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Der Schreiber...

...legt seine Seele ins Tintenfass
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036 Kunst

Thema 036
 

Kunst
 

Das kleine Kind griff nach einem Wachsmalstift und nahm ihn unbeholfen in die Hand.

Niemand hatte ihm bis jetzt gezeigt, wie man solche Dinge am besten hielt, um mit ihnen möglichst gut auf dem dünnen Papier, das vor ihm lag, malen zu können.

Unsanft drückte es die bunte Spitze auf das Weiß und schrie auf, als es den Stift wieder wegnahm und ein roter Fleck darauf zurückblieb. Überwältigt betrachtete es das Rot und versuchte schließlich erneut sein Glück.

Ein zweiter roter Fleck, dieses Mal etwas weiter oben.

Wieder jubelte das Kind so begeistert, als hätte es eben den Sinn seines Lebens gefunden. Schließlich griff es nach einem neuen Stift. Er war grün, aber das war irrelevant, denn Farben sagten ihm noch nichts. Natürlich konnte es sie unterscheiden, wusste durchaus, dass gelb anders aussah als blau, doch wer braucht in einem solchen Alter schon Begriffe für all die wunderlichen Dinge um einen herum.

Das Kind wusste auch, was ein Schmetterling war, dass er bunt war und im Sommer durch den Garten flog und dennoch konnte es mit den Wörtern Schmetterling, bunt und Sommer nichts das Geringste anfangen. Mit seinen anderthalb Jahren gab es viel faszinierende Dinge als das Aneinanderreihen von Lauten, um die unbegrenzte Schönheit irgendwelcher Gegenstände in einfache, stumpfe Silben zu pressen, die nicht ansatzweise in der Lage waren, ein Bild der Wirklichkeit zu malen.

Nicht so schön, wie das Kind es konnte. Mit den blauen, grünen und roten Wachsmalstiften, die es so unbeholfen auf das Papier drückte, dass jeder Erwachsene, der es gesehen hätte, sofort zu ihm geeilt wäre, um ihm zu helfen. Um ihm zu erklären, dass es einen Kreis ausmalen musste. Ihm zu sagen, dass eine Sonne nicht blau und lang, sondern rund und gelb war. Ihm zu zeigen, wie es die Wirklichkeit auf das Papier bannen konnte.

Aber es war niemand der, der ihm hätte helfen können.

Es war niemand da, der hätte sehen können, dass das Kind keinerlei Hilfe bedurfte.

Dass es glücklich war mit dem, was es im Begriff war zu schaffen. Die vollkommene Überraschung und Zufriedenheit, die es erfüllte und die es noch nicht in Worte fassen konnte, wenn es den Stift auf das Papier drückte und einfach einen bunten Punkt hinterließ.

Niemand konnte nachvollziehen, wie es sich so sehr über einen einfachen, nicht einmal gerade gezeichneten Strich freuen konnte, der über das Papier hinausragte und auf dem Küchentisch fortgesetzt wurde.

Und dennoch ging das Kind in seiner Welt auf, war glücklich mit den Farben um sich herum, die es benutzten konnte, wie es wollte. Freute sich über das Papier, das es nach belieben gestalten konnte, ganz so, als wäre es eine eigene Welt aus bunten Dingen, die von ihm allein erschaffen wurde. Es war zufrieden mit sich und seiner Kunst, die aus ihm herausströmte, wie Wasser einen Fluss entlang und die von niemandem gebremst wurde, der dem Kind sagen konnte, dass eine Sonne gelb war.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  -Moonshine-
2011-04-10T10:26:02+00:00 10.04.2011 12:26
Diese Geschichte kenn ich schon und habe ich auch schon kommentiert, wie ich sehe. Ich bin immer noch derselben Meinung wie vor einem Jahr.
Du hast einen sehr schönen Moment eingefangen. Wie mit einem Fotoapparat, nur mit Gefühlen und Bewegung und allem drum und dran.
Das Kind, vollkommen unbeobachtet und vertieft in sein Tun, wundervoll. Und dann diese kleinen Erfolgserlebnisse, die es (und uns alle) motivieren, weiterzumachen. Wahre Worte, wahre Worte...

