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Große Mädchen weinen nicht

ES GEHT WEITER! Bald kommt der zweite Teil.
von

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Kapitel 9

Dieses Kapitel ist nur für Suke_8 ^.^ --> dein Motivationsspruch nach der langen Zeit flashte mich so sehr, dass ich nicht anders konnte, als fleißig zu tippen und upzuloaden. :) Ich hoffe, es freut auch manch anderen.
 

Chapter 9
 

Als ich Carol Butcher das erste Mal sah, dachte ich, dass sie eine neue Mitschülerin sei, doch als ich ihr näher kam, erkannte ich gewisse Zeichen des Alters, die sie wohl zu kaschieren versuchte. Sie hatte flammendrotes Haar aus der Tube und die eisblauen Augen eines Huskys. Ihr Lippenstift passte haargenau zu ihrer Haarfarbe, ihr Hosenanzug zu ihrer Augenfarbe und alles zusammen biss sich wie lila und gelb. Ich kam gerade von der Bibliothek, schwer beladen mit Fachliteratur von Shakespeare und seinen Werken, als ich jene Personengruppe in meine Richtung laufen sah, angeführt von der Frau, die wohl Erins neue Stiefmutter werden würde. Zeitgleich fragte ich mich, ob der Vater von Erin und Kate wusste, dass seine Töchter allesamt homosexuell sind. Was mich gleich zu ihrem Vater brachte. Er war ein großer schlanker Mann mit Erins Statue und Augen, doch den Rest musste sie von ihrer Mutter haben, denn James Wednesday hatte weder ein fein geschnittenes Gesicht noch sonstige Eigenschaften. Mit seiner Größe wirkte er ungeschickt, was mich daran zweifeln ließ, dass er Gehirnchirurg war. Erin sah nie ungeschickt aus, obwohl sie größer als ich war.

Ich bemühte mich, nicht allzu sehr zu starren, doch ich war neugierig, wie die neuen Wednesdays aussahen. Zu meiner Überraschung waren es zwei junge Kerle, die ganz offensichtlich eineiige Zwillinge waren. Sie sahen wirklich gut aus und würden den Mädchen sicherlich bald den Kopf verdrehen.

Als Erin mich sah, ließ sie sich absichtlich von der Gruppe überholen, während ich langsam an ihr vorbeischritt und von jedem, einschließlich Kate genau unter die Lupe genommen wurde, als wäre ich ein Tier im Zoo. Wahrscheinlich diente ich als Schülerbeispiel, voll bepackt mit Büchern und wahnsinnig schlau aussehend. Als Erin schließlich an mir vorbeikam, war ich schon in der Nähe des Fahrstuhls. Ich wollte gerade mit gesenktem Blick an ihr vorüber gehen, als sie mich kraftvoll anrempelte.

„Hey!“, rief ich wütend aus, als alle meine Bücher zu Boden fielen. Ich dachte, dass sie immer noch sauer war, weil wir am Morgen gestritten hatten. Es hatte ihr nämlich gar nicht gefallen, dass ich sie mied, wenn wir allein waren. Ich hatte ihr geantwortet, dass ich mich in ihrer Nähe bedroht fühlte und sie hatte es sofort in den falschen Hals bekommen und einen Streit vom Zaun gebrochen. Wahrscheinlich war sie zuvor schon schlechter Laune gewesen, schließlich kam heute die neue Familie an.

Als auch der Aufprall des letzten Buches verhallt war, drehten sich alle erschrocken um und sahen mich und Erin an. Ich war sofort auf die Knie gegangen und hatte angefangen die Bücher aufzulesen.

„Entschuldige, Shane, ich hab dich nicht gesehen.“, meinte sie gespielt bedauernd und kniete sich ebenfalls auf den Boden, um mir beim Auflesen zu helfen.

„Was soll das, Erin?“, fauchte ich.

„Lauft ruhig schon weiter, ich komme nach!“, rief Erin ihrem Vater und seinen Anhängseln nach. Endlich verstand ich, was sie damit bezweckte. Ihr Vater nickte und führte die Gruppe weiter an. Katie sah sich nach uns um und schickte einen nach Hilfe schreienden Blick in unsere Richtung.

„Oh, Gott sei Dank.“, flüsterte Erin, als sie sie gehen sah.

„Es wäre auch das erste Mal in deinem Leben gewesen, wenn du mich nicht gesehen hättest.“, grummelte ich.

