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Perfect Girlfriend

ItaDei, inc. Sidepairings
von

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Perfect Person

Deidara war froh, dass er nicht auf seinen Beinen stehen musste. Seine Knie waren weich geworden, und sein Herz schlug so unregelmäßig, dass er fast glaubte, es habe den Takt verloren.

Itachi beobachtete ihn ausdruckslos, als wartete er auf einen Anfall von Hysterie.

Getötet. Das Wort schien seine Gehörgänge zu verstopfen. Natürlich hatte er schon Krimis im Fernsehen gesehen, und dank dem letzten Horrorfilm wusste er, wie ein irrer Massenmörder sich benahm. Aber Itachi? Itachi war nur ein begabter Schüler, der überall seinen Weg machen konnte. Er hatte sich permanent unter Kontrolle, es war unvorstellbar, dass er einfach ausrastete.

"Willst du was essen, un?"

Er musste sich sammeln, dringend. Nichts in seinem beschaulichen Leben hatte ihn auf so eine Situation vorbereiten können.

Itachi antwortete nicht, und Deidara nahm sich nicht die Zeit, das genauer zu deuten. Vermutlich war das nicht die Erwiderung, die 'Grace' für ein solches Bekenntnis in petto gehabt hätte. Getötet...

Pfannkuchen. Er hatte Lust auf Pfannkuchen mit Sirup, und er hatte Sahne mitgebracht, falls Itachi den Nerv dazu hatte, welche zu essen. Er fing übergangslos an, in den Schränken zu wühlen, fand eine Pfanne von der Größe eines Autoreifens und schaltete den Herd an. Es gab zwei Dinge, die er aus dem Stegreif kochen konnte, und das waren Curry und Pfannkuchen. Und ein Murphysches Gesetz lautete, dass irgendwo im Kühlschrank immer Teig war, und sogar genießbarer.

Sein Gehirn nahm allmählich den Betrieb wieder auf. Wenn Itachi wahrhaftig jemanden... umgebracht hatte, war er entweder vorsätzlich vorgegangen – das glaubte Deidara nicht – oder jemand hatte ihm geholfen. Jemand, der über beträchtliche Mittel verfügen musste, wenn er den Fall aus den Medien gehalten hatte. Jemand, der in der Lage war, ihm eine neue Identität zu verschaffen, wenn auch nicht gerade geschickt. Nur... wer mit dem entsprechenden Einfluss könnte das sein?

Deidara gabelte einen Pfannkuchen auf und klatschte ihn auf den Teller. Gut möglich, dass Itachi mit Kisame befreundet gewesen war, aber Kisame fehlten entschieden die Ressourcen. Deidara kannte sich mit solchen Dingen mäßig aus, dennoch konnte selbst er sich denken, dass dazu Bestechungen und Verbindungen nötig waren.

"Willst du Sahne, un?"

Itachi starrte ihn an, als sei es ihm unbegreiflich, wie man so schnell zur Tagesroutine übergehen konnte. Nun ja, es war so ziemlich unbegreiflich, zugegeben. Dafür lange noch kein Grund, keine Antwort zu geben.

Deidara nahm die Sprühsahne, schüttelte sie kräftig und zielte auf den Pfannkuchen. Dann stellte er den Teller vor Itachi auf den Tisch.

"Schmetterling, un."

Itachi musterte erst diese kreative Schöpfung, die überraschenderweise Ähnlichkeiten mit einem Schmetterling hatte, danach Deidara, der seinen Teller auf dem Arm balancierte und Sirup darüber kippte, in einem Maß, wie es nicht mal ein kleines, zuckersüchtiges Kind gemocht hätte.

Extreme Begebenheiten rechtfertigten extreme Mittel. Außerdem war es Erdbeersirup.

"Hast du mir überhaupt zugehört?"

Deidara stellte den Sirup ab und zog eine der Schubladen auf.

"Brauchst du einen Löffel, un?"

"Ob du mir-"

"Da, un."

Der Löffel schlitterte über den Tisch und kollidierte mit der Sirupflasche. Deidara kümmerte sich nicht darum, er durchsuchte den Kühlschrank nach Saft. Saft war immer gut. Er war bloß nicht sicher, ob er Pfirsich oder Orange wollte. Na... Pfirsich war besser.

"Ist Pfirsich okay, un?"

"Was soll das?!"

Itachi klang ungehalten. Deidara holte Gläser und goss Saft hinein.

"Sag Stop, un."

Das brachte ihm einen finsteren Blick von Itachi ein.

"Möchtest du gerne weiter so tun, als hätte ich nichts gesagt?"

Deidara ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Er wartete noch auf das 'Stop'.

"Tu ich gar nicht, un."

"Und warum... tust du dann nichts?!"

Deidara erwiderte den bösen Blick geradeheraus.

"Was soll ich tun?! In hysterische Krämpfe ausbrechen oder einen Herzinfarkt bekommen, un?"

Itachi funkelte ihn grimmig an. Schließlich seufzte er.

"Stop."

"Na also, un."

Offenbar war damit alles erzählt. Itachi kratzte schweigend die Sahne vom Pfannkuchen, und Deidara versuchte, seinen zu essen – stopfen war das passendere Wort – bevor er sich mit Sirup voll saugte und pappig wurde.

Es mochte etwas später gewesen sein, als die genannte Gefahr gebannt war. Deidara warf einen flüchtigen Blick zur Uhr – halb elf. Noch eine Menge Zeit, mit der er nicht recht etwas anfangen konnte.

"Du hast Sirup im Gesicht."

Itachi holte ein Taschentuch hervor und hielt es ihm hin. Für einen Sekundenbruchteil sah Deidara dunkle, sanfte Augen. Beinahe zeitgleich sprang Itachi auf und rannte aus der Küche. Die Tür des Badezimmers fiel krachend hinter ihm ins Schloss. Deidara folgte ihm verblüfft und zog sie wieder auf. Abgeschlossen war sie Gott sei Dank nicht.

"Itachi, was ist-"

Der Uchiha wandte das Gesicht ab, eine Hand auf den Magen gepresst. Dann beugte er sich vor und würgte. Deidara fuhr sich angewidert über den Mund, um sich davon abzulenken, dass das seiner eigenen Verdauung nicht zuträglich war. An seinen Fingern klebte roter Sirup. Sein Spiegelbild klärte auf, was Itachi wahrscheinlich so übelkeitserregend fand: es hatte erstaunliche Ähnlichkeit mit Blut.

Itachi drehte den Wasserhahn auf und spülte den unangenehmen Geschmack weg. Jetzt hatte er mehr Ähnlichkeit mit dem verstörten Teenager, der zusammenhanglose Fragen stellte.

