Prolog
Prolog
Der Karren wackelte und schwankte unter seinen Füßen. Scharen von Menschen folgten ihm mit lauten Rufen, Kerzen und Jubelgeschrei. Es war ein großer Tag für alle. Sie sollten endlich wieder ihren Frieden zurückerhalten, der in den letzten Monaten durch die wiederholten Angriffe des Monsters gestört worden war.
Heute war es an Eri diesen Frieden wieder herzustellen. Er war der Auserwählte, der Erlöser. Sein Opfer würde den anderen Dorfbewohnern für lange Zeit Freiheit bringen.
Seine Freunde gingen neben dem Karren her, um ihm in den höchsten Tönen vorzuschwärmen, welch Ehre ihm zuteil wurde. Eris Blick war starr nach vorn gerichtet, während er die Stufen zum Opferalter hinauf geführt wurde.
Seine Hände waren auf den Rücken gefesselt, sein schlanker Körper bis auf einen Lendenschurz aus Leder unbekleidet. Am Fuße der Treppe stand seine Familie. Seine Mutter weinte, aber Eri beachtete sie nicht. Jetzt weinte sie. Jetzt, da er geopfert wurde. Sie hätte ihn eher retten sollen, statt ihn so bereitwillig aufzugeben. Aber es war ja eine Ehre für das Dorf zu sterben.
Niemand hatte ihn gefragt, ob er wollte, dass ihm diese Ehre zuteil wurde!
Der Wind zerrte an seinen langen dunkelroten Haaren, die wie flüssiges Feuer um seinen Kopf tanzten. Dicke Strähnen fielen ihm vor das Gesicht und verschleierten seine Sicht auf die feiernde Menge. Das waren Menschen, mit denen er aufgewachsen war. Freunde, mit denen er gespielt und Spaß gehabt hatte. Sie alle freuten sich...dass er sterben würde.
Eri, er war eben erst volljährig, gerade einmal siebzehn Jahre alt, wurde am Ende der Stufen an einen Pfahl gebunden und ein Priester malte ihm Zeichen auf den Oberkörper und das Gesicht, die nach seinem Tod den Geistern beweisen sollten, dass er ehrenvoll gestorben war. Die gemurmelten Beschwörungsformeln und Gebete würden seine Seele schützen. Alles Humbug! Eri blickte starr auf den Horizont, dorthin, wo sein Tod bereits lauerte. Kein Gebet der Welt würde ihn retten können.
Dann zog die Prozession wieder zurück ins Dorf und ließ ihn allein. Selbst seine Familie ging. Keiner wollte zusehen, wie er zerfleischt wurde. Das war ja auch kein Wunder. Eri wäre auch lieber Zuhause geblieben und hätte sich in der Scheune versteckt.
Der Wind wurde stärker, als wolle er absichtlich die letzten Stunden des Jungen erschweren, ihn langsam zermürben. Vor Kälte und Angst zitternd schloss Eri die Augen und wartete auf sein unabwendbares Ende.