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Walking proud

von

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4

Walking proud
 

Autor: Clea

Pairings: Na, schon ne Ahnung?

Kommentar: Ich freue mich immer über euere Kommentare, schön zu wissen, dass das Ganze jemand liest ...
 

Teil 4
 

"Macht Saki eigentlich jede sechste Stunde blau?", fragte Toshiya schmunzelnd und stieß das Gartentor auf. Der schmale, gepflasterte Weg zum Haus lag gepflegt und mit Blumen gesäumt vor ihnen da.

"Er ist nach Chemie einfach gegangen ... weiß nicht ..."

Ryutaro zuckte die Achseln.

"H-hätte ich ihn aufhalten sollen?"

Er warf dem Blauhaarigen einen schuldbewussten Blick zu, während er ihm die Stufen hinauf zur Haustür folgte. Dieser jedoch machte mit dem Schlüsselbund in der Hand eine abwinkende Geste und erwiderte lachend: "Quatsch, der Kleine wird schon wissen was er tut ... außerdem ist er sowieso so schlau - was soll er da mit Unterricht ..."

Toshiya steckte grinsend den Schlüssel ins Schloss und drehte ihn um. Doch urplötzlich erstarrte er mitten in seiner Bewegung und wandte den Kopf erstaunt zum Gartentor zurück.

Die Straße entlang und durch den Vorgarten wankte ein rothaariger Junge, direkt auf Toshiya und Ryutaro zu. Sein Blick war starr auf die Haustür geheftet, er steuerte zielstrebig an den beiden Jungen vorbei und betrat, ohne ein Wort zu sagen, vor ihnen das Haus.

Toshiya warf dem Schwarzhaarigen einen irritierten Blick zu.

"War das - Die?"

"I-ich weiß nicht ...", kam die unsichere Antwort zurück. "Er sah aus wie Die ... aber ... ha-hast du diese Augen gesehen? Gruselig ..."

Ryutaro schüttelte erschrocken den Kopf. Der Blauhaarige seinerseits zuckte nur die Achseln und trat in den Hausflur.

"Sakiiiiiiiiiiiiiiiiii????!!!! Bist du da-haaaaa??!!", rief er in die unergründlichen Tiefen des Hauses. Ein Koboldmaki, der sich hinter dem Schirmständer verborgen hatte [Anm. der Autorin: Glaubt mir, diese Dinger sind überall, total fies!!] floh, aufgeschreckt durch den Lärm, durch die offene Haustür und rannte direkt in ein fahrendes Auto.

"Oh", kommentierte Toshiya. "Maki is tot." [Anm. der Autorin: YEAH!!! ENDLICH!!! Gott, danke Y.Y ... länger hätte ich das dumme Viech nicht ausgehalten ... da siehst du mal, was passiert, wenn man mich nervt, Levin!]

Langsam streifte er seine Jacke ab und ließ sie zu Boden gleiten. Der andere tat es ihm gleich und gemeinsam gingen sie den Flur entlang zur offenen Küchentür, in der der rothaarige Junge stehengeblieben war.

Toshiya warf einen Blick in die Küche, dann einen Blick auf den schweigenden Die. Er sah aus wie versteinert und stierte mit großen, entsetzten Augen in den Raum hinein. Schließlich bemerkte der Blauhaarige Sakito. Sein kleiner Bruder saß auf dem Sofa im Wohnzimmer (der Raum liegt gegenüber der Küche) und studierte konzentriert ein großes, alt aussehendes Buch, das auf seinen Oberschenkeln lag. Die Bilder von Torten und Gebäck, welche die Seiten zierten, verrieten, dass es sich um ein (dem äußeren Zustand nach zu urteilen ziemlich antikes) Kochbuch handelte.

Toshiya räusperte sich.

"Sakito?"

Einen Moment lang herrschte wieder Stille, dann war das Rascheln von Blättern und ein genervtes "Hmmm?" aus dem offenen Wohnzimmer zu vernehmen.

"Sag ..."

Er räusperte sich ein zweites mal.

"War hier nicht mal früher eine Küche?"

Sakito blickte kurz auf, warf Toshiya einen kritischen Blick zu und senkte die Augen wieder auf seine vergilbten Seiten.

" ... möglich ...", murmelte er zerstreut und blätterte um.

"Die ... alles ok?", flüsterte der Blauhaarige mit besorgtem Blick und legte seinem Freund den Arm um die Schulter. Dieser zeigte mit keinerlei Regung, dass er verstanden hatte.

"Du denkst doch nicht immer noch an diese Olive?"

Dies rechter Mundwinkel zuckte.

"Ach komm, reiß dich zusammen", sagte Toshiya streng und tätschelte seinen Freund am rechten Arm.

"Du hast keine Olive mehr, wir haben keine Küche mehr. Das nenne ich Gerechtigkeit, so ist das Leben eben. Wo ist das Problem? Man kann auch ohne Küche sehr gut auskommen!", rief er vergnügt und trat in den leeren Rraum. Jedes Wort, das gesprochen wurde hallte von den kahlen Wänden wieder. Dort wo Schränke gestanden hatten, waren leicht gräulichen Ränder auf den Fließen zu erkennen. Toshiya schaute sich kurz um, verließ seine Ex-Küche und wollte gerade in Richtung Haustür aufbrechen, als Sakito mit einem gewichtigen Es-gibt-eine-einfache-Erklärung-dafür-Blick den Mund öffnete. Toshiya jedoch schüttelte den Kopf.

"Nein. Ich will es gar nicht wissen."

Mit diesen Worten nahm er seine Siebensachen, die er erst vor fünf Minuten im Flur deponiert hatte und verließ das Haus (vermutlich um eine Pizza essen zu gehen). Ryutaro blieb verloren im Flur zurück.

"Sakito?" Er klopfte leise an die geöffnete Wohnzimmertür um sich bemerkbar zu machen.

"Wo äh ist die Küche hin? Äh, also wenn ich fragen darf ..."

Der Angesprochene schlug abrupt sein Buch zu, warf es achtlos beiseite und sprang von Sofa auf und das alles mit einer einzigen Bewegung, was Ryutaro erschrocken zusammenfahren ließ.

"Rausgeschmissen", erklärte er knapp, streckte sich und gähnte.

Den verwirrten Blick seines Klassenkameraden ignorierend, ging Sakito mit großen Schritten auf die Küche zu, schob Die beiseite, zog ein gelbes Maßband mit kleinen, schwarzen Zahlen hervor und maß den Abstand zwischen Türangel und Boden ab. Dann nahm er einen kleinen Notizblock aus der linken Tasche und vermerkte eine Zahl darauf.

Ryutaro rang verzweifelt nach den richtigen Worten.

"Raus ... geschmissen? W-wie meinst du-"

"Die Küche war doch uralt, da kann doch kein anständiges Essen mehr zustande kommen!", unterbrach ihn Sakito, der dabei war die Breite des Rolladengurtes neben dem Fenster abzumessen.

