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Drachenherz

Zusammenarbeit von Ulysses und Alaska
von

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Neue Feinde - neue Freunde

Titel: Drachenherz

Teil: 1/9

Autor: Ulysses und Alaska

Genre: Fantasy, Shounen-Ai
 

Kommentar: Endlich die versprochene Drachengeschichte von Ulysses und mir. Wie alle unsere Geschichten ist sie einem RPG entsprungen. Wir hoffen, sie gefällt euch und ihr schreibt fleißig Kommis ^_^

Noch eine kleine Anmerkung von mir: wenn ihr Kommis schreibt, tut das doch bitte im Plural, denn wir sind ZWEI Autoren und es ist dem anderen Part gegenüber ungerecht, wenn es immer heißt: "deine FF finde ich..." Das lag mir noch auf dem Herzen, aber jetzt viel Spaß beim Lesen ^^
 


 


 

Neue Feinde, neue Freunde
 

Stunden vergingen, in denen nichts geschah. Eris Hände schliefen langsam ein, da die Fesseln zu straff gezogen waren. Außerdem schmerzte die gestreckte Haltung, seine Hände waren über dem Kopf befestigt, damit er auch ja hilflos war und sich nicht wehren konnte.

Es blieb ihm genug Zeit, um noch einmal über sein bisheriges, so kurzes, Leben nachzudenken. Bis jetzt war er eigentlich glücklich gewesen, denn sie hatten nie Hunger leiden müssen oder waren in einen Krieg geraten. Aber wer griff schon ein Dorf an, das unter dem Bann eines solchen Monstrums lebte?

Alles war wundervoll gewesen, auch wenn man ihn in der Schule so manches Mal für seine Haarfarbe gehänselt hatte, doch er hatte seine zwei jüngeren Geschwister, die immer zu ihm gehalten hatten. Je länger er über sie nachdachte, desto unerträglicher wurde das Warten. Verdammt, er wollte nicht sterben! Er wollte nur glücklich sein, wie jeder andere Mensch auch!

Es dämmerte bereits, als sich am Horizont etwas bewegte. Zuerst war es nur ein schwarzer Punkt, doch er kam beständig näher, bedrohlich wie eine Gewitterfront. Bald konnte man die Schatten von kräftigen Flügeln erkennen, sicherlich über vierzig Meter Spannweite.

Eri sah dem Monster entgegen, mit stolzem Blick. Er hatte sich geschworen nicht zu schreien, kein Laut sollte über seine Lippen kommen. Er hatte zwar Angst, schreckliche Angst, aber er würde dieser Bestie nicht die Genugtuung verschaffen und es zeigen.

Als das Biest näher kam, konnte der Junge auch den mächtigen an die 60 Meter messenden Körper erkennen. Die schwarzen Schuppen glänzten im roten Abendlicht, als wären sie mit Blut bespritzt, und gaben dem Ungetüm ein noch gefährlicheres Aussehen. Der glatte Rücken führte zu einem langen Schwanz, dessen Ende mit vier spitzen Dornen besetzt war. Sie hoben sich mit ihrem dunklen Grau genau wie auch die Klauen deutlich vom Rest des Körpers ab. Selbst der Kopf besaß große Hörner, die ihn wie ein Kranz umgaben. Doch am eindrucksvollsten war das dunkelrote Horn auf der Schnauzenspitze. Die Farbe von glimmender Asche und Blut.

Die Luft wurde durch die riesigen Schwingen aufgewirbelt, Staub und Erde flogen durch die Gegend und nahmen Eri die Sicht. Der Boden bebte, als das Monster aufsetzte und die Krallen sich in die Erde bohrten. Ein ohrenbetäubendes Brüllen ertönte, dann wurde es still und zwei giftgrüne Drachenaugen starrten den Jüngling an.

Eris Atem beschleunigte sich, seine Augen brannten vom Staub. Er schaute in die Augen des Monsters, sah die Fänge, das große Maul.

„Mach schon...“ presste er zwischen den Zähnen hervor. „Mach und bring es zu Ende.“ Bevor er selbst den Mut verlor und begann zu betteln. Seine Beine waren wackelig, der Zug auf seine Handgelenke wurde immer stärker. Trotz der Kraft, die er aufzubringen versuchte, legte sich kalte Todesangst um sein Herz und er hoffte, dass sein Ableben in den Klauen dieser Bestie schnell und schmerzlos war.

Das riesige Maul näherte sich ihm und hielt so dicht vor seinem Gesicht, dass er die Wärme und den Atem auf seiner Haut spüren konnte. Dann schnaubte der Drache einige Male, als würde er an ihm schnüffeln und hob erneut den Kopf zu einem Brüllen. Die Klauen scharrten über die Erde und hinterließen tiefe Furchen.

