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Der Schreiber...

...legt seine Seele ins Tintenfass
von

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033 Konfrontation

Thema 033
 

Konfrontation
 

Stumm legte der Polizist drei Fotos auf den Tisch. Sie waren groß, größer als normale Fotos, so dass das Grauen darauf einem ins Gesicht geschleudert wurde, ob man wollte oder nicht.

„Vielleicht erkennen Sie nicht genau, was es ist. Wir haben auch eine ganze Weile gebraucht, bis wir das Geschlecht identifizieren konnten, so verstümmelt war die Leiche.“

Dem Polizist gegenüber saß ein Mann. Seine Haare lichteten sich und sein Gesicht war von vielen Falten durchzogen. Ihm war anzusehen, dass er kein einfaches Leben gehabt hatte, dass er wahrscheinlich viel Leid hatte ertragen müssen. Er griff nach einem der Fotos und betrachtete den darauf sichtbaren seltsam verrenkten Körper, der aus unzähligen Wunden geblutet zu haben schien. Die Hände zitterten leicht und schließlich ließ er es einfach wieder fallen und versuchte wegzuschauen.

Der Polizist aber kannte keine Gnade. Er zog ein weiteres Bild aus seinem Aktenordner und legte es auf den Tisch. Dies Mal war keine Leiche zu sehen, sondern ein kleines Mädchen. Lange blonde Haare und ein freundliches, kindliches Lächeln, das jeden dazu brachte, sie sofort ins Herz zu schließen.

„Das ist Angelika Forster. Das letzte Mal wurde sie am fünften Juni auf dem Spielplatz im Stadtpark gesehen. Kennen Sie das Mädchen?“

Der Angesprochene schüttelte den Kopf, blieb aber stumm, als würde er es seine Stimme nicht zutrauen ein vernünftiges Wort aus sich heraus zu bringen.

„Sind Sie sicher, dass Sie sie nicht kennen?“, fragte der Polizist noch einmal, eindringlicher, schärfer.

Der Mann schaute auf und schluckte. Dann öffnete er den Mund und sagte leise:

„Doch, ich kenne sie. Angelika ist die Enkeltochter von Markus Forster. Sie wohnen an der oberen Straßenecke. Ich glaube, er zieht sie groß.“

Dann schwieg er wieder.

„Anhand von den Haaren konnten wir das Mädchen, das wir im Wald gefunden haben als Angelika Forster identifizieren. Sie hat dort etwa vier Tage gelegen, ist also seit knapp einer Woche tot. Wissen Sie, wer Grund gehabt hätte das Kind umzubringen?“

Der Gefragte schüttelte den Kopf.

„Nun gut“, fuhr der Polizist fort und zog ein paar Blatt Papier aus dem Ordner. „Obwohl es geregnet hat, während die Leiche so einsam in der Gegend herumlag, haben wir es geschafft einige Fingerabdrücke zu nehmen.“

Er sah auf und nahm den alten Mann genau ins Visier.

„Unter anderem Ihre, Herr Mender. Können Sie mir erklären, wie Ihre Fingerabdrücke auf die Kette und die Schuhe des Mädchens gelangen konnten?“

„Sie hat mir die Kette vor ein paar Wochen einmal gezeigt.“

„Und die Schuhe?“

„Ich habe ihr gezeigt, wie man eine Schleife bindet. Sie war doch erst sechs.“

Der Polizist legte eine Kunstpause ein, nippte an seinem Kaffee und richtete seine Aufmerksamkeit letztendlich wieder auf sein Gegenüber.

„Wir haben versucht die Tat zu rekonstruieren. Angelika ist morgens wie immer zur Schule gegangen. Nachmittags war sie dann mit einer Freundin verabredet, mit deren Mutter sie in den Park gegangen ist. Laut Aussage dieser Frau, war das Kind dann auf einmal verschwunden. Wir vermuten, dass sie jemanden getroffen hat, denn sie kannte. Jemanden, dem sie vertraute. Haben Sie vielleicht eine Idee, wer das gewesen sein könnte?“

Der alte Mann hatte die Hände im Schoss zusammengefaltet und starrte nach unten, während er den Kopf schüttelte. Er war Mitte siebzig und seit zehn Jahren Witwer. Sein Sohn und dessen Frau waren vor drei Jahren bei einem schweren Autounfall ums Leben gekommen.

