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Mr. Svensson

von

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Dritter Teil

[RIGHT]Ich leihe Farben dem Chamäleon,[/RIGHT][RIGHT]Verwandle mehr als Proteus mich und nehme,[/RIGHT][RIGHT]Den mörd'rischen Machiavell in Lehr'.[/RIGHT][RIGHT]Und kann ich das, und keine Kron' erschwingen?[/RIGHT][RIGHT]- Shakespeare, König Heinrich VI. – III. Teil[/RIGHT]

[JUSTIFY][/JUSTIFY][JUSTIFY] [/JUSTIFY]

Kaum dass sich die Türe hinter uns schließt, stoße ich die Luft in einem lauten Seufzen aus meinen Lungen. Der Richter hat Owens Antrag stattgegeben, die Verhandlung wurde für zwei Tage - genauer gesagt: 48 Stunden - unterbrochen. Für mich und Alexander bedeutet das zunächst: zurück ins Gefängnis. Wir sitzen nicht zusammen ein, das hat die Justiz gleich verhindert. Wir sollen keine Möglichkeit haben, uns ohne Überwachung untereinander abzusprechen; sehen uns also nur dann, wenn wir vor Gericht stehen. Lediglich durch Owen haben wir Kontakt und weil wir  hier gerade gemeinsam an einem Ort sind, will Owen die Chance nutzen, das weitere Vorgehen mit uns zu besprechen. Wir bekommen eine halbe Stunde in einem kleinen Besprechungsraum. Die beiden Polizisten, die dafür verantwortlich sind, Alexander und mich zurück in die jeweilige Vollzugsanstalt zu bringen, warten vor der Tür. Um das einengende Gefühl in meiner Brust zu lösen, lockere ich meine Krawatte und öffne die obersten Knöpfe meines Hemdes, auch wenn das nicht viel hilft. Alexander sinkt auf einen der Stühle, streicht sich abwesend durchs Haar. Verdammt sieht er schlecht aus…
 

„Das mit der Navy ist scheiße..“ brummt Owen, während er nachdenklich auf dem Handy herum tippt.
 

„Ich war nicht mal ein ganzes halbes Jahr da. Kein Kriegs- oder Hilfseinsatz, nur Übungen. Den Bootsführerschein hab ich in Schweden gemacht, da war ich 16. Wenn dieses blauäugige Arschloch mir da einen Strick draus drehen will, dann..“ „Er hat es der Jury zumindest passabel verkauft. Wird ein Stück Arbeit, das wieder gerade zu biegen. Aber was sollte dieser Piloten-Mist? Er weiß doch ganz genau, dass du nie geflogen bist.“
 

Ich komme nicht dazu, auf Owens Frage zu antworten, denn am Tisch verkrampft sich Alexander und wird wieder kreidebleich. Zum Glück hat er so eben nicht im Saal ausgesehen. Vorsichtig lege ich ihm eine Hand auf die Schulter und er zuckt zusammen.
 

„Scheiße Arn, ich kann das nicht.“ Seine Augen sehen mich so verzweifelt an, dass es mir auch den Magen umdreht. Owen steckt das Handy weg und mustert den Deutschen, der nur noch ein Schatten seiner selbst ist. „Wenn der mich auch noch mal befragen will… scheiße, ich… Ich hab eben schon kaum noch Luft gekriegt.“ Kaum zu glauben, wenn man ihn sich so ansieht. Alexander ist beinahe noch ein Stück größer als ich, knackt sicher die 1.90m und ist, oder eher war vor diesem Gefängnisintermezzo ziemlich gut in Form. Kein Kerl, den man leicht in die Knie zwingt, doch in den letzten Monaten ist definitiv zu viel passiert. „Manchmal denke ich, dass es die gerechte Strafe ist, Arn. So ist es doch. Das ist die Strafe dafür, dass wir sie…“ meine Hand gräbt sich fester in Alexanders Schulter und er verstummt. Hier ist definitiv nicht der richtige Ort für dieses Gespräch.
 