"Von 1995 ... ich will eine modernere, neuere, also hab ich die alte verkauft."

"V-verkauft?", wiederholte Ryutaro ungläubig. Sakito war also nach der fünften Stunde nach Hause gegangen, hatte in Rekordzeit die Küche ausgebaut und verscherbelt?

"An so nen komischen Vogel mit schwarzen Haaren, Lippenpiercing und Tätowierungen ... geh jetzt bitte, ich brauche Ruhe."

Damit ließ er das Maßband fallen, eilte zur Tür und knallte sie zu. Ryutaro gelang es gerade noch rechtzeitig Die zur Seite zu ziehen.

"Puh, das war knapp ... Die, was ist los? Sag doch was, so hab ich dich ja noch nie erlebt ...", flüsterte der zierlich Junge und warf seinem Nebenmann einen sehr besorgten Blick zu.

Dieser reagierte nicht. In seinen Augen lag ein leerer Blick und seine Lippen formten stumm das Wort "weg". Ryutaro begriff.

"Ach Die ... das tut mir wirklich leid! Ehrlich ... aber ... ich fürchte die siehst du nie wieder ... aber... es war doch nur eine Olive ... nun komm schon ... gehen wir was essen ..."

Der Rotschopf wandte dem Zehntklässler langsam den Blick zu.

"Nur eine Olive? ... sie ... sie war einzigartig ... ich wünschte Sakito hätte mich in der Tür zerquetscht ... dann könnte ich bei ihr sein ..."

Mit einem letzten, irren Blick in Ryutaros Richtung drehte Die sich um und schlurfte mit eckigem Gang davon.

"I-ich ... äh also ...", stammelte Ryutaro, der mutterseelenallein im Flur zurückblieb und dem nichts einfiel um den Rotschopf aufzuhalten. Eine ganze Weile stand er so da, unschlüssig, ob er Die folgen oder wieder zu Sakito in die Küche zurückgehen sollte. Irgendwie schien beides keine wirkliche Lösung zu sein.

"Was ist, kommst du jetzt endlich?"

Toshiyas Gesicht erschien in der offenen Haustür. Anscheinend hatte er draußen gewartet.

"Mach dir mal keine Sorgen um Die, der wird schon wieder. Und Saki ... äh der wird im Normalfall auch wieder ... also hoffe ich. Gehen wir was essen und genießen wir es, solange wir noch können!"

Der Blauhaarige streckte Ryutaro lachend seine Jacke entgegen.
 

"Wie, und Die hat seitdem nichts mehr gegessen?"

Mit schockiertem Blick starrte Toshiya seinen Freund an. Dieser schüttelte nur traurig den Kopf und rührte in seiner Tasse herum.

"Nein, nichts. ... übrigens ... schmeckt gut dieser Tee zum Anrühren", sagte Shinya und lächelte matt. Toshiya grinste schief zurück und erwiderte: "Ich weiß er schmeckt furchtbar ... aber wer weiß, was wir bekommen, wenn Sakitos neue Küche da ist ..."

Der Blauhaarige nahm mit leicht angewidertem Gesicht einen tiefen Schluck aus seiner Tasse. "Und er hat wirklich nichts gegessen? Also so gar nichts? Das ... kann ich mir einfach nicht vorstellen ..."

"Naja ... soweit ich das mitverfolgen konnte hatte er Müsli, drei Pausenbrote, einen Teller Nudeln zum Mittagessen und ein Stück Kuchen. Und einen Apfel. Aber ich meine ..."

Shinya ließ verzweifelt die Schultern hängen.

"Das ist doch fast nichts! Ich bin völlig ratlos. Ich mach mir solche Sorgen, Totchi, was soll ich nur tun?"

Der Angesprochene stellte seine geblümte Tasse auf den Schreibtisch, erhob sich und ging zum Bett hinüber, auf dem Shinya im Schneidersitz saß. Er umarmte seinen Freund kurz und flüsterte: "Ich bin mir sicher, das geht vorüber. Sei einfach für ihn da, ja?"

"Ok ... du hast recht Totchi, ich werde versuchen, stark zu sein ...", antwortete Shinya und nickte tapfer.

"Muss jetzt gehen, ich schau noch mal bei Die vorbei, vielleicht hat sich seine Stimmung schon ein wenig gebessert. Er ist so deprimiert ... machs gut und - danke für den Tee."

Damit erhob sich der schlanke, blonde Junge, durchquerte Toshiyas Zimmer und öffnete die Tür. Die beiden gingen schweigend die Treppe hinunter, Shinya nickte noch einmal stumm zum Abschied.

Kurze Zeit später war Toshiya allein im dunklen, fensterlosen Flur. Er schloss die Augen und ließ die Stille auf sich wirken. Shinyas Schritte auf dem Asphalt des Gehweges waren noch kurz wie aus weiter Ferne zu hören, dann fiel vollkommene Stille über das Haus.

Vollkommene Stille.

Kein Geflüster war zu hören, keine gedämpften Stimmen aus irgendwelchen Zimmern.

Gar keine.

Nicht einmal der Ansatz eines Geräusches.

Toshiya öffnete wieder die Augen und runzelte die Stirn.

Es war ja wirklich absolut still. So ... ganz und gar nicht normal.

"Saki? Ryu? Alles in Ordnung?"

Keine Antwort.

Eigentlich hatte Sakito noch irgendetwas in seiner Küche erledigen wollen und Ryutaro hatte sich sofort dazu bereiterklärt ihm bei der Arbeit zur Hand zu gehen. Dass sich die beiden inzwischen anscheinend besser verstanden, hatte Toshiya mit freudiger Überraschung zur Kenntnis genommen. Sein kleiner Bruder schien die Abneigung, die er für seinen Klassenkameraden hegte, tatsächlich soweit überwunden zu haben.

Langsam näherte sich der Blauhaarige der geschlossenen Küchentür, doch noch immer war nicht der Hauch eines Geräusches zu vernehmen. Kein Kratzen, kein Schaben, keine Schritte, nichts. Irgendetwas hielt Toshiya davon ab, zu klopfen und einzutreten, also legte er vorsichtig sein rechtes Ohr an das kalte Holz, in der Hoffnung irgendeinen Gesprächsfetzen aufzuschappen.

Als seine Mutter an diesem Nachmittag nach Hause gekommen war und wider Erwarten keine Küche vorgefunden hatte, wäre sie vor Entsetzen beinahe umgefallen. Nach einem eindringlichen Gespräch mit ihrem Jüngsten hatte sie sich dann doch wieder einigermaßen gefangen. Das Ganze war trotzdem etwas zu viel für die Arme gewesen, sie hatte sich bereits vor einer halben Stunde mit zwei Schlaftabletten ins Bett gelegt (eine links eine rechts. Sorry, dämlicher Wortwitz =.= es hat mich einfach gepackt).