Eri biss sich so fest auf die Lippen, dass sie anfingen zu bluten. Er wollte nicht schreien. Er würde keinen Laut von sich geben. Niemals! Niemand sollte ihn um sein Leben brüllen hören!

Er hielt seine Augen weiterhin starr auf den Drachen gerichtet.

Dessen Nüstern begannen zu zittern und er senkte sein Haupt, dieses Mal direkt an das Gesicht. Er hatte das Blut gerochen. Eine große, aber überraschend wendige Zunge fuhr dem Jungen über Mund und Nase. Der Drache gurrte leise und schien zufrieden. Die glühenden Augen waren weiterhin auf Eri gerichtet, während das Monstrum eine Pranke ausstreckte und mit Leichtigkeit den Pfahl umstieß.

Das Holz riss den Jungen mit sich zu Boden. Nun schloss er die Augen. Er hatte sie sogar offen gelassen, als der Drache ihn abgeleckt hatte, aber jetzt konnte er es nicht mehr. Eri erwartete die Dunkelheit des Todes, am ganzen Körper zitternd.

Doch er hörte nur Knirschen und Krachen. Das Holz zerbarst und seine Hände waren frei. Allerdings konnte er sich nicht lange darüber freuen, denn der Drache beugte sich über ihn und öffnete das Maul. Die großen Zähne hoben ihn vom Boden auf. Dann ging ein Ruck durch das Ungetüm und kalte Luft begann zwischen der geöffneten Schnauze über ihn zu ziehen.

Eri riss die Augen auf. Er steckte im Maul des Monstrums, aber dieses hielt ihn ebenso vorsichtig wie eine Katze ihre Jungen. Er konnte die großen Zähne berühren, spürte die feuchte Zunge.

Unter ihm, so weit unten, raste die Erde vorbei, zerklüftete Berghänge, Wälder, Flüsse. Was sollte das? Warum schleppte ihn die Bestie weg statt ihn sofort zu fressen?

Die Umgebung wurde immer dunkler durch das schwindende Tageslicht. Der Drache brachte Eri in bergigeres Gebiet. Er steuerte direkt auf eine große Felsformation zu, die von einem dichten Wald umgeben war, der sich über Meilen in alle Richtungen erstreckte.

Die Erschütterung bei der Landung rüttelte den Jungen ordentlich durch, doch dann wurde er plötzlich fallen gelassen und landete in warmem Wasser. Es war ein kleiner Teich, der anscheinend von einer unterirdischen heißen Quelle gespeist wurde und an einer Stelle nahe der Felswand über eine natürliche Rinne ablief, sobald zuviel Wasser in das Becken strömte. Das kleine Bächlein floss fort in den Wald.

Prustend kam Eri wieder an die Oberfläche, sein Haare klebte an seinem Kopf. Bunte Schlieren zogen sich durch das angenehme Wasser, die Farbe von seiner Haut hatte sich abgewaschen.

Der Drache ließ sich auf allen Vieren niedersinken und legte den Kopf schief. Die Augen wirkten überraschend intelligent, nicht wie die einer Bestie. Er war vollkommen friedlich.

Eri krabbelte mühsam aus dem Wasser und sah sich um. Was sollte das alles hier? Keine Berge von Knochen, kein Geruch nach Blut und Tod. Und der Drache schien ihn nicht einmal fressen zu wollen.

„Was tust du da?“ fragte er die Echse, obwohl sie ihn ja nicht verstand. „Warum quälst du mich so? Bring es doch endlich zu Ende!“

Der Drache gab ein schnaubendes Geräusch von sich, als würde er seinen Gefangenen auslachen. Der riesige Kopf senkte sich und legte sich flach vor dem Jungen auf den Boden. Plötzlich wirkte er nicht mehr so furchteinflößend, sondern erinnerte ein wenig an einen jungen Hund.

Eris dunkelgrüne Augen wanderten über das mächtige Haupt, er war einen Schritt zurückgewichen. „Was soll das?“

Leises Gurren erklang und der Drache kroch näher.

Eri wich ruckartig zurück und fiel dabei hin, unsanft landete er auf seinem dürftig bedeckten Hintern und kroch noch ein Stück weiter.

Der Drache machte es ihm nach. Sein Schwanz pendelte dabei freudig hin und her, wobei er die umstehenden Bäume umriss ohne es zu merken.

„Friss mich endlich, du Monster!“ Eri krallte sich in den Boden. Das konnte doch nicht wahr sein, er fühlte sich wie eine Maus, die zum Spielball der Katze wurde.