„Das liegt wohl daran, dass du nicht zu übersehen bist.“, kicherte Erin.

„Willst du damit sagen, ich sei dick?“, rief ich empört aus.

Erin hob entschuldigend die Hände.

„Um Gottes Willen, ich finde deine Figur ist perfekt.“

Erschrocken blickte ich mich um. Wenn das jemand zu hören bekam, dürften Erin und ich ein Versteckspiel spielen. Dann erst wurde ich rot.

„Danke.“, sagte ich emotionslos, um mich nicht zu verraten. Dann hob ich die Bücher auf und kam wieder zum Stehen.

„Jetzt sag bloß, du bist immer noch sauer wegen heute Morgen…“, fragte Erin vorsichtig. Ich fuhr mir durch die Haare und das Gesicht.

„Nein.“, sagte ich schließlich und begann auf meiner Unterlippe herumzukauen.

Ihr Blick wurde weich, als sie es mitbekam. Das Schlucken fiel ihr ersichtlich schwer.

„Bitte tu das nicht.“, hauchte sie. Ich drehte mich nur um und ging auf den Fahrstuhl zu. Kaum, dass die Tür aufgesprungen war, stieß mich Erin hinein und drückte auf „Schließen“.

„Erin, dein –“ Ich konnte nicht aussprechen, denn Erin legte ihre Lippen auf meine und drückte mich gegen die Innenspiegel. Ich fühlte ihren ganzen Körper an meinem und wünschte mir für den Moment, dass wir nichts anhätten. An diesem Gedanken war so gut wie nichts Primitives, sondern nur mein Bedürfnis danach, Erin so nah zu sein, wie möglich. Der Fahrstuhl setzte an und als er mitten in den Etagen stand, löste sich Erin von mir und drückte den Stopp-Knopf. Gerade als sie wieder ansetzen wollte, schob ich sie von mir weg und leckte über meine Lippen.

„Erin“, sagte ich, „du darfst mich erst wieder küssen, wenn du eine Frage beantwortet hast…“ Erin kam mir noch ein Stück näher, presste sich richtig an mich, sodass mir die Luft wegblieb.

„Jede.“, seufzte sie und blieb kurz über meinen Lippen stehen.

Ich sah theatralisch an die Fahrstuhldecke.

„Wen findest du hübscher, George Cloony oder Brad Pitt?“

Ich musste losprusten, aber wenn ich genauer darüber nachdachte, dann nur, weil ich damit die Spannung ein wenig entschärfen wollte. Auch Erin musste kichern.

„Und wie lautet die richtige Frage?“

Ich sah sie an, als verstünde ich sie nicht.

„Das war die richtige Frage… nein, wen findest du hübscher, Mary, Jessica oder mich?“ Erin bewegte sich nicht von mir weg und gab sich eine Sekunde, um gründlich darüber nachzudenken.

„Das ist eine ungerechte Frage. Mary ist meine beste Freundin…“

Ich seufzte.

„Na gut, mich oder Jessica?“

Diesmal dachte Erin nicht nach.

„Dich natürlich.“, antwortete sie und küsste meine Stirn. Es kribbelte in meinem Bauch, als sie das tat.

„Du darfst mich jetzt küssen.“, forderte ich sie auf, legte meine Arme in ihren Nacken und zog sie zu mir herab. Das ließ sich Erin nicht zweimal sagen, denn ich kannte sie gut genug, um zu wissen, dass ich sie angestachelt hatte und nicht mehr bremsen konnte. In diesem Augenblick lernte ich die Ausmaße Erins spontaner Leidenschaft kennen. Es war schön, sie wieder zu küssen, nachdem ich die letzten zwei Tage gemieden hatte, mit ihr allein zu sein.
 

Als der Fahrstuhl in der ersten Etage ankam, waren meine Wangen immer noch gerötet, genau wie Erins. Und als wäre dem nicht genug, hatte ich das Gefühl, morgen mit einem Knutschfleck am Hals aufzuwachen, den gewiss jeder sehen würde und von dem jeder wissen wollte, wer ihn verursacht hatte. Toll gemacht, Erin, wirklich. Ich legte meine kühlen Handflächen auf die roten Flecken in meinem Gesicht. Jeder der mich halbwegs kannte, würde nun wissen, was ich gerade im Begriff war zu tun. Erin war im Fahrstuhl geblieben und drückte den Knopf für das Erdgeschoss. Ich war gerade dabei, ungesehen in mein Zimmer zu gelangen, als Erins Stimme hinter mir erklang.