Es war relativ still im Bad. Deidara wartete darauf, dass er anfing, nervös, ernst und rational zu sein, wie das in Krimis sonst lief. Dass er die Situation kühl erfasste und einen genialen Plan entwickelte. Der Zustand stellte sich partout nicht ein. Ihm war ein wenig schlecht, was sich bereits besserte, ansonsten war er genauso verträumt und chaotisch wie üblich. Und er hatte nach wie vor kein anderes Bild von Itachi. Na ja... da war diese Sache, die er fast vergessen hatte, über die er mit Sasori nicht hatte reden können. Er war homosexuell, möglicherweise nur eine pubertäre Schwankung, möglicherweise nicht. Eigentlich müsste er deshalb ein 'freundschaftliches' Gespräch mit ihm führen.

Irgendwie schaffte er keins von beidem – das Gespräch oder den genialen Plan.

"Und was machen wir jetzt, un?"

Itachi zuckte mit den Schultern.

"Keine Ahnung."

Vielleicht fiel ihm beim Gespräch der geniale Plan ein.

Er bedeutete Itachi, mit ihm ins Wohnzimmer zu kommen. Dort saßen sie nebeneinander auf der Couch, und Deidara konnte nur den Kopf schütteln über die Ironie der Situation – sie waren an dem Punkt angelangt, bei dem ihre Freundschaft einer argen Zerreißprobe unterzogen wurde, und sie saßen hier wie Ölgötzen und hatten ernstlich keine Ahnung, wie es weitergehen sollte.

"Es gibt zwei Dinge, über die wir reden müssen. Sag A oder B, un."

Itachi beäugte ihn prüfend, ob das ein Scherz sein sollte. Deidara wünschte sich, es wäre so. Noch nie war ein klärendes Gespräch so dämlich eingeleitet worden.

"B."

Hatte ja so kommen müssen. Warum hatte er Itachi die Wahl gelassen?!

"Ich mag dich, un."

Itachi machte ein Geräusch, dass wie ein sprödes Lachen klang.

"Mal sehen wie lange noch."

"Nein, ich... ich habe schon darauf gewartet, dass ich anfange, dich anders zu sehen oder Angst zu haben, da mit reingezogen zu werden, un."

Er schnaubte und drückte seine Finger ins weiche Polster.

"Eigentlich völlig idiotisch... Wir haben beide ein Problem, und jeder hat Schiss, wie der andere darauf reagiert, un. Ich meine, ich könnte die Situation ausnutzen oder Ambitionen hegen oder-"

"Was versuchst du mir mitzuteilen?"

Gute Frage. Seinen letzten Satz hatte er auch nicht kapiert. Aber das machte sowieso keinen Unterschied mehr.

"Ich teile dir mit, dass ich mir den dümmsten Zeitpunkt ausgesucht habe, um amouröse Geständnisse zu machen. Lach nicht, un."

Tatsächlich schien Itachi zu lachen. Er stützte seine Stirn in die Hand, sodass seine Augen verborgen waren.

"Du... du..."

"Sag's nicht, un."

"Trottel."

Itachi boxte ihn mit einem der Kissen. Deidara zog theatralisch die Schultern hoch.

"Hatte ich den verdient, un?"

"Ich versuche das erste Mal seit zwei Monaten, mich mit meiner... Vergangenheit zu befassen, du fällst mir deswegen auf die Nerven, und kaum konfrontiert man dich mit der schockierenden Wahrheit, musst du ausgerechnet... Ja, verdammt, das war der dümmste Zeitpunkt!"

Deidara stieß ein klägliches Wimmern aus und beobachtete Itachi unauffällig. Er war zumindest nicht wütend auf ihn.

"Und, un?"

"Was?!"

"Jetzt rennst du entweder schreiend aus der Wohnung, knallst mir eine oder... na ja, so... un..."

Itachi grinste.

"Oder ich vergebe dir wieder deine Sünden?"

Deidara nickte verlegen. Itachi grinste etwas breiter.

"Das ist nicht fair."

"Wieso, un?"

Itachi fixierte erneut den Kaffeetisch. Musste ja extrem interessant sein. Endlich murmelte er: "Du hattest reichlich Zeit, dir das zu überlegen. Da kannst du nicht erwarten, dass ich das in maximal fünf Sekunden entscheide."

"Und wenn ich dir noch mehr Zeit gebe, un?"

Die Antwort kam so prompt, dass Deidara seine offene Hoffnung unangenehm war. Und was hieß hier 'überlegt'... Das war der logische Schluss aus seinen Emotionen. Es war nicht so, als hätte er darüber hinaus Fantasien. Ehrlich gestanden würde er sich dafür ziemlich schämen. Was war, wenn Itachi tatsächlich so etwas wie gleiche Gefühle hatte... würde sich entscheiden, wenn er das sagte.

"Wie viel Zeit?"

Deidara rieb sich den Nacken.

"Bis... bis heute Abend? Ich lasse dich allein, falle dir nicht auf die Nerven, und... später reden wir über A und deine... Antwort, un."

Für einen Moment wirkte Itachi, als wollte er etwas tun. Etwas Impulsives, von dem er sich danach nicht erklären konnte, warum er es getan hatte. Doch er tat es nicht. Er drückte lediglich Deidaras Hand, kurz und sachte.

"Okay, raus hier."

"Du schmeißt mich aus meinen eigenen vier Wänden, un?"

"Es war dein Vorschlag."

Da hatte er wohl wieder einen Geniestreich getan. Was sollte er den ganzen Tag machen?!

Deidara nahm seinen Helm und die Schlüssel vom Schrank, nicht gerade motiviert durch die letzten paar Stunden. Vielleicht hatte Itachi Recht gehabt und er nahm das schlichtweg nicht ernst genug, weil er die Tragweite nicht erfassen konnte oder wollte. Wahrscheinlich konnte er Itachi nicht mal helfen, er kannte ihn nicht mal so lange wie Kisame es tat.

Und es hätte ihm nicht noch egaler sein können. Genauso wie der Fakt, dass es von diesem Wort keinen Komparativ gab.

"Ich hab übrigens nicht abgeschlossen, un."

Und das war etwas, das Itachi besser zu schätzen wissen sollte. Schließlich gab es in dieser Wohnung nur einen geheimen Raum.
 

Es wäre vielleicht intelligenter gewesen, Kisame zu fragen, wo genau Itachis Eltern wohnten. Der Westblock von Konoha war groß, besonders, da er den Namen theoretisch nicht verdiente. Er dehnte sich ein gutes Stück ins Zentrum der Großstadt aus und war eine entsprechend reiche Gegend. Deidara war wenig zuversichtlich, das richtige Haus zu finden. Solche Menschen legten großen Wert auf Privatsphäre, waren dementsprechend in keinem Telefonbuch oder bei keiner Auskunft verzeichnet. Und die Stadt unterstützte das. Möglich, dass es doch nicht ganz so extrem schwer gewesen war, einen Skandal zu vertuschen...

Die nächste Zeit verbrachte Deidara damit, die Straßen nach dem Namen 'Uchiha' abzusuchen. Er konnte sich nicht erinnern, dass ihm jemals etwas mehr die Nerven aufgerieben hatte. Die Nachbarschaft war unangenehm, und selbst für einen Mensch mit normalem Orientierungssinn war es schwierig, sich zurechtzufinden. Deidara konnte sich nicht vorstellen, hier zu leben.