„Mit diesem Bekannten ist sie schließlich weggegangen. Wahrscheinlich hat er sie dazu überredet, ihrer Freundin nicht bescheid zu sagen und einfach mitzukommen. Außerdem hat er ihr Schokolade geschenkt um sie endgültig zu überzeugen. Wir konnten sie in ihrem Magen und außerdem an ihren Zähnen finden. Unsere Spezialisten haben sogar herausgefunden, um welche Marke es sich handelt. Ihre Lieblingssorte, was wieder darauf hinweißt, dass ihr der Mann, den sie dort getroffen hat, nicht unbekannt war.“

Mit einer geschickten Handbewegung schob der Polizist die Fotos noch näher an den Mann heran, so dass er gezwungen war sich die kleine Kinderleiche anzusehen.

„Sobald sie alleine waren, hat der Mann ein Messer gezückt. Anhand der Wunden können wir sagen, dass er wie ein Verrückter und voller Wut auf das unschuldige Mädchen eingestochen haben muss. Er war völlig von Sinnen und hat sie anschließend einfach weggeworfen, als wäre sie ein Stück Dreck.“

Der Befragte begann leicht zu zittern.

„Warum sind Sie am Tatort aufgetaucht, als wir das Mädchen gefunden haben? Warum waren Sie ausgerechnet in einer so einsamen Gegend spazieren?“

Der alte Mann schwieg und der Beamte beugte sich nach vorne.

„Ich erzähl Ihnen jetzt, warum ihre Fingerabdrücke auf der Kette und den Schuhen waren, Herr Mender, einverstanden? Sie mochten Angelika, sie war ein nettes Mädchen aus der Nachbarschaft, dem sie immer zugewinkt haben, wenn es auf dem Fahrrad die Straße herunterfuhr. Aber ihren Großvater mochten sie nicht. Sie hassen Markus Forster nahezu.“ Der Polizist lehnte sich zurück.

„Ist es richtig, dass Sie seit dem Tod ihres Sohnes das Sorgerecht für ihre Enkeltochter hatten?“

Der Mann nickte.

„Und ist es auch richtig, dass sie unter bis heute nicht geklärten Umständen vor knapp anderthalb Jahren verschwunden ist und Markus Forster aufgrund stichhaltiger Beweise lange der Hauptverdächtige in diesem Fall war?“

Dieses Mal reagierte der Rentner gar nicht. Sein Blick ruhte auf dem Bild von Angelika, die noch immer so unbekümmert von dem Papier herunterlachte, obwohl sie bereits sei drei Tagen in der Leichenschauhalle lag.

„Er ist freigesprochen worden“, gab Herr Mender schließlich sachlich zur Antwort und schaute auf.

„Genau“, stimmte der Polizist zu. „Und zwar vor ziemlich genau drei Wochen. Das ist noch nicht sonderlich lange her und trotz der Freispruchs sind Sie der festen Überzeugung, dass er etwas mit dem Verschwinden der Ihnen anvertrauten Enkeltochter zu tun hat, richtig?“

Der Angesprochene schwieg wieder.

„Wir haben bei der Durchsuchung ihrer Wohnung eine Packung der Schokolade gefunden, die Angelika so gerne gemocht hat. Ein Stück fehlte. Warum hatten Sie die Schokolade im Haus?“

„Ich esse sie auch hin und wieder.“

„Nein, das tun Sie nicht. Sie leiden seit Jahren an diversen Krankheiten, unter anderem einer Laktoseintoleranz, Sie dürfen keine Milchprodukte essen.“

Schweigen.