„Komm bitte an unseren Tisch, auch wenn Mary – Kate und Ashley Olsen da sind. Ich will dich noch einmal sehen, bevor ich schlafen gehe, mein Engelchen.“

Ich wurde noch eine Spur roter.

Es war typisch Erin, dass sie diese Situation ausnutzte, um mich zutiefst zu entrüsten und ich kannte sagen, dass es ihr auch noch gelang.

„Erin, wenn dich jemand hört!“, fauchte ich und wandte mich zu ihr um. Ich zupfte meinen Rock zu recht und meinen Ausschnitt.

„Wenn Gott wirklich wollte, dass Schwulsein verboten ist, würde er einen Blitz auf mich hinabschicken. Aber er blieb bisher untätig.“ Sie lachte und ich wusste, dass sie gerade alle Nonnen auslachte, die ihr widersprechen würden, sollte sie diese These an die Schultür nageln.

„Das ist richtig, trotzdem will ich nicht zum Gesprächsthema werden.“, antwortete ich und noch bevor Erin in Toleranzpredigten ausbrechen konnte, fügte ich hinzu:

„Ich will es auch nicht, wäre ich hetero. Es geht einfach niemanden was an, außer uns beide, klar?“

Erin grummelte etwas Unverständliches, nickte aber dann. Und noch bevor ich mich wehren konnte, hatte sie den Fahrstuhl hinter sich gelassen und mich noch einmal geküsst – mitten im Flur, mit dem Risiko, gesehen zu werden.

Wir wurden gesehen.

Ein Hüsteln ließ uns auseinander fahren. Lara stand da und dem Himmel sei Dank, war sie allein.

„Ihr solltet ein wenig vorsichtiger werden, das ist ein kirchenorientiertes Internat. Das dürfte keinen Anklang finden.“, meinte sie und stieß sich von ihrer Zimmertür ab. Ihre Arme waren vor der Brust verschränkt und sie funkelte Erin bedrohlich an.

„Vielleicht solltest du Shane von Amy erzählen, bevor sie sich gleich in deine Arme wirft. Sie sollte wissen, auf was sie sich einlässt, Erin.“, meinte sie in einem strengen, kalten Ton, der mich zu einer Salzsäule hätte erstarren lassen, wenn er an mich gerichtet gewesen wäre. Erin war wirklich einen Moment in Regungslosigkeit verfallen und starrte Lara mit leicht geweiteten Augen an.

Ich sah zwischen beiden hin und her, doch keine von beiden schien eine Anstalt zu machen, weiterzureden. Wer war denn Amy? Ich konnte mich nicht erinnern, dass Erin ihren Namen irgendwann einmal erwähnt hätte. Doch so, wie sie in jenem Moment reagierte – als wäre sie einem Geist begegnet – schien sie sie durchaus zu kennen.

„Erin?“, fragte ich vorsichtig.

Im nächsten Moment hatte ich sie aus den Gedanken gerissen. Sie holte tief Luft, so als sei ihr gar nicht aufgefallen, dass sie aufgehört hatte, zu atmen. Sie sah kurz in meine Augen, dann wieder zu Lara.

„Es geht dich nichts an, wann ich was mit Shane kläre, Lara. Misch dich da bitte nicht ein.“, entgegnete Erin mit überraschender Höflichkeit und Fassung.

Ich glaubte sie noch nie so nett gegenüber Lara gehört zu haben, ausgeschlossen, als sie miteinander geschlafen hatten. Lara sah Erin noch eine Sekunde lang eindringlich an, dann machte sie auf dem Absatz kehrt und verschwand Richtung Treppen.

Es wurde ruhig auf dem Flur. Es glich einer Totenstille, die mir nicht gefiel. Ich sah mich nach Erin um, aber sie stand immer noch da und starrte auf die Stelle, an der Lara gestanden hatte.

„Erin? Was meint Lara damit?“, fragte ich vorsichtig. Erin sah mich an, einen Moment lang mit Traurigkeit, die nicht mir gegolten hatte. Sie schüttelte ihren langen blonden Haare und schloss eine unsichtbare Tür vor mir.

„Ein andermal.“, murmelte sie nur und verschwand im Fahrstuhl bevor ich noch weitere Fragen stellen konnte.