::Das gibt's doch nicht! Ich höre absolut gar nichts!::

Eine Sekunde rang er mit sich selbst, dann legte Toshiya mutig eine Hand auf die Türklinke und drückte sie gaaaaanz vorsichtig nach unten. Die Tür öffnete sich lautlos. Angst vor dem was ihn da drinnen erwrten könnte beschlich sein Herz.

Vielleicht war sein kleiner Bruder inzwischen zu Menschengerichten übergegangen. Dann würde für Ryutaro jede Hilfe zu spät kommen.

::Mmh, würde zumindest die Stille erklären ...::, dachte Toshiya und ohrfeigte sich im nächsten Augenblick innerlich für derart brutale Gedanken.

Schließlich gab er sich einen Ruck und streckte seinen Kopf zur Tür herein. Doch das Erste was er erblickte waren nicht etwa die Überreste des zierlichen Zehntklässlers. Ryutaro und Sakito saßen in der Mitte des kahlen Raumes auf dem Boden und unterhielten sich in Zimmerlautstärke. In einer der Ecken stand ein Radio, durch die Boxen drang "Reila" von Gazette. Toshiyas kleiner Bruder war in etwas vertieft, das aussah wie ein Plan des Hauses, die Küche war mit einem großen, roten X gekennzeichnet.

"Hi Toshiya. Ist Shinya schon wieder gegangen?", fragte Ryutaro und lächelte den Gast warm an.

"Ja, der ist weg", murmelte Toshiya verwirrt und warf den beiden Jungen auf dem Boden einen scheelen Blick zu.

"Is was?"

Sakito runzelte genervt die Stirn.

"Weil wenn nicht, dann könntest du uns bitte alleine lassen? Wir müssen hier noch eine Menge planen."

Bei dem Wort "wir" kroch ein feines Rot in Ryutaros Wangen, das Toshiya erstaunt zur Kenntnis nahm.

"Schön, dass ihr euch so gut vertragt, aber äh ... habt ihr euch die ganze Zeit unterhalten?", erwiderte der Blauhaarige und starrte seinen Bruder an.

"Nicht immer, wir haben natürlich auch gearbeitet", entrüstete sich dieser, strich den Plan in seiner Hand glatt und schrieb irgendetwas darauf.

"Aber ..."

"Spielst du vielleicht darauf an, dass du uns nicht gehört hast?"

Sakito beobachtete die Reaktion seines Bruders aus den Augenwinkeln. Völlig erstaunt antwortete dieser: "Äh ja! Genau darüber habe ich mich gerade gewundert."

Mit einem theatralischen Seufzen erhob sich Sakito und musterte seinen Bruder.

"Du hast noch nie was von isolierten Häusern gehört, oder?"

Er schüttelte verständnislos den Kopf.

"Ryu und ich haben diese Küche lediglich ein wenig ... nachisoliert. Mit einem speziellen, chemischen Kunststoff. Die Herstellung hab ich aus einem Buch, das ich heute in der Stadt gekauft hab." Mit einem Kopfnicken deutete Sakito auf das alte Kochbuch, das aufgeschlagen am Boden vor ihm lag.

"Da stehen auch ganz gute Rezepte drin, die ich ausprobieren werde, sobald die neue Küche da ist. Fakt ist: Dieser Raum ist jetzt dank unserer Arbeit vollkommen schalldicht. Du könntest hier etwas in die Luft sprengen ohne dass man im Wohnzimmer etwas davon hören würde."

Zufrieden grinsend bückte sich Sakito, nahm seinen Plan erneut in die Hand und begann irgendwelche Zahlen vor sich hin zu murmeln.

Ryutaro lächelte schüchtern zu Toshiya hinauf, der wie angewurzelt in der Tür stand. Die Worte Rezepte drin, die ich ausprobieren werde, sobald die neue Küche da ist in Kombination mit Du könntest hier etwas in die Luft sprengen hallten schrill und bedrohlich in seinem Kopf wieder. Ohne ein Wort des Abschiedes verließ er schleunigst die Küche und eilte ins Bad um sich abzuschminken. Langsam begann er zu begreifen weshalb sich Sakito kurzerhand für eine neue Kücheneinrichtung entschlossen hatte. Jeder verrückte Wissenschaflter brauchte angemessene Gerätschaften. In diesem Augenblick schwor sich der blauhaarige Junge kein Gerät in dieser neuen Küche anzufassen. Sein Instinkt sagte ihm, dass er das bitter bereuen würde. Vielleicht wäre es das Beste den Raum einfach gar nicht mehr zu betreten. Nur um sicher zu gehen.

Na das konnte ja noch heiter werden.
 

Toshiya drehte das Wasser ab.

::Brr, kalt ...::

Er angelte nach seinem Handtuch und begann seine Haut damit trockenzureiben. Anschließend schüttelte er seine Haare nach vorne und schlug sie in ein Frottetuch ein.

::Und jetzt?::

Der Blauhaarige gähnte. Ins Bett gehen wäre fürs Erste mal ein guter Plan. Er hoffte nur inständig, dass Uruha ihn in Ruhe lassen würde. Bevor er ins Badezimmer zum Duschen gegangen war, hatte er von der Treppe aus gesehen, wie sein älterer Bruder an die Tür gegangen war. Anscheinend hatte er mal wieder Besuch bekommen. Hoffentlich nicht Hakuei. Wobei sich dieser heute ganz human ihm gegenüber verhalten hatte.

Toshiya betrachtete sein Gesicht im Badspiegel und runzelte leicht die Stirn. Eigentlich hatte sich ja an seinem Äußeren nicht allzu viel verändert. Wie Kaoru gesagt hatte: Seine Gesichtszüge und Proportionen waren schließlich gleich geblieben. Wieso also entwickelte Uruha plötzliche eine derartige Eifersucht? Und wieso brachte Hakuei kein Wort mehr in seiner Gegenwart heraus? Verständnislos schüttelte Toshiya den Kopf und murmelte vor sich hin: "Irgendwie sind alle verrückt geworden. Uruha hat Besuch ... ich hoffe nur, ich komme unbemerkt in mein Zimmer. Bevor er sich irgendwas überlegt. Ich kenne ihn ..."

Ein Blick auf die hässliche, fischförmige Uhr über der Tür sagte ihm, dass es halb zehn war. Höchste Zeit schlafen zu gehen. Toshiya war hundemüde, aus irgendeinem Grund hatte ihn der Tag wahnsinnig gestresst. Träge schlüpfte er also in ein viel zu großes, schwarzes Band-T-Shirt von Déspairs Ray, das ihm beinahe bis zu den Knien reichte und verließ haarekämmend das Bad. Tatsächlich erreichte er sein Zimmer ohne aufgehalten, beleidigt, überfallen, oder getötet zu werden. Er lag bereits im Bett, als ihm auffiel, dass er irgendwie durstig war.

"Verdammt", fluchte der Blauhaarige leise vor sich hin und erhob sich wieder. Müde taumelnd schlurfte er zur Tür, die Treppe hinunter und öffnete instinktiv die Küchentür.

::Oh! Hatte ich schon wieder vergessen ...::, dachte er, als ihm auffiel, dass da keine Küche mehr war. In diesem Augenblick fragte er sich zum ersten Mal, wo sein kleiner Bruder eigentlich so Dinge wie Gläser, Pfannen, Töpfe, Wasserhahn, etc. verstaut hatte. Die Tassen für den Tee hatte Sakito ihm an diesem Nachmittag äußerst widerwillig ausgehändigt und sie dann sofort wieder eingezogen und an irgendeinem unbekannten, für Menschen unerreichbaren Ort in einer weit entfernten Dimension verräumt.

"Verdammt, Sakito!" Sein Gehirn war einfach zu müde und lahm, um jetzt darüber nachzudenken, wo er am besten ein Glas fand. Aber es ging ja auch ohne Glas. Zu verschlafen um verärgert zu sein, schleppte sich der verdurstende Schüler also wieder die Treppe hinauf und wankte ins Badezimmer. Und hätte Toshiya nicht das vorher das Licht eingeschalten wäre er mit Sicherheit über den Jungen gefallen, der vor dem Waschbecken am Boden kauerte.
 

"Was wollte Toshiya denn da unten?" Verwundert schaute Ryutaro zur Tür durch die leise Schritte klangen, die sich erst entfernt und die Treppe hinunter bewegt hatten und nach kurzer Zeit wieder hinauf in Richtung Badezimmer kamen.

"Tjaaa, gute Frage. Vermutlich sucht er die hier."

Sakito deutete mit einem gelangweilten Kopfnicken auf den zugezogenen Vorhang vor seinem Fenster. Sein Mitschüler blinzelte ihn verständnislos an.

"Er sucht deine Gardinen? Aber wieso kommt er dann nicht gleich zu dir?"

"Ach quatsch, nicht die Gardinen, du kleiner Trottel. Das was dahinter ist."

Sakito sprang von seinem Bett auf und zog den Vorhang mit einem Ruck zu Seite. Es war einfach nur erstaunlich, wie es Toshiyas kleinem Bruder gelungen war die gesamten Küchengeräte plus Gläser, Töpfe, Teller, Kannen, Besteck und Vasen auf seinem Fensterbrett zu verstauen. Man konnte so zwar nicht mehr hinaussehen, aber das kunstvolle Geflecht aus allem, was eine Küche zu bieten hatte, war ein weitaus beeindruckenderer Anblick. Ryutaro starrte mit aufgerissenen Augen auf die Stapel von Geschirr, die ganz links auf dem Mixer und dem Wasserkocher platziert worden waren und mit jedem Luftzug kaum merklich schwankten.

"Ist natürlich nur vorrübergehend ... willst du nen Tee?"

"J-jetzt??", antwortete Ryutaro verwirrt. Langsam fragte er sich, ob mit seinem Klassenkameraden wirklich alles in Ordnung war.

"Na, du musst ja nicht. Also ich hätte jetzt Lust auf Pfefferminztee. Ich liebe Pfefferminze!", teilte Sakito mit und noch bevor der Andere es verhindern konnte, hatte er bereits zwei Tassen aus dem Gebilde herausgeholt, außerdem ein Päcken voller Teebeutel. Zuletzt zog er blitzschnell an dem ganz zuunterst liegenden Wasserkocher. Sakito steckte das Gerät ein und warf es an. Ryutaro hätte zu gerne gewusst woher in drei Teufels Namen Sakito nun das Wasser für den Tee nehmen wollte, doch er brachte nicht den Mut auf danach zu fragen.

Fünf Minunten später hielten die beiden Jungen dampfende Tassen in den Händen. Sakito saß im Schneidersitz auf seinem Bett und schlürfte den heißen Pfefferminztee. Ryutaro hatte auf dem Schreibtischstuhl Platz genommen und beobachtete den Anderen heimlich und mit leicht gerröteten Wangen.

"Da-danke, dass ich hier schlafen darf ...", murmelte er schließlich kaum hörbar und errötete noch stärker.

"Ach quatsch! Is doch selbstverständlich. Hast du deine Mutter erreicht?", erwiderte Sakito und musterte konzentriert die Schlangenhaut, die in seinem Getränk umherschwamm. Er hatte das Gefühl, dass sie den Geschmack nicht wirklich verbesserte.

"Ja ...", log Ryutaro. Eigentlich hatte er nicht einmal versucht, seine Mutter ans Telefon zu kriegen, weil er genau wusste, dass sie sowieso nicht abheben würde. Sie vermisste ihren Sohn nicht. Vermutlich war sie nicht einmal zu Hause.

"Warum möchtest du deine Ma nicht anrufen?", fragte Sakito zerstreut und vermerkte in seinem Gedächtnis, dass er es das nächstes mal vielleicht bei einem einfachen Pfefferminztee belassen sollte. Zumindest passte Schlange absolut nicht in das Getränk. Schon farblich nicht.

"W-was?", stammelte Ryutaro und starrte seinen Klassenkameraden verwirrt an.

"Du hast schon verstanden", gab dieser zurück. "Aber du musst nicht darüber reden, wenn du nicht willst. Na los, jetzt sei doch nicht immer so steif und verklemmt." Sakito klopfte auf die Bettdecke. "Setz dich hier neben mich."

Ohne darüber nachzudenken gehorchte der zierliche Zehntklässler. Er erhob sich von dem Schreibtischstuhl, setzte sich schüchtern neben Sakito aufs Bett und zog die Beine an. Ohne den Anderen anzublicken, nahm er einen Schluck von seinem warmen Tee und versuchte die Röte auf seinen Wangen zu verbergen, indem er den Kopf senkte und die Haare über sein Gesicht fallen ließ. Woher wusste Sakito, dass er seine Mutter nicht angerufen hatte? Und wenn er es wusste, wieso hatte er dann danach gefragt? Und warum schlug sein Herz nur so schnell, wenn er in seiner Nähe war? Im Augenblick war Ryutaro hin- und hergerissen zwischen dem glücklichen Gefühl, dass er hier bei Sakito sein durfte und der grauenvoll beklemmenden Angst, sich zu blamieren oder den Anderen zu verärgern.

Ein Kichern riss ihn aus seinen wirren Gedanken. Erstaunt und ängstlich zugleich hob Ryutaro den Kopf. Sakito war dabei an seinem Tee zu ersticken.

