Zum Inhalt der Seite

Der Schreiber...

...legt seine Seele ins Tintenfass
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

042 Ablehnung

042 Ablehnung
 

Meine Beine sind bereits eingeschlafen. Ich habe sie nah an meinen Oberkörper herangezogen und sie mit meinen Armen umschlungen. So, als will ich sichergehen, dass sie mir keiner wegnimmt.

Das Sofa auf dem ich sitze und warte sinkt immer weiter ein, als würde es nach so langer Zeit in der ich mich nicht gerührt habe und einfach nur dasitze, keine Kraft mehr haben mich zu tragen. Ich warte förmlich darauf, dass es einbricht. Das wäre dann der absolute Höhepunkt meines ohnehin nicht mehr zu rettenden Tages.

Ein Seufzen entfährt mir und ich vergrabe mein Gesicht in den Armen. Nichts anderes als Reue ist in mir. Füllt mich aus. Vollkommen. Diese Schuld, die mich niederdrückt.

Hässlich.

Anfangs habe ich mir noch einreden können, dass ich betrunken gewesen bin. Nein, das habe ich mir nicht eingeredet. Das ist Fakt. Aber ich habe mich verzweifelt an den Gedanken geklammert, dass das eine Entschuldigung ist.

Für das.

Was passiert ist.
 

Der Wein rinnt meine Kehle hin. Es ist mein erstes Glas, vorher habe ich nur Cocktails getrunken. Sex on the beach.

Alles harmlos.

Ich schaue mich um.

Ich bin nicht alleine hier, jemand begleitet mich.

Wer?

Ein Gesicht taucht in meinen Gedanken auf. Verschwommen.

Ich betrachte das Glas. Es ist bis knapp zu Hälfte gefüllt. Der Wein schmeckt fürchterlich.

Ich mag keinen Wein. Und ich bin noch nicht betrunken genug, als dass ich ihn jetzt genießen könnte.

Glaube ich.

Ich schließe die Augen und kippe die Flüssigkeit einfach in mich hinein.

Dann stehe ich auf. Suche nach dem Toilettenzeichen.

Meine Beine stolpern los.

Der Boden wackelt. Als geht die Welt unter.

Einfach so.

Ich suche nach Halt.

Ich klammere mich an irgendeinen Arm, der mich vor einem Sturz bewahrt. Ich stolpere weiter. Durch die tanzende Menge.

Der Bass dröhnt.

Das Blut rauscht in meinen Ohren.

Mein Herz schlägt passend zum Beat.

Glaube ich.

Der Boden klebt.

Alles dreht sich.

Ich falle.
 

Wieder wandern meine Gedanken in Richtung einer Aspirin.

Diese Kopfschmerzen. Mein Hirn dröhnt, als hätte ich wochenlang Drogen genommen.

Dabei habe ich nur getrunken. Alkohol.

Ein paar Stunden.

Und dennoch zu lange.

Einfach zu viel.

Ich gönne mir keine Tablette. Ich habe es verdient zu leiden. Richtig zu leiden.

Bis er da ist. Und mir vergibt.

In meinem Magen rumort es, doch da ist nichts mehr, was ich erbrechen könnte. Dafür habe ich in der vergangenen Nacht einfach zu häufig die Kloschüssel umarmt.

In mir ist nichts. Gar nichts.

Nur Restalkohol und ein schlechtes Gewissen.

Eine unglaublich widerliche Kombination.

Was wenn nicht alles wieder gut werden würde?

Bei dem Gedanken daran wird mir übel. Das Gefühl ist noch intensiver als das, das mich bei dem Gedanken an Alkohol heimsucht.

Und bereits das ist zum kotzen.

Im wahrsten Sinne des Wortes.
 

Hände.

Hände, die mich auffangen.

Lichtblitze.

Musik.

Ein Gesicht, schiebt sich in mein Blickfeld. Unbekannt.

Sie lassen mich nicht los, die Hände fahren über meinen Körper. Ich will mich losreißen, doch so sehr ich mich bemühe, ich kann es nicht. Kann es einfach nicht.

Mein Körper gibt sich hin, beginnt zu tanzen.

Bewegt sich.

Bass.

Stimmung.

Schweiß.

Sie sind noch immer dort, die Hände. Doch sie stören mich nicht.

Nicht mehr.

Das Gesicht. Unbekannt.

Es kommt näher.

Alles dreht sich.

Atem.

Lippen.
 

Der Blick seines Mitbewohners liegt auf mir, ich weiß es genau. Ich kann es förmlich spüren.

Das nagende Gefühl in mir verstärkt sich immer mehr.

Er weiß, was passiert ist. Er hat mich gesehen.

Zusammen mit ihm.

Sie waren zufällig auch dort gewesen.

Sie waren da und haben mich beobachtet.

Sie waren dabei, als mich der Alkohol meine Prinzipien vergessen ließ.

Meine Erziehung.

Meine Liebe.

„Ich weiß nicht, wann er kommt“, höre ich ihn sagen. Ich ignoriere ihn, denn es ist völlig egal, wann er kommt.

Wichtig ist nur, dass ich mit Kopfschmerzen, ohne Aspirin und voller Reue und Verzweiflung auf seinem Sofa sitze und auf ihn warte.

Um mich zu entschuldigen.

Auch wenn es noch Tage dauern würde, bis er zur Tür hereinkam. Ich würde hier sitzen.

Und betteln.

Um Vergebung.

Tränen brennen in meinen Augen, doch ich gebe mein Bestes sie nicht zu weinen. Man soll nicht um Dinge weinen, die noch gar nicht verloren sind. Hat meine Oma gesagt.

Noch nicht verloren.

Noch.

Das Sonnenlicht, das durchs Fenster scheint wird immer schwächer und ich ignoriere das Ticken der Uhr.

Versuche, die Sekunden nicht weiter zu zählen.
 

Verlangen.

Es brennt in mir.

Gier, die mich auffressen will und dieser unglaubliche Durst in meiner Kehle.

Lippen. Haut. Zunge.

Blicke.

Auf einmal liegen sie auf mir. Seltsam schwer.

Ich kämpfe wieder darum mich loszureißen.

Unbehagen. Dann sehe ich ihn.

Wie er am Rand der Tanzfläche steht und mich dabei beobachtet.

Wie ich ihn betrüge.

Mit diesem harten Gesichtsausdruck schaut er mich an.

Schaut mich einfach nur an.

Ich versinke.
 

Eine Hand streicht mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht.

Ganz vorsichtig und schüchtern.

Ich sehe auf und blinzle den Schlaf aus meinen Augen.

Er ist da.

Steht vor mir und sieht mich an.

Seltsam. Wie er mich noch nie angesehen hat.

„Ich…“, setze ich an, doch sein leichtes Kopfschütteln lässt mich verstummen. Sein Blick ruht auf mir. Blaue Augen.

Wie das Meer. Oder der Himmel.

Traurige Augen.

Ein trauriges Lächeln.

Die Uhr springt auf halb elf.

„Geh nach Hause“, flüstert er.

Noch trauriger.

„Ich…“, setze ich erneut an, doch er unterbricht mich.

„Bitte. Geh einfach nach Hause.“

Noch ein kurzer Blick. Eine hilflose Geste mit seinen Händen.

Dann dreht er sich um. Und geht.

In sein Zimmer.

Ich lausche. Stumm.

Eine Träne rinnt über meine Wange.

Der Schlüssel in der Tür dreht sich. Ich kann es hören.

„Es tut mir Leid“, murmele ich.

Ganz leise.

Eine zweite Träne sucht sich ihren Weg.

Ich kann es spüren.

Dann eine dritte.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück