurzen Haarschnitt, den er hatte, als wir von hier weg sind. Außerdem wirkte seine Jeans mehr als abgetragen, die dunkelblaue Jacke hatte den einen oder anderen Riss. Auch allgemein sah Butters ziemlich erschöpft aus. So in etwa, als wenn er durch einen heftigen Sturm marschiert wäre.
 

„Gott Butters, es ist lange her!“, sagte Kyle.
 

Butters lächelte wieder, kam auf uns zu und schloss seine Arme um uns beide. Ich ließ es völlig perplex zu.
 

„Leute, ich bin so froh, dass ihr da seid.“, hörte ich ihn irgendwo an meiner rechten Seite schniefen, was mich nun komplett aus der Bahn warf.
 

Mein Verdacht bestätigte sich, als er die Umarmung beendete und ich nun Tränen in seinen Augen sah.
 

„Butters?“, entfuhr es mir.
 

„Nah... schon gut, Freunde.“, winkte er ab. „Es geht nur immer mal wieder mit mir durch... ich sollte endlich lernen, mich zu beherrschen.“, meinte er mit einem schiefen, fast wehmütigem Lächeln.
 

„Alles cool, Alter.“ entgegnete Kyle immer noch leicht platt.
 

Ich nickte Butters nur zu.

Und dann begann ich mich weiter umzusehen. Butters war nicht allein hier gewesen, nur die auffälligste Gestalt. Weiter hinten und halb im Schatten verborgen stand ein groß gewachsener junger Mann mit schwarzen Haaren und dunklen Augen, die rot zu leuchten schienen. Bei etwas näheren Betrachtung zeigten sich kleine tanzende Flammen in den Augen. Hmmm... schwarze Augen, Flammen in den Pupillen und das Gefühl, irgendein lateinischer Singsang im Hintergrund zu hören? War ich nicht schon mal so jemanden begegnet?

Auch Kyle hatte ihn bemerkt.
 

„Hmm... dich kenn ich irgendwo her...“, meinte er nachdenklich. „Flammen in den Augen vergisst man selten...“
 

„Wie kannst du es wagen, mich zu vergessen, dem Gesandten des Leibhaftigem, dem Anfang vom Ende und dem Ende vom Anfang, dem Grund für Leid und Verderben, der Schrecken und die Qual?“, rief der junge Mann, während er aus dem Schatten trat und sich neben Butters stellte.
 

Ich musste zugeben, die flammenähnliche Aura um ihn kam mir verdammt bekannt vor, ebenso die Sprechweise, auch wenn ich die Stimme etwas höher in Erinnerung hatte... aber konnte es sein? Moment mal... Gesandter des Leibhaftigem? Aber... das war doch...
 

„Damien?“, sprach ich den Namen aus, leicht ungläubig, versuchte ich doch, das Bild eines Drittklässlers mit dem des Mannes vor mir zu vereinen.
 

„Wer sonst?“ fragte er grinsend...
 

Nein, er grinste nicht. Er zeigte seine Zähne. Auf eine aggressiv-freundlich Art und Weise. Zumindest war die Flammenaura um ihn verschwunden...
 

„Ich glaub es nicht!“, entfuhr es jetzt Kyle. „Damien! Was machst du denn hier? Was hast du all die Zeit gemacht?“
 

Das Zähne-Zeigen wurde breiter, fiel mir auf.
 

„Och, so dies und das...“, meinte Damien. „Ihr wisst schon: Mit Dad ein wenig herumgezogen, Tod, Schrecken, Verderben, Wettbetrug... ein wenig die Hölle aufgemischt... Was man halt so treibt als Sohn des Satans.“
 

Ich war ehrlich gesagt völlig baff. Und dem Ausdruck auf Kyles Gesicht nach zu schließen, er ebenfalls.
 

„Und was ich hier mache?“, fuhr Damien fort. „Nun... ich suche jemanden und jemand sagte mir, dass es jemanden gibt, der mir helfen könnte, eben jenen jemanden zu finden.“
 

„Hä?“, fragte ich recht verwirrt dazwischen.
 

„Wen meinst du?“, übersetzte Kyle meine Frage.
 

„Ike hat euch sicher erzählt, dass ziemlich viele unserer alten Freunde in letzter Zeit verschwunden sind.“, griff Butters wieder in das Gespräch ein.
 

Wir nickten nur als Antwort.
 

„Von einigen wissen wir, wohin sie wollten und wieder andere sind dort auch wirklich angekommen und wir haben noch Kontakt zu ihnen, doch einige andere...“, fuhr Butters fort und machte ein ziemlich trauriges Gesicht. „Einige andere verschwanden einfach. Ohne eine Nachricht, ohne jedes Zeichen.“
 

Niemand sieht mir an, wie verwirrt ich wirklich bin.

Ist alles nur Fassade, schau mal genauer hin.
 

„Moment... Pip, Jimmy und die beiden Mädchen...“, fing ich an aufzuzählen.
 

„Tracy und Katie.“, vervollständigte Kyle. „Ihr glaubt, es ist etwas mit ihnen geschehen?“
 

„Mit ihnen und mit Kenny.“, betonte Butters. „Und ich glaube, dass Eric dahinter steckt.
 

„Cartman?“ kam es von Kyle und mir synchron.
 

„Genau der.“, antwortete Ike für Butters.
 

„Ok... nein, nichts Ok. Ich verstehe hier gar nichts mehr!“, entfuhr es mir. „Bitte erklärt mir mal einer LANGSAM, was hier Sache ist? Was ist hier passiert, was hat der Fettarsch angestellt und warum mussten wir hier her zurück kommen?“
 

Damien, Ike und Butters sahen sich gegenseitig an, dann zu Kyle und mir. Butters holte tief Luft.
 

„Ok, ich versuche es zu erklären.“, begann er. „Es fing eigentlich damit an, dass ihr beide abgehaun seid. Ziemlich viele haben sich ein Beispiel daran genommen und sind ebenfalls weg.“
 

„Das hat uns Ike schon erzählt.“, fiel Kyle ein.
 

„Aha? Gut. Ihr wisst also, dass viele weggezogen sind. Wir waren nicht mehr viele, ich hab viel mit Kenny unternommen, zusammen mit Wendy und Bebe...“
 

„Wendy und Bebe?“, fragte Kyle und auch mir wurde bei den Namen leicht unwohl.
 

Wir hätten den beiden vielleicht sagen müssen, dass wir gehen... aber wir hatten beide unsere Zweifel, ob das eine gute Idee wäre. Und wie die beiden Mädchen damit umgegangen wären.
 

„Keine Sorge. Freunde. Sie wissen es, haben es aber ganz gut aufgenommen.“, beruhigte Butters uns. „Wo war ich? Ach ja: Von unserer alten Gruppe waren also nur noch Ich, Kenny, Wendy und Bebe da. Jimmy und Pip waren zwar auch da, aber die beiden waren mehr mit Tracy und Katie unterwegs. Wir hatten uns immer mal getroffen...“
 

„Und Cartman?“, fragte ich.
 

„Eric...“, fing Butters an, stockte, als wüsste er nicht, wo er beginnen sollte. „Er... war ein ziemlicher... Arsch.“
 

Butters zuckte leicht bei dem Schimpfwort zusammen und ich musste leicht lächeln. Obwohl Butters sich äußerlich so stark verändert hatte... er war immer noch der gleiche wie damals.
 

„Jedenfalls... er hat öfters versucht irgendwelchen Mist zu machen... hat alle möglichen Leute dafür verantwortlich gemacht, dass sein Leben nicht dass ist, was er sich wünscht und er immer noch kein Millionär ist... und er hat immer wieder mit recht... gemeinen Aktionen versucht, schnell an Geld zu kommen oder anderen Leuten, die er nicht mochte, das Leben zur Hölle zu machen... manchmal auch beides. Er hat zum Beispiel noch einmal versucht, eine eigene Religion mit sich als Vertreter Gottes auf Erden zu gründen, hat versucht, Lebensversicherungen über große Summen auf diverse Leute zu seinen Gunsten abzuschließen und die Betroffenen dann umzubringen, all so was halt. Meist war es Kenny und Wendy, die ihn ausgebremst haben...“
 

„Du hast nicht selten eine große Rolle dabei gespielt.“, platzte Ike dazwischen. „Du wusstest mehr über Cartman als wir alle zusammen, seine Schwächen und viele seiner Geheimnisse, die er dir verraten hatte, weil er dich für zu harmlos hielt, weil er es liebte, mit deiner Naivität zu spielen!“
 

Butters schaute halb peinlich berührt, halb verärgert Ike an.
 