Am späten Nachmittag hatte er gerade mal ein Viertel geschafft, bestenfalls. Frustrierend. Der einzige Grund, warum er nicht aufgab, war dass er es nicht besonders eilig hatte, zu Itachi zurückzukehren. Es war nicht so, dass er ihm nicht mehr helfen wollte, wenn er keine außerfreundschaftlichen Gefühle für ihn hegte, allerdings wäre es nicht verkehrt, wenn...

Wie lächerlich. Itachi hatte etwas getan, für das er in Iwa zum Tode verurteilt würde, und er machte sich Sorgen um ihre Beziehung. Diese ganze Situation lief falsch.

Deidara entschied sich, bei einem Anwesen weiterzumachen, bei dem der Besucherverkehr wesentlich reger war als bei den anderen. Die Menschen hatten wachsame Gesichter, die ihm allzu bekannt vorkamen. Anwälte. Sein Vater war auch einer von denen, und er war nicht schlecht. An diesem Maßstab konnte Deidara halbwegs festmachen, dass diese Besucher es ebenfalls nicht waren. Das war lediglich eine ungefähre Einschätzung, dennoch hatte er einen gewissen Sinn dafür, wie viel Intelligenz sich hinter ihren Augen verbarg.7

Deidara fühlte sich unwohl. Das waren keine Handvoll unterbezahlter Pflichtverteidiger. Das waren professionelle Akademiker.

Das Haus unterschied sich genauso von den umliegenden. Es war schmucklos weiß und hatte mindestens vier oder fünf Stockwerke. In den unteren dreien waren Jalousien heruntergezogen worden. Dahinter brannte Licht. An einigen in den oberen Stockwerken hingegen klebten Faltsterne oder kleine Fensterbilder. Anscheinend der Privatwohnbereich.

Deidara ging die Stufen hoch, in den Schatten des Balkons, der auf massiven, runden Marmorsäulen ruhte. Momentan war niemand zu sehen. Neugierig betrachtete er die eiserne Tafel an der Tür, in die verschiedene Ansässigkeiten des Hauses eingraviert waren. Anwaltsvermittlung, Kanzlei, Aktienbüro, etc... Multitasking. Das war eher ein Büro für alles Mögliche als ein Wohnhaus.

Zu seiner großen Überraschung tauchte der Name Uchiha tatsächlich auf. Leider hatte er nicht die Zeit um herauszufinden, in welchem Bezug, denn aus der Sprechanlage unterbrach eine weibliche Stimme seine Grübelei.

"Sie wünschen?"

Deidara hob den Kopf. Kameras, umwerfend.

"Ich... ich suche... Uchiha-san."

Er war noch nie dankbarer gewesen, dass dieser Suffix das Geschlecht nicht angab. Nervös würgte er den Kloß im Hals herunter und versuchte, etwas selbstbewusster auszusehen. Dieses Gebäude schüchterte ihn ein.

Die Stimme schwieg kurz, und er spürte, wie die Frau ihn musterte.

"Mit welchem Anliegen?"

Es hatte keinen Zweck, sich etwas auszudenken. Sie konnte erkennen, dass er noch nicht volljährig war und wohl kaum ein Jurist war. Unheimlich... Und so einer wollte Sasori werden? Hoffentlich nicht.

"Es geht um... Itachi. Itachi Uchiha."

Wenn das eine Verwechselung war, hatte er wenigstens die Erfahrung gemacht, dass es mehr als eine Familie Uchiha in Konoha gab.

"Einen Moment Geduld, bitte."

Die Stimme klang etwas unsicherer, da es sich nicht länger um etwas Geschäftliches drehte. Deidara atmete tief durch. Er mochte diesen Ort nicht.

Die Sensoren an der Tür stießen ein knarrendes Geräusch aus.

"Bitte begeben Sie sich in den dritten Stock und warten Sie dort."

Was war aus der guten alten Zeit geworden, als Menschen noch persönlich nach draußen kamen?! Jetzt musste er da rein... Plötzlich erschien ihm die Konfrontation mit Itachis Gefühlswelt als das wesentlich kleinere Übel.

Die Luft innen war kalt von der Klimaanlage, und der schwarzgrüne Marmor an den Wänden und dem Boden machte es nicht unbedingt wohnlicher. Die Dame vom Empfang schien nicht sicher zu sein, was er hier zu schaffen haben sollte. Wenn er ehrlich war, konnte er sich da nur anschließen.

Ein Fahrstuhl brachte ihn in den dritten Stock. Deidara bekam seine Nervosität bis dahin nicht in den Griff. Er wusste nicht mal, mit wem er rechnen sollte, oder wie es aufgenommen werden würde, dass Itachi sein Geheimnis an ihn verraten hatte.

Als die Türen des Lifts sich summend öffneten, hatte er ohnehin keine Zeit, sich darüber den Kopf zu zerbrechen oder die Innenausstattung aus dunklen, lederbezogenen Möbeln und prachtvollen Zimmerpflanzen zu bewundern. Denn er war nicht allein.

Vor ihm stand eine Frau in den mittleren Dreißigern. Zumindest setzte er das so an. Sie war zierlich und trug ein schwarzes Kostüm. Ihr Haar war offen und glatt, was sie einen jüngeren Eindruck machen ließ, allerdings ihr ovales Gesicht noch bleicher machte. Sie war nicht geschminkt und hatte runde, sanfte Augen.

"Du suchst mich?"

Ihre Stimme war weich und freundlich. Auf den zweiten Blick war die Ähnlichkeit mit Sasuke verblüffend... Sie konnte seine Mutter sein. Aber für einen Sohn in Itachi Alter fand er sie zu jung. Gemäß des Falls, sie wäre wirklich Mitte dreißig, müsste sie dafür schlimmstenfalls mit achtzehn schwanger geworden sein... Nicht das, was er erwartete. Allein der beinahe mütterliche Ton, in dem sie mit ihm sprach, legte das näher.

"Ja, ich... wollte Itachis Mutter treffen, un."

Die Frau lächelte geduldig.

"Das tust du bereits. Wie geht es ihm?"

Deidara starrte sie verblüfft an und bemühte sich, seinen Kiefer nicht herunterklappen zu lassen. Er hatte systematisch ausgeschlossen, dass sie es sein könnte. Sie war zu jung und zu... gebildet. Bei Frauen unterer Schichten mochte es üblich sein, früh Kinder zu haben, doch sie war kein Emporkömmling. Dieses Anwesen gehörte ihr, und höchstwahrscheinlich nicht nur in dem Sinn, dass sie es vermietete.

Itachis Mutter trat elegant zur Seite und gab ihm zu verstehen, dass er aus dem Fahrstuhl treten sollte. Ihre Miene war ebenso höflich wie undurchsichtig.

"Setz dich bitte. Wie heißt du?"