Allerdings muss ich dir in einem widersprechen. Der letzte Satz - er ist wahr und falsch zugleich. Kinder versuchen immer die Realität darzustellen in dem, was sie tun. Ihre Umwelt beschäftigt sie und in alle, was sie tun, versuchen sie das auszudrücken. Sie spielen beispielsweise Rollenspiele über Doktorbesuche, wenn sie beim Doktor waren oder malen Bilder über Osterhasen, wenn Ostern ansteht. Es ist ihre Art, sich auszudrücken, und es ist erstaunlich, aber so, wie sie die Realität einfangen, so ist sie wirklich. Deshalb ist es nicht nötig, dem Kind zu sagen, dass eine Sonne gelb ist - das sieht es von ganz alleine und es wird die Sonne auch gelb malen, es sei denn, da stimmt etwas nicht mit ihm (zB Kinder, die viel psychischen Stress durchmachen oder durchgemacht habe, benutzen oft die Farbe schwarz für alles usw).
Andererseits aber erschaffen sie sich auch ihre eigene Welt und haben Spaß daran, Dinge fantasievoll zu gestalten. Das machen sie aber dann bewusst, meistens dann, wenn sie wissen, dass das von ihnen verlangt wird.
Trotzdem gefällt mir dein letzter Satz. Er sagt natürlich viel mehr aus als nur etwas über das Kind - es geht um Unabhängigkeit und Freiheit, etwas zu tun. Das hab ich schon verstanden. Und das brauchen Kinder auch - ein bisschen Freiheit, ein bisschen Selbstständigkeit, damit sie zu gesunden Erwachsenen heranwachsen, die überlebensfähig sind in dieser Welt. ^^
Das war's eigentlich hierzu. Wahrscheinlich konnte ich dir hier nicht großartig weiterhelfen, aber das liegt daran, dass mir die Story sehr gut gefällt und ich eigentlich nichts zu kritisieren habe. ^^
Von:  -Moonshine-
2010-05-08T14:17:54+00:00 08.05.2010 16:17
Hallo hallo, here I go again.

Ich liebe Geschichten mit/über Kinder. Sie sind so schön wahr und alltäglich, und es ist immer toll, so etwas zu lesen.
Unter dem Titel "Kunst" hab ich mir jetzt was Anderes vorgestellt, aber ich glaube, das, was du geschrieben hast, gefällt mir noch 1000 Mal besser. ^^

Hier ein paar Entdeckungen, die ich gemacht habe. XD

"Ein zweiter rote Fleck, dieses Mal etwas weiter oben."
-> Da fehlt ein R
"Er war grün, aber das war unrelevant"
-> es heißt "irrelevant" ^^
"Das Kind wusste auch, was ein Schmetterling war, das er bunt war"
-> "dass" mit zwei s

So. Jetzt musste ich ein bisschen klugscheißen, weil man ja sonst nichts an deiner Geschichte/Schreibstil/Grammatik/Rechtschreibung kritisieren kann, und so kommt mir mein Kommentar nicht ganz so sinnlos vor. *lach*

Und was den Inhalt angeht... Als ich das gelesne habe, musste ich an "meine" Kinder bei der Arbeit denken. Wie sie da immer sitzen und ganz konzentriert malen (irgendwas, was man nciht erkennen kann), und immer, wenn man ihnen helfen will (also den ganz kleinen), reißen sie einem den Stift aus der Hand und wehren einen regelrecht ab. *lach*
Das ist so süß, dass für sie alles einen Sinn ergibt, in diesem Gekrakel, das wir nicht mal entziffern können.
*_* Du hast einen tollen Moment eingefangen.

LG
Eli


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