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Anime Evolution: Erweitert

Zweite Staffel
von

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Episode siebzehn

1.

Es war vollbracht, fast eine Million Anelph und Menschen waren mit Hilfe des kronosianischen Resonatorfeld quasi in der Zeit eingefroren worden. Für das nächste halbe Jahr würden sie nur ein Minimum an Sauerstoff und Wärme brauchen. Erst nach weiteren anderthalb Monaten würde sich ihr Zeitablauf nennenswert beschleunigt haben, sodass der Anstieg im Sauerstoffverbrauch bemerkenswert anstieg. Und lediglich die letzten beiden Tage, bevor das Feld ausgeschaltet wurde, waren wirklich kritisch, Anelph und Menschen würden fast volle Beweglichkeit erreicht haben, das Feld aber noch nicht verlassen können.

Für diese Zeit war geplant, dass die AURORA - hoffentlich - bereits im orbitdes Mars war und das Resonatorfeld bis nach Fushida erweitert werden konnte, damit sie in der natürlich vorbereiteten Stadt die letzte Zeit im Komfort verbringen konnten, nachdem die Reise selbst wie ein Wimpernschlag für sie gewesen sein musste.
 

Ich wunderte mich etwas, womit sich meine Gedanken beschäftigten. Ich stand zwar vor dem gigantischen Gerüstfeld, auf dem die Eingefrorenen, wie der Volksmund sie salopp nannte, oder war es Kei gewesen, standen und saßen und von ihrer Umgebung lediglich die Unterschiede zwischen Tag und Nacht mitbekamen. Aber das Thema war eigentlich abgehakt und ich hätte mich dem nächsten Problem zuwenden müssen.

Die AURORA würde binnen der nächsten acht Stunden den Orbit verlassen, zurück zur Erde fliegen. Zur Erde, deren Position vom letzten Legaten verraten worden war.

Während ich mit zwei Regimentern der Hekatoncheiren sowie etlichen Begleitschiffen zusammen mit Einheiten der Anelph dafür sorgen würde, dass die Naguad sich bei ihrer geplanten Strafexpedition eine blutige Nase holen würden.

Zu diesem Zweck würden wir eine unserer neuesten taktischen Waffen einsetzen, den Long Range Area Observer.

Mit seinen überlegenen Fähigkeiten als Ortungsplattform würde er uns jederzeit vorwarnen können, egal was die Naguad probierten. Und in Verbindung mit einem Resonatortorpedo würde jeder LRAO ein unüberwindliches Bollwerk für jeden Naguad über vierundzwanzig bilden.

Ich bezweifelte, dass sich der Gegner allzu schnell auf diese Entwicklung einstellen konnte, geschweige denn eine junge Mannschaft zusammenbekam, die nicht vom Feld betroffen war.

Sechs LRAO, angeführt von Makoto Inos Abteilung, würden den Planeten Lorania dreidimensional abschirmen.

Aber es war nicht meine Art, jemand wissentlich ins Messer laufen zu lassen, sprich die Naguad erst herausfinden zu lassen, was mit ihnen passierte, wenn ein Betroffener in Resonanz mit dem Torpedo geriet und zu schnell das Feld wieder verließ. Das waren Tote, die ich nicht auf meine Seele laden wollte.

Darum machten sich in diesem Moment auch die beiden Regimenter Briareos und Gyes fertig, neu aufgestellt und nur aus Veteranen des Marskrieges bestehend oder jung genug, um von den Resonatorfeldern nicht betroffen zu sein. Einige hundert kamen von meiner alten Schule. Ich fühlte Bedauern dafür, dass ich sie erneut in mein Abenteuer zerrte, dass ich ihnen ihr normales Leben vorenthielt. Aber diese Mission war notwendig, nötig, essentiell.

Begleiten würden uns die SUNDER und eine Reihe Zerstörer der Midway-Klasse.

Wir würden den letzten Torpedo der AURORA dazu verwenden, um die Effektivität unserer Waffe vorzuführen - und gleichzeitig den Hekatoncheiren eine neue Basis bescheren.

Außerdem hatte mir die Axixo-Basis schon immer irgendwie gefallen. Ihre Werftanlagen würden uns sehr helfen.

Mein Kommunikator summte. "Otomo."

"Sir, es wird Zeit."

Ich nickte. "Bin unterwegs."

Ich sah ein letztes Mal in Richtung der Freunde, die sich hier versammelt hatten. Daisuke würde an Bord bleiben, zusammen mit seinen Kottos.

Yoshi nickte. Er hatte den gleichen Anruf erhalten. Kenji war wie immer wortkarg und gefasst, als er kurz in meine Richtung sah.

Yohko sah merkwürdig starr geradeaus. Ich sah, wie sie leicht zitterte, wie immer bevor sie etwas Gefährliches tun musste, wie eine feindliche Basis angreifen oder Vater um mehr Taschengeld zu bitten...

Na, letzteres hatte sich mit dem üppigen Gehalt eines Colonels der UEMF erledigt.

Megumi kam an meine Seite. Ihr fragender Blick striff Gina Casoli.

Ich legte der Italienerin eine Hand auf die Schulter.

"Geht nur. Wir zwei stellen nicht mehr Unsinn an als sonst auch", erwiderte die Argentinierin italienischer Abstammung und versuchte zu lächeln.

Sie war eine jener bedauernswerten Personen, denen die Kronosianertechnik ein zweites Bewusstsein implantiert hatte, um die perfekten Attentäter zu erschaffen. Aber die Attentäterin in Ginas Bewusstsein hatte ihr Ziel aufgegeben. Sie war noch nicht übergelaufen. Aber es würde nicht mehr lange dauern, bis sie ihre neutrale Haltung aufgab.

Es wunderte mich ein wenig, dass Gina so gut mit dieser Situation klarkam, aber letztendlich konnte diese Frau nichts erschüttern.

Ich drückte kurz ihre Schulter. "Nicht mehr als sonst auch. Das ist ein Versprechen, ja?"

Gina schmunzelte. "Du bist fies, Akira-chan."

Ich schmunzelte. "Niemand bezahlt mich dafür dass ich nett bin."

"Nun aber ab mit dir, bevor du noch mehr Kalauer reißt", tadelte sie mich.

Ich grinste und sah kurz in die Runde. Wenn es nicht so lief wie ich es wollte konnte es sein, dass ich in fünf Stunden nicht wieder hier sein würde. Das ich vielleicht jetzt die letzte Gelegenheit hatte, alle meine Freunde auf einem Haufen zu sehen. Das ich die AURORA erst in gut einem Jahr wieder betreten konnte, wenn sie hoffentlich wohlbehalten in dieses System zurückkam. Ich wollte etwas sagen, ein paar Hände schütteln, einige umarmen, aber schließlich schmunzelte ich nur, schüttelte den Kopf und winkte meinen Offizieren. "Wir beeilen uns", versprach ich, winkte und machte mich mit Yoshi, Yohko, Kenji und Megumi auf den Weg.
 

Mittlerweile war sicherlich die Fünfte Banges-Division gelandet, Ehre oder Tod, wie ihr Beiname lautete. Wie sich herausgestellt hatte, war sie zwar eine der Elite-Einheiten der Streitkräfte, aber auch eine Hauseinheit der Familie Arogad, einer der größten und einflussreichsten Familien der Naguad. Die rund sechshundert Piloten und eintausend Techniker, Stabsdienstler und Raumfahrer waren defacto desertiert, um fortan auf der AURORA zu dienen. Jemand aus der Arogad-Familie musste sie angefordert haben. Jemand, der die Macht innerhalb der Familie hatte, solch eine verrückte Anordnung zu geben. Jemand, der quasi ganz weit oben in der Hackordnung stand. Jemand, der der AURORA sehr wohlwollend gegenüberstand.

Während die Landschaft am Fenster meines Magnetschwebezugs vorbei glitt fragte ich mich, ob Oma Eri wirklich so mächtig war, dass eine Division der Familie auch nach dreihundert Jahren Abwesenheit noch auf sie hörte.

Dreihundert Jahre, dieser Gedanke ließ mich erschaudern. Eine lange, eine sehr lange Zeit. Und Oma sah nicht gerade aus als hätten diese dreihundert Jahre ihr etwas angetan.

Welchen Rang bekleidete sie innerhalb der Familie? Ich hatte Michael aus der Nase gezogen, dass sie ehemals Offizier gewesen war und zur Hauptfamilie gehört hatte. Aber war das wirklich schon alles? Gab es da noch eine Steigerung? Und was bedeutete das für Yohko und mich?

Ich griff um die Schultern meiner Freundin und zog sie sanft an mich. Was bedeutete es für Megumi? Sie gehörte einem anderen großen Haus an, Daness. Aber die Expedition, welche Oma Eri und Opa Michael damals zur Erde geführt hatte, war von den Häusern Arogad und Fioran organisiert und durchgeführt worden. Wie passte Daness dazwischen?

Die Magnetschwebebahn fuhr auf die Route über das Serenity-Meer. Das weite Wasser glitzerte in der Abendsonne und tauchte die Landschaft in rotes Licht. Im Moment wünschte ich mir nichts mehr als eine Decke, einen Fresskorb und eine stille Ecke am Strand, um diesen Anblick mit Megumi zu genießen.

Der Zwischenstopp am Poseidon-Turm, der sich in der Mitte des Meeres erhob und das Flottenhauptquartier beherbergte war kurz und ohne Überraschungen. Ein paar meiner Hekatoncheiren stiegen hinzu, grüßten nervös und freundlich, offensichtlich bereit für den Einsatz.

Wir grüßten zurück und weiter ging die Fahrt.

An der Wand der AURORA mussten wir in einen der Fahrstühle wechseln, die uns zu einem der Mecha-Hangars in der Wand der AURORA bringen würden. Hier waren es schon erheblich mehr Hekatoncheiren. Dazu kamen Dutzende Infanteristen in vollem Marschgepäck, junge Leute wie wir, welche die Axixo-Basis sichern würden. Auch hier waren die Leute nervös, aber entschlossen.

Ich sah mich in Ruhe um. Einige Gesichter kannte ich vom Mars, andere waren mir neu.

Als die Reihe an uns war, mit dem Fahrstuhl hoch zu fahren und wir zusammen mit einigen Hekatoncheiren und Infanteristen nach oben fuhren, dachte ich noch einmal über den Einsatz nach.

Wir würden Jomma angreifen, einen Resonanztorpedo aktivieren und die Axixo-Basis mitsamt dem Umland einfrieren. Permanent laufende Aufnahmegeräte würden zeigen, was mit den Anelph und den Naguad passiert war, die bereits ein gewisses Alter erreicht hatten.

Und dies sollte ihnen Warnung sein, zusammen mit einem trockenen Audio-Kommentar, was passierte wenn man das Feld durchquerte.

Ich dachte an die fünf toten Techniker, damals auf der Titanen-Station.

Die Kronosier hatten OLYMP mit Hilfe des ersten Resonanztorpedos eingefroren, und die wenigen Soldaten und Techniker, die noch aktionsfähig gewesen waren, hatten es gut gemeint und versucht, Leute nach unten zu evakuieren. Sie zu retten.

Aber als die fünf Techniker das Feld verließen, als die Resonanz zum Feld schlagartig endete, da starben sie unter großen Qualen. Noch bevor sie im Aufzug Titanen-Station erreicht waren, hatten die Qualen sie umgebracht.

Verdammt, was für eine effektive Waffe!

Der Fahrstuhl setzte uns ab, wir betraten den Laufgang und kamen schnell zu den Hangars.

Techniker waren bereits dabei, die Mechas zu den Boarding Bays zu holen. Lady Death stand schon bereit und Prime schien erwartungsvoll zu mir herüber zu sehen.

Thunder und Archer, die Mechas von Yohko und Yoshi wurden gerade heran gefahren.

In der Ferne erkannte ich einen weiteren Sparrow, Spectre. Ich war froh, dass Takashi-sempai uns begleiten würde. Daneben erhob sich Knight, Kenjis Hawk. Er hatte es nicht ohne Grund zum Major der Hekatoncheiren gebracht.
 

Karl erwartete mich bereits. In der Hand hielt er meinen Helm.

"Nanu, du hier und nicht da unten eingefroren?"

Der Deutsche grinste schief. "Wie du weißt war ich schon mal in einem Resonanzfeld gefangen. Deshalb kann keiner sagen, wie ein zweites Mal aussehen wird. Also entschuldige bitte, dass ich auf diese Erfahrung verzichte und stattdessen lieber die jungen Anelph und Menschen ausbilde, während wir heim fliegen. Schlimmer als deine Hekatoncheiren zu hüten kann das auch nicht sein."

"Na danke", brummte ich amüsiert, erklomm meinen Mecha und ließ mir von Karl bei den Anschlüssen helfen.

"Nabend, Prime. Bereit für einen kleinen Spaziergang?"

"Ja, Commander. Wenn alles nach Plan läuft, wird es wirklich ein Spaziergang."

"Es läuft nie alles nach Plan." Ich klopfte Karl noch einmal zum Dank auf die Schulter und ließ das Cockpit zufahren. Schade, ich hätte gerne vorher noch mit den Piloten der Fünften Banges gesprochen. Aber vielleicht blieb dafür später noch Zeit.

"Schalte mich auf Divisionsfrequenz hoch, Prime. Blue Lightning, hier ist Blue Lightning. Regimentsführer, Rückmeldung bei klar."

"Lady Death, hier Lady Death. Klar bei Briareos."

"Thunderstrike, hier Thunderstrike. Klar bei Gyes."

"Blue Lightning, hier Blue Lightning. Hekatoncheiren, hergehört. Wie Ihr alle wisst suchen wir uns jetzt ein neues Zuhause. Aber wir müssen erst den Vormieter rauswerfen."

Gelächter erklang auf der Divisionsfrequenz bei meinen Worten.

"Viel Glück uns allen."

Hunderte Erwiderungen erreichten mich.

"Okay, Prime, dann lass uns mal loslegen."

"Verstanden, Commander."
 

Mein Mecha wurde wie ein Dutzend weiterer zur Hangartür gefahren. Die Schotte öffneten sich, wir kamen in den Schleusenbereich. Die Innentüren fuhren wieder zu und an den vielfältigen Brandspuren, die beim Start mit den Düsen aus dem Stand entstanden konnte ich erkennen, wie oft wir von hier Alarmstarts geübt hatten.

"Akira Otomo auf Prime Lightning. Bin auf dem Weg!" Ich trat die Pedale für die Antriebsdüsen durch und startete aus dem Stand aus dem Hangar heraus. Sofort drehte ich ein, hielt auf einen großen Pulk Mechas zu, die sich knapp über der Oberfläche der AURORA hielten. Ich reihte mich an ihrer Spitze ein.

Kurz darauf kam das Zeichen dafür, dass beide Regimenter vollständig waren.

Ich führte die Maschinen an, als wir auf die wartenden Schiffe SUNDER, MIDWAY und LOS ANGELES zuhielten. Gute alte Bekannte.

"SUNDER hier. Akira, du bist spät dran."

"Wir hatten Stoßverkehr", erwiderte ich, während ich mit den Briareos auf die SUNDER zuhielt. Gyes splittete und teilte sich auf die beiden Zerstörer der Midway-Klasse auf.

Das Regiment landete auf der Oberfläche der SUNDER. Wir verteilten uns so gut es ging auf der Oberfläche des Schweren Kreuzers, ohne die Hangars, Waffen oder Steuerdüsen zu blockieren. Letzteres wäre einem Hawk oder Sparrow auch nicht wirklich gut bekommen.

"Taxi, einmal Jomma, bitte."

"Taxameter läuft. Das wird teuer, Herr Otomo", scherzte Kei.

"Ja. Fragt sich nur für wen."
 

2.

Torum Acati sah dabei zu, wie sich die fast vierhundert Ortungsimpulse mit drei größeren vereinigten.

"Sie schleusen nicht ein", meldete Maros Jorr. "Sie scheinen auf der Oberfläche mit zureiten. Ich hoffe wir haben noch eine Basis, wenn sie fertig sind."

"Ich für meinen Teil hoffe, dass die Hekatoncheiren keine Basis mehr haben, wenn wir fertig sind."

"Ist ein Argument", gab der Mann aus dem Haus Arogad zu.

Die siebzehn Banges näherten sich der AURORA, ohne Emissionen zu verursachen. Selbst die Kommunikation erfolgte über gezielten Laserrichtfunk von geringer Reichweite. Kurskorrekturen würde es nicht geben, bis sie nahe genug am Riesenschiff waren, dass es die siebzehn Metallbrocken als Gefahr ansah und damit begann, sie mit aktiver Ortung zu bestreichen. Von dem Moment an würde der Angriff laufen. Würde sich entscheiden, wie gut die ausgebildeten Mitglieder des Ordens wirklich waren.

Dieses Schiff durfte niemals das System verlassen. Kein Siegpreis war es wert, diese riesige Gefahr entkommen, wachsen und gestärkt zurückkehren zu lassen!

Die Hände des Begams krampften sich um die Steuerung seines Banges.

Er hatte sich für Scoutkonfiguration entschieden, das machte den Banges klein und agil. Ihre siebzehn Maschinen würden innerhalb der AURORA kämpfen, und dafür mussten sie durch die Gänge des Gigantschiffs passen. Wenigstens einigermaßen.

Acati betrachtete die drei fernen Punkte. Sie lösten sich aus dem Orbit und beschleunigten. Wenn er den Kurs hochrechnete, dann zielte er auf Jomma. Dort würden sie die Anormalität in der Schiffsbewegung schon erkannt haben und Gegenmaßnahmen treffen. So beruhigend es auch war, dass zwei Drittel der Elitetruppe der Hekatoncheiren fort sein würde - was bezweckte Akira Otomo damit? Was hoffte er zu gewinnen? Wollte er die Basen der Anelph und Naguad angreifen, um von der Flucht der AURORA abzulenken?

Wenn ja, tat er es ziemlich plump.
 

Sie kamen in Reichweite der automatischen Waffen der AURORA. Nicht jeder kleine Asteroid wurde von der menschlichen Besatzung gehandhabt. Viele Dinge wurden automatisch geregelt, bevor sie dem Giganten gefährlich werden konnten. Dies führte zu Nachlässigkeiten gerade bei der menschlichen Besatzung. Nachlässigkeit machte langsam. Und genau darauf hoffte Torum Acati. Darauf, und auf seine überlegenen Fähigkeiten als KI-Meister, wie die Menschen ihn und seinesgleichen nannten.

"Aktive Ortung", meldete die Künstliche Intelligenz seines Banges. Torum Acati reagierte sofort. Er riss seine Maschine mit Hilfe der Steuerdüsen aus dem Kurs, brachte sie auf Geschwindigkeit. Auch die anderen Banges reagierten und begannen auf die AURORA hinab zu stürzen.

Abwehrfeuer setzte ein. Acati, seit über fünfhundert Jahren auf den Banges ausgebildet, tanzte es problemlos aus. Eine Fregatte schob sich heran, aus einem Hangar starteten Mechas der Menschen. Das musste er ihnen lassen, sie reagierten weit schneller als er ihnen zugetraut hatte.

Einer seiner Leute schoss auf ein Hangarschott. Es zerbarst unter der Urgewalt, krängte nach außen. Das innere Schleusenschott gab noch schneller nach und entließ die gesamte Atmosphäre des Hangars dahinter.

Fast erwartete Acati in dem Gerümpel, Werkzeug und Kisten, die mit der Atmosphäre aus dem Schiff gesaugt wurden, auch die eine oder andere Leiche zu sehen. Aber anscheinend hatten die Menschen schnell verstanden, was hier passierte.

Acati huschte in den Hangar, neben ihm die anderen Banges der Einsatztruppe. Gerade rechtzeitig genug, bevor ein Notfallschott zwischen den beiden zerstörten Innenschotts hervor fuhr und den Hangar isolierte.

Erneut wurde eine atembare Atmosphäre etabliert. Das konnte Acati nur Recht sein. Umso einfacher hatten sie es, um in den Innenraum der AURORA vorzudringen.
 

Einer seiner Leute, Goram Van, trat das Schott zum nächsten Gang ein.

Es gab schnell nach. Anscheinend war es nicht auf die gleiche Belastbarkeit ausgelegt wie die Schleusenschotte. Na, normalerweise würden diese Schotts auch nicht viel mechanische Beanspruchung aushalten müssen.

Sie drangen in den dahinter liegenden Gang vor, wurden von Infanterie mit Gewehren und tragbaren Raketen beschossen. Ein erstklassig gelegter Hinterhalt, der eine normale Gruppe Banges fürchterlich zusammengeschossen hätte. Nicht aber die Banges von KI-Meistern, die dem Beschuss problemlos standhielten. Das mussten die Infanteristen auch erkannt haben, aber sie hielten die Stellungen, verstärkten den Beschuss sogar noch.

Acati ignorierte sie. Das war das Beste was er tun konnte, um ihre hohe Moral und Opferbereitschaft zu würdigen.

"Jorr, nehmen Sie sich die Hälfte und kämpfen Sie sich zum Antrieb vor. Der Rest folgt mir nach Poseidon, zu ihrer Flottenzentrale. Wenn wir beides in der Hand haben, gehört das Schiff uns."

"Verstanden!" Jorr lief mit seinem Banges den Gang hinab, gefolgt von sieben Kameraden.

Acati brach in Richtung Innenraum durch, vergrößerte den Gang gewaltsam, erreichte den Fahrstuhl und vernichtete ihn. Dann startete er seine Düsen und flog in den Innenraum.

Er kannte diesen Anblick schon, hatte ihn bereits einmal erlebt, wenngleich auch nur mit seinem KI-Auge. Ihn aber zu sehen, wirklich zu sehen, war überwältigend. "So groß", hauchte er ergriffen. Was für eine grandiose Leistung. Was für eine Arbeit. Wie faszinierend. Wenn ihr erster Kontakt anders verlaufen wäre, was hätten Menschen und und Naguad nur voneinander lernen können?

Torum Acati schüttelte den Gedanken ab. So was behinderte nur in der Mission. Die AURORA durfte das Kanto-System nicht verlassen!

Er ließ den Banges herumfahren, Richtung Serenity-Meer und... Und erstarrte. Vor ihm tat sich eine riesige Leere auf, die er nicht sah, nur fühlte. In ihr war der Fluss des KI fast vollkommen zur Ruhe gekommen.

War das die Zone, in der die Menschen die Anelph hatten transportieren wollen? Acati beschleunigte seinen Banges, trieb ihn auf das Feld zu.

Und wieder etwas, was er noch nie gesehen hatte. Dabei hatte er sich das wundern doch schon lange abgewöhnt. So dachte er zumindest.

**

"Die Verteidigung des Mondes Jomma ist immens. Auch wenn die Fünfte Division nun fehlt, bleiben immer noch gut tausendzweihundert Maschinen sowie vier Fregatten und zwei Zerstörer. Dazu kommen Bodenforts, deren Stärke wir noch nicht einschätzen können. Die Forts sind sowohl auf die Schiffsabwehr als auch die Abwehr agilerer Einheiten wie Banges ausgelegt. Allerdings sind sie über den Mond verteilt. Die Banges und Schiffe hingegen können gezielt gegen uns konzentriert werden."

Ich schmunzelte. "Kei, hast du etwa Angst?"

"Angst, pah. Ich kommandiere einen modifizierten Bakesch. Etwas Stärkeres gibt es in diesem Sonnensystem nicht. Aber es tut auch mal ganz gut, sich der Realität zu stellen. Denn während du die Axixo-Basis erobern wirst, muß ich mich hier oben mit den Schiffen herumschlagen, mein lieber Akira."

"Was bedeutet, dass sie gegen das kampfstärkste Schiff antreten müssen, oder?"

"Spitzfindigkeiten sind nun völlig fehl am Platz", maulte Kei. Er sah kurz zur Seite, sein Gesicht verschwand vom Bildschirm. Als er wieder auftauchte sagte er: "Wir kommen in Reichweite für den Abschuss. Das Feld wird auf vier Kilometer Höhe und zwanzig Kilometer Radius programmiert. Sobald der Torpedo unterwegs ist, braucht er drei Minuten bis nach Jomma. Wir bleiben außerhalb der Waffenreichweite, bis euer Okay kommt, dass die Axixo-Basis wie geplant ausgeschaltet wurde."

"Wir starten zehn Sekunden bevor der Torpedo einschlägt. Da wir nicht mit diesen wahnwitzigen Werten beschleunigen können, werden wir zehn Minuten brauchen, um die Oberfläche zu erreichen. Etwas langsam zwar..."

"Etwas langsam, sagt er. Tssss." Kei verdrehte die Augen. "Armstrong und Aldrin wären sicher froh gewesen, wenn sie binnen zehn Minuten auf einem Mond hätten landen können, und ohne vorher einen stabilen Orbit erreicht zu haben."

"Tadel ist angekommen. Wenn wir wieder Zuhause sind, werde ich einen Tempel für die Supertechnik errichten, mit der wir hier Krieg führen. Versprochen, Kei."

"Wieso habe ich das Gefühl, dass es dir Spaß macht, mich zu verarschen, hä?" Sein ärgerliches Gesicht nahm besorgte Züge an. "Eine Minute. Akira, pass mir auf die anderen auf. Und sei um Himmels Willen vorsichtig. Einmal für tot erklärt zu werden reicht völlig im Monat."

"Hat auch nicht wirklich Spaß gemacht. Danke dir, Kei." Ich nickte dem Freund ein letztes Mal zu und ging dann auf die Frequenz der Hekatoncheiren. "Bereitmachen!"

Klarmeldungen kamen in schneller Folge zu mir. Sobald ich das Signal gab, würden wir mit unseren Mechas von dem Bakesch und den Zerstörern starten und auf Angriffskurs gehen.

Bisher beäugten uns die Anelph nur misstrauisch, griffen aber nicht an - noch nicht.

"Torpedo wird abgefeuert", meldete Prime.

"Zähle ab zehn den Countdown an." "Ja, Sir."

Zehn Sekunden vor unserem Start, zwanzig Sekunden bevor der Torpedo aufschlug.

Spätestens jetzt würden Admiral Ikosu oder Admiral Achander entweder Alarm auslösen oder sich bei der SUNDER beschweren. Je nachdem wie ernst sie die Situation einschätzten.

"Zehn... Neun... Acht..." Ich spannte mich an, tastete nach den Pedalen der Antriebssteuerung. Meine Hände legten sich fest um die Steuersticks. "Es wird wieder lustig, Prime."

"Wie in alten Zeiten, Sir. Drei... Zwei... Eins..."

Ich trat die Pedale durch, neben und hinter mir starteten die anderen Mechas der Briareos von der Oberfläche der SUNDER. Wir hatten festgelegte Abflugkorridore, damit der Bakesch notfalls seine Waffen einsetzen konnte.

Ich holte mir den Torpedo mit einer Zoomaufnahme heran. Die Axixo-Basis schoss Sperrfeuer, Täuschkörper und ließ Banges starten. Aber da er direkt von der SUNDER gelenkt wurde, fiel er auf die Täuschkörper nicht herein. Die anderen Abwehrmaßnahmen scheiterten am Schirm, der einer Korvette gerecht wurde.

Dann schlug der Resonatorfeldtorpedo in Flugfeld der Axixo-Basis ein. Durch die Eigenmasse und die Geschwindigkeit schlug er ein erhebliches Loch.

"Resonanzfeld wird aktiviert", meldete die SUNDER. "Resonanzfeld ist aktiv."

Ich sah mehrere Banges, die gerade gestartet waren und nun das Feld zu verlassen drohten, welches Prime für mich einzeichnete.

"Verdammt!" Vier Piloten. Die Chancen waren groß, dass sie nun alle vier sterben würden, wenn sie das Resonanzfeld verließen.

"Yoshi!"

"Schon klar!", rief der Freund und schoss mit seinem Eagle eine schnelle Salve in Flugrichtung der gegnerischen Mechas. Die künstlichen Intelligenzen der Maschinen reagierten und drehten in Richtung Basis ab.

"Sehr gut", lobte ich.

"Bist du was anderes von mir gewöhnt?", erwiderte er ruhig.

"Angeber", tadelte ich.

"Das sagt der Richtige", hörte ich die Stimme meiner Schwester.

"Yohko-chaaaan", klagte ich in meinem wehleidigsten Ton.

"Zerstörer im Anflug! SUNDER schießt Sperrfeuer!"

"Danke für die Warnung, Kei. Hekatoncheiren, drauf einstellen. Behaltet eure Anflugkorridore bei. Was gibt es für Aktivitäten auf der Axixo-Basis?"

"Keine Aktivitäten erkennbar", meldete Megumi.

"Sehr gut."

Während die riesige SUNDER ihre Partikelwerfer abfeuerte, um den angreifenden Zerstörer davon zu überzeugen, dass er sich besser eine andere Route aussuchen sollte und meterdicke unsichtbare Strahlen mit enormen Vernichtungspotential zwischen den Mechas hindurchrasten, spannte ich mich unwillkürlich an. Solch ein Waffenstrahl hätte beinahe Megumi das Leben gekostet.

"Automatisches Abwehrfeuer, Sir."

"Kei, wir lösen die Formation auf."

"Verstanden. Wir stellen das Sperrfeuer ein."

"Danke dir. Hekatoncheiren, Formation auflösen."

Die Mechas spritzten auseinander, spielten nun ihre volle Agilität aus, während Waffenstrahlen, Raketen und Geschosse von der Naguad-Basis auf sie zugeschossen kamen.

Ich lächelte dünn und warf Prime in einen Trudelkurs, der mich sicher zu Boden bringen sollte. Zehn, nein, elf Raketen rasten auf mich zu. Schnell fixierte ich jeden einzelnen Reflex kurz und aktivierte dann meine Raketenabwehr.

Alle elf Raketen vergingen in Feuerbällen.

Als Prime dann neben dem Krater des Resonatortorpedos niederging, atmete ich aus. Weitere Hekatoncheiren landeten bereits. Damit hatten wir gewonnen.
 

2.

Der Alarm schallte durch Poseidon und ließ die Soldaten und Offiziere zu ihren Positionen sprinten.

"Was ist passiert?", fragte Sakura Ino.

Tetsu Genda, der auf den großen Bildschirm abgebildet war, sagte: "Zwei Kompanien Banges greifen uns an. Sie haben einen Hangar zerschossen und den Notfalldruckausgleich abgewartet. Sie dringen gerade in die AURORA ein. Acht machen sich gerade auf dem Weg zur Antriebssektion, neun brechen in diesem Moment in den Innenraum."

"Banges?"

"Kleine, fiese Dinger, für Scoutaufgaben konfiguriert. Die Dinger kommen mir irgendwie komisch vor. Sie sind viel zu stark für einen Banges dieser Größe."

Ein weiterer Bildschirm flammte auf, das Gesicht von Eri Yodama erschien. "Sakura-chan, es ist soweit. Begam Torum Acati ist soeben mit weiteren KI-Meistern eingetroffen. Ihr Ziel ist es zweifellos, die AURORA entweder in die Hand zu bekommen oder sie zu vernichten."

"Ich verstehe. Tetsu, gib die Abwehrmaßnahmen frei! Alarm für die Antimecha-Panzer. Alarm für die Garnison!"

"Aye, Ma´am!" Tetsu salutierte ernst und blaffte eine Reihe Befehle.

Sakura Ino fuhr zum Hologrammtisch herum, der nun den Innenraum der AURORA abbildete und zeigte, wie bisher getarnte Waffensysteme aus dem Boden fuhren. Dutzende dieser Stellungen schützten Fushida City und die vier kleinen Ortschaften. Einige provisorisch installierte die Tribünen mit den eingefrorenen Anelph.

"Oh mein Gott...", hauchte Sakura. "Die Anelph! Das Resonanzfeld! Beschützt das Resonanzfeld!"

Entsetztes Schweigen antwortete der Oberkommandierenden der Mission Troja.

**

Torum Acati ließ seinen Banges herum wirbeln, wich so den heran schießenden Raketen aus. Er aktivierte seine Hauptwaffe und vernichtete die Stellung mit einem einzigen Granatentreffer.

Dann landete er. Seine Offiziere machten gerade die leidvolle Erfahrung, dass das Meer um die Poseidon-Flottenzentrale so ihre Tücken hatte, weil sie sich mit wesentlich größerem Widerstand abgeben mussten als sie erwartet hatten. Wie es um die Triebwerke stand wusste Acati noch nicht.

Langsam setzte er seinen Banges in Bewegung, marschierte auf die Plattformenanlage zu. Er zoomte näher heran und erkannte die erstarrten Anelph. Wenn er sich auf sie konzentrierte, dann konnte er deutlich sehen, wie das KI in ihnen geschmiedet wurde - nur unendlich langsamer als dies normalerweise möglich war.

Diese Menschen, was waren das für Wesen? Wie konnten sie etwas erfinden, was von Rechts wegen schon seit Jahrtausenden von den Naguad entdeckt hätte sein müssen?

Und überhaupt, dieses Gigantschiff zum fliegen zu bringen, ja, mit ihm zu springen war auch so ein Wunder. Wie viel Arbeit steckte wohl in der Gravitationsanlage? Wie konnte sie so groß produziert werden?

Für die stationären Raumwerften seines Volkes hätten sich einige große Probleme gelöst, wenn er die Konstruktionspläne in die Hände bekommen hätte. Lohnte es sich vielleicht, dieses Schiff aufzubringen und nach Naguad Prime zu verlegen?
 

Eine Rakete riss ihn aus seinen Gedanken. Ein Augenzwinkern reichte, um das Abwehrsystem auszulösen und den Flugkörper zu vernichten. Nur leider folgten sofort neun weitere.

Irritiert widmete sich Acati der Abwehr und sah sich dann um. Hm.

Hatte es doch tatsächlich eine Gruppe Infanterie gewagt, ihn mit Raketen anzugreifen. Tapfer waren sie ja, diese Erdenmenschen, das musste er ihnen lassen.

Wenn sie ihre zerbrechlichen Körper zwischen das Resonatorfeld und einen Banges warfen, konnte der Begam das nur bewundern.

Er sah zur Seite. Der Angriff auf Poseidon schien nicht besonders gut zu laufen. Drei seiner Banges waren bereits Not gelandet oder abgestürzt. Von dem Kommando für die Triebwerkssektion hatte ihn immer noch keine Rückmeldung erreicht.

Diese Menschen waren zudem zäh, wie er zugeben musste.

Sein Banges wurde übergangslos schwer erschüttert. Acati wich aus, wechselte seine Position und sah dabei zu, wie eine Garbe Geschosse seinem Weg folgte. Aus der nahen Ortschaft rollten Panzer heran. Er zählte drei. Sie waren mit rotierenden Schnellfeuergeschützen ausgestattet, die in der Masse sicherlich einiges an Panzerung von seinem Banges knabbern konnten. "Antibanges-Panzer", stellte er ernst fest.

Wieder feuerte die Infanterie und Acati zog sich zurück. Einhundert Meter, zweihundert, immer näher an das Resonanzfeld heran.

Die Panzer, die nun drohten, bei einem Fehlschuss die erstarrten Anelph zu treffen, stellten ihr Feuer ein.

Und Acati, mit der Erfahrung von tausend Jahren Kampf ausgestattet, nutzte diese Eröffnung, griff seinerseits an.

Den ersten Panzer spaltete er längs. Den zweiten traf er mit einer KI-verstärkten Kugel in der Seite und warf ihn um.

Der dritte aber zerfetzte den Rücken seines Banges zu Schnipseln und zwang ihn auszusteigen.
 

Als Torum Acati auf dem Boden aufkam, nahm er sich eine Sekunde Zeit, um die Luft zu schmecken, bevor er den Deckschatten der Explosion seines Banges nutzte, um den Panzer zu umgehen und seitlich anzugreifen. Sein Schwert, Zeichen seiner Würde als hoher Offizier und Begam, glühte wie von innen unter seinem KI auf, als er den Panzer erreichte und die Waffe auf die Seite niederfahren ließ. Er lief den Panzer entlang, spaltete ihn auf und erwischte die eingelagerte Munition.

Mehrere Klappen öffneten sich, die Panzerbesatzung evakuierte.

Dann kam die Explosion.

Acati grinste dünn, als er unbeschadet aus der Staubwolke hervortrat. Seit Jahrzehnten hatte er nicht mehr einen solchen Spaß gehabt.

Langsam ging er auf die Infanteristen zu, die ihre Raketenwerfer nun gegen Schnellfeuerpistolen ausgetauscht hatten.

Nun sah er es ganz deutlich. Wer das Resonanzfeld in seiner Gewalt hatte, der hatte die AURORA in seiner Gewalt.

Der Anführer der Gruppe rief in an und forderte ihn auf, stehen zu bleiben - dankenswerterweise im Anelph-Dialekt.

"Ihr wärt mal besser bei den Raketenwerfern geblieben", murmelte Acati und griff an.
 

Sekunden später lagen neun bewusstlose oder tote Gegner vor ihm, einige im eigenen Blut. Den zehnten hielt er am Hals gepackt und hob ihn in die Höhe. "Töten oder leben lassen?", murmelte er für sich selbst.

Er sah dem jungen Mann in die Augen, sah wie er verzweifelt versuchte den Griff zu lösen. Wie er die Augäpfel verdrehte und röchelnd zu ersticken drohte. Dieser Mann war besiegt. Daran gab es keinen Zweifel. Acati ließ ihn fallen, ohne ihn getötet zu haben.
 

Ein Messer raste auf ihn zu und strich durch sein Haar. Acati fuhr herum und sah die junge Frau auf sich zulaufen. Sie sprang und wirbelte in der Luft herum, setzte zu einem Drehkick an. Acati blockte, spürte wie ihr Kick voll gegen seinen linken Unterarm traf.

Doch das brachte seine Gegnerin nicht aus dem Konzept. Sie nutzte den gewaltsamen Stopp, um sich einmal zu überschlagen, mit den Händen abzufangen und ihren ganzen Körper für einen Beinstoß gegen ihn einzusetzen.

Acati fühlte, wie sein linkes Knie unter der Gewalteinwirkung brach. Er knickte ein, begann sofort mit der Heilung, doch die Frau war nun schon wieder heran, zückte ein Messer und zielte damit auf seine Halsschlagader. Verdammt, ein normaler Mensch bereitete ihm solche Probleme? Konnte, durfte das sein? Seine Hand schoss vor, ergriff ihren Hals und riss sie gewaltsam vom Boden hoch. Nun bedurfte es nur noch eines geringen Drucks mit seinen Fingern, um ihr das Genick zu brechen. "Töten oder leben lassen?", murmelte er wieder. Sie war ein starker Gegner, ein sehr starker Gegner, der Respekt dafür verdiente, dass sie einem KI-Meister und Krieger mit hunderten Jahren Erfahrung standgehalten hatte.

Er suchte den Blick ihrer Augen und fand nur grimmige Entschlossenheit. Mehr noch, die junge Frau ergriff seinen Unterarm, nutzte ihn als Stütze und zog sich daran hoch. Ihr linker Fuß stemmte sich auf seine Kehle, während ihr rechter Fuß in seinem Genick landete.

Hart drückte der Begam zu. Die Wut, das Feuer in den Augen der jungen Frau erstarb. Er warf sie fort, meterweit fort und ging keuchend in die Knie. Sie hätte ihn fast getötet, das Genick gebrochen. Das war mehr als knapp gewesen. Verdammt, er war ein Begam! Wie viele Überraschungen hielten diese Menschen noch für ihn bereit?

"Ai-chan!" Eine andere Frau kam zu der Sterbenden gelaufen, berührte sie zaghaft, zuckte wieder fort. "Ai-chan! Er hat Ai-chan getötet, Joan!"