Sie benahm sich seltsam. Itachis Verbleib schien sie wenig zu interessieren, obwohl sie danach gefragt hatte. Jetzt ging sie plötzlich zu den Floskeln über und deutete auf eine der Chaiselongues.

Deidara beobachtete sie, während sie sich ihm gegenüber niederließ. Sie war zweifelsohne eine sehr schöne Frau, woran auch die Zeit so schnell nichts ändern würde. Und sie war natürlich, da sie außer Make-up ebenfalls kaum Schmuck oder Accessoires trug. Unter ihrer Bluse schimmerte eine Perlenkette, und an ihrem rechten Ringfinger steckte ein schmaler, goldener Ehering.

"Deidara Takamichi. Ich bin Itachis... Klassenkamerad, un."

Itachis Mutter betrachtete ihn mit gutmütiger Ruhe.

"Du kommst aus Iwa, nicht wahr? Obwohl dein Akzent sich bereits größtenteils abgeschliffen hat."

Sie konnte das allen Ernstes heraushören? Dann war sie gebildet und erfahren...

"Ich bin Mikoto Uchiha. Es freut mich, deine Bekanntschaft zu machen."

Offenbar war die Frage nach seiner Nationalität rhetorisch gewesen, denn sie überging es gleich wieder. Ihre Stimme klang zwar nach wie vor freundlich, dennoch meinte Deidara zu erkennen, dass sie den Inhalt des Gespräches als nicht weiter wichtig erachtete. Eine hübsche kleine Abwechselung vielleicht.

Deidara nickte und beschloss, nicht darauf zu warten, dass sie auf Itachi zurückkam. Was sie vermutlich eh nicht tun würde.

"Itachi geht es nicht gut, un."

Und das war noch gelinde ausgedrückt. Mikoto musterte ihn gelassen, ohne etwas zu erwidern.

"Er hat mir erzählt, was passiert ist, un."

Das waren größere Worte, als er wahrheitsgemäß machen durfte. Itachi hatte ihm einen einzigen Satz erzählt, und danach hatte er ausgerechnet B auserwählt.

"Wo ist er jetzt?"

"Bei mir zu Hause, un."

Als Mikoto dazu nichts mehr sagte, fügte er hinzu: "Nachdem Sasuke nicht weiterwusste, un."

Es bereitete ihm eine gewisse Genugtuung, Sasuke in etwas übertroffen zu haben. Nur schien Mikoto eher bei der Erwähnung des Namens aufzuhorchen.

"Wie geht es Sasuke?"

"Auch nicht so gut, glaube ich, un."

Zumindest war das die Schlussfolgerung aus dem Verhalten, das ihm bei seinen wenigen Besuchen aufgefallen war. Meist hatten sie sich bei ihm getroffen.

Mikoto seufzte.

"Es ist nicht so leicht für ihn."

"Und was ist mit Itachi, un?!", brauste Deidara auf. Sie redete permanent an ihm vorbei! War es ihr denn völlig gleichgültig, wie Itachi sich fühlte?! Oder war das banales Misstrauen gegen ihn als Außenstehenden?

Seine Reaktion schien sie zu erschrecken. Halb befürchtete Deidara, sie würde den Sicherheitsdienst rufen, doch sie fing sich wieder.

"Itachi ist etwas Anderes."

Deidara schnaubte. Allerdings, Itachi war der Täter. Ein feiner Unterschied. Nach kurzem Zögern setzte er vorsichtig an: "Wer war es überhaupt?"

"Wer war was?"

"Den Itachi... getötet hat, un."

Mikoto drehte gedankenverloren an ihrem Ring.

"Was versprichst du dir davon, das zu erfahren?"

Deidara zuckte mit den Schultern und versuchte zu überspielen, dass er nichts hatte, um ihrem Argwohn entgegenzuwirken.

"Ich will ihm helfen. Keine Ahnung, wie, un."

"Und ich dachte, er hätte dir alles erzählt."

Entweder, sie glaubte seinen Argumenten – das war reichlich unwahrscheinlich – oder sie hielt es nicht für möglich, dass er dieses Gespräch an die Öffentlichkeit brachte. Ihre offene Selbstsicherheit verstärkte sein mulmiges Gefühl. Mikoto Uchiha mochte nett und liebevoll sein, doch er bezweifelte nicht, dass sie alles Andere als schwächlich war.

"Ich wollte wissen, ob er etwas ausgelassen hat, un."

Sicher hatte er das. In einem einzigen Satz ließen sich nun mal nicht alle Details unterbringen.

Mikoto stand auf und schlenderte langsam zu einem der großen Fenster.

"Ich denke, es war... gegen Ende der Sommerferien. Ein Tag wie heute mit schönem Wetter."

Ihre Stimme klang abwesend, als würde sie sich vollends zurück zu diesem Tag versetzen.

"Sasuke und ich waren Einkaufen. Itachi kam nicht mit uns, weil er etwas angeschlagen war. Er hat manchmal leichte Migräneanfälle... das hat er von seinem Vater."

Sie lächelte ein wenig und kehrte zu den Sitzmöbeln zurück. Deidara lauschte ihr aufmerksam.

"Mein Mann starb, als Itachi sieben war. Ich... weiß bis heute nicht, warum. Das Flugzeug ist in Brand geraten, nachdem es gelandet war. Sasuke war noch zu klein, er hat das nicht begriffen, und Itachi und ich... haben nur zugesehen."

Deidara konnte sich lebhaft vorstellen, welchen Horror es für einen Siebenjährigen bedeutete, ein Flugzeug auf dem sicheren Landeplatz brennen zu sehen und eine fast abartige Sicherheit zu haben, dass sein eigener Vater dort starb, während er zusah.

"Er hat immer viel gearbeitet und ständig Geburtstage verpasst... Ich glaube, er war ein besserer Geschäftsmann als ein Vater. Er hat von Itachi viel erwartet."

Mikoto knetete nachdenklich ihren Ringfinger.

"Es war schwierig, aber ich bin recht sicher, dass sie sich mochten. Fugaku hat Itachi stets wie einen Erwachsenen behandelt, dessen Urteil Gewicht hat, sobald er seine Lektionen gelernt hatte."

Deidara vermied es lieber, das mit seinem eigenen Vater zu vergleichen. Es gab da gewisse Ähnlichkeiten, trotzdem hätte sein alter Herr den Teufel getan, dem Urteil seines Sohnes zu vertrauen.

"Als Sasuke acht oder neun war, habe ich einen anderen Mann geheiratet. Mehr eine Zweckehe als eine Liebesehe, obwohl ich mich nie damit auseinander gesetzt habe, ob ich ihn liebe. Es ging mir mehr darum, dass die beiden einen Vater haben, und außerdem war es gut, ihn als Partner für die Kanzlei zu haben. Kinder kann man nicht ständig durch Hotels schleifen und privat unterrichten lassen."

Sie sprach das so leidenschaftslos aus, wie Deidara es ihr nicht zugetraut hätte. Mikoto machte nicht den Eindruck einer Frau, die um ihrer Karriere willen einen Mann den Status ihres Gatten einnehmen ließ.