Nun stand der Drache wieder auf und sah Eri lange reglos an. Seine Augen schienen ihm etwas sagen zu wollen, doch letztlich schüttelte die Echse nur den Kopf und drehte sich Richtung Höhleneingang um.

„Was soll das?! Bei allen Göttern! Warum tust du Untier mir so etwas an?!“ Erwartete er wirklich eine Antwort?

Nun ruckte der mächtige Kopf wieder zu ihm herum und der Drache knurrte bedrohlich. Sein Schwanz peitschte nun wild und rasierte Reihenweise die Baumkronen ab. Mit einem Brüllen streckte er eine Pranke nach Eri aus und schubste ihn zum Höhleneingang. Für den Jungen war die Wucht natürlich hundertmal größer und er flog durch die Luft. Nun entfuhr Eri doch ein Schrei, er schlug hart am Eingang der Höhle auf, seine Arme überzogen blutige Striemen, dort wo sie über das Gestein geschrammt waren.

„Verdammte Bestie.“ knurrte er.

Das Stampfen des Drachen ließ die Erde erzittern. Er trieb den Jungen tiefer in die Höhle und legte sich dann in den Weg, so dass dieser nicht mehr zurück konnte.

Tiefer in der Grotte flackerte Licht. War dort jemand?

Eri entfernte sich von seinem Bewacher und wanderte auf das Licht zu. Er wusste allmählich gar nichts mehr. Noch heute Morgen war er sicher gewesen, vor der Abendröte nicht mehr auf dieser Welt zu sein, und nun?

Der große Gang endete in einer kleineren Höhle. Es war eine Sackgasse, von hier führte kein Ausweg weiter. Nur oben an den Seiten war Gestein herausgebrochen, so dass Licht hinein fallen und die Luft zirkulieren konnte. Ansonsten erinnerte alles an einen Wohnraum. Es gab ein Bett, das mit dicken weichen Fellen ausgelegt war. Diese bedeckten ebenfalls Teile des Bodens. Ein Tisch mit zwei Stühlen, Schränke und Regale an den Wänden rundeten das Bild ab. Es ließen sich sogar Vasen mit hübsch arrangierten Blumensträußen finden.

An den Wänden hingen Halter mit Fackeln, die ein gedämpftes Licht verbreiteten.

„Ich verliere meinen Verstand, das muss es sein.“ Eri ging langsam in die Wohnstatt hinein, erwartete schon, dass sich jeden Moment all das als Trugbild entpuppen und er nur noch einen Haufen menschlicher Gebeine vor sich sehen würde. Aber nichts davon geschah.

Was hatte dieser Drache denn mit ihm vor? Ihn als Haustier halten?

Das Untier war weiter in den Gang gekrochen, so dass es Eri beobachten konnte. Die Wohnhöhle konnte es nicht betreten, dazu war es zu groß, doch der Kopf passte durch den Eingang. Aufmerksam verfolgte der Drache die Bewegungen des Menschen und schnaubte leise.

Eri strich sich seine langsam trocknenden Haare aus dem Gesicht.

„Was erwartest du? Dank?“ Und was erwartete er? Etwa immer noch eine Antwort?

„Was soll das hier? Soll ich noch etwas mein Leben genießen, bevor du mich zerfleischst?“

Der Drache schüttelte angedeutet den Kopf, als habe er verstanden. Leise gurrte er und kroch noch etwas näher. Dabei kratzte der Dornenkranz an der Decke über den Stein und riss einige Brocken heraus.

Eri wich einem aus. „Was soll das?!“ Allmählich wurde er wütend. „Ich bin dein Opfer! Du musst mich fressen! Quäl mich nicht länger! Bitte!“ Er sank direkt vor dem Drachen auf die Knie und schloss die Augen. „Bitte...“

Es blieb still, bis wieder das leise schürfende Geräusch erklang, als sich die Echse aus dem Gang zurückzog und weiter vorn wieder hinlegte. Eri bekam keine Antwort. Wie auch? Ein Drache konnte nicht reden.

„Verdammte Bestie!“ fluchte der Junge. Er zitterte. Das war ein Albtraum. Schließlich zog er sich zurück und rollte sich auf dem Bett zusammen, kauerte sich möglichst eng hin und hoffte, dass er bald erlöst würde.
 

Doch es kam anders, als Eri gedacht hatte. Der Drache war überraschend freundlich zu ihm. Er wurde nur wütend, wenn der Junge es auch wurde. Ansonsten hätte Eri sich in unmittelbarer Umgebung aufhalten, baden oder – in Drachenbegleitung – durch den Wald streifen dürfen. Das wusste und wagte der Rotschopf allerdings nicht und so verhielt er sich weiterhin wie das todgeweihte Opfer eines Monsters.