„Jaaa...“ gab es schließlich zu. „Ich bin naiv. Und Eric hat das oft genug ausgenutzt... Jedenfalls verschwanden auf einmal von einem Tag auf den anderen Tracy und Katie. Nur eine Woche später Jimmy. Pip kurz darauf. Und dann... starb Kenny.“
 

„Wie?“, fragte ich, obwohl mir die Frage schwer fiel.
 

„Messer in die Brust...“ murmelte Ike. „Filmore hatte ihn wie gesagt gefunden, draußen im Schnee und überall war Blut...“
 

„Und er kam nicht zurück.“, fuhr Butters fort, seine Stimme zitterte dabei.
 

Er hatte sich wirklich kaum verändert. Es war Butters. Immer noch der gute alte Butters...
 

„Und du glaubst, der Fettarsch...“, fing ich an.
 

„Wir glauben, er hat Kenny umgebracht.“, beendete Damien meinen angefangenen Satz. „Und nicht nur das. Wir glauben auch, dass er etwas mit dem verschwinden von den anderen zu tun hat.“
 

„Was ist mit Wendy und Bebe?“, fragte ich schließlich.
 

„Wir... wissen es nicht.“, antwortete mir Ike. „Wendy rief mich vor einer Woche an und meinte, sie hätte vielleicht eine Spur gefunden. Und sie sagte, dass ich euch unbedingt nach Southpark rufen sollte. Seitdem haben wir nichts mehr von den beiden gehört...“
 

„Aber ich habe eine Vermutung.“, fuhr Butters fort, der sich inzwischen beruhigt hatte. „Eric hat mich heute zu sich eingeladen. Angeblich will er sich bei mir entschuldigen, dass er mich ständig verarscht, manipuliert und ausgenutzt hatte. Und ich weis, dass er gelogen hat.“
 

Ich schaute Butters erstaunt an.
 

„Und... was glaubst du...?“
 

„Ich glaube, dass Kenny zurück gekommen ist und Eric ihn irgendwo gefangen hält. Ich glaube, dass er mich mal wieder benutzen will...“, Butters stoppte hier und atmete tief durch. „Und ich glaube, dass er mich entweder zu Kenny bringen will... oder vorhat mich umzubringen... vielleicht auch beides.“
 

„WAS?“, entkam es jetzt mir und Kyle gleichzeitig.
 

OK, DAS war jetzt definitiv nicht mehr unser Butters von früher, das kleine naive Weichei... Das hier war eindeutig ein anderer Butters...
 

„Und... was willst du tun?“, fragte ich nach einer Weile.
 

„Ich werde hingehen... das ist vielleicht die einzige Chance Kenny und die anderen wieder zu finden. Und ich brauche eure Hilfe dazu.“
 

Und meine Gedanken fingen an zu kreisen. Warum wir? So gerne ich Kenny helfen wollte, so sehr ich meinen Freund, dem ich so viel verdankte helfen wollte... wie könnten wir eine Hilfe sein? Wie könnte ICH eine Hilfe sein? Was konnte ICH schon tun?

Warum glaubten nur immer alle, dass ich so stark war? Warum glaubten alle, ich sei eine Hilfe?
 

Und du glaubst ich bin stark und ich kenn den Weg.

Du bildest dir ein, ich weiß wie alles geht.

Oh, Du denkst ich hab alles im Griff und kontrollier was geschieht.

Aber ich steh nur hier oben und sing mein Lied.

Ich steh nur hier oben und sing mein Lied.
 

Nach und nach erzählte Butters, immer wieder ergänzt von Damien und Ike, von seiner Geschichte. Er muss lange nach Kenny gesucht haben, völlig davon überzeugt, dass er nicht endgültig tot war, dass er irgendwo wieder zurück gekommen war. Cartman schien sich ungewöhnlicher als sonst zu verhalten, Wendy zählte eins und eins zusammen. Dann tauchte Damien auf und suchte nach...
 