"Du bist so niedlich, wenn du dich schämst ...", kicherte er und wischte sich Lachtränen aus den Augen. Ryutaro starrte ihn an. Dieser Junge wurde ihm immer suspekter. Konnte er seine Gedanken lesen? Seine Wangen färbten sich dunkelrot.

"Ach, gib das her."

Damit nahm ihm Sakito immer noch ziemlich fröhlich die Tasse aus der Hand und stellte sie neben seine eigene auf den Boden neben das Bett.

"Und jetzt halt still", befahl er und wurde plötzlich sehr ernst.

"W-wie?? W-was?", stotterte Ryutaro. Der Andere seufzte genervt auf.

"Tu einfach was ich sage, ja?"

"Äh o-okay ...", antwortete Ryutaro. Na toll. Jetzt hatte er Sakito auch noch verärgert. Wie machte er das nur immer.

::Ich bin einfach zu dämlich ...::, schalt er sich selbst und versank innerlich in Scham. Doch noch bevor er sich weiter Gedanken darüber machen konnte, was dank ihm alles schiefgelaufen war, geschah etwas, dass ihn so sehr überraschte, dass er außer Stande war in irgendeiner Weise zu reagieren geschweige denn sich den Kopf weiterhin über irgendetwas zu zerbrechen.

Sakito hatte sich zu ihm hinübergebeugt und seine Lippen auf die von Ryutaro gelegt. Sanft fuhr er mit der Zunge über dessen Mund, dann lehnte er sich wieder zurück und beobachtete grinsend, wie sein Mitschüler langsam tiefrot anlief.

Er wartete, bis sich Ryutaro wieder so weit gefasst hatte, dass er antworten konnte.

"Was ------?", war das einzige, das er auf die Schnelle richtig herausbrachte. Sakito gluckste vergnügt und erklärte: "Ich habe mich in dich verliebt. Das."

Ryutaro starrte den Anderen einfach nur an. Er hatte zwar gehört, was Sakito ihm eben mitgeteilt hatte, aber von Verstehen konnte nicht im Entferntesten die Rede sein. Das musste er träumen. So etwas konnte gar nicht passieren.

"Und nein, ich will dich nicht hereinlegen. Und ja, natürlich habe ich gemerkt, was du für mich fühlst. Und nein, ich stehe nicht auf Kaoru. Das war nur so eine ... kurzzeitige, dumme Schwärmerei." Sakito seufzte schwer auf. "Tsss, ich war jung und dumm, verstehst du? Aber zum Glück weiß ich immer sehr schnell, was ich will. Und ich will dich."

Ein ganze Weile saßen sie schweigend nebeneinander. Sakito wartete geduldig auf Reaktion, während sich in Ryutaro alle Gefühle und Gedanken überschlugen.

"Möchtest du mit mir zusammen sein?", hakte Sakito schließlich nach, da es nicht so aussah, als ob sein Klassenkamerad in den nächsten Stunden noch antworten würde.

Ryutaro schloss die Augen und hauchte: "J-ja! I-ich ... bin ..auch in dich-"

Weiter kam er nicht, etwas schnürte ihm die Kehle zu.

"Nun fang doch nicht an zu weinen ...", tadelte Sakito sanft, rückte näher an seinen Mitschüler heran und zog ihn in die Arme. So gern er den Rat des Anderen befolgt hätte, Ryutaro konnte nicht anders. Er vergrub seinen Kopf in Sakitos Schulter und schluchzte leise. Dieser sagte nichts. Er wusste, dass keine Worte nötig waren. Also strich er seinem neuen Freund nur vorsichtig über den bebenden Rücken und hielt ihn fest. Erstaunlich was man herausfinden konnte, wenn man sich die Mühe gab auf sein Herz zu hören.
 

Toshiya unterdrückte einen Schrei. Damit hatte er absolut gerechnet.

"Was zum-", keuchte er und presste die rechte Handfläche auf sein wild klopfendes Herz. Er hätte nicht gedacht, dass er diesen Jungen so schnell wiedersehen würde. Und erst recht nicht in seinem eigenen Haus. Offenbar war er noch in genau der gleichen Verfassung, wie an diesem Morgen, als der Blauhaarige ihn im Krankenzimmer der Schule zurückgelassen hatte.

Auf dem weinroten Badezimmerteppich saß eine zusammengesunkene Gestalt mit hellblond gefärbten Haaren: Der Junge den Toshiya vor ungefähr zwölf Stunden auf dem Pausenhof gefunden hatte. Auf seiner Stirn standen feine Schweißperlen, er sah einfach nur übel aus. Blass wie eine Leiche, gerötete, blutunterlaufene Augen, gerötete Wangen. Eine Weile stand Toshiya einfach nur da und fühlte sich von dem Déjà-vu erschlagen. Im nächsten Augenblick kniete er bereits neben dem zierlichen Jungen und legte ihm die Hand auf die fieberglühende Stirn.

"Oh Gott ... dass du noch lebst ist wirklich ein Wunder ... aber wie zum Teufel kommst du hierher?", murmelte Toshiya vor sich hin. Bevor er jedoch irgendwelche Maßnahmen ergreifen konnte, schwang die Badezimmertür auf. Toshiyas Kopf wirbelte herum. Uruha. Er lehnte cool im Türrahmen, in seinen Augen lag ein eiskaltes Blitzen. Ohne ein Wort der Erklärung ging er auf die beiden Jungen zu, schubste Toshiya grob zu Seiten und packte den Blonden am dünnen Oberarm.

"Heeeee, was machst du da?!", protestierte Toshiya, als sein Bruder den fiebernden Schüler auf die Beine zerrte und hinter sich her aus dem Bad schleifte.

"Er ist krank, siehst du das nicht??"

Keine Antwort.

Wütend versuchte der Blauhaarige seinen Bruder aufzuhalten, er griff nach ihm und bekam ihn gerade noch am Ärmel zu fassen.

"Sag mal, spinnst du?", zischte dieser, drehte sich abrupt um und entriss ihm mit einer zornigen Bewegung den Ärmel.

"Du willst ja nicht hören", keifte Toshiya zurück. Er war plötzlich hellwach. Sein Blick streifte über den kleinen Jungen, der schwankend neben Uruha stand, die großen, glasigen Augen ins Leere blickend.

"Kümmer dich um deinen eigenen Kram", knurrte Toshiyas Bruder, drehte sich wieder um und verschwand, den Blonden hinter sich herzerrend, in seinem Zimmer.

"Gefühlloses Monster", grummelte Toshiya und schlich zur Zimmertür seines Bruders. Zum zweiten Mal an diesem Tag versuchte er zu lauschen. Glücklicherweise hatte Sakito nur die Küche mit seinem hochisolierenden Chemie-Zeugs abgedichtet. Durch die Tür drangen zwei Stimmen an Toshiyas Ohr. So sehr er sich auch anstrengte, er konnte dennoch nicht hören, was gesagt wurde. Verdrossen drehte er sich also um, verschwand in seinem eigenen Raum, legte sich ins Bett und knipste das Licht aus.