Mit einem halblauten Fluchen über Erins Sturkopf ging ich mit meinen Büchern in mein Zimmer. Immer noch in Gedanken über dieses seltsame Gespräch zwischen Lara und Erin. Vielleicht sollte ich Katie wegen dieser Amy fragen. Dann konnte ich wenigstens garantieren, dass Erin nicht gleich Wind davon bekam.

Amy…
 

Unsere Tischrunde war sehr ruhig geworden, am Abend. Die Zwillinge saßen bei uns und waren wahrscheinlich genauso froh wie Katie und Erin, dass ihre Eltern weg waren. Wegen ihnen traute sich keine von uns, von ihrem Tag zu erzählen, denn irgendwie wäre das alles mit einem Coming Out verbunden gewesen.

Nun kannte ich auch endlich die Namen der beiden Jungen. Keith und Jamie Butcher. Sie schienen genauso redselig wie wir in diesem Augenblick zu sein. Aber wir wussten alle, dass sie nicht mehr bei uns säßen, wenn sie eigene Freunde gefunden hatte und ich persönlich, freute mich schon auf jenen Augenblick.

„Und was hast du heute so gemacht, Shane?“, fragte Kate gezwungen aufmunternd. Alle Augen richteten sich auf mich, die ich als einzige noch nichts gesagt hatte, seit ich hier saß. Ich räusperte mich.

„Gelesen“, antwortete ich einsilbig. Ich hatte keine große Lust mit meinen Freunden zu reden, wenn diese zwei Fremdkörper hier saßen und alle Gespräche mitverfolgten. Und als sei das nicht genug, sah ich Jessica Mason auf unseren Tisch zukommen. Auf ihren Lippen war ein warmes Lächeln für Erin und Kate. Mary, mich und die Zwillinge ignorierte sie mit einer unwahrscheinlichen Dreistigkeit. Sie nahm sich den letzten freien Stuhl und sah einen Moment in die schweigsame Runde.

„Bin ich auf einer Beerdigung?“, fragte sie mit einer dunklen, rauchigen Stimme und mir fiel in jenem Moment auf, dass das das erste war, was ich Jessica je hatte sagen hören. Erin sah ihr in die Augen, - ich sah es ganz genau. Und ich kochte vor Wut. Ein wenig verzweifelt versuchte ich, mich an Erins Worte im Fahrstuhl zu erinnern.

Sie fand mich hübscher. Und mich hatte sie außerdem geküsst. Verdammt sei Jessica Mason, denn ich war das Mädchen an Erins Seite, auch wenn sie nichts davon wusste. Diesen Platz würde ich auch verteidigen, auch wenn sie kämpfen sollte. Erin gehörte mir. Ja, so ist es.

„Wo kaufst du eigentlich deine Klamotten, Jessica?“, fragte ich zuckersüß. Sie sah mich an, als wäre ich ein Hund, der plötzlich sprechen konnte. Diese blöde Ziege. Erin sah alarmierend zwischen mir und ihr hin und her. Ich glaubte, sie wittere Ärger.

„Shane…“, flüsterte sie. Ich ignorierte sie.

„Die sind von meiner Schwester, sie ist Designerin.“, antwortete sie schließlich. Beeindruckt nickte ich. Also war sie wirklich das Modepüppchen, für das ich sie hielt. Schön, dass sich manche Sachen einfach nie änderten.

„Cool.“, meinte ich nur, dann widmete ich mich wieder meinem Abendessen. Es war ein Stück matschige Pizza. Yummy. Da hatte ich wirklich keine Lust drauf. Viel lieber hätte ich einen Degen gezückt und aus Jessica Mason Schaschlik gemacht. Oder zumindest mit Katie über diese ominöse Amy gesprochen. Das ging allerdings nicht, weil ich die Umstände dafür erklären müsste und das wollte ich nicht in dieser Gesellschaft tun.
 

Es war das erste Mal, dass ich mit Erin im Mädchenzimmer war, um mir diese dämliche Serie rein zu ziehen. Der Grund dafür war, dass im Mädchenzimmer wirklich nur Mädchen waren, wir also unter uns sein konnten.