Nach einer Woche erwachte er morgens und war allein. Der Drache war nirgends zu sehen, auch vor der Höhle nicht. Manchmal hatte er sich oben auf den Felsen versteckt, um Eri zu erschrecken, aber selbst dort war er nicht.

Der Junge überlegte angestrengt, was nun zu tun war. Sollte er eine Flucht wagen? Warum auch nicht? Wenn er es nicht tat, würde er hier weiter schmoren und wenn er es tat, wäre er endlich frei. Oder tot. Beides besser als gefangen.

Also nahm er, trotz seiner spärlichen Bekleidung und der nackten Füße, die Beine in die Hand und rannte in den Wald. Immer weiter weg von diesem verfluchten Plateau. Seine Lungen brannten und ihm brach der Schweiß aus. Weit würde er nicht mehr kommen, er war kein ausdauernder Jäger wie sein Bruder, ihn hatte es immer zu den schönen Künsten gezogen und die trainierten nicht den Leib.

Plötzlich öffnete sich der Wald vor ihm und er stand auf einer Lichtung. Vor einer kleinen Hütte!

Niemand war zu sehen, doch der sorgsam gepflegte Garten und die sauberen Fenster wiesen darauf hin, dass sie bewohnt war. Aus dem Schornstein stieg sogar Rauch auf.

Eri schlich näher. Er hatte Angst, aber hier wohnte sicher kein Drache, sondern ein Mensch. Vorsichtig näherte er sich der Tür und klopfte.

„Es ist niemand da.“ ertönte eine sanfte Stimme hinter ihm.

Eri fuhr herum und prallte mit dem Rücken gegen das Holz, er war zu Tode erschrocken, seine Nerven lagen blank.

„Huch, ganz ruhig, junger Freund.“ lachte der Mann und setzte den Korb mit Äpfeln ab, den er im Arm trug.

„Es droht dir hier keine Gefahr.“

„Ihr müsst mir helfen! Bitte!“ Eri fiel vor dem Mann auf die Knie. „Bitte, helft mir!“

Verwundert blickte der Fremde auf ihn herab und sah sich um, ob irgendwo feindliche Angreifer versteckt waren, die ein solches Verhalten rechtfertigten.

„Aber was ist denn passiert? Komm doch erst einmal herein. Möchtest du etwas essen? Ich habe gerade frische Äpfel gepflückt.“

„Der Drache! Diese Bestie da im Wald! Er...“ Eri sah sich um, vielleicht war das Untier schon auf dem Weg. „Lasst mich bitte ins Haus! Ich tue alles für Euch!“ Sein Stolz war im Moment nur eine wage Erinnerung, die Tage in der Drachenhöhle hatten ihn fast verrückt gemacht.

Der schwarzhaarige Mann ließ ihn ein und folgte. Im Inneren der Hütte war es gemütlich und warm. Ein kleines Feuer prasselte im Kamin und darüber hing ein Topf, aus dem es köstlich duftete.

„Mein Name ist Goran.“ stellte sich der Fremde vor und setzte den Korb auf dem Tisch ab.

„Setz dich doch.“ Er wies auf eine Art Sofa, wie es adelige Familien und Könige besaßen. Doch dieses Exemplar hatte nichts mit den edlen Stoffen und kunstvoll verzierten Schnitzereien zu tun. Es war ein einfaches Gestell aus Holz mit Planken, auf denen eine dicke Lage Felle für Weichheit sorgte. Goran nahm Platz und lächelte Eri ruhig an. Seine grünen Augen musterten den Jungen eingehend, als wolle er ihn einschätzen.

„Was ist nun mit Nargonim?“

„Heißt die Bestie so?“ Eri tigerte im Raum auf und ab, ständig sah er aus dem Fenster. „Ich wurde ihm geopfert! Aber er quält mich nur, statt mich endlich zu fressen. Er spielt mit mir, wie die Katze mit der Maus...“

„Tatsächlich?“ Goran lehnte sich zurück und ein feines Schmunzeln spielte um seine Mundwinkel. „Was hat er dir denn schon angetan?“

Eri schüttelte wild den Kopf. „Er hält mich gefangen, wiegt mich in Sicherheit...er macht mich verrückt! Ich war auf meinen Tod vorbereitet, aber er zögert ihn heraus. Aber nun konnte ich fliehen...“

„Wer Nargonim einmal geopfert wurde, entkommt ihm nicht. Er wird dich suchen, bis er dich gefunden hat und zur Strafe dein Dorf zerstören. Er mag es gar nicht, wenn man sich ihm widersetzt.“ Goran stand auf und machte sich daran die Äpfel in einem Eimer Wasser zu waschen. Eris ganzer Bericht schien ihn nicht im geringsten zu beeindrucken.