Vielleicht hatte sie seine Gedanken erraten, denn sie fuhr fort: "Das mag unsinnig klingen, sicher. Leider... ist Sasuke ebenfalls mehr auf eine männliche Vorbildfigur fixiert, also war Itachi sein Vorbild. Und das ist von einem Dreizehnjährigen zuviel verlangt, selbst von jemandem wie Itachi."

Sie seufzte erneut, diesmal klang es hörbar unglücklich. Deidara hatte das Gefühl, dass sie seine Anwesenheit einfach vergessen hatte.

"Ich wollte alles perfekt machen – für sie da sein, falls es mal nicht so gut ging, das Familienunternehmen erfolgreich weiterführen, sodass sie etwas von ihrem Vater behalten würden, und gleichzeitig ein normales Leben wie früher führen. Und es schien zu klappen... Sasuke war zwar nicht gerade begeistert von seinem neuen Vater, doch Itachi half ihm, sich daran zu gewöhnen. Deshalb dachte ich, ihm würde das nichts ausmachen..."

Sie schüttelte bekümmert den Kopf. Mit einem Mal wirkte sie weniger wie die elegante Chefin eines Multitasking-Unternehmens und mehr wie eine verzweifelte Mutter. Ihre schlanken Hände zitterten. Die Regung erinnerte Deidara unangenehm an Itachis ständiges Zittern von gestern.

"Alle haben das von ihm gedacht. Schließlich hat er nie mehr von seinem ursprünglichen Vater geredet – einzig diese Katze hat er behalten, die wie durch ein Wunder das Feuer im Flugzeug überlebt hat. Sie war ein... Geburtstagsgeschenk von Fugaku. Zumindest... sollte sie eines sein."

Sie atmete tief ein und aus. Deidara war nicht besonders wohl dabei, in all diesen Erinnerungen herumzuwühlen, die ihn nichts angingen und sie offenbar schmerzten.

"Das Tier ist ihm ständig nachgelaufen, selbst draußen. Lediglich manchmal, wenn er sich mit einem anderen Jungen traf, ist sie herumgestreunt. Ich weiß nichts Genaueres, weil Itachi den Jungen nie mitgebracht hat."

Mikoto runzelte die Stirn, während sie angestrengt nachdachte.

"... Kisame, das war sein Name. Itachi hat mit ihm Basketball gespielt. Kurz vor diesem Tag auch, und die Katze ist solange verschwunden – verrückt, sie kam danach immer sofort zu ihm zurück – und anscheinend... von einem Auto überfahren worden. Itachi war deswegen sehr betrübt."

Allmählich näherte der Bericht sich dem Wendepunkt.

"Wie gesagt, Itachi kam nicht mit uns. Sasuke war enttäuscht, weil ich endlich einen freien Tag hatte... Ja, und er hatte ohnehin etwas auf der Seele. Wegen einem Mädchen, das er zu uns einladen wollte."

Ein wehmütiges Lächeln huschte über Mikotos Lippen.

"Wir kehrten erst am späten Nachmittag zurück. Itachi war nicht mehr in seinem Zimmer, und ich ging nachsehen... eine Etage weiter oben."

Sie schloss für einen Moment die Augen. Erstmals war ihr anzumerken, wie viel Kraft sie die Erzählung kostete.

"Er war... auf dem Flur. Neben dem Telefon. Der Hörer... baumelte bloß am Kabel hin und her."

Unvermittelt presste sie sich eine Hand vor den Mund und drehte den Kopf nach links.

"Er war voller Blut... sein... sein T-Shirt, seine Hände, sogar sein Gesicht... und das Messer... Er hat es fallen gelassen, sobald er mich sah... Ich habe es wieder aufgehoben, weil ich nicht verstehen konnte, was er getan hatte... Er sagte..."

Die Fassade einer gefassten Businessfrau brach entgültig. Deidara beobachtete entgeistert, wie sie nun beide Hände vor den Mund schlug und ein trockenes Schluchzen ausstieß, ohne es richtig zu realisieren. Die Szene kam ihm bekannt vor... Aus dem Actionfilm, in dem Itachi aus heiterem Himmel schlecht geworden war.

"Er sagte, dass er das... nicht gewollt hätte, und da er sonst zu nichts fähig war, habe ich die Räume kontrolliert... Und ihn gefunden."

Mikoto erlangte mühevoll etwas Fassung zurück.

"Ich habe dafür gesorgt, dass der Fall nicht an die Öffentlichkeit kommt und die beiden nicht hier bleiben. Itachi wollte das Land nicht verlassen, und es wäre ohnehin zu ungeschickt gewesen. Ich nehme an, den Rest kennst du."

Mit welcher Selbstverständlichkeit sie von 'den Fall aus der Öffentlichkeit halten' sprach... Dennoch hatte sich der Eindruck, sie schere sich nicht um Itachi, nicht bewahrheitet. Das Vergangene war eine Zerreißprobe gewesen, die eine Beziehung nicht ohne Schäden hatte überstehen können. Verständlich, wenn Mikoto mit der Situation nicht klar kam.

"Und... was werden Sie jetzt tun, un?"

Die Wahrscheinlichkeit, dass sie überhaupt nichts tun würde, erschien Deidara recht hoch.

Diese gesamte Familie war seltsam. Oder das menschliche Gehirn, wenn es entscheiden musste, wie es mit gravierenden Veränderungen umzugehen hatte. Sie lebten damit, und gleichzeitig wühlte es beide zutiefst auf.

"Weiß Sasuke davon, un?", versuchte er es noch mal. Mikoto schüttelte den Kopf und betupfte ihre blassen Wangen mit einem ordentlich zusammengefalteten Taschentuch.

"Er weiß nur, dass etwas nicht stimmt, aber Itachi hat ihm sicher nichts erzählt."

Sie blinzelte und fügte hinzu: "Ich denke, er fürchtet nichts sosehr wie Sasukes Verachtung."

Sie hatte wieder Haltung angenommen; den Rücken gerade, die Schultern gestrafft und das Kinn selbstbewusst vorgerückt. Die Ventilatoren an der Decke trockneten ihr Gesicht, und wenn sie Make-up dabei gehabt hätte, würde sie vermutlich jetzt die Tränenspuren überdecken.

Verachtete sie Itachi? Sie hatte zwar viel für ihn getan, doch das umfasste offenbar ihr Pflichtgefühl – genauso, wie sie es als selbstverständlich angesehen hatte, einen neuen Mann heiraten zu müssen. Deidara fehlte die Erfahrung, um aus ihren Worten heraushören zu können, wie sie Itachis Verhalten einschätzte. Ob sie seine Beweggründe verachtete.

Seine Überzeugung war immer noch da, wie ein Gewicht auf seiner Brust, das den Raum mit einem Mal drückend heiß und winzig machte. Itachi würde nie einen Menschen töten, erstrecht nicht impulsiv. Und das Gewicht auf seiner Brust antwortete ruhig: Wie kannst du da so sicher sein, wenn du ihn erst einige Monate kennst?

