56. Im Schatten des Krieges
56. Im Schatten des Krieges
"Verratet ihr uns jetzt vielleicht einmal, was wir hier sollen?" fragte Van ungehalten. Die große Schlacht stand innerhalb der nächsten zwölf Stunden bevor, er hatte noch viel zu viel zu tun und jetzt stand er hier mit seinen Freunden vor dem Tempel und wusste noch nicht einmal warum. Neben Van standen nicht nur Hitomi, Folken, Merle, Lothian, Louvain, Allen und Milerna, sondern auch noch Gardes und die Crew des Crusado. Allen war der Meinung gewesen, dass sie auch dabei sein sollten.
"Milerna und ich werden heiraten," erklärte Allen und legte den Arm um die Prinzessin.
"Und zwar jetzt sofort," fügte Milerna hinzu.
Die Freunde waren sprachlos. Hitomi fand als Erste die Sprache wieder.
"Aber das ist ja wunderbar," lächelte sie und umarmte beide Freunde fest. Jetzt ergingen sich auch die anderen in Glückwünschen.
"Und warum jetzt auf einmal?" hakte Van nach.
"Weil wir nicht wissen, was nach der ,großen Schlacht', wie du es gerade genannt hast, sein wird. Wir wollen es jetzt tun, weil wir es jetzt noch tun können. Wer weiß, was morgen ist," erklärte Milerna.
Van nickte. Das erschien ihm doch logischer und durchdachter als auf dem ersten Blick möglich.
"Kommt, lasst uns reingehen," forderte nun Allen.
Wenig später standen Milerna und er vor dem Altar, während ihre Freunde in der ersten Reihe direkt hinter ihnen Platz genommen hatten. Die schmalen Goldringe, die das Brautpaar in den Händen hielten, hatte Allen kurz zuvor beim Juwelier in der Stadt erstanden. So viel Zeit hatte er gerade noch gehabt. Jetzt spürte er, wie ihm das Herz zum Hals klopfte, als er diesen Ring Milerna an den Finger steckte. Er heiratete jetzt wirklich die Frau, die er liebte und nichts konnte das mehr ändern. Auch Milerna zitterten die Finger, als sie Allen den Ring ansteckte. Wie sehr hatte sie sich diesen Moment gewünscht! Die Worte des Priesters hörten beide kaum, so sehr waren sie in den Augen des anderen versunken.
"...hiermit erkläre ich euch zu Mann und Frau. Ihr dürft die Braut jetzt küssen," sagte der Priester noch.
Dann berührten sich auch schon die Lippen des Paares und sie umarmten sich herzlich. Hitomi stellte überrascht fest, dass ihr die Tränen in die Augen traten. Happy Ends. Sie liebte Happy Ends. Vor allem solche. Verstohlen wischte sie sich die Tränen aus den Augen. Dann drückte sie Drayos Hand. Der kleine Junge hatte die ganze Zeremonie schweigend verfolgt und vermutlich noch gar nicht richtig begriffen, was geschehen war. Die Freunde hatten gerade noch Zeit dem jungvermählten Paar ihre Glückwünsche auszusprechen, als ein Bote in den Tempel stürmte.
Mit lautem Knall warf er die Tür auf und stürzte herein. Vor Van blieb er stehen und keuchte seine Nachricht.
"Majestät, sie kommen. Sie sind schon am Horizont zu sehen. In zwei Stunden sind sie hier."
Van rannte los und, ohne dass er irgendetwas gesagt hatte, folgten ihm seine Gefährten direkt auf dem Fuße. Sie rannten durch die Stadt. Überall um sie herum war hektische Aktivität ausgebrochen. Menschen rannten und schrieen durcheinander, Guymelefs bahnten sich ihren Weg zu der Stadtmauer. Schnell erklomm Van die Wehrmauer und blickte zum Horizont. Ja, dort kamen sie. Hitomi blieb neben ihm stehen und folgte seinem Blick.
"Dann geht es jetzt bald los," murmelte sie. Van nickte stumm und brüllte dann zu Admiral Vitguer, der auf dem nächsten Aussichtsturm stand: "Admiral, sind wir so weit?"
Der Admiral nickte. "Die Truppen stehen bereit." Er löste sich von dem Anblick und kam die zwanzig Meter zu Van und Hitomi gelaufen.
"Majestät, was habt ihr vor?"
"Wir werden sie erst einmal herankommen lassen und abwarten. So leicht kommen sie hier nicht rein. Vor allem nicht, wenn sie keine Flugmaschinen haben."
Der Admiral nickte zustimmend.
"Außerdem habe ich das Gefühl, dass wir keine große Schlacht brauchen werden..." fügte Van hinzu und sah Hitomi bedeutungsvoll an. Der Admiral wandte sie ihr zu.
"Hattet Ihr eine Vision?" fragte er, "Ich meine, Eure Visionen sind ja schon fast legendär..."
Hitomi nickte. Vitguer reichte das als Antwort. Er drehte sich wieder um und stürmte davon, um die neuangekommenen Truppen einzuweisen.
"Ich habe eine Frage," wandte sich Hitomi an Van.
"Ja?"
"Warum haben sie eigentlich diesen ganzen Hochzeitsquatsch gemacht, diese Intrigen und alles, wenn sie am Ende doch eh Krieg führen wollen?"
"Weißt du, Hitomi, sie wollen die Macht über Farnelia um jeden Preis. Es ist leichter ein Land durch Heirat unter seine Fittiche zu bringen, denn dann wird nicht alles zerstört und man muss es nicht wieder aufbauen. Außerdem macht die Bevölkerung keinen Ärger und die Nachbarländer sowieso nicht. Man kann also alle Seiten in Sicherheit wiegen und alles wirkt rechtmäßig. Beginnt man aber einen Krieg, dann zerstört man nun einmal auch, und das muss hinterher wieder aufgebaut werden. Außerdem bringt man die überlebende Bevölkerung - und meistens auch die Nachbarländer - gegen sich auf. Mit einem Krieg setzt man sich ins Unrecht. Du siehst, eine Hochzeit ist viel einfach als ein Krieg." Van zuckte mit den Schultern. "Das nennt man wohl Politik."
Hitomi legte den Kopf schief und ließ seine Worte noch einmal auf sich einwirken, dann nickte sie.
"Van, ich wollte dir noch etwas sagen..."
Der junge König von Farnelia sah sie aufmerksam an.
"Ich liebe dich. Und ich glaube an dich. Wir werden das hier schaffen."
"Oh Hitomi." Van küsste sie liebevoll und drückte sie fest an sich. "Ich liebe dich auch."
Dann blieben sie Arm in Arm stehen und sahen zu, wie sich die Armee Saryas immer mehr den Stadtmauern näherte.