„Mein Dorf...?“ Eri erschauderte. Seine kleine Schwester, sein jüngerer Bruder. Sie hatten mit all dem nichts zu tun. „Wie kannst du hier leben? Direkt bei dieser...Bestie?“

„Warum bezeichnest du dieses Geschöpf als Bestie? Hat der Drache dir etwas getan?“

„Er ist ein Monster!“ ereiferte sich Eri. „Ein Monster, das uns bedroht und dem junge Männer zum Fraß vorgeworfen werden müssen! Er zwingt Familien ihre Söhne dem Tod zu übergeben! Und diese ihr Leben zu geben, bevor es richtig begonnen hat! Ich wünschte, es gäbe jemanden, der dieses Monster erlegen könnte!“

„Du bist grausam, dafür, dass du so jung bist.“ stellte Goran ruhig fest und nahm ein Messer, um einen Apfel zu schälen.

„Ich frage mich, warum du noch lebst, wenn dieses...Monster...dein Leben gefordert hat.“

„Weil es ihm offenbar Spaß macht, mich zu quälen! Ich sagte es ja! Wie eine Katze die Maus in ihren Fängen!“ Er schlug mit der Faust an die Wand. „Wie kannst du so ruhig sein und dieses...Ding auch noch verteidigen?!“

„Wie kannst du solche Dinge über den Drachen sagen, ohne ihn wirklich zu kennen? Du weißt doch nur, was man sich in deinem Dorf erzählt, nicht wahr?“ Goran viertelte den Apfel, entkernte jedes Stück und bot Eri eines an.

„Aber du weißt mehr, ja?!“ Gierig nahm der Junge es und biss hinein.

„Ja.“ Goran lächelte milde und stand auf. Er ging zu einem kleinen Schränkchen, öffnete eine Schublade und holte ein Tuch hervor.

„Hier, mach es auf.“ Als Eri den Stoff beiseite schob, kam eine glänzende schwarze Schuppe zum Vorschein, die die Größe seines Kopfes hatte.

„Ich habe viele Jahre bei Nargonim gelebt – als sein Gefährte.“

Die Schuppe fiel zu Boden, ebenso das Stück Apfel, das er noch in der Hand gehabt hatte. Eri starrte sein Gegenüber entsetzt an.

„Keine Angst. Ich werde dich nicht verraten, wenn es das ist, was du jetzt denkst.“ Goran hob den Apfel und die Schuppe auf.

„Es war ein Geschenk. Zum Abschied.“ Ein schmerzliches Lächeln erschien in dem schönen Gesicht, das keine Spur von Alter aufwies. Es wirkte zeitlos und anmutig mit den hohen Wangenknochen, den vollen Lippen und den langen Wimpern, die die sanften grünen Augen umrahmten.

„Du musst wirklich keine Angst vor ihm haben. Er will dich nicht fressen, er sucht nur einen Gefährten.“

„Einen...ich soll...mit dieser Bestie? Wie hast du...wie hast du das ertragen?“ Eri sackte auf das behelfsmäßige Sofa.

Goran gesellte sich mit einem neuen Apfel zu ihm.

„Warum ertragen? Er ist sehr zärtlich und liebevoll, wenn du ihn näher kennst. Er hat sich um mich gesorgt, mich beschützt und ich habe ihn dafür gekrault. Er liebt es, wenn man ihn direkt unter dem Kinn streichelt. Genau hier.“ Der Mann reckte den Kopf und deutete auf die Stelle, wo Hals und Kopf zusammenführten. Dabei huschte ein frecher Glanz durch seine Augen.

„Bei den Göttern...warum ich?“ Eri winkelte die Beine an und drückte sie gegen die Brust. „Ich habe nie jemandem etwas getan, ich bin ein guter Mensch! Warum ich?!“

„Zufall. Bei mir war es nichts anderes. Der Drache verlangt nur einen Jüngling und damals fiel die Wahl auf mich. Ich war genauso entsetzt und verzweifelt wie du, aber ich habe gelernt hier zu leben und Nargonim zu lieben.“ Goran hielt Eri den Apfel hin und biss selbst, als dieser das Gesicht verzog, hinein.

„Und warum bin ich dann hier? Warum teilst du nicht mehr mit ihm diese verfluchte Höhle?!“ Eri sprang auf. „Warum hat er dich gehen lassen?!“

Goran senkte plötzlich traurig den Kopf. Ein schmerzvoller Ausdruck ersetzte das ruhige Lächeln und die ganze Körperhaltung war angespannter.

„Weil ich...mich in einen anderen Mann verliebt habe.“

„Wie das? Wenn du in seiner Höhle gefangen warst?! Und warum hat er dich nicht gleich gefressen?!“ Eri zweifelte allmählich wirklich an seinem Verstand.