"Das wird er büßen!", hörte er eine wütende Stimme über sich. Acati sah auf und erkannte einen hoch wehenden Minirock, farblich gut abgestimmte Unterwäsche und zwei Beine, von denen eines auf sein Kinn zielte.

Er ging mit dem Treffer mit, reduzierte so die Wirkung. Aber es war immer noch stark genug, um ihm den Atem aus der Lunge zu treiben. Er taumelte meterweit nach hinten.

"Schaff sie hier fort, Gina!", sagte seine neue Gegnerin. "Ich bringe das hier zu Ende!"

Acati stutzte bei ihrem Gesicht für einen Moment. "Joan Reilley", stellte er fest. "Ich kenne dich."

"Wie nett! Ich werde ein Autogramm in deinen Sarg schnitzen!", rief sie, lief heran, weit schneller als ein Mensch ohne Kontrolle über sein KI können sollte. Ihr erster Kick traf sein malträtiertes linkes Bein und machte den Heilungseffekt wieder zunichte.

Acati stöhnte leise auf, wich zurück. Eine Minute, mehr brauchte er nicht. Nur eine Minute.

Doch diese Minute gab sie ihm nicht, Joan Reilley, Megastar der AURORA und im Sonnensystem bekannt und populär.

Sie griff wieder an, ihre harten Fäuste sausten auf ihn hernieder, trafen seine vitalen Systeme.

Acati spuckte einen Schwall Blut aus. Nein, auf diese Weise würde er verlieren, machte er sich klar. Verlieren und sterben und die Gefahr für das Imperium konnte gedeihen.

Joan Reilley aber sah seine Schwäche mit der Gewissheit eines Raubtieres.

Mit flammenden Augen kam sie heran, umarmte den Begam und drückte kräftig zu.

Acati hörte sein Rückgrat und seine Rippen knirschen. Ein unartikulierter Schrei entrang sich seiner Kehle.

"Du wirst langsam sterben für das was du meinen Kameraden angetan hast", rief die Frau wütend. "Für das was du Ai angetan hast!"

Acati fühlte, wie sein Körper taub wurde. Sein Blickwinkel verkleinerte sich, es schien ihm als würde er mehr und mehr durch einen Tunnel auf die Welt herab sehen. Verloren. Er hatte versagt. Das Imperium würde... Die Großmeisterin würde...

Sein Schrei bekam Klang und Farbe, er bäumte sich auf, während seine Rippen brachen! Wütend riss er wieder die Augen auf, schmiedete KI in seinem Leib, der seinen Körper hell aufleuchten ließ. Dann versenkte er seinen Blick in die Augen von Joan Reilley.

Nun war es an ihr zu schreien.
 

Als sich ihr Griff löste, als sie blicklos durch ihn hindurch sah, ballte der Begam die Hände zu Fäusten. "Es tut mir Leid."

"Joan! Was hast du mit Joan gemacht?", rief die andere Frau namens Gina.

"Ich habe ihr Bewusstsein auslöschen müssen. Es tut mir Leid."

Acati sackte wo er gerade stand zu Boden und konzentrierte sich darauf, sein Knie und seine Rippen zu heilen.

**

Arno Futabe kniete vor einer kleinen Statue Buddhas. Er hatte die Augen geschlossen, seine Lippen bewegten sich ein wenig bei seinem lautlosen Mantra. Nicht das er ein Anhänger Buddhas noch ihm gegenüber ablehnend eingestellt war. Die kleine Statue diente ihm als Fokus für seine Kraft, für seine Energie. Für sein KI.

Er benutzte sie sehr selten, aber wenn er es doch tat, beunruhigte es jeden einzelnen, der im Shinto-Schrein lebte.

Die Mönche und Nonnen vermieden es, dem einzelnen Mann auf dem großen Innenhof zu nahe zu kommen noch ein lautes Geräusch zu machen, welches ihn ablenken konnte. Sie vermieden es auch zu Futabe-sama herüber zu sehen, weil sie wussten, dass sein drittes Auge die Blicke erkennen würde. Dies wäre auch eine Ablenkung gewesen.

In der nahen Stadt heulten die Alarmsirenen. Nahe dem Tempel fuhren vier getarnte Abwehrstellungen aus dem Boden, drei Raketenwerfer und eine Rotierwaffe für Granatgeschosse. Sie sollten Tempel und Stadt vor dem Angriff der Banges schützen. Dank des Red Teams, also den Hekatoncheiren, die in Banges die anderen Hekatoncheiren trainiert hatten, kannte man die Möglichkeiten der Feindmaschinen recht gut und hatte dies in die Programmierung der automatischen Waffen einfließen lassen. Dennoch lagen diese Angreifer weit über den Möglichkeiten, welche diese Mechas normalerweise haben sollten. Obwohl sie eher schwach gepanzert und bewaffnet waren, da sie durchweg für Scoutaufgaben konfiguriert waren.

Futabe-sama wusste das. Und er wusste auch, wer in diesen Mechas, diesen Banges saß. Er erkannte jeden einzelnen anhand seiner Aura, als stünden sie direkt neben ihm.

Es war sicher nur eine Frage der Zeit, bis sie auch ihn entdeckten.
 

Arno Futabe fuhr hoch, unterbrach die Meditation. Er sah auf und schmunzelte. Zwei Sekunden später landeten dort zwei Menschen, federten in den Knien ein, fingen sich mit den Händen ab. Deutlich konnte Futabe-sama erkennen, wie Hände und Füße Abdrücke im Stein des Innenhofs hinterließen.

"Ihr kommt spät", tadelte der Priester.

Michael Berger grinste den Japaner an. "Verzeihung, Sensei. Wir hatten noch... Dinge zu tun."

Eri Berger-Yodama ließ sich vor dem Priester im Schneidersitz nieder. Ihr Mann folgte ihrem Beispiel. "Wir mussten den Kindern noch ein paar Anleitungen mitgeben", erklärte sie leichthin. "Schön, dich wieder zu sehen, Arno."

"Schön, euch beide wieder zu sehen. Ich hätte nicht gedacht, dass unser nächstes Zusammentreffen aus so einem Grund sein würde. Ich dachte eher daran, wir treffen uns auf der Hochzeit meines Enkels", sagte der alte Mann im Plauderton. "Mit eurer Enkelin, versteht sich."

Die drei tauschten schmunzelnde Blicke aus.

"Vorausgesetzt, Eikichi lässt es soweit kommen. Er ist ja so Besitz ergreifend und beschützend..." Michael Berger runzelte die Stirn. "Ich kann mich nicht erinnern, jemals so mit Helen umgegangen zu sein."

"Doch. Einmal", sagte Eri. Aber es klang nicht tadelnd oder vorwurfsvoll. Nicht einmal traurig. Nur sehr ernst.

Darauf schwiegen die drei einige Zeit.

"Gut", ließ sich Arno Futabe vernehmen und reichte jedem eine Hand. Eri ergriff ihre Hand und reichte die andere an Michael weiter. Der umschloss sie mit einer Miene aus Trauer und Entschlossenheit; dann griff er nach Arno Futabes Hand.

Der Priester nickte und begann damit ein lautloses Mantra aufzusagen.

Eri fiel ein, danach Michael.
 

Die wenigen Priester, die es jetzt noch wagten in den Innenhof zu sehen, waren Zeugen eines Schauspiels, das später einmal Geschichte schreiben sollte.

Eine blaue Aura umgab die drei, dehnte sich aus, wuchs nach oben und zu den Seiten, bis sie über zehn Meter maß. Überschlagsblitze zuckten über sie hinweg, und in der so entstandenen Kugel zuckten Entladungen zwischen den dreien hin und her. Dann begann sich der Boden unter ihnen blau einzufärben, danach der Boden außerhalb ihres Kreises, der Innenhof und das Umland. Das Blau raste den Boden entlang, auf die Stadt zu und ins Land hinein, erreichte die Seitenwände, kroch auch sie hinauf. Bei einer maximalen Ausdehnung von fünf Kilometern stoppte das wabernde Feld.