„Pip? Ich dachte immer, du kannst ihn nicht leiden?“, fragte Kyle erstaunt.
 

„Ich konnte nur seine passive, scheiß-freundliche Art nicht leiden.“, murrte Damien. „Sei du mal der Sohn Satans und Überbringer einer gefakten Apokalyptischen Schlacht, werde dann von Menschen, die eigentlich vor die vor Angst erzittern müssten, dumm gemacht und habe DANN so einen passiv-freundlichen Typen um dich herum!“
 

„Oh...“, machte ich. „Und wie kam es dann...?“
 

„Naja, Pip hatte mir seine Nummer und seine Adresse gegeben, bevor wir hier weg sind... ich war halt wieder in der Hölle, es war langweilig... und ich hab die Adresse wiedergefunden. Aus Langeweile hab ich angefangen, mit ihm Briefe zu schreiben.“, gab er zu und wirkte dabei etwas peinlich berührt.
 

Überraschungen über Überraschungen... Ich hätte nie gedacht, dass Damien der Brief-Freund-Typ war...
 

„Und dann?“, frage ich.
 

„Was und dann? Wir haben uns halt geschrieben, mindestens einmal die Woche. Irgendwann hörten die Briefe plötzlich auf und ich wollte wissen, warum. Also bin ich nach Southpark gekommen...“
 

„Und direkt in mich hinein gerannt.“, unterbrach Ike ihn.
 

„Ja, hab den kleinen gar nicht gesehen...“
 

„So klein bin ich gar nicht!“, protestierte Ike leicht schmollend.
 

„JEDENFALLS... nachdem ich mich entschuldigt hatte...“
 

„Du hattest mich als „elender, lästiger Stolperstein“ bezeichnet...“, murrte Ike immer noch leicht beleidigt dazwischen.
 

Damien räusperte sich und schaute Ike böse an.
 

„Wie ich schon sagte: Nachdem ich mich entschuldigt hatte... hab ich ihn gefragt, wo Pip ist...“
 

„Er hat mich durchgeschüttelt und immer wieder »Wo ist er? Weist du, wo er ist? Gib es zu, du weist etwas, GIB ES ZU! Antworte mir, dem Gesandten der Hölle, oder dir werden die schrecklichsten Qualen aller Leiden widerfahren!« geschrien...“, murmelte Ike dazwischen, was Damien aber ignorierte.
 

„Und Ike erzählte mir von der aktuellen Situation in Southpark... und dass Pip vermisst wurde. Nun, es kam eins zum anderen, über Wendy erfuhren wir, dass Butters wie besessen nach Kenny sucht und dass möglicherweise das Verschwinden einiger anderer Leute in Verbindung mit Kennys angeblichen endgültigen Tod steht... Mir war übrigens neu, dass Kenny tot sein sollte. Wenn er wirklich und endgültig tot wäre, wäre er in der Hölle gelandet und ich hätte ihn sicher bemerkt. Aber er war nicht da.“
 

„Was mich darin bestärkt hatte, weiter nach ihm zu suchen.“ fuhr Butters fort. „Kenny war nicht in der Hölle und wir alle wissen, dass nur Mormonen in den Himmel kommen. Also muss er noch irgendwo leben! Und da wir Hilfe brauchten und im Prinzip das gleiche Ziel haben, hat sich Damien uns angeschlossen.“
 

Stell dich mit mir in die Sonne oder geh mit mir ein kleines Stück,

ich zeig dir meine Wahrheit für einen Augenblick.
 

Irgendwer, höchstwahrscheinlich Butters, hatte Stühle in die Hütte gestellt. Es waren alles unterschiedliche Stühle, aber als Sitzgelegenheiten ganz brauchbar. Damien verzog sich mit seinem in eine Ecke und saß so etwas außerhalb der Gruppe, doch innerhalb der Hörweite. Butters, Kyle, Ike und Ich bildeten eine Art offenen Kreis. Butters bot uns allen eine Flasche Wasser an.

Und wir saßen lange Zeit da, Kyle und ich hörten den dreien zu, wie sie die letzten Monate verbracht hatten... und schließlich kamen wir zu Butters „Plan“.
 