„Dicks Angebot steht noch“, reißt uns Owen aus unserem kurzen, stummen Zwiegespräch. Ich spüre unter meinen Fingern, wie Alexanders Schultern beben und fahre mir durchs Haar. Ich muss es dringend wieder schneiden lassen, aber ich bin mir nicht so sicher, ob ich das im Knast machen will. Andererseits sieht es so aus, als würde die Freiheit noch eine Weile auf sich warten lassen. „Ich weiß, ihr habt eure Gründe es nicht hören zu wollen, aber in Anbetracht der Verhandlung heute solltet ihr vielleicht wirklich noch einmal darüber nachdenken.“ Mühsam schüttele ich den Kopf, während Alexander das Gesicht in den Händen vergräbt.
 

Dick, besser gesagt Richard Kovacs, ist unser Boss. Seit wir die Armee verlassen haben, arbeiten wir für ihn. Für ihn und sein florierendes Rüstungsunternehmen. Es war ein naheliegender Schritt. Richard unterhält gute Kontakte zur Armee und für Alexander und mich war es einfach ein richtig gutes Angebot. Bereits unsere ersten Entwürfe haben sich für Dick ausgezahlt. Für ihn waren wir ein Glücksfall, denn es ist nicht gerade einfach, Ingenieure zu bekommen, die bei der Armee studiert haben und damit auch praktisches Wissen an Maschinen und Waffen mitbringen. Die meisten behält das Militär nämlich selbst und lässt sie ungern gehen. Zugegebenermaßen sind weder Alexander noch ich ganz freiwillig aus dem Militärdienst ausgeschieden. Meine Gedanken schweifen schon wieder ab, ich sollte mich wirklich zusammen reißen.
 

Owen lässt meinen stummen Wiederspruch nicht zu. „Ich glaube, es wird mal Zeit euch klar zu machen, was da auf euch zurauscht. Starrick hat ziemlich viel zu verlieren, wenn er seinen Willen nicht bekommt. Er will euch um jeden Preis verurteilt sehen, weil er sich langsam einen Namen machen muss. Der Junge arbeitet schon eine Weile für die Staatsanwaltschaft, aber er hat sich noch nie wirklich gut positionieren und profilieren können. Die letzten Fälle hat er alle verloren, das hier darf ihm einfach nicht durch die Finger rutschen. Er ist versessen darauf, euch nicht wegen unterlassener Hilfeleistung oder Totschlags, sondern wegen Mordes dran zu kriegen, daran hat er seit dem ersten Verhandlungstag keinen Zweifel gelassen. Wenn er auch nur den kleinsten Hinweis in Händen hält, der eure Schuld beweist, dann seid ihr weg vom Fenster. Und damit meine ich GANZ weg vom Fenster. Ihr sitzt eure Strafe ab und werdet abgeschoben.“ Unter meinen Fingern lässt Alexander jetzt Schultern und Kopf ganz hängen. Ich habe das Gefühl, dass ihm jedes weitere Wort unseres Anwalts noch mehr Kraft raubt. „Aber Owen, Dicks Angebot ändert doch daran nichts. Wenn wir es annehmen und Starrick dann noch irgendetwas findet, das uns mit Rawlinsons tragischem Dahinscheiden verbindet, klopft er wieder an unsere Tür.“
 

„Vielleicht sollten wir es doch in Betracht ziehen.“ Alexanders Stimme klingt schrecklich dünn. Allein der Gedanke daran wieder in dem Büro zu arbeiten, in dem wir an diesem beschissenen verkaterten Morgen die „Strafe“ für unsere nächtliche Strandparty präsentiert bekommen haben, dreht sich mir den Magen um. Für Alexander muss das alles noch viel schlimmer sein und trotzdem sagt er jetzt fast „ja“ zu diesem Angebot? Er schaut zu mir auf und ich weiß, was mir dieser Blick sagen will. Lieber hier bleiben und sich Dicks Willen ergeben, als einzusitzen und dann in ein Land verbannt zu werden, mit dem man nichts mehr verbindet.
 

Hier in Kanada, in Toronto, ist unser zu Hause. Der Gedanke nach Schweden zurück zu müssen ist befremdlich, auch wenn meine Eltern dorthin zurückgekehrt sind und ich inzwischen allein in meinem Elternhaus lebe. Nein, der Gedanke abgeschoben zu werden behagt mir auch nicht. Da sind noch zu viele Dinge, die einer Klärung bedürfen, zu viel, das ich verarbeiten muss. Ich bin hier noch nicht fertig und Alexander genauso wenig. Aber dafür die eigene Seele verkaufen?
 