**

Den Stützpunkt Axixo zu nehmen gestaltete sich für meine Hekatoncheiren als ziemlich schwierig. Ich meine, welcher ernstzunehmende Soldat konnte denn selbst ernst bleiben, wenn sich die anderen über Funk lachend über die unmöglichen Situationen unterhielten, in denen sie die erstarrten Anelph und Naguad vorfanden? Und wie dankbar die meisten nicht Erstarrten waren, dass sie auf lebende, sich bewegende Wesen trafen?

Ich fühlte mich genötigt ein Machtwort zu sprechen, aber dann ließ ich es doch. Sollten sie doch ihren Spaß haben. Sie taten es ja nicht aus Boshaftigkeit oder sogar Hass. Manche Situationen waren einfach witzig. So wie die fünf Naguad, die beim dauerduschen erwischt wurden, ein Pärchen beim Knutschen in eine Abstellkammer - zumindest war es knutschen, als die Meldung bis zu mir vorgedrungen war - ein Koch, der auf seinen vollkommen leer gekochten Topf starrte, ein Adjutant, der beim trinken erwischt worden war und den Inhalt seiner Tasse gleichmäßig über seine Uniform verteilt hatte. Das waren alles so Kleinigkeiten, die in der Summe eines ergaben: Mit einem Schuss gewonnen.

Ich arbeitete mich mit Megumi und Yoshi zur Hauptzentrale des Stützpunktes vor, während Yohko das Einschleusen unserer Mechas überwachte und die Patrouillen am Rand des Feldes aufstellte und koordinierte.

Dabei nahmen unsere Helmkameras alle Eindrücke auf, die sie gewannen und funkten sie live ins Fernsehnetz der Anelph auf Jomma. Quasi in Echtzeit wurden sie über die Zustände in der Basis informiert.

Jedermann konnte mit ansehen, dass die Besatzung des Stützpunkts erstarrt war.

Wir nutzten diese Aufnahmen natürlich, um ausgiebig über das Resonatorfeld zu referieren, Schaubilder wurden gezeigt und mit den realen Aufnahmen untermalt. Natürlich verschwiegen wir nicht, dass das Feld so eingestellt werden konnte, dass es langsam nachließ und sich die Resonanzwirkung auf das KI aufhob. Oder es lief weiter bis keine Energie mehr hinzugeführt wurde, um plötzlich die Wirksamkeit zu verlieren. Aufnahmen der fünf Techniker, die damals vom OLYMP zur Titanen-Station herunter geschickt worden waren, wurden geschickt in den Bericht eingebaut und verdeutlichten, was dann passieren würde.

Und was mit Naguad passierte, die man im erstarrten Zustand aus dem Feld holte.

Danach folgte eine geschickte Überleitung zum geplanten Blockadegeschwader, welches mit sechs Resonanzfeldern den Planeten Lorania gegen jeden Eindringling abschotten würde.

Offiziell würden sie an Bord von sechs Korvetten stationiert werden - eine List, um die Naguad zu täuschen und wenigstens den ersten Angriff abzulenken.

Auch gab es schon Pläne, Korridore für den interplanetaren Verkehr zu schaffen, die aber notfalls sehr schnell geschlossen werden konnten.

Der Stab Makotos war sehr gründlich gewesen und arbeitete noch immer.
 

"Hey, Chef!" "Hm?", antwortete ich auf die vollkommen unmilitärische Anrede.

In meinem Helm aktivierte sich das Headupdisplay und informierte mich darüber, dass Captain Daynes mich angesprochen hatte.

"Chef, ich bin im Knast, und rate mal, wer hier rum steht wie eingestellt und sauer geworden. Du wirst ihn lieben. Es ist Colonel Connar vom Geheimdienst."

Abrupt blieb ich stehen. Gewiss, die Idee war von Taylor gekommen, mich zu vergiften. Und auch das schwere Betäubungsmittel, dass mir statt dem ultragefährlichen Nervengift Borex verabreicht wurde, war auf seinem Mist gewachsen.

Aber der da war sein williger Erfüllungsgehilfe gewesen. Er war es gewesen, der den behandelnden Arzt erpresst hatte, um mich zu töten.

"Soll ich ihn aus dem Feld schmeißen?", fragte der Amerikaner leichthin.

Ich atmete lange aus. "Warum einen schnellen Tod? Lassen wir ihn langsam sterben - vor einem Militärgericht, wie Admiral Achander und Admiral Ikosu es geplant haben."

"Manchmal kannst du ganz schön sadistisch sein, Chef", scherzte der Amerikaner. Aber ich hörte aus seiner Stimme gut heraus, dass er es durchaus ernst gemeint hatte.

"Danke", bemerkte ich sarkastisch. "Übrigens habe ich dir und Goran noch gar nicht gedankt."

"Schwamm drüber. Wofür eigentlich?"

"Dafür, dass Ihr beide... Auf Yellow Slayer aufgepasst habt."

Peinliches Schweigen antwortete mir. Erst nach mehreren Minuten sagte Jordan Daynes leise: "Das meinst du ernst, nicht wahr, Akira?"

"Ich zähle dich und Goran zu ihren Freunden."

"Na, Schwamm drüber. Man wächst halt mit seinen Aufgaben." Das Lachen im Anschluss klang irgendwie wässrig. Mensch, heulte der Junge etwa Rotz und Wasser, wegen dem kleinen Lob?

Und wieso bezeichnete ich einen Älteren nur als Jungen? Ich selbst stand kurz vor meinem einundzwanzigsten Geburtstag und war damit immer noch einer der Jüngsten auf dieser Expedition.
 

Wir erreichten die Zentrale. Bis auf zwei Adjutanten, die sich mit Handfeuerwaffen verbarrikadiert hatten, war sie leer. Sie schossen auf alles und jeden, der auch nur in Sichtweite der Tür kam.

"Granate, Sir?", fragte Amanda Leary von den Briareos, die durch die Umstrukturierungen zur Kompaniechefin und zum Captain aufgestiegen war.

"Negativ. Die erstarrten Naguad können nicht in Deckung gehen. Yoshi."

Der große Blondschopf grinste breit und trat neben mich. "Wurde ja auch mal wieder Zeit für eine echte Angebernummer. Du die Beute, ich der Eintreiber?"

"Klar. Ich bin ja auch der größere Blickfang."

Yoshi lachte laut. "In deinen Träumen, Kleiner. In deinen Träumen."

Ich schmunzelte und schmiedete KI. Aus dem KI formte ich einen schwachen Schild. Er würde einer oder zwei Kugeln standhalten, wenn ich ihn permanent reparierte vielleicht sogar sechs bis sieben. Dann nickte ich Yoshi zu, der seinen hier irgendwie antiquiert wirkenden Bogen von der Schulter zog und einen Pfeil auflegte. "Hey, Akira, ich habe mir mal gedacht, wieso habe ich nicht ein ganzes Sortiment an Pfeilen? Einen Explosionspfeil, einen mit einer Betäubungsgranate, einen mit einer Ultraschallpfeife zum ablenken..."

"Einer mit nem Boxhandschuh vorne dran."

"Hey, bleib ernsthaft."

"Du aber auch. Was für ne miese Aerodynamik sollen die Dinger denn haben? Das taugt doch mit solchen Köpfen nur im Nahkampf, Alter. Und dein Bogen ist ne Fernkampfwaffe."

"Dafür habe ich sie aber schon ziemlich oft im Nahkampf eingesetzt", erwiderte er maulig.

"Na, zumindest die Sprengpfeile wären mal ne Idee."

Schlagartig hörten wir mit unserem Dialog auf. Ich nickte Yoshi zu, der die Geste stumm erwiderte.
 

Ich riss meinen Helm herab und trat in das offene Schott. "Feuer einstellen! Diese Basis ist ab sofort Eigentum der United Earth Mecha Force und des loranischen Komitees. Widerstand wird als terroristischer Akt bestraft!"

Wie erwartet trafen mich während meines Monologes zwei Kugeln. Eine dritte sauste heran und versuchte das, was ihren beiden Vorgängern nicht gelungen war: Meinen Schild zu durchschlagen.

Ich grinste schief. "Das ist zwecklos, meine Herren. Fügen Sie sich, und Ihnen wird nichts geschehen."