"Verachtest du ihn?"

Deidara blickte überrascht auf, als Mikoto sich an ihn wandte. Ihre Miene hatte sich geglättet, ganz wie zuvor. Der Eindruck, dass sie früher eine betörend schöne Frau gewesen war und das noch lange nicht verschwunden war, blieb, wenn auch vermengt damit, dass sich ein gewisser unnahbarer Zug eingeschliffen hatte.

Nein, er verachtete ihn nicht. Er mochte ihn, er schätzte die meisten seiner Eigenschaften, andere eben weniger, er respektierte seinen Charakter und hin und wieder fand er ihn etwas unheimlich. Alltägliches.

Er schüttelte kurz den Kopf. Sie nahm es ohne sichtliche Regung auf. Stattdessen schaute sie auf ihre Armbanduhr und erhob sich ohne Eile, jedoch mit einer unverrückbaren Bestimmtheit, dass dieses Gespräch weitgehend beendet war.

"Es war nett, dich kennen gelernt zu haben, Deidara. Es tut mir leid, ich muss zurück an die Arbeit... Findest du allein raus?"

Deidara bejahte hastig und trat mit einer kurzen Abschiedsformel in den Fahrstuhl. Er wusste nicht warum, aber er musste hier raus.
 

Sein Kopf beruhigte sich erst dann, als er bereits zehn Minuten Fahrt hinter sich hatte. Sie hatte nicht gesagt, dass das Gespräch hilfreich gewesen war oder sie sich zumindest gefreut hatte, etwas über das Befinden ihrer Söhne zu erfahren. Sie hatte so getan, als wäre lediglich diese bedeutungslose Bekanntschaft der Sinn des Treffens gewesen. Und sie hatte ihn nicht gebeten, zu einer passenderen Zeit zurückzukommen, obwohl das – ob Floskel oder nicht – so üblich war.

Irgendetwas war faul. Sie redete frei mit ihm über etwas, das ein öffentlicher Skandal werden würde, sobald es an die Öffentlichkeit drang. Wie konnte sie so sicher sein, dass er den Mund halten würde?! Das war kein reines Vertrauen in seine Ehrlichkeit, schlichtweg unmöglich bei einer Frau, die erfolgreich darin war, die Wahrheit aus Kriminellen herauszuholen. Nein, irgendetwas musste ihr diese Sicherheit geben, und Deidara hatte Angst davor.
 

Gemäß seiner soeben durchlebten Situation und der daraus resultierenden Gefühlslage wäre Deidara Itachi fast um den Hals gefallen, als er ihn sah. Dieser maß ihn dafür so lange mit verwirrten Blicken, bis der Wasserkocher alarmierend kreischte und ihn dazu zwang, in die Küche zurückzurennen. Deidara folgte ihm verblüfft.

"Du machst Tee, un?"

"Was ist daran so außergewöhnlich?"

"Dass du die Teeblätter gefunden hast, un..."

Diese Wohnung existierte nach wie vor in seliger Unaufgeräumtheit, deshalb hatte Deidara den Tee eines Tages für verschollen erklärt und keinen neuen gekauft, weil er eh jedes Mal vergaß, vor dem Aufgießen auf die Uhr zu sehen. Das Ergebnis war meist höllisch bitter gewesen.

Itachi zuckte mit den Schultern und holte zwei Becher aus einem Schrank.

"Ich hab' aufgeräumt.“

"Du hast was, un?!"

Itachi drehte ihm den Rücken zu, dennoch hatte Deidara die Vermutung, dass er ein schuldbewusstes Gesicht machte.

"Ich musste irgendetwas tun."

Es gab Menschen, die freiwillig aufräumten, nur um etwas zu tun? Und Deidara hatte gedacht, Seepferdchen wären das Ulkigste, das die Schöpfung hervorbringen konnte.

Er wartete Itachis Antwort lieber ab und erzählte ihm danach von dem Besuch bei Mikoto. Möglich, dass es ihn wütend machte, und vorher wüsste er ganz gerne, ob...

Itachi nahm sich die Zeit, mit akribischer Ruhe den Tee ziehen zu lassen und einzugießen, bevor er endlich Deidara gegenüber Platz nahm. Er hatte nicht mehr diesen apathischen Ausdruck und auch nicht seinen üblichen unbeteiligten.

"Kannst du wiederholen, was du gesagt hast?", fragte er ruhig und Deidara wusste unangenehm genau, wovon er sprach.

"Äh... jetzt, un?"

"Jetzt."

Itachis Augen waren konzentriert und unergründlich. Deidara hatte keine Ahnung, was er bezweckte. Das war allerdings schon länger der Fall.

"Ich mag dich. Sehr sogar, un."

'Mögen' war wahrscheinlich nicht das Verb, auf das Itachi wartete. Das war zu trivial, natürlich 'mochten' sie sich. Als Freunde sollte man das. Aber er wollte das Wort mit 'L' nicht sagen. Aus dem einfachen Grund, dass er es nicht schaffte. Er traute sich nicht. Er traute sich nicht mal, es zu denken. Es war ihm viel zu... entgültig.

Er musste irgendetwas sagen. Schnell.

"Ähm... Wie... wie viel 'sehr' ist ein... 'liebe', un?"

Irgendetwas oder nicht unbedingt das. Es klang eher nach Umrechnungsaufgabe.

"Vielleicht drei oder vier?"

Bewundernswert, dass Itachi ihn überhaupt verstanden hatte. Die Miene des Schwarzhaarigen war nach wie vor ernst, obwohl das Gespräch unweigerlich ins Komische kippte.

Deidara löste seine ineinander verkrampften Finger unter der Tischplatte und zählte mit. So nervös, wie er war, würde er es sonst nicht hinbekommen. Gut, drei oder vier? Drei... oder besser vier, das wirkte betonend. Oder war das schon übertrieben?

Itachi beobachtete ihn mit hochgezogenen Brauen. Seine Lippen zitterten ein wenig, dann stärker, und schließlich stieß er ein trockenes Lachen aus. Deidara bedachte ihn mit einem gekränkten Blick.

"Amüsierst du dich gut, un?"

"Wunderbar, ja. Löst eine schockierende Nachricht bei dir immer den Drang aus, etwas noch Schockierenderes entgegenzusetzen?"

Deidara zuckte mit den Schultern.

"Keine Ahnung. Du bist gefühlskalt und rücksichtslos und selbstsüchtig und ignorant und unhöflich, und es ist meinem Stolz nicht gerade zuträglich, dass du besser küssen kannst als ich, un."

"Ich sagte, du solltest das vergessen."

"Ich muss ja nicht alles tun, was du sagst, un."

Itachi starrte ihn über den Rand seines Bechers hin an. Hoffentlich warf er ihn nicht. Der Tee war heiß und außerdem war es ein sehr schöner Becher. Das waren Bedenken eines Menschen, der sich gerade mit aller Kraft auf den Alltag konzentrierte.