„Wir sollen dich also zu Cartman begleiten?“, fragte ich noch einmal ungläubig. „Das ist der ganze Plan? Warum?“
 

„Was willst du damit bezwecken?“, fragte auch Kyle.
 

„Das Überraschungseffekt. Eric ist ein Mensch, der unglaublich gerne mit seinen Ideen und Methoden angibt. Und vor wem würde er am meisten angeben wollen, als vor mir, dem ach-so-naiven Butters.“, antwortete Butters ernst und seufzte. „Jedenfalls hoffe ich, dass er so unvorsichtig ist, und alles ausplaudert. Entweder wird er dann versuchen, mich umzubringen oder er wird mich zu Kenny führen... hoffentlich. Ihr sollt euch draußen versteckt halten und eingreifen, wenn... wenn etwas schief geht. Wenn er verraten hat, wo Kenny ist, will ich, dass ihr da hin geht und ihn holt. Damit rechnet Eric sicher nicht...“
 

„Was?“
 

„Ich will, dass sobald ihr hört, wo er ist, dahin geht und ihn da raus holt.“, wiederholte Butters langsam und deutlich.
 

„Das meine ich nicht!“, fuhr Kyle ihn an. „Ich meine damit >Was zum Henker denkst du dir dabei, allein bei dem Fettarsch zu bleiben, nachdem er dir erzählt hat, wo Kenny ist<! Der bringt dich eiskalt um!“
 

„Das ist verrückt, Butters.“, unterstützte ich Kyle. „Was nützt es, wenn wir wissen, wo er ist, du aber stirbst?“
 

„Kenny wird mich sowieso umbringen, wenn er erfährt, dass ihr meinetwegen nach Southpark zurück seid...“ murmelte Butters. „Aber ihr zwei seid nun mal die einzigen, die uns helfen können...“
 

„Jesus, wir sind doch keine Supermenschen oder sowas!“, entfuhr es mir. „Ich bin Landschaftsgestalter und Kyle Mikrobiologe! Wir sind zwei Jahre von hier weg und das fette Arschloch ruiniert das Leben unserer Freunde! Ihr habt Damien, den verfluchten Sohn des SATANS auf eurer Seite und trotzdem braucht ihr uns! Und du willst einfach so in den Tod rennen! Es passiert schon wieder! Diese Stadt macht einfach keinen Sinn!“, schrie ich, immer hysterischer werdend.
 

Ich frage mich genau wie du, wo ist hier der Sinn.

Mein Leben ist ein Chaos, schau mal genauer hin.
 

Ich war völlig fertig. Jesus, mein letzter emotionaler Zusammenbruch war... nun, etwas mehr als zwei Jahre her... Diese Stadt machte mich eindeutig fertig...

Ich bemerkte nur am Rande, wie Kyle versuchte mich zu beruhigen. Ike sah mich wohl ziemlich betroffen an, während Damien in seiner Ecke sitzen blieb. Butters dagegen war blass geworden.

Nach einer Weile sah ich, wie er seinen Kopf gesenkt hatte.
 

„Es tut mir leid, Stan.“, sagte er mit zitternder Stimme. „Aber ich weis nicht mehr weiter. Ich habe vier Monate nach Kenny gesucht. Vier Monate, in denen sonst was passiert sein könnte. Vier Monate, die dank Eric hier die Hölle auf Erden war, nichts für ungut, Damien....“
 

Dieser winkte nur ab.
 

„Schon gut... Du du fragst dich sicher, warum ich nicht einfach meine höllischen Kräfte des Verderbens einsetze, um Kenny zu befreien?“
 

Ich nickte und Kyle sah auch äußerst interessiert aus.
 

„Nun... es hat mehrere Gründe. Erstens: Es sind höllische Kräfte des Verderbends! Damit kann man nur grobe Zerstörung hervorrufen, aber sicher keine Befreiungsaktion starten. Ich würde alle im Umkreis umbringen, ohne Unterschied zwischen Freund und Feind. Zweitens: Mit diesen Kräften kann man nicht den Aufenthaltsort einer Person herausfinden. Drittens: Mein Vater weis nichts davon, dass ich hier bin und eine gigantische Explosion könnte ihn einen guten Hinweis auf meinen Aufenthaltsort geben, nicht? Außerdem weis Cartman schon, dass ich Kenny helfe und lässt mich von Zeit zu Zeit verfolgen. Lästig, aber ich kann seine Leute nicht umbringen... Und frag jetzt bitte nicht warum!“, setzte er hinzu, als Kyle den Mund aufmachte. „Das würde eine umfangreiche Erklärung über das Leben und Sterben beinhalten... und wir haben nicht mehr viel Zeit!“
 

Butters atmete tief durch.
 