„Sie sind ziemlich nervig.“, stöhnte Kate, als es um ihre neuen Stiefbrüder ging. Sie wurde von den anderen Mädchen in unserer Altersstufe ausgefragt, seit wir diesen Raum betreten hatten, denn wie ich es schon prophezeit hatte, verdrehten die Zwillinge den Mädchen ziemlich die Köpfe. Erin saß neben mir, völlig in sich gekehrt. So war sie schon drauf, seit Lara uns im Flur erwischt hatte. Ich nahm ihre Hand in meine und drückte sie kurz. Sie sah auf und in meine Augen. Ihre Augen waren nicht so wie immer, sie war plötzlich wieder verschlossen. So, wie ich sie kennen gelernt hatte. Langsam bekam ich eine Ahnung davon, wovor mich Katie gewarnt hatte. Je näher ich Erin kam, desto mehr verschloss sie sich. Ich hätte sie in diesem Moment wahnsinnig gern geküsst, doch wir hatten Publikum und so musste ich mir das für einen späteren Zeitpunkt aufheben.

„Aber eigentlich sind sie sehr zuvorkommend.“, warf Erin ein, als sie mitbekommen hatte, dass die Rede von ihrer neuen Patchworkfamilie war.

„Man kann sie auch als Schleimer bezeichnen“, entgegnete Katie, die kein gutes Haar an Keith und Jamie lassen wollte. Sie hatte schließlich auch den ganzen Tag mit ihnen verbracht, wahrscheinlich konnte sie das besser beurteilen als ich.

„Jetzt hör schon auf, Kitty, sie sind sehr nett, sexy und die potentiellen Schwiegersöhne…“, fauchte Erin. Kate sah sie überrascht an. Ich hatte Erin noch nie ihre Homosexualität verleugnen hören. Sie machte kein Thema daraus, doch sie hatte noch nie Gegenteiliges behauptet. Kate schien das auch neu.

Manchmal fragte ich mich, ob nicht auch schon andere auf die Idee gekommen waren, dass Erin stockschwul war. So, wie sie sich manchmal aufführte.

„Äh.“, machte Mary nur. Auch sie sah Erin mit Kuhaugen an.

„Wir müssen dringend reden, Shane.“, sagte Kate plötzlich, so als sei es ihr gerade erst wieder eingefallen. Erin sah zwischen mir und ihr hin und her. Sie vermutete schon, dass es um sie ging, denn Kate war nicht gerade diskret gewesen.

Erins Schwester ergriff meine Hand, noch ehe ich mich versehen konnte und zog mich hinter sich her, hinaus auf den Flur. Es war dunkel und ausgestorben und vom Mädchenzimmer drang ein gedämpftes Gekicher.

„Wo können wir ungestört reden?“, fragte Kate ein wenig gehetzt.

Ich machte ein fragendes Geräusch.

„Äh – in meinem Zimmer. Was ist denn plötzlich los, Katie?“

Sie schüttelte nur ihre blonde Mähne, dann steuerte sie mein Zimmer an und ich fragte mich, woher sie wusste, in welchem Zimmer ich wohnte. Eilig schloss ich die Tür auf und hinter mir wieder zu. Kate ließ sich auf meinem ungemachten Bett fallen, noch bevor ich das Licht anschalten konnte.

„Erin ist seltsam. Was ist heute passiert, Shane?“

Ich überlegte kurz. Einen Moment blieb ich bei unserer netten Szene im Fahrstuhl hängen, dann sagte ich:

„Sie ist so, seit Lara uns erwischt hat.“

Kate wurde nachdenklich.

„Sie hat von irgendeiner Amy gesprochen und gemeint, dass Erin mir von ihr erzählen solle, damit ich weiß, mit wem ich es zu tun habe…“

Nun hatte Katie einen ähnlichen Gesichtsausdruck, wie Erin im Flur heute Nachmittag. Sie wurde kreidebleich und ein wenig apathisch. Doch im Gegensatz zu ihrer Schwester schien sich Kate im Griff zu haben.

„Es ist komisch für Erin, dass sie vor anderen einen auf hetero macht.“, meinte sie nach einer kurzen Stille. Ich begann mich ebenfalls wieder zu regen und nahm mir den Schreibtischstuhl. Kate streifte ihre Ballerinas ab und kreuzte die Beine, dann begann sie mit meinem Laken herumzuspielen.

„Aber es ist nicht das erste Mal. Ich glaube, ich weiß, was Erin aus der Bahn geworfen hat.“

Ich kniff meine Augenbrauen zusammen.

„Lara?“

Katie schüttelte energisch den Kopf, noch bevor ich den Namen ganz ausgesprochen hatte. Ein schweres Seufzen erschütterte sie.