Zehn Minuten später knipste er es wieder an. Dass er so nicht schlafen konnte hätte er eigentlich gleich wissen müssen. Die großen Augen des Jungen wollten ihm nicht aus dem Kopf. Toshiya setzte sich im Bett auf und rieb sich die Augen. Halb elf. Morgen war Schule und er einfach kein Nachtmensch.

::Aber ich kann doch nicht einfach so seelenruhig schlafen gehen, während dieser Kleine halb tot im Nebenzimmer liegt.::

Außerdem wollte er endlich herausfinden, wer er war. Und was machte er ausgerechnet hier? Bestimmt hatte das etwas mit Uruhas ominösem Besuch zu tun. Nur, warum sollte jemand einen so kranken Jungen mit sich herumschleppen, wenn er andere Leute besuchte? Toshiya fiel nur ein vernünftiger Grund ein: Der Kranke wurde irgendwie gebraucht und es war bestimmten Personen völlig egal, wie dreckig es ihm ging. Das sah Uruha ähnlich.

::Wenn es nicht so ist, fress' ich nen Besen::, dachte der Blauhaarige grimmig und stand auf. Was soll's. Wer brauchte schon Schlaf. Den würde er sowieso nicht mehr finden, Toshiya hatte es endgültig aufgegeben. Während er gähnend zur geschlossenen Tür von Uruhas Zimmer schlich, legte er sich in seinem Kopf notdürftig einen Plan zurecht.

::Soll ich wirklich ...?::

Zögernd klopfte er an. Im Raum wurde es schlagartig still. Dann sagte die gereizte Stimme seines Bruders: "Hai?" und Toshiya trat ängstlich ein. Die anwesenden Personen starrten ihn an, als wäre er eine Erscheinung. Im Gesicht seines Bruders konnte der Blauhaarige lesen, dass Uruha nicht mit ihm gerechnet hatte. Toshiya schluckte das Gemisch aus Wut und Angst herunter, das ihm den Hals zuschnürte und begann: "Sorry, dass ich störe äh ... ihm geht's ja nicht so besonders gut", er deutete auf den blonden Jungen, der zusammengesunken an Uruhas Bett lehnte, "und äh ich wollte fragen, ob ich ihm vielleicht einen Tee oder sowas bringen kann ..."

Toshiya verstummte, als er den erzürnten Gesichtsausdruck seines Bruders sah. Doch der andere Junge lächelte nur und antwortete: "Du kannst ihn sogar mitnehmen, er stört hier nur ..."

"Wie kannst du es wagen einfach hier reinzukommen ...", knurrte Uruha, seinen Freund ignorierend und machte einen großen, bedrohlichen Schritt auf Toshiya zu. Der Andere hingegen erhob sich und legte dem Blonden beschwichtigend die Hand auf die Schulter.

"Lass ihn doch ... sieh es positiv, dann sind wir beide los", flüsterte er und bleckte die Zähne. Zu Toshiya gewandt fügte er hinzu: "Obwohl ich nichts dagegen hätte, wenn du ein wenig bei uns bleibst." Er setzte ein schmutziges Grinsen auf. "Ich bin Daishi. Toshiya, nicht wahr?"

Der Blauhaarige ergriff zögernd die Hand, die ihm entgegengestreckt wurde. Er wusste genau, dass Uruha ihn in diesem Augenblick am liebsten getötet hätte, sein Blick sprach Bände.

"Wow du bist total heiß ...", flüsterte Daishi und zog Toshiya an seiner Hand zu sich heran. Dieser starrte den schwarzhaarigen Jungen erschrocken an und zog schleunigst seine Hand weg.

"I-ich nehm ihn mit ...", stotterte er, zwang sich an Uruha und seinem Freund vorbei, zog die Gestalt, die am Bett kauerte vorsichtig nach oben und führte ihn zum Zimmer hinaus.

"Tür zu!", fauchte Uruha ihm nach, Daishi lachte nur laut auf, versetzte Toshiya einen Klaps auf den Hintern und zog die Tür hinter ihm zu.

"Das darf doch nicht wahr sein", murmelte der Blauhaarige erschrocken, während er darauf achtete, dass der Kleinere, der neben ihm herstolperte, nicht zu Boden fiel.

So etwas war ihm noch nie passiert - noch nie hatte sich jemand ihm gegenüber so schamlos verhalten. Obwohl eigentlich gar nichts geschehen war, raste Toshiyas Herz vor Angst. Dieser Daishi war ihm absolut nicht geheuer, seine kalten Augen lösten in ihm den Drang aus, so schnell wie möglich das Weite zu suchen.

"So, du kommst erst mal mit mir ...", murmelte er vor sich hin, nicht sicher, ob der Junge überhaupt noch bei Bewusstsein war.
 

Es klopfte zaghaft.

"Häääh? Äh herein ...", nuschelte Sakito schlaftrunken und rieb sich mit der rechten Hand die Augen. Beinahe elf Uhr. Er musste eingenickt sein.

Die Tür öffnete sich einen Spaltbreit und Toshiyas Kopf erschien. Er sah nicht minder verschlafen aus.

"Sorry, Saki, ich bräuchte vielleicht eine Tasse Tee oder so etwas, ich habe gesehen, dass bei euch noch Licht brennt und da dachte ich-"

Der Blauhaarige verstummte plötzlich als er die beiden Personen auf dem Bett erblickte: Sakito lehnte mit dem Rücken an der Wand, in seinen Armen hielt er den schlafenden Ryutaro, sein linker Arm barg dessen Kopf. Toshiya starrte seinen Bruder entgeistert an. Dann ganz langsam ging ihm ein Licht auf und er begann sehr breit zu grinsen.

"Aaaaber wenn ich stööööre ...", sagte er gedehnt.

Sakito warf ihm einen verärgerten Blick zu, musste dann aber auch lächeln.

"Nee, schon ok ... hey, Ryu ... ich muss mal kurz aufstehen ..." Er fuhr dem Angesprochenen sanft über die Wange. Dieser regte sich und blinzelte ins helle Licht.

"Hmh? Was ist ...?", murmelte er, löste sich aus der Umarmung seines Freundes, setzte sich auf und rieb sich, leicht schwankend, das Gesicht. Als er Toshiya bemerkte, errötete er heftig und senkte sofort den Kopf.

"Heehee ... wie schön, dass zumindest bei euch alles in Ordnung ist ...", flötete Toshiya vergnügt und wuschelte Ryutaro durch die ohnehin schon sehr zerzausten Haare.

"Keine Sorge Brüderchen, wir haben nichts Unanständiges getan", flötete Sakito zurück, "noch nicht." Damit drückte er seinem Bruder eine Tasse heißen Tees in die Hand.