Du nimmst, was du kriegen kannst. Und manchmal muss das einfach reichen.
 

Danke Logan. Nicht jetzt.
 

Ich verbanne die Stimme in meinem Kopf und mustere Alexander erneut, der da sitzt und mich anschaut wie ein geprügelter Hund. Den Schmerz den er empfindet wird Dicks Angebot ihm nicht nehmen können. Wenn es denn wirklich noch steht. Ich straffe mich, schlucke meinerseits die schmerzhaften Erinnerungen hinunter und fange Owens Blick wieder auf. „Dann rede mit ihm. Er soll sagen, was er will. Aber nur unter einer Bedingung: Ich will schriftlich, dass ich nach Vertragsende einfach gehen kann. Zu wem und wohin ich will. Keine Hintertüren, keine versteckten Klauseln – und erst recht kein Starrick, der nur darauf wartet uns wieder vor Gericht zu zerren.“
 

Alexander scheint noch etwas hinzuzufügen wollen, doch er bringt die Worte nicht hinaus, weil es jetzt wieder an der Tür klopft. Das Zeichen, dass wir zum Ende kommen sollen. Owen brummt etwas, nickt dann aber und greift jetzt Alexanders Hand, die der Deutsche auf den Tisch gelegt hat. „Jungs, ich würde euch nicht dazu zwingen. Wir kennen uns jetzt schon eine Weile und ich sage euch: Dieser Deal ist eure beste Chance. Die Sache ist zu groß und zu verstrickt, um den Kopf heil aus der Schlinge zu ziehen. Ich spreche mit Dick und ihr beiden haltet die nächsten zwei Tage die Ohren steif.“
 

Owens Blick hängt vor allem an Alexander. Ich glaube er denkt wirklich, dass Alexanders Zustand allein an den Mordvorwürfen und dem Aufenthalt im Knast liegt, doch dem ist nicht so. In der Nacht, in der Rawlinson auf tragische Weise im Lake Ontario ertrunken ist, starben Logan und Calvin Cartwright auf einem Auslandseinsatz der RCAF durch Luft-Boden Raketen, die unsere Firma entworfen, produziert und verkauft hat.
 

Logan, mit dem ich während meiner Zeit bei der Armee eine Art On/Off-Beziehung unterhalten habe, die für ihn wohl nie mehr als eine Affaire gewesen ist und Calvin, Alexanders Partner.
 

Wieder durchbohrt mich Alexanders Blick, ein stummer Schrei nach Hilfe. Ich habe keine Ahnung, wieso er den Deal wirklich machen will. Wenn wir dem zustimmen, werden wir die nächsten 10 Jahre damit verbringen, wieder Waffen und Flugzeuge zu entwickeln. Aber dann sind wir wenigstens „draußen“ und ich glaube das Eingesperrtsein ist es, was Alexander so fertig macht. Zu viel Zeit sich den Kopf über seinen Anteil an Calvins Tod zu zerbrechen.
 

Du nimmst, was du kriegen kannst. Und manchmal muss das einfach reichen.
 

Nicht jetzt Logan.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2019-02-01T05:26:34+00:00 01.02.2019 06:26
Wow, die ganze Sache nimmt gerade irgendwie an Größe und Monstrosität zu. Richard ist mir nicht ganz geheuer, da bin ich echt gespannt auf die Hintergründe und die Kosten-Nutzen-Rechnung, die damit verbunden ist :D Was Alexander betrifft: Oh Maaann ... irgendwie leide ich ziemlich mit ihm mit, auch wenn es gefühlt erst ein Tropfen Information ist, den ich zu ihm bekommen habe - was da wohl noch alles im Verborgenen liegt? Du schaffst es einfach, großartig spannend zu schreiben und immer nur hier oder dort einen kleinen Hint fallen zu lassen, um wieder etwas Pfeffer in die Situation zu bringen :D btw, die Kapitellänge finde ich richtig angenehm! Knackig und passend für die Spannung und mögliche Wendungen, die keine kilometerlange Ausführung brauchen, sondern eben erst nach und nach zu Tage treten :)


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