„Amy. Amy ist der Grund, warum Erin und ich zwei Jahre lang nicht mehr miteinander gesprochen haben und Amy ist der Grund, weshalb Lara und Erin spinnefeind sind.“

Ich wollte gerade zum Protest anheben, als:

„Ausgenommen, dass sie miteinander geschlafen haben. Wahrscheinlich mussten sie sich beide abreagieren.“

Sie holte noch einmal tief Luft.

„Lara, Mary, ich und Erin waren schon einmal zusammen auf einem Internat. Und unter anderem auch Amy. Amy war meine beste Freundin damals und ich hatte mich in sie verliebt. Genau wie Lara. Sie sah einfach gut aus und hatte einen sehr sonnigen Charakter, der alle Menschen in ihrem Umfeld verzaubert hat.“

Kate verstummte einen Moment und starrte meine leere Wand an, als sähe sie Amys Gesicht vor sich.

„Amy war nicht das erste Mädchen, das sich in Erin verliebt hat. Und du bist der lebende Beweis, dass sie nicht das letzte war. Mich und Lara hat es fast verrückt gemacht, wie sehr sie meine Schwester vergöttert hat. Damals war Erin noch anders. Sie war ein bisschen wie du – unsicher, was sie selbst anging, aber trotzdem selbstbewusst den andern gegenüber. Sie war einfach unwahrscheinlich cool.“

Katie schwieg noch einmal. Ich stellte keine Fragen, was sie als Aufforderung auffasste.

„Ich weiß nicht, wie sehr Erin Amy geliebt hat, aber sie kamen irgendwann zusammen. Ich versuchte mich damals von Erin fern zu halten, weil ich einfach zu verletzt war. Lara ging allerdings auf volle Konfrontation und wurde Amys neue Ansprechpartnerin, wenn sie Probleme mit Erin hatte. Ich weiß heute noch nicht, wie Lara sich das hatte antun können. Ich habe es nicht gekonnt. Jedenfalls hat sie sich mehr und mehr in die Beziehung eingemischt. Erin hat sich sogar einmal mit ihr geprügelt.“

Ein Schweigen fiel über uns, sodass ich eine Stecknadel hätte fallen hören können. Diesmal machte Kate keine Anstalten, weiterzureden. Ich schloss darauf, dass sie selbst zu verletzt war.

„Und dann?“

Kate holte Luft und ein hilfloses Lächeln erschien auf ihrem Gesicht.

„Unsere Mom hat durch ein Eltern-Lehrer-Gespräch erfahren, dass ihre älteste Tochter auf Mädchen steht und war geschockt. Zu diesem Zeitpunkt haben wir noch beide bei ihr gewohnt. Jedenfalls ist Mom total ausgerastet, hat Erin den Umgang mit Lara, Mary und Amy verboten und die Lehrer angestachelt, ein Auge auf sie zu haben. Erin liebt Mom über alles. Ihre Ablehnung hat sie nicht verkraftet. Sie hat mit Amy Schluss gemacht und angefangen, mit ein paar Typen auszugehen und mit ihnen zu schlafen.“

Kate sah auf mein Laken und schüttelte den Kopf.

„Als wäre es einfach eine schlechte Angewohnheit, Mädchen zu lieben. Erin war nicht glücklich. Das ließ sie an Amy aus, die immer wieder versucht hat, an Erin ranzukommen. Damals war sie so, wie du sie kennen gelernt hast. Unerreichbar und kalt wie Eis. Ich habe Amy meine Liebe gestanden und wusste nicht, dass Lara es auch getan hatte. Lange Rede kurzer Sinn, Amy hat es nicht verkraftet und sich umgebracht.“

Ich riss die Augen auf und ließ die letzten Worte noch einmal Revue passieren, so als hätte ich Katie falsch verstanden.

„Amy ist tot?“

Kate nickte phlegmatisch. Dann drehte sie plötzlich ihr Gesicht von mir weg und ich wusste, dass sie weinte. Sie schluchzte nicht hörbar, aber ich erkannte es an ihrem Schniefen und dem beben ihrer Schultern, wenn sie einen Schluchzer unterdrückte.

„Kate…“, verlautete ich hilflos. Ich stand auf und ging zu ihr ans Bett. Etwas unbeholfen nahm ich sie in die Arme. Katie musste wirklich sehr geliebt haben.