"Kannst du jetzt bitte mit deinem Urteil herausrücken, damit wir über A reden können, un?"

Falls sie dann überhaupt noch miteinander redeten. Und das war nicht zweideutig zu verstehen.

Itachi war jemand, der nie 'Ich liebe dich' oder 'Ich liebe dich nicht' sagen würde. Vielleicht 'Ich könnte dich ertragen' oder 'Das hat keine Zukunft', allerdings war es noch wahrscheinlicher, dass er gar nichts sagte.

Er nahm die Hand, die reglos neben dem unangetasteten Teebecher auf der Tischplatte lag. Sie war warm und feucht vor Nervosität, und die dünne Narbe am untersten Daumengelenk hob sich wie ein Fremdkörper von der karamellfarbenen Haut ab. Itachi verglich sie gedankenversunken, während er wusste, dass Deidara kaum atmete.

Seine eigene war blass, wenn auch zumindest frei von der Illusion, dass Blut an ihnen klebte, und zum ersten Mal fielen ihm die halbmondförmigen Druckstellen auf, die seine Nägel bei unzähligem Ballen der Faust hinterlassen hatten. Sie erschienen ihm wie ein Symbol für sein Dilemma.

Er wollte nicht, dass ihn jemand in- und auswendig kannte. Alle hatten sich eingebildet, jeden seiner Winkelzüge zu kennen, und das hatte er selbst erst begriffen, als es zu spät war. Alle diejenige, die ihn jetzt mit Verachtung straften, und Itachi hasste nichts mehr. Verachtung war eine Mischung aus allem – Unverständnis, Wut, Enttäuschung, Misstrauen. Er brauchte nicht noch ein Gesicht mehr, auf dem er das lesen konnte.

Warum hielt er dann diese Hand fest? Warum gehorchten seine Finger ihm nicht, wenn er ihnen befahl, endlich loszulassen? Genau, das war der elende Trugschluss des menschlichen Verstandes. Deidara hatte unschuldige, blaue Augen, und er war sich vermutlich nicht bewusst, dass andere dazu neigten, diesen Augen alles zu glauben. Das Signal für das Gehirn war klar – 'Vertrau mir, ich bin dein Freund'. Und einem Organ, dass sein Leben ins Desaster geführt hatte, wollte er nicht die Zügel überlassen.

Lass los, lass verdammt noch mal los. Eine Hand konnte schließlich keine solchen irrigen Signale senden. Itachi wartete, dass es geschah. Er hatte keinen Blickkontakt mehr, somit erinnerte sein Gehirn sich nicht mehr an große, unsichere Augen.

Sein gesamter Körper betrog ihn. Das war nicht sein Gehirn, das seine Finger stur um die fremde Hand geklammert hielt. So unsinnig es klang, die Order kam... aus seinem Herz. Wie eine verstaubte Kerze, die plötzlich und zögerlich wieder aufflackert und zu brennen anfängt. Irrationale Hoffnungen, Glücksgefühle und eine eigenartige Wärme kamen ungebeten mit dem Feuer.

Die raue Haut war angenehm auf seiner erhitzten Wange. Itachi registrierte nur am Rande, dass er sie dagegen drückte. Die verfluchten blauen Augen hatten einen sanften Ausdruck, den er schmerzlich vermisst hatte und von dem er nicht gedacht hätte, ihn noch mal zu sehen.

"Ich gehe Montag mit dir zur Schule, okay?"

Deidara grinste, als hätte er genau das erwartet. Hatte er das? Wieso? Das war nicht zu erahnen gewesen... Itachi seufzte innerlich schwer. Er machte sich Sorgen, dass Deidara ihn zu gut kannte? Tja, schon passiert und nicht mehr zu ändern.

Itachi glaubte für einen Moment, in eine dieser grässlichen Soaps versetzt worden zu sein. Draußen tauchte die untergehende Sonne den Himmel in goldenes Orange, der Verkehr mit seinem zugehörigen Lärm hatte abgenommen, und sein Herz hämmerte mit voller Wucht gegen seinen Rippenkäfig, als wollte es ihn aufbrechen. Da – er fing schon an mit lächerlichen Metaphern. Die Kernkrankheit der Pubertät, vermutlich des ganzen Lebens, hatte von ihm Besitz ergriffen.

Und dabei war es eigentlich nicht der erste Kuss, Itachis sowieso nicht. Bloß der erste Kuss bei voller geistiger Zurechnungsfähigkeit.

Deidaras Lippen kamen ihm genau wie seine Hände etwas angeraut vor. Er musste sich über den Tisch beugen, und sie schmeckten nach nichts. Itachi genoss die Leere in seinem Kopf ebenso wie die Unfähigkeit seines Herzens, für die Ereignisse einen geeigneten Takt zu finden. Verräterisches Ding, geschah ihm recht.

Er musste die Hände auf dem Tisch abstützen, als Deidara ihm in den Nacken fasste. Selbst sein Haar verriet ihn – es stellte sich selbst bei der sachten Berührung auf, und seine Lider weigerten sich, sich wieder zu öffnen.

Deidara zog den Kopf unvermittelt zurück, ein wenig außer Atem und etwas betäubt, das war ihm anzumerken. Er lächelte trotzdem.

"Deine Sünden sind dir vergeben, un."

Na gut, den hatte er wohl verdient.
 


 

Ich stand unter Zeitdruck. Aber anders wäre ich wohl nie fertig geworden. Ich will damit langsam zuende kommen, damit ich die Sequel los bin.



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Kommentare zu diesem Kapitel (7)

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Von:  Koenigsberg
2008-02-15T17:43:35+00:00 15.02.2008 18:43
ohhhh wie süß! muss man dazu noch was sagen? ^/_\^
Von: abgemeldet
2008-01-21T09:37:13+00:00 21.01.2008 10:37
Ja, neues schönes Kappi!>///<
Einfach toll geschrieben!!! Super FF!

Von:  Uran
2008-01-19T18:40:53+00:00 19.01.2008 19:40
na also, da ist das neue kapitel ja^^
vermutlich wars wirklich schwer zu schreiben aber es ist großartig geworden
vor allem die gefühle kommen sehr gut rüber, nicht übertrieben oder so
hmm, jetzt ist eigentlich noch immer die frage da, wen itachi umgebracht hat(sollte es irgendwie dagestanden sein, dann hab ich's überlesen)
vielleicht seinen stiefvater?
ich weiß es nicht aber ich denke, ich erfahre es noch
hat mich auf jeden fall total gefreut dass du weitergeschrieben hast
und ich hoffe, es kommt bald wieder was
lg
Uran