"W-wie hast du- ich meine, woher so plötzlich...", stammelte Toshiya verdutzt.

"Tja, wenn man die Zeit damit verbringt, dumme Sprüche zu klopfen, entgeht einem eben das Wichtigste", gab Sakito schnippisch zurück und ließ sich wieder auf das Bett neben Ryutaro fallen, dessen Gesicht inzwischen eine einigermaßen normale Farbe angenommen hatte.

"Und warum, wenn ich fragen darf, benötigst du zu dieser späten Stunde ausgerechnet von mir eine Tasse Tee?", gähnte Sakito.

Toshiya warf ihm einen missbilligenden Blick zu.

"Aaalso, ganz einfach. Du hast hier das Geschirr gebunkert, also beschwer dich nicht, wenn ich dich deswegen nerve. Und das Andere ... naja ... äh ... das ist kompliziert zu erklären ..."

Toshiya überlegte wie er den beiden am Geschicktesten mitteilte, was vor sich ging.

Mit ein paar kurzen Sätzen umriss er schließlich sein Problem, wobei er auch von seiner Begegnung in der Schule berichtete. Als Toshiya geendet hatte, runzelte sein Bruder nachdenklich die Stirn.

"Sehr klein, zierlich, blond, merkwürdig? Kommt mir verdammt bekannt vor ..."

"Du ... meinst du vielleicht Kyo?", meldete sich Ryutaro plötzlich schüchtern zu Wort.

"Er geht in unsere Parallelklasse und ... ist wahnsinnig unnahbar. Den Meisten macht er Angst ..."

Dass Ryutaro bei "Den Meisten" sich selbst mit einschloss, war Toshiya natürlich klar, der Junge hatte schließlich vor so ziemlich allem eine Heidenangst. Trotzdem konnte der Blauhaarige gut nachvollziehen was ihm da erzählt wurde. Dieser stechende Blick. Gruselig. Als könnte er auf den Grund der Seele sehen.

"Kann gut sein, dass er es ist ...", überlegte Toshiya. "Wie dem auch sei, ich sehe mal, was ich tun kann. Schlaft nur weiter und nochmal sorry, wegen der Störung. Oyasumi."

"Nacht", antworteten die Jungen im Chor. Dann schloss Sakito seinen Freund sofort wieder in die Arme und zog die Decke über seinen Rücken. Ryutaro kuschelte sich an Sakitos Brust und Toshiya hatte den Eindruck, die Beiden waren schon eingeschlafen, noch bevor er das Licht ausschalten und den Raum verlassen konnte. Vor sich hinlächelnd machte er sich auf den Weg in sein eigenes Zimmer.

Wer hätte das gedacht.

Natürlich, Ryutaro hatte schon vorher ziemlich viel für seinen kleinen Bruder empfunden, das hätte ja ein Blinder mit einem Krückstock bemerkt. Aber dass Sakito selbst - Toshiya schüttelte grinsend den Kopf. Sein Bruder war einfach allen immer einen Schritt voraus.
 

Kyo war wach. Vollkommen bei Bewusstsein saß er auf dem Teppichboden gegen die Heizung gelehnt und verfolgte jede von Toshiyas Bewegungen. Dieser hatte leise das Zimmer betreten und den brühend heißen Tee auf seinem Schreibtisch abgestellt. Nun wandte er sich an den zierlichen Jungen.

"Hi, so sieht man sich wieder." Er lächelte ihn aufmunternd an und fügte hinzu: "Schon etwas besser?"

Als ihm der Andere keine Antwort gab, griff er nach der Tasse und hielt sie Kyo entgegen.

"Hier ... ist aber noch sehr heiß."

Der Blonde beäugte erst Toshiya und dann das Gefäß in dessen Händen mit argwöhnischem Blick.

"Nimm schon!"

Zögernd ließ er sich von dem Blauhaarigen die Tasse in die Hand drücken und starrte finster in die dampfende Flüssigkeit darin. Toshiya beobachtete wie er vorsichtig einen kleinen Schluck nahm.

::Mein Gott, er sieht fürchterlich aus. Total fahl und ausgemergelt! Kümmert sich denn gar niemand um ihn?!::, dachte er bei sich. Laut sagte er: "Der Junge da vorhin ... Daishi ... das ist dein großer Bruder, richtig?"

Kyo schaute auf, musterte den Anderen erneut mit undurchdringlichem Blick und nickte dann kurz.

"Wie lange bist du schon so krank?"

Keine Antwort. Der blonde Junge stierte nur mit fiebrigen Augen weiterhin in seinen Tee. Toshiya bemerkte, dass er mit beiden Händen die heiße Tasse umklammerte. Also erhob er sich, holte eine Wolldecke aus seinem Schrank und legte sie dem Jüngeren wortlos über die Beine.

"Hast du Schmerzen?"

Wieder keine Antwort.

Der Blonde starrte Toshiya einen Augenblick an, oder eher durch ihn hindurch. Dann sprang er auf einmal auf, die Decke glitt zu Boden und eilte zum Schrank neben der Tür. Dort hatte Toshiya all die CDs gestapelt, die er von Sakito ausgeliehen hatte. Kyo zog wortlos ein Album hervor und betrachtete es.

"Nightmare", erklärte Toshiya, woraufhin ihm der Kleinere einen Blick zuwarf, der etwa so viel sagte wie Ich weiß was das ist du Trottel.

"Äh soll ich es einlegen?"

Eine Antwort hätte er auch gar nicht erwartet, er nahm dem Blonden die CD aus den Händen und legte sie in seinen CD-Player ein.

"Mein Lieblingslied davon ist Tokyo Shonen", laberte der Blauhaarige in der Hoffnung irgendwie ein Gespräch aufbauen zu können. Bald schon gab er es auf. Kyo ließ sich, wo er war zu Boden sinken, lehnte seinen Kopf gegen das Regal und schloss erschöpft die Augen. Es dauerte nicht lange und er war eingeschlafen.

Toshiya drehte die Musik ein wenig leiser.

::Das muss ich mir merken ...::, dachte er und tätschelte zerstreut die Hülle des Albums, die er in den Händen hielt. Dann betrachtete er den zierlichen Jungen, der auf seinem Boden eingeschlafen war. Eines war sicher, hier konnte er nicht bleiben. Also schüttelte Toshiya kurz seine müden Glieder aus, kniete sich neben den Jungen, biss die Zähne zusammen und hob ihn auf.

::Na super, wohin jetzt?::

Einzelne Haarsträhnen des Blonden kitzelten ihn im Gesicht. Da er ihn sowieso mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit in der nächsten Sekunde fallen gelassen hätte, platzierte ihn Toshiya kurzerhand auf seinem eigenen Bett. Wie konnte jemand, der so klein und zierlich aussah, gleichzeitig so verdammt schwer sein?

Und nun?