„Warum begreifst du nicht, dass Nargonim dich weder fressen, noch gefangen halten will? Wenn du dich eingelebt hast und nicht mehr versuchst wegzulaufen, dann wird er dich auch unbewacht zurück lassen, wenn er auf Beutezug fliegt oder einige Zeit weg ist. Manchmal ist er Wochen lang verschwunden.“ Goran stand auf und ging zum Tisch, um die Drachenschuppe wieder in das Tuch zu wickeln. Dabei sah er sie lange sehnsüchtig an.

„Nargonim hat mich nach drei Monaten ziehen lassen. Ich durfte mich frei bewegen, jagen gehen, obwohl ich das nicht hätte tun müssen, weil er für mich gesorgt hat. Ich hätte sogar in mein Dorf gedurft, wenn ich nur zu ihm zurück gekommen wäre. Ich war kein Gefangener. Und du bist es auch nicht.“

„Ich begreife das alles nicht. Heißt das...heißt das, ich soll jetzt einfach wieder zurückgehen? Und du lebst hier, weil du dieses Schuppentier...irgendwie noch liebst?“ Er schüttelte den Kopf. Das war alles zu fantastisch!

„Ja und nein. Ich lebe hier, weil ich ihn liebe und weil ich bereue. Weißt du, Junge, wenn du Nargonim einmal ablehnst, wirst du keine zweite Chance erhalten. Ich habe meine vertan, als ich mit dem Mann gegangen bin, den ich zu lieben glaubte.“

„Eri...mein Name ist Eri.“ Der Rotschopf lächelte. „Also muss ich ihm nur sagen, dass ich ihn nicht will und ich kann gehen?“

Goran lächelte nachsichtig und schüttelte den Kopf.

„Nein, so einfach ist es nicht. Jeder sträubt sich zuerst gegen Nargonim, aber die Meisten verfallen ihm doch irgendwann. Du sperrst dich noch und gibst dem Drachen keine Chance dich zu erobern. Aber glaub mir, er wird es schaffen.“

„Ich werde mich niemals diesem...diesem Monster hingeben. Eher sterbe ich!“ Eri drehte den Kopf zur Seite. „Niemals...“

„Mit dieser Einstellung wirst du das auch tun.“ sagte Goran nur trocken und verstaute seinen Schatz wieder in der Schublade.

„Eri, warum gibst du Nargonim keine Chance? Er hat dir bis jetzt nichts getan und das wird auch so bleiben, wenn du ihn nicht zu sehr ärgerst. Er wird dir sicherlich Zeit zum Eingewöhnen geben, aber irgendwann ist diese Schonfrist um.“

„Und dann? Stürzt er sich dann auf mich und nimmt mich mit Gewalt?“ Der Junge lachte bitter. „Ich verstehe das immer noch nicht. Dieser Drache...was will er von einem Menschen? Das geht nicht...das ist vollkommen wider der Natur. Wir sollten nur Nahrung für ihn sein.“ Er hatte Tränen in den Augen, zum ersten Mal seit er hier war, erlaubte er sich Gefühle, vor allem, weil er sich bei Goran sicher fühlte. „Ich will wieder nach Hause.“

„Na, na, wer wird denn weinen?“ Der schwarzhaarige Mann kam zu ihm herüber und nahm Eri in den Arm. Ungefragt zog er den Jungen an seine Brust und strich durch die feuerroten Haare. Wenn er die Augen schloss, konnte sich Goran sogar vorstellen, dass sie nach Feuer rochen.

„Ich weiß nicht, was du für eine Vorstellung von Drachen hast, aber sicherlich ist sie nicht ganz richtig. Glaubst du wirklich ein Drache könnte mit einem Menschen das Bett teilen?“ Das leise Lachen war warm und fürsorglich.

„Du hast ein falsches Bild, Eri. Nargonim ist sehr alt, weißt du? Über 3000 Jahre lebt er bereits auf dieser Welt und hat vieles kommen und gehen sehen. Früher waren Drachen weitaus häufiger, als heute. Damals wäre keinem auch nur eingefallen, einen Menschen als Gefährten zu wählen. Aber heute ist das anders, denn es gibt nur noch wenige von seiner Art und diese sind über die ganze Welt verstreut.“ Goran hob das schmale Gesicht des Jungen mit einer Hand an, so dass dieser ihm in die Augen blicken musste.

„Was ich meine...Nargonim ist einsam. Er sucht nur nach jemandem, mit dem er sein Leben teilen kann oder der ihn wenigstens einen Teil dieses Lebens begleitet, denn die menschliche Zeit ist sehr begrenzt.“

Eri schaute ihm in die wunderschönen grünen Augen und konnte nicht anders als plötzlich einen Anflug von Mitleid zu empfinden. Die Vorstellung war schrecklich. Eine Ewigkeit voller Einsamkeit und Leere.