„Hört mal, Freunde. Ich weis, das ist hart, aber das hier ist nun mal Southpark. Und es ist schlimmer als je zuvor. Ich bin der einzige, der nah genug an Eric ran kommt. Und eigentlich schätze ich ihn so ein, dass er mich zu Kenny bringen wird, anstatt mich gleich zu töten. Er ist ein Sadist, da wird er sich den Spaß nicht entgehen lassen... Er wird sicher Damien und vielleicht auch Ike überwachen lassen, die beiden werden eine falsche Fährte legen und so möglichst viele von Erics kleinen Helferlein ablenken. Ihr beide bleibt in der Nähe. Er weis zwar sicherlich schon, dass ihr wieder da seid, aber er hat euch beide lange nicht mehr gesehen und erwartet euch auch sicher nicht so nahe bei ihm...“
 

Mein Gesicht verzerrte sich zu einer schmerzhaften Grimasse.
 

„Diese Stadt macht nach wie vor keinen Sinn...“, murmelte ich, lächelte darauf schief. „Aber...“, ich stockte ein weiteres mal und sah Kyle an. Auch er lächelte kurz und nickte kaum merklich. „Aber... so wenig Sinn DAS macht... wir helfen euch. Kenny ist unser Freund, der beste, den man sich wünschen könnte. Er hat so viel für uns getan... wir sollten es ihm zurückgeben...“
 

„Außerdem muss hier jemand dem Fettarsch in die Eier treten.“, setzte Kyle grinsend hinzu.
 

Butters strahlte regelrecht.
 

„Danke, Leute.“, schniefte er ergriffen.
 

Erst jetzt fiel mir auf, dass ich schon wieder ziemlich pathetisch geredet habe... Lautlos seufzte ich, Southpark hatte mich mal wieder fest im Griff...
 

Und du glaubst ich bin stark und ich kenn den Weg.

Du bildest dir ein, ich weiß wie alles geht.
 

Wir verabredeten uns für den Nachmittag und Kyle und ich fuhren allein weg. Ike wollte mit Damien noch ein paar letzte Absprachen treffen, bevor die beiden ihr „Ablenkungsmanöver“ starten würden. Butters lief allein davon, murmelte etwas von Kleidung wechseln.

Mir ist gar nicht aufgefallen, dass wir gar nicht gefragt haben, was die anderen berufsmäßig taten oder wie das „normale“ Leben so lief, so normal wie es in Southpark sein konnte...

Ich meine, sie mussten doch einfach alle auch ein normales Leben haben, oder? Eine Arbeit, einen Platz zu wohnen, das übliche halt. In L.A. Hatten wir beide ständig Kontrolle über unser Leben und wussten, dass am nächsten Morgen nicht plötzlich irgendetwas total unlogisches ein Haufen Leute killt.
 

Doch hier in Southpark fühlte ich, wie mein Leben langsam aus meinen Händen glitt. In dieser Stadt konnte man nichts planen oder logisch überdenken. Wenn man diese Stadt betrat, begab man sich auf eine Schleuderbahn des Schicksals... klingt scheiße, ist aber so. Früher oder später kommt man ins Taumeln, egal wie fest man sonst steht. Man taumelt und versucht zu halten, was zu halten ist, doch je mehr man versucht, dem unausweichlichem entgegen zu rudern, desto schlimmer wird es und irgendwann landet man gehörig auf der Schnauze. Dann kommt das Glück ins Spiel: Wenn man Pech hat, bricht man sich beim Sturz das Genick. Mit etwas mehr Glück nur den Arm oder Bein und wenn man verdammtes Glück hat, holt man sich nur ein paar Blaue Flecken.

Weis der Himmel, wer oder was dieses Stück Land verfluchte, aber Southpark war definitiv kein Ort, an dem man alles im Griff haben konnte.