Widerwillig verließ der Blauhaarige sein Zimmer wieder und klopfte noch einmal an die Tür seines Bruders. Eigentlich wollte er ja einfach nur schlafen. Vor seinen Augen erschienen flimmernde Punkte und er musste ein Gähnen unterdrücken, als er schließlich ins Zimmer trat. Der erste Anblick, der sich ihm bot, ließ ihn jedoch seine Müdigkeit für einen Augenblick verdrängen.

"Was'n nun schon wieder?", knurrte Uruha, der auf Daishis Schoß saß und offenbar mit dessen nacktem Oberkörper beschäftigt gewesen war.

::Ich dachte er wäre mit Hakuei zusammen?::, dachte Toshiya erstaunt, laut sagte er zu Daishi:

"Dein Bruder ist eingeschlafen und ähm ... er kann in meinem Zimmer bleiben bis du gehst.Wann gehst du denn?"

Daishi musterte ihn lange mit seinen stechenden, schwarzen Augen bevor er antwortete.

"Euere Mum meinte, ich könnte gerne ein paar Tage bleiben ... jetzt, wo unsere Eltern verreist sind ..."

Seine Lippen umspielte ein widerliches Lächeln, das Toshiya innerlich aufschreien ließ. Das Letzte was er wollte, war, diesen Typen ständig um sich herum zu haben.

"Äh gut. Bai", nuschelte Toshiya und schaffte es die Tür zu erreichen, bevor sein Bruder und dessen Freund vor seinen Augen mit irgendetwas Widerwärtigem loslegten.

Ohne noch mal in seinem Zimmer vorbeizuschauen schlurfte Toshiya die Treppe hinunter ins Wohnzimmer, ließ sich auf Sofa fallen und schlief augenblicklich ein.

Was für ein Abend.



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Kommentare zu diesem Kapitel (10)

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Von: abgemeldet
2005-06-19T21:15:19+00:00 19.06.2005 23:15
ich mag deinen stil.

und den humor! ^^

katsu
Von:  Silent-voice
2005-06-14T16:32:16+00:00 14.06.2005 18:32
ich liebe deine FF!!!!
Sie ist ja sowas von genial....
ich weis nicht wie oft ich lachen musst als du dies oder sakitos benehmen beschrieben hast! xDDD~
aber auch der rest der story ist klasse!
*nick*
gefällt mir sehr....
bitte schreib bald weiter! ^^
LG
Lina
Von: abgemeldet
2005-06-13T12:53:03+00:00 13.06.2005 14:53
schatz du bist einfach genial!!! das findet sogar der drecksmaki...(der is nämlich nich tot, du hast seine schwester getötet... aber das macht nix, die mochte er eh net...^^)aber das mit der olive is ja echt bösartig!! wie kannst du den armen kleinen nur so quälen? (klein? der is größer als ich...=.=) ach ja, noch was: HÖR SOFORT AUF PHYSIK UND MATHE ZU LERNEN UND SCHREIB GEFÄLLIGST WEITER!!!! sonst muss ich dich wohl doch noch in meinen schrank sperren...-^.^- love ya...
Von:  Amiriel
2005-06-13T08:49:15+00:00 13.06.2005 10:49
Also denn werd ich hier auch mal was reinschreiben. ich find deine fic einfach toll! hast du echt gut gemacht. aber der arme Die tut mir so leid. vielleicht sollten wir ihm Koboldmaki am Spieß schenken? *fg* hey, sag mal, wenn ich shinya in meiner fic für dich quälen soll, kann ich mir bei dir da auch was wünschen? *hoffnungsvoll*
naja wir sehen uns ja jeden tag. da werd ich dich mal damit belagern... hehehe!!!
schreib schnell weiter und vergiss nicht: die koboldmakis sind überall!!! *wegrenn*
Von:  Rabbid
2005-06-12T19:41:19+00:00 12.06.2005 21:41
Huhu~
diese ff(besonders dieser teil)isteinfach zum totlachen~
(nicht im böseb sinne gemeint, ne.)
ich liebe lustige ff!!!!!>_______________________<
das mit dem vogel, der vom baum gefalln ist, war einfach zu viel....ich konnte net mehr~
und daidais Ess-sucht*kicher*
und sakitos Kochkünste erst...(ich könnte noch ewig so weitermachen...aba ...lieba nicht,ne?)
die idee der ganzen ff ist mal was neues...Toshiya als graues mäuschen...(ausgerechnet TOSHIYA)*kicher*


aba Kyo...der arme...und Uruha...der böse *kicher*
will wissen wie es weitageht...
hoffe doch es geht bald weita?????°______°
Bitteeee~
oki dann, ne ich mach ma hier schluss
noch mal ein gro~ßes Lob an dich
*tschüssa*
*winke*
Von: abgemeldet
2005-06-11T12:48:37+00:00 11.06.2005 14:48
Muah, die FF is so toll! ~^^~ Und das mit Miyavi find ich total lustig (ich mag auch mal von miya die Haare geschnitten bekommen, ich finde Frisör passt irgendwie total zu ihm. xD), wie das sofa in Shinyas Apartment, das fand ich auch schon so toll. xD
Freu mich schon aufs nächste Kapi,
baibai und *knuffsch* Mieze =3
Von: abgemeldet
2005-06-09T17:13:42+00:00 09.06.2005 19:13
*prust* Also des find i klasse! Aaarmer daidai, hoffendlich wird er nich magersüchtig ge? ^.° Was ist mit Kyo-sama loooos? Der arme ....nyo des hat sich angehört wie grippe...
*grübel* Naja schreib schnell weiter Hai? Ich muss wissen wie des weiter geht *nicknick* *knuddel*
Von: abgemeldet
2005-06-08T21:24:45+00:00 08.06.2005 23:24
O.O
Wow ... was macht denn dieser Daishi mit Kyo-san?!?!?! *knurr*
Nyan ... schreib ganz schnell weiter! Baibaiki!

P.S.: ... was hat es eigentlich mir den ständigen Miyavi-Einlagen auf sich?! Find's witzig ... aber irgentwie verwirrend ... nyan ... bin eh immer verwirrz also mach dir nichts draus! xD

Baibaiki!!!
dat_Taft-Nuss-Nougat
Von:  Auris
2005-06-08T19:12:45+00:00 08.06.2005 21:12
die olive xDDDD~~~~~~~
*sich totlacht*
ich freue mich schon aufs nächte chap *grins*
und ich will wissen wie shinya es schafft die wegen seinem oliven verlust wieder aufzubauen *kicher*

Aurîs
Von:  Kage
2005-06-08T16:53:46+00:00 08.06.2005 18:53
ohhh~ der arme Die!!!
*im ne olive in die hand drück*
genauso verfressen wie ich xDDDDD
nya, endlich haste weitergeschrieben ^^ *freufreu*

greez Kage


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