„Erin ist nie wirklich damit fertig geworden, dass sie Amy auf dem Gewissen hat.“

Ich ließ sie ruckartig los, so als hätte ich mich an ihr verbrannt.

„Es ist doch nicht Erins Schuld, dass sich Amy umgebracht hat!“, rief ich aus und sprang vom Bett auf. Im selben Moment begannen meine Schläfen wild zu pochen und ich wusste, dass ich wirklich einen Gang zurückschalten sollte, um nicht die Nerven zu verlieren.

„Wessen Schuld denn dann? Hätte Erin zu ihr gestanden, wäre das alles nicht passiert. Aber sie war zu feige! Deshalb ist Amy jetzt tot.“

Ich schluckte hart, denn die Gedanken in meinem Kopf überschlugen sich. Natürlich konnte ich Kates Sichtweise verstehen, aber die Vernunft in mir wehrte sich, Erin als indirekte Mörderin hinzustellen. Das war ungerecht.

„Kate, du solltest dich reden hören. Erin ist deine Schwester!“

Diesmal schluchzte sie wirklich und barg ihr Gesicht mit Händen.

„Ich weiß und ich liebe sie auch über alles. Dennoch, - so sehr ich es auch will, ich kann ihr das nicht vergessen. Ich habe Amy geliebt und sie hat sie mir genommen.“

Inzwischen hatte ich damit begonnen, in meinem Zimmer auf und ab zu laufen.

„Nein, nein, nein.“, murmelte ich unablässig.

„Du gibst ihr also die Schuld an deinem Unglück? Amy hat sich aber selbst umgebracht. Wahrscheinlich war sie labil…“

„DU HAST SIE GAR NICHT GEKANNT!“, brüllte Kate auf einmal.

„Amy war nicht labil. Erin hat sie dazu gemacht.“

Ich erstarrte in meiner Bewegung. Kate war nun aufgesprungen, hatte sich wütend die Haare aus dem Gesicht gestreift und rannte im nächsten Moment schon zur Tür hinaus, bevor ich sie eigenhändig rausschmeißen konnte.

„Du wirst sehen, dass ich Recht habe, Shane. Erin ist nicht die Heilige, für die du sie hältst.“, rief sie mir durch den Flur zu, doch bevor sie noch weiter ausbrechen konnte, knallte ich die Tür zu und ließ mich an ihr herabsinken.

Wenn ich alles vermutet hätte, - aber nie, dass sich Erins Exfreundin das Leben genommen hat. Das erklärte einiges. Mir war nach Heulen zumute, doch ich wusste nicht direkt warum. Langsam fragte ich mich, warum immer alles schief gehen musste, wenn ich einmal in meinem verdammten Leben glücklich war. Warum musste Erin plötzlich am Rad drehen und warum verlor ihre Schwester die Nerven? Ganz zu schweigen von Lara, die diese Lawine erst ins Rollen gebracht hatte. Mit ihr würde ich morgenfrüh anfangen.

Ein Klopfen an meiner Tür ließ mich zusammenfahren.

„Ich bin’s, Shane. Mach auf.“

Erins Stimme klang weich und unwahrscheinlich beruhigend im Vergleich zu Kates hysterischem Ausbruch. Langsam schob ich mich an der Tür hoch und öffnete. Obwohl die Tür nur einen Spalt breit geöffnet war, drängte sich Erin durch den Schlitz und stand mir schließlich gegenüber. Ihre Augen waren weich und lagen auf mir mit Zärtlichkeit. Ich konnte nicht glauben, dass Kate Erin solche Vorwürfe machen konnte.

„Ich schätze, Kitty hat dir erzählt, warum wir uns nicht sonderlich verstehen.“ Erin ließ es im Raum stehen. Sie wirkte nervös und unsicher. Anscheinend fragte sie sich, was ich nun von ihr hielt. Dann sah sie auf den Boden, steckte die Hände in ihre Hosentasche und ließ ihre langen, blonden Haare in ihr Gesicht fallen. Sie sah sehr verletzlich aus, in diesem Augenblick.

„Du solltest nur wissen, dass ich diesem ganzen, verfluchten Internat zeigen würde, wie sehr ich dich vergöttere. Es wäre mir egal, was dann die Leute, meine Familie und die Zwillinge von mir denken. Ich stehe zu dir, klar?“

Erin schluckte schwer.

Nun traten mir wirklich die Tränen in die Augen. Mein Herz wurde eng.