Von:  -Nox-
2008-01-19T12:27:20+00:00 19.01.2008 13:27
Das Kappi ist einfach nur toll geworden.
Ich hab es richtig vermisst deinen Schreibstil zu lesen, aber ich bin froh das das kappi genau jetzt kam :D
Perfekter zeitpunkt und hat echt aufgebaut.
Die Unterhaltung von Deidara und Itachis Mutter, da konnte man sich richtig mit hinein versetzten und einfach das Zusammensein von itachi und Deidara war göttlich ~
Dein Stil ist einfach nur göttlich
lg. Saso ~
Ps: die Endszene war geil <3
Von: lunalinn
2008-01-19T11:25:01+00:00 19.01.2008 12:25
So, ichh ab deine ff gestern per Zufall entdeckt und war zuerst ein wenig skeptisch, wusste nicht, was ich von Itachi als Mädchen halten sollte. Viele lassen die Charaktere dann OoC werden (zB. ein albern kichernder Itachi X__x) und das macht ja dann auch keinen Spaß.
Aber deine ff ist wirklich genial!
Zu deinem Schreibstil kann ich nur sagen, dass du wunderbar detailiert schreibst und genauso schöne Formulierungen dafür findest, Rechtschreibfehler sind kaum vorhanden gewesen und wenn ich sie übersehen hab, dann liegt das daran, dass ich viel zu gebannt vom Inhalt war und ihnen daher keine Beachtung geschenkt hab. Die Monologe klingen nicht gestellt, sondern natürlich und nicht abgehoben...mir fiel auf, dass Itachi sich manchmal (außer man unterstellt ihm was XD) sehr gewählt ausdrückt...aber das hat total gut zu seiner Persönlichkeit gepasst!
Zu den Charaktere kann ich nur sagen, echt genial hinbekommen! Okay, Tayuya ist mächtig OoC, aber das hast du ja in deiner Charabeschreibung bereits deutlich gemacht und mal ehrlich, Tayuya is jetzt nicht so wichtig. Dafür hast du Hauptcharaktere super getroffen. Auch Sasori, den ja viele OoC machen, war gut dargestellt. Konnte mir richtig vorstellen, wie er von Deidara weggezogen wird XD
Irgendwie hab ich das Gefühl, es gab ja auch mehrere Andeutungen, soweit ich mich erinnere, dass da was zwischen ihm und Kankuro läuft...wie süß, ich hoffe mal X3
Zum Inhalt kann ich nur sagen, dass du einfach alles unglaublich gut rüber gebracht hast, vom ersten Gespräch bis zu diesem Kapitel!
Es war niedlich mit zu erleben, wie Deidara sich in Yuzuka verliebt, diese ihn abweist, weil sie ja eigentlich der "verschollene" Uchiha Itachi ist und die Art wie Deidara das dann erfährt und ihn trotzdem unterstpützen will...das zeigt, dass er wirklich ein netter Typ ist (den Spruch fand ich immer so kawaii) ^^
Ich war/bin richtig gefesselt von deiner ff, weil sich die Beziehung zwischen Deidara und Itachi ja mit jedem Kapitel trotzdem nur langsam verändert hat, was ich auch gut finde, denn es hat die Spannung immer ein kleines bisschen mehr erhöht, weil man dem Ziel, das bei mir darin bestand, herauszufinden, warum Itachi diese doch sehr anstrengende Maskerade auf sich nimmt, jedes Mal ein Stückchen näher kam...genau wie die beiden, die ja nun endlich gemerkt haben, dass sie was für einander empfinden. Eine Stelle blieb mir auch noch im Gedächtnis und zwar die, wo Sasuke in der Tür stand und Deidara um Hilfe gebeten hat, das war total niedlich, die folgende Szene aber dafür umso erschreckender. Ich hab ne richtige Gänsehaut bekommen, mein Magen verkrampfte sich, als ich mir Itachi so zitternd im dunklen Zimmer hockend vorgestellt hab...das war n richtiger Schock! Aber dass er dann mit zu Deidara kommt und dann auch noch sagt, dass er nicht allein sein will, war richtig toll...wah, da hab ich schon wieder ne Gänsehaut bekommen XD
Deine ff hat sowieso für richtige Stimmungsschwankungen bei mir gesorgt, mich also tief berührt ^^
Und das Geheimnis is ja jetzt auch teilweise gelüftet. Itachi hat jemanden umgebracht...das war mir irgendwie klar, wurde besonders deutlich, als Itachi sich da den Weibertratsch anhören muss und gleichzeitig an ein Steakmesser denkt...
Ich finde es echt bewundernswert von Deidara, dass er trotzdem zu Itachi steht und nicht wie viele andere es wahrscheinlich getan hätten, ihn mit Fragen bombadiert um seine Neugier zu befriedigen...na gut, er musste das selbst erstmal verdauen XD
Auch das Gespräch mit Kisame war wieder sehr interessant...ich frage micht, was da war, wegen dem Telefonat...die beiden schienen ja sowas wie beste Freunde gewesen zu sein...was da wohl passiert ist...trotzdem korrekt von Kisame, dass er Itachi nicht auffliegen lässt, ich mag ihn X3
So, der Besuch bei Uchiha Mikoto war ja scheinbar nicht umsonst...aber Itachi wird, denke ich, sowieso bald alles erzählen und ich freu mich drauf, weil dann endlich die ganze Wahrheit ans Licht kommt. Was mir aufgefallen ist, Deidara ist ja wirklich ziemlich einfühlsam...wenn man seine hibbelige Persönlichkeit kennt, ist das schwer vorzustellen, aber wenns um Itachi geht (oder auch Sasori) ist er richtig beantwortungsbewusst und das gefällt mir ^^
Und dieser traumhafte Kuss, woah, da meldet sich wieder die Gänsehaut...einfach der Wahnsinn!
Ich hoffe, dass es bald weitergeht und freu mich aufs nächste Kapitel ^^
Hoffentlich hab ich dich mit meinem langen Kommi nicht zu voll gequatscht, aber ich musste es einfach sagen XD
cucu
lg
Pia
Von: abgemeldet
2008-01-18T22:47:16+00:00 18.01.2008 23:47
Und mal wieder ein Kapitel was ich zum heulen toll finde!
Ich muss ehrlich gestehen, dass ich NIEMANDEN kenne, der SO schreibt!

Die Geschichte ist einfach traumhaft und wie du sie umsetzt und beschreibst! TT.TT

Hoffe du schreibst schnell weiter, ich werd grad ziemlich hibbelig! XD
Von:  Apollon
2008-01-18T22:35:14+00:00 18.01.2008 23:35
Das Kappi ist wundervoll und es kam genau zum reitigen Zeitpunkt.
Es hat mich ziemlich aufgeheitert mal wieder was lesen zu können was vom stil und von der Handlung hochwertig ist
*verbeug danke*

und darf ich den Satz mit dem Seepferdchen in meinen steggi schreiben?
*den so genial fand*

Ich habe teils beim lesen gänsehaut bekommen weil es so toll war.
Besonders mochte ich die Stelle, wo Itas mum erzählt hat.
Du hast ihre -und allgemein alle- emotionen so gut zum ausruck gebracht. nicht übertriben sondern so das man sie nach empfinden kann.

und trotz des ernstes themas dennoch manchmal einfach nur satzstellungen die einem zum schmunzeln bringen.

ich liebe deinen stil
lg. CookieDei


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