„Am Tag von Angelikas Verschwinden, haben Sie sich ein Stück der Schokolade, die sie extra gekauft haben, in die Tasche gesteckt und sind zum Spielplatz gegangen. Dort haben Sie das Mädchen abgefangen, ihm die Süßigkeit geschenkt und sie überredet mit Ihnen spazieren zu gehen. Währenddessen ist ihr ein Schuh aufgegangen, den Sie wieder zugebunden haben. Als das Kind allerdings nach einer Weile wieder zurückwollte, da es Angst hatte, dass man sich Sorgen um sie macht, haben Sie sie abgelenkt, in dem Sie sie gefragt haben, woher sie die Kette hat, die sie trägt. Da das Kind das Schmuckstück in ihrer Bastelgruppe selbst angefertigt hat, hat sie es Ihnen voller Stolz gezeigt.“

Eine kurze Pause.

„Als Sie schließlich mit dem Mädchen alleine waren, haben Sie sich vorgestellt, wie Sie immer mit ihrer eigenen Enkeltochter spazieren gegangen sind und wie Sie es immer noch tun würden, wenn sie nicht verschwunden wären. In diesem Moment sind Sie unglaublich wütend geworden, wütend auf die Welt, aber im Besonderen auf Markus Forster, den sie bis heute für den Schuldigen halten.“

Wieder eine Pause.

„In diesem Moment konnten Sie sich nicht mehr zurückhalten, nicht wahr? Sie haben einfach alles raus gelassen, Sie wollten diesem Dreckskerl zeigen, wie es ist, wenn man alles verliert, nicht wahr?“

Die Stimme des Polizisten wurde immer leiser immer eindringlicher. Der alte Mann wehrte sich nicht, er hörte einfach nur zu und starrte auf seine Hände.

„Irgendwann sind Sie dann wieder zu Bewusstsein gekommen und haben gesehen was Sie getan haben, haben gesehen, dass Sie einfach immer und immer wieder auf das arme Nachbarsmädchen, das Sie immer so an ihre Enkelin erinnert hat, eingestochen haben. Aus Ekel und Angst vor sich selbst, haben Sie die Leiche ins Gebüsch geschmissen und verschwunden, war es nicht so?“

Stille.

Erdrückende Stille.

Der Mann atmete lauter.

„Und als Sie dann zu Hause waren haben Sie versucht das ganze zu vergessen, doch Sie konnten es nicht. Sie haben immerzu daran denken müssen, sind mitten in der Nacht schweißgebadet aufgewacht und haben angefangen sich selbst zu verachten, für das, was Sie dem armen Mädchen angetan haben. Und irgendwann ist es dann zu schlimm geworden, Sie sind aufgestanden und sind wieder zu ihr gegangen. Ihr schlechtes Gewissen war, weil Sie sie nach der Tat einfach weggeworfen haben, ist einfach zu groß geworden. Sie wollten wenigstens etwas wieder gut machen, indem Sie sie liebevoller behandeln. Deswegen hatten Sie auch die Decke und den Waschlappen dabei, als wir Sie getroffen haben. Es war kein Zufall, wie Sie sagten. Sie wollten das Blut von dem Mädchen abwaschen und in die Decke einwickeln, um sie nicht einfach so dort liegen zu lassen. Aber es war zu spät, nicht wahr?“

Der Mann antwortete noch immer nicht.

Kein Wort der Verteidigung brachte er hervor, während er auf die Bilder starrte, die ihm das Grauen vor Augen führten. Aber der Polizist musste keine zustimmenden Worte hören, die Tränen der Verzweiflung und der Reue, die über die Wange des alten liefen und schließlich auf eines der Fotos tropften, waren Antwort genug.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  SakuraxChazz
2010-01-31T18:39:27+00:00 31.01.2010 19:39
Das ist ein wirklich schönes Kapitel^^
Also der Titel passt da wirklich gut. Besser hätte ich es auch nicht machen können. Einfach fabelhaft. Der Stil ist wirklich toll *.*
Und das mit dem Mord finde ich wirklich gut. Also das passt echt gut mit dem Verhör.
Wie der Polizist fragt und Herr Mendner nicht antwortet.. und dann das Ende T.T
Also wirklich gute Arbeit^^ Nur weiter so^^

LG SakuraxChazz


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