„Ist er...wirklich so allein?“

„Ich denke schon, dass er ohne seine Artgenossen einsam ist. Deshalb sucht er immer wieder nach einem Partner, den er beschützen kann. Das macht Nargonim nämlich sehr gern.“ Goran grinste breit und zwinkerte frech auf den Kleineren herab.

Eris Blick irrte zum Fenster, der Abend dämmerte. „Dann...dann sollte ich vielleicht wieder in die Höhle gehen. Bevor er wütend wird, weil ich weggelaufen bin.“

„Oh...ja!“ Goran stand auf und ging zum Fenster, als suche er den Himmel nach einer großen verdächtigen Echse ab.

„Beeil dich lieber. Nach so kurzer Zeit, die du hier bist, könnte Nargonim sehr wütend reagieren, wenn du nicht bei der Höhle bist.“ Er lächelte Eri freundlich an.

„Aber es würde mich sehr freuen, wenn du mich mal wieder besuchen kommen würdest.“

„Gern...danke...“ Eri verbeugte sich, schaute dann aber noch einmal auf bevor er ging. „Er wird mich also nicht fressen?“

„Nein, nur wenn du ihm auf die Füße trittst.“ lachte Goran und warf seinem Gast noch einen Apfel zum Abschied zu. „Auch Drachen haben empfindliche Füße.“

Eri knurrte und fand das gar nicht so komisch, aber er lächelte dann doch zum Abschied und rannte zur Höhle zurück. Auf dem Weg schlang er den Apfel hinunter, er hatte sich seit einer Woche geweigert richtig etwas zu essen, es tat sehr gut seinen Magen zu füllen. Tatsächlich war er noch allein, als er die Kaverne betrat, von seinem Kerkermeister – oder was auch immer – war keine Spur zu sehen.

Dieser kam erst lange nach ihm an. Auf sein Eintreffen wies das kleine Erdbeben hin und der Sturm, den Nargonims Flügel verursachten. Mit ihnen fest an den Körper gepresst, betrat der Drache die Höhle und kroch bis zu Eris Teil vor, um zu sehen, ob er noch da war.

Als er den Jungen erblickte, konnte man fast meinen einen zufriedenen Ausdruck auf seinem Gesicht zu sehen. Aber es war wohl eher Einbildung.

Nargonim legte sich in den Eingang und sah seinen neuen Gefährten neugierig an, als wolle er etwas von dessen Tag wissen.

Eri hatte auf seinem Fell gelegen und erhob sich nun und strich seinen Lendenschurz glatt. Langsam kam er näher und rief sich dabei die Worte von Goran ins Gedächtnis, dass der Drache ihn nicht fressen würde. Hoffentlich war das die Wahrheit. Er stand nah vor dem gewaltigen Kopf und streckte zitternd die Hand nach der schuppigen Haut aus.

Der Drache schnaubte ihn erfreut an und senkte sein Haupt, bis es auf der Erde lag. Was Eri nicht sehen konnte, war der erwartungsvoll hin und her schwingende Schwanz am Höhlenausgang.

Eri überwand seine Angst und strich über die Schuppen, sie fühlten sich hart und rau, aber nicht unangenehm an. So etwas hatte er noch nie gespürt. Er war sich des Blickes bewusst, den die tiefgrünen Augen aussandten.

„So...ein Gefährte, hm?“ flüsterte er eher zu sich selbst. Seine Hand glitt über die Schnauze, ganz vorsichtig.

Kurz zuckte der Drache bei den Worten. Die Augen verengten sich misstrauisch und leises Knurren drang aus seiner Kehle, wobei sich die schmalen Lippen leicht kräuselten.

Woher wusste der Junge davon? Doch das Kraulen besänftigte ihn wieder und er rückte noch etwas näher.

„Im Moment wirkst du gar nicht so bedrohlich.“ Eris Hand glitt weiter über den massigen Kopf, er ging dabei etwas an dem Drachen entlang. Wo hatte Goran gesagt? Am Kinn? Wo war bei einem Drachen das Kinn?

Dieser hier drehte sich ganz von selbst auf die Seite und reckte den Kopf. Auf der Unterseite des Kiefers waren die Schuppen weicher und geschmeidiger. Hier wäre auch eine Schwachstelle, wenn man ihn hätte attackieren wollen.

Eri zuckte kurz zurück, riss sich aber zusammen. Er kraulte über diese viel angenehmere Stelle des Drachenleibes und kam sich selbst dabei vollkommen grotesk vor.