Dann stellte ich mich auf die Zehenspitzen und küsste sie.

„Klar.“, antwortete ich, als ich absetzte.

Erin küsste die Träne weg, die sich ihren Weg zu meiner Oberlippe suchte. Und in diesem Moment wurde mir klar, dass ich soeben einem Menschen so sehr vertraute, dass ich ihn an meinem unmittelbaren Gefühlsleben teilhaben ließ. Ich hatte mir geschworen, dass dies nie wieder geschah und nun war ich froh, dass ich doch noch in der Lage war, zu vertrauen.

Blind zu vertrauen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von: abgemeldet
2009-08-28T20:08:53+00:00 28.08.2009 22:08
Okay... Butcher? Und dann noch die Sache mit dem Degen? Oh je... xDD Also an sich war das Kapitel nicht sehr lustig, aber da musste ich lachen.
Bisher hat mir die Fanfic ziemlich gut gefallen, ich bin gespannt, wie es weiter geht.
Von:  sandpix
2009-08-27T09:25:06+00:00 27.08.2009 11:25
Whaaaa du hast weitergeschrieben *freu* *hüpf*

RIchtig geil. Hoffe du machst bald weiter mit der ganzen Story. Ich liebe dieses Paaring Shane/Erin voll ^^

Von:  Regenperle
2009-08-24T12:38:33+00:00 24.08.2009 14:38
wuhuuu... so lange nichts mehr gehört und plötzlich bäm, die fanfic geht weiter *_____*
ich glaub dein stil zu schreiben ist echt nochmal einen deut besser geworden, obwohl das ja eig kaum noch ging. deine art zu schreiben ist wirklich phantastisch!!!
und jetzt bitte bitte bitte nicht wieder n jahrzehnt mit der fortführung warten, jetzt hätte ich auch gern den rest in einem annehmbaren zeitfenster serviert ^^
Von: abgemeldet
2009-08-21T23:15:31+00:00 22.08.2009 01:15
omg :D
ich hab mir deine story gerade in einem zug durchgelsesn und habe mich in sie verliebt.
alle kapitel sind dir verdammt gut gelungen.
du kannst die charaktere echt super beschreiben und wählst immer die passenden worte wenn es um die gefühle geht.
das ständige auf und ab zwischen erin und shane hat mir sehr gut gefallen. ich lese gerne wie sich 2 streiten und danach wider versöhnen^^
nach erin und shane mag ich katie am liebsten, sie hat eine echt tolle art. bin echt froh das sie in deiner story vorkommt, nur finde ich auch es nicht so erfreulich das sie erin für amys selbstmord schuldig macht.
jetzt sitze ich vor meinem laptop, warte auf mehr und hoffe ganau so wie Suke_08 das es keine 1 1/2 Jahre dauert ^^
bin schon gespannt wie es weiter geht
lg
Von:  Angel-of-the-Night
2009-08-21T19:06:36+00:00 21.08.2009 21:06
Also wenn du mich jetzt sehen könntest, würdest du denken vor dir steht ein Honigkuchenpferd, so sehr grinse ich (vor Freude, versteht sich).
Toll dass du jetzt doch noch weiter geschrieben hast. <smile>
Das Kapie ist genial!!! Endlich weis man was mit Erin los ist und die BEIDEN sind sich schön na, das lob ich mir <lol>
Ich bin Shanes Meinung!!! Erin trifft keine Schuld! Ein Mensch der Stabil in seiner Psyche ist tut so was nicht. Aber irgendwer muss immer der Sündenbock sein. Erin ist zwar geflüchtet aber das kann man ihr bei der Reaktion der Mutter auch nicht so wirklich verübeln, oder?
Aber du hast am Ende schon wieder über diese Sache mit dem Vertrauen geschrieben. Ich frag mich wer und Shane wie so wehgetahen hat, dass sie Probleme hat sich auf eine neue Person vollkommen einzulassen und wegen der sie sich sogar gerizt hat. Das hat doch bestimmt mit dem Typen zu tun der Shane am Anfang mal angerufen hat wo sie dann nenn halben Nervenzusammenbruch hatte
Ich freu mich schon auf´s nächste Kapie. Aber bitt nicht wieder 1 1/2 Jahre warten, ich glaube das halten meine Nerven nicht aus <grins>
So jetzt hab ich glaub ich genug getextet. <grins>
LG


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