Ich hatte nichts mehr im Griff... Es machte mir Angst, wie schnell die Stadt uns wieder dran bekommen hatte, wie schnell ich die Kontrolle verloren hatte...
 

Inmitten meiner düsteren Gedanken fühlte ich auf einmal Kyles Hand auf meiner Schulter. Ich drehte mich kurz zu ihn, bevor ich mich wieder auf die Straße konzentrierte. Er hatte mich angelächelt, ein typisches „Hey, ich weis, es ist scheiße, aber wir müssen da durch“-Lächeln...
 

Du denkst ich hab alles im Griff und kontrollier was geschieht.

Aber ich steh nur hier oben und sing mein Lied.

Ich steh nur hier oben und sing mein Lied.
 

„Stan... diese Stadt ist komplett verrückt aber... es ist unsere Vergangenheit. Kenny und Butters und Ike und sogar Pip und Damien... sie alle sind unsere Vergangenheit, auch Cartman... wir können gar nicht anders, als ihnen zu helfen...“, hauchte er mir entgegen.

„Kyle... danke.“, flüsterte ich nach einigen Minuten. „Sollte irgendwer einmal behaupten... du seist schwach... ist das kompletter Unsinn. Du bist wirklich die stärkste Person, die ich kenne...“

Ich blickte kurz zu ihn und lächelte ihn an, er schaute mich leicht verduzt an.

„Was?“, fragte er verwirrt.

„Nichts...“, antwortete ich und schüttelte den Kopf. „Kaum bin ich ein paar Stunden in dieser Stadt, rede ich wieder komplett pathetisches und emotionales Blech...“
 

Kyle nickte nur mitfühlend und wieder versanken wir in Schweigen. Bis ich es wieder brach.
 

„Kyle?“
 

„Hmm?“
 

„Tust du mir einen Gefallen?“
 

„Kommt darauf an.“, antwortete Kyle grinsend.
 

So eine Stereotypische Antwort wie »Alles was du willst« hätte er nie gegeben und ich hätte ihn sicher in die nächste Klinik eingewiesen, wenn er es getan hätte.
 

„Ich will, dass du mir etwas versprichst...“
 

„Und was?“
 

„Wenn ich anfangen sollte, irgendwann in nächster Zeit, die Worte »Weist du, ich habe heute etwas gelernt« oder irgend einen anderen pathetischen Scheiß auszusprechen... Bitte schlag mich KO, fessel und knebel mich und fahre mit mir auf dem schnellsten Wege zurück nach L.A., ja?“
 

Kyle sah mich an, lächelte. Das Lächeln wurde breiter und breiter, wurde zu einem Kichern, das schließlich in ein kräftiges Lachen auswuchs. Kyle lachte und lachte und ich konnte sehen, wie ihn bereits Tränen vor lauter Lachen über die geröteten Wangen liefen. Ich grinste ebenfalls.
 

„Klar, Alter.“, japste Kyle schließlich nach einer ganzen Weile. „Ich verspreche es dir.“
 

Ich strahlte ihn an.

„Danke.“, entgegnete ich, während ich mich wieder der Straße zuwandte. „Hier irgendwo war doch der Parkplatz...“
 

Kurz darauf war der Wagen geparkt und wir liefen die altvertrauten Straßen entlang. Niemand erkannte uns, worüber ich wirklich froh war. Wir saßen eine Weile in einem kleinen Café, beobachteten die Leute um uns und schwiegen und größtenteils an. Irgendwann kam dann aber doch die Zeit, in der wir uns erhoben, bezahlten und zurück in die Kälte gingen.
 

Ich steh nur hier oben und sing mein Lied
 

Cartmans Haus kam in Sicht. Er wohne vermutlich immer noch bei seiner Mutter, verwunderte mich nicht weiter... Ich blickte noch einmal zu Kyle, der tief durchatmete und mir verdeutlichte, dass er OK sei.
 

Ich steh nur hier oben und sing Mein Lied
 

„Treten wir Cartman in seinen fetten Arsch.“, verkündete Kyle grinsend, während wir uns versteckten. Es dauerte nicht lange und Butters kam langsam in Sicht, wie er langsam auf das Haus zu lief.
 

Ich steh nur hier oben und sing Mein Lied



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