Tiefes Grollen schwang durch den Raum und hallte von den Wänden wider. Es war ein sanfter Laut, der kaum zu einem Monster passen wollte.

Nargonim beobachtete Eri soweit es ihm möglich war. Die kleine Hand auf seinen Schuppen kitzelte etwas und zitterte heftig, als seine Kehle wieder zu vibrieren begann.

„Gefällt dir das?“ Eri bebte am ganzen Körper. Er hatte furchtbare Angst, dass der Drache plötzlich herumfahren und ihn zerfleischen würde, plötzlich und ohne Vorwarnung. Aber dafür sprach eigentlich gar nichts. Vielleicht hatte Goran wirklich Recht.

Das Vibrieren wurde stärker und das Maul öffnete sich, als würde der Drache lächeln. Nargonim wurde mit der Zeit immer ruhiger und bald war nur noch das tiefe, regelmäßige Atmen zu hören. Die Augen waren immer noch geöffnet, aber völlig entspannt.

Eri machte weiter, bis ihm langsam die Hand lahm wurde. Er konnte nicht mehr. Aber er wollte dem Drachen auch nicht sofort seine Nähe entziehen. Also setzte er sich vorsichtig hin und lehnte sich gegen den überraschend warmen Leib. Er fühlte sich fast wie der wohlige Ofen in seinem Elternhaus an.

Einer der Flügel bewegte sich plötzlich und schrammte am Stein entlang, während er sich behutsam über Eri schob. Dieser saß nun in einer Art lebendem Zelt. Der Drache zog sich fürsorglich um ihn zusammen, damit er es warm und gemütlich hatte.

Der Junge wagte kaum zu atmen, aber offenbar sollte ihm nichts geschehen. Etwas unsicher berührte er die lederne Haut der Schwingen, drückte sich dann etwas dichter an die Wärme und schloss die Augen. Sollte so sein weiteres Leben aussehen? Als Schoßtier dieser Echse, sie kraulend und beschmusend?



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Vauvenal
2009-01-11T14:17:23+00:00 11.01.2009 15:17
Ohhhhh... das ist wirklich sehr süß.
Ich denke, Nargonim ist wirklich nicht so böse, wie alle immer behaupten.
Menschen haben nunmal zu erst Angst vor allem Unbekannten.
Wenn das Unbekannte dann auch noch die Gestalt eine fliegenden Sechzig-Meter-Echse hat...
Na Prost.
*weiterles*
Von:  Sherry_16
2008-06-30T12:29:38+00:00 30.06.2008 14:29
O-o iwie hab ich den verdacht... das Goran den drachen aber ziemlich gut kennt.. viel zu gut, ich mein gut, er hat ja erzählt was passiert is.. und wie der drache so tickt.. aba xD hat man das gefühl... kA.. xDD''' als wäre Goran auch ein drache und wüsste so wie drachen ticken (xD langsam geht mia das wort auf die nerven xD *hust*)
ach keine ahnung vllt spinn ihc mir da auch was zusammen und is voll knuff das der drache so verschmust is O.o aba wenn eri ihn nur einmal verletzt gibts keine zweite chance??? O.O
ohoh... ihc seh schon... da kommen noch probs auf... ._.'''
also ich könnte kein gefährte sein... v-v selbst wenn der drache noch so lieb is xD''' ich könnte die gestigen usw nich verstehen xD~ und ich labber gerne xDDDD ich würde den drache zu todereden xD

*-* ich find das kapi echt toll und dein schreibstil is klasse x333 *weiterlesen ge*
Von:  ReinaDoreen
2008-06-10T11:12:56+00:00 10.06.2008 13:12
Interessant eure Geschichte und die Gedankengänge. Aber gleichzeitig wirft sie doch
auch einige Fragen auf.
Das Eri Angst vor dem Drachen hat und auch nicht sofort glauben kann das dieser ihm nichts
tun will ist verständlich. Immerhin kann der Drache ja nicht sprechen, sondern sich nur durch
Körpersprache verständlich machen. Wobei ich schon am Anfang dachte, das er wohl gestreichelt werden will.
Seine Gestik war da ziemlich eindeutig.
Wo mir da eher erst mal die Vorstellungskraft fehlt ist wie das weiter funktionieren soll. Eri als Gefährte für einen Drachen.
Und Goran, den er getroffen hat, er mag (liebt) diesen Drachen doch immer noch und muss nun alleine wohnen.
Er wird sozusagen für einen einzigen Fehlentscheid bestraft. Und wie hat er da überhaupt in dieser Wildnis einen anderen Mann kennenlernen können.
Tur es Goran nicht weh zu sehen, wie der Drache sich einen neuen Gefährten sucht und er mit seiner Sehnsucht alleine bleibt.
Reni


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