"Sie kommen hier nicht rein! Eher bringen wir alle hier um!", klang eine junge, viel zu junge Stimme auf.

Yoshi huschte gerade hinter mir durch die Tür, während ich die Aufmerksamkeit der beiden Schützen hatte. Sie hatten sich hinter einem Pult verbarrikadiert und besaßen nur eingeschränktes Sichtfeld. Diesen Umstand nutzten wir aus.

"Seien Sie vernünftig. Die Basis ist gefallen, die Soldaten in unserer Hand. Die Frage ist nur, werfen wir Sie ins Gefängnis oder in die Leichenhalle? Diese Entscheidung liegt nicht bei mir, aber bei Ihnen."

"Sie kriegen Admiral Ikosu nicht!", blaffte die gleiche Stimme erneut. "Eher erschieße ich ihn und... Yamu!"

Yoshi huschte aus seinem Versteck hervor, lief auf das Pult zu. Ich setzte mich ebenfalls in Bewegung und sprintete los. Dann fiel ein Schuss.
 

Yoshi hielt sich die schmerzende rechte Hand, während ich den beiden Helden die Waffen abnahm. Vor uns saßen ein junger Bursche und ein Mädchen auf dem Boden, gekleidet in die Uniform der Ordonnanzen. Sie waren nicht einmal von der kämpfenden Truppe.

Yoshi stierte das Mädchen wütend an. "Sag mal, Engelchen, weißt du eigentlich, wie weh so eine verdammte Kugel tut? Was die für eine Geschwindigkeit drauf hat? Wenn ich meine Hand nicht rechtzeitig vor die Mündung gekriegt hätte, dann würde jetzt ein heftiger Durchzug durch deinen hübschen Kopf pfeifen!"

Ich wischte mir den Schweiß von der Stirn. Die junge Frau zitterte, aus Angst vor uns, aus Angst vor der Welt und vor allem weil sie bereit gewesen war zu sterben und wir es unterbunden hatten. Nun tobte sich alles Adrenalin in ihrem Körper aus, und das auf einmal.

Sie zitterte und begann dann hemmungslos zu schluchzen.

Verdammt, sie war viel zu jung, um mit so einer Situation klar zu kommen. Sie erinnerte mich an Yohko vor dem ersten Marsangriff, aber meine Schwester hatte damals schon Schlachten hinter sich, die sich diese beiden nicht einmal im Traum vorstellen konnten.

Ich winkte weitere Leute herein und bedeutete ihnen, die Zentrale zu sichern.

"Ihr beide habt erst mal Hausarrest auf euren Stuben, bis ich entschieden habe, was ich mit euch anstelle." Böse sah ich auf das Mädchen herab. "Yamu heißt du, hm? Was hast du dir dabei gedacht? Das Militär hat Zeit und Geld in deine Ausbildung gesteckt, eine Menge Leute haben sich große Mühe damit gegeben, dir was beizubringen. Und deine Familie verzichtet hier auf dich, damit du einem höheren Ziel dienst. Und was machst du? Denkst du, das war eine mutige Entscheidung?"

Sie sah auf, ihr Gesicht war fleckig von den vielen Tränen. So ein Anblick war überhaupt nichts für mich, und ich knickte ein wie ein Holzhaus nach vier Wochen Termitenfraß.

Ich tätschelte der jungen Frau den Kopf und meinte: "Ist ja nichts passiert. Bedanke dich dafür bei Major Futabe. Sag mal... Loran, ist es in Ordnung, wenn wir euch beide zusammensperren? Sie sieht mir nicht so aus als sollte sie die nächste Zeit alleine bleiben. Und so schnell kriege ich keine Psychologen hier her."

Der Junge nickte zögernd. "W-was passiert jetzt?"

"Na, was wohl? Wir machen nebenan einen Lagerraum fertig und dann stellen wir die ganze Zentralebesatzung darin unter, bis sie sich wieder bewegen können. Amanda, du trägst die Verantwortung für die beiden. Bring sie auf seine oder auf ihre Stube und lass sie dort bewachen. Eine Wache drinnen, eine draußen."

"In Ordnung, Akira. Kommt, Ihr zwei."

Das Mädchen strauchelte, versuchte es erneut, strauchelte erneut. Loran hielt sie fest und bedeutete ihr, sich wieder zu setzen. "Sie sind Commander Otomo, richtig? Darf ich eine Bitte äußern?"

"Sprechen Sie, junger Mann."

"Darf... Dürfen wir dabei helfen, die Zentralebesatzung in den Abstellraum zu bringen?"

Hm. Wollte der Knabe nun versuchen, einige seiner hohen Offiziere doch noch umzubringen, damit sie nicht in unsere Hände fielen oder wollte er sehen, wie wir mit ihnen verfuhren?

Und warum kümmerte ich mich überhaupt darum? Wäre nicht die richtige Entscheidung gewesen, die zwei zu den anderen Gefangenen in eine Halle zu stecken anstatt sie auf vertrautem Terrain in ihren Zimmern einzusperren? Verdammt, ich, der die meisten Mechas der Geschichte abgeschossen hatte, der das Unmögliche möglich machte, ausgerechnet ich war ein solcher Weichkeks und nahm sogar Rücksicht auf die Gefühle und den Gemütszustand dieser beiden Kinder.

"Sie dürfen helfen, Loran, Yamu. Aber danach geht es ab in die Kabine, verstanden?"

Für einen Moment fühlte ich mich wie ein Vater, der seinen Kindern gerade erlaubt hatte, die nächsten zehn Minuten vom Spätfilm noch zu sehen, wenn sie anschließend brav in die Heia gingen.

Ich hielt jedem eine Hand hin und zog sie auf die Beine. "Amanda. Du teilst sie ein, verstanden?"

"Danke, dass ich sie jetzt ganz an der Backe habe, Akira, Sir."

"Nur nicht mehr spitzfindig werden, sonst lasse ich dich bei der nächsten Klausur nicht abschreiben", scherzte ich.

Für einen Moment schien die Kompaniechefin lachen zu wollen, dann zu weinen. Lachen setzte sich durch. Sie wusste nur zu genau, dass es Klausuren für uns beide eine lange Zeit nicht mehr geben würde. "Okay, fürs abschreiben, Akira."

Ich grinste sie an, aber es lag Wehmut darin. Doch genauso funktionierten wir. Wir, die Hekatoncheiren.
 

"Und jetzt mache ich was richtig idiotisches", brummte ich und ging zu einem Konferenztisch, der mit hohen Offizieren voll besetzt war. "Praktisch. Einige sitzen auf Rollstühlen. Die können wir gleich so evakuieren, hm?"

"Und was machst du hier idiotisches?", hakte Yoshi nach. Er schüttelte noch ein paar Mal die Rechte. Ohne KI-Schild wäre sie glatt durchschlagen worden. Nicht einmal ich konnte ahnen, wie knapp es wirklich um Yamus Leben gestanden hatte.

Ich ging zu Admiral Neon Zut Achander herüber. Ich salutierte knapp vor ihm und sagte: "Entschuldigen Sie, Admiral."

Dann trat ich vor Fenn Ikosu, den Vize-Admiral und wiederholte die Prozedur.

"Ihr könnt sie jetzt abräumen."

"Das war wirklich idiotisch", brummte Yoshi laut. Als Admiral Achander an ihm vorbei gerollt wurde - mitsamt Stuhl - nahm er aber Haltung an und salutierte. "Und es ist ansteckend."

Andere Hekatoncheiren folgten dem Beispiel und salutierten ebenfalls.

Megumi kam herein gerauscht, die beiden Admiräle keines Blickes würdigend. Sie warf mir meinen Helm zu. "Akira, du musst sofort zurück zur AURORA! Sie wird von zwei Kompanien KI-Meistern mit Banges angegriffen!"

Alarmiert ergriff ich meinen Helm, setzte ihn auf. "Kei, Meldung!"

"Die Kacke dampft."

"Danke, das erklärt einiges!"

"Komm am besten hoch in den Orbit. Ich habe zwei Booster dabei, damit schieße ich dich und Yoshi hinüber. Yohko und Megumi sollten hier bleiben, falls der Angriff eine Finte ist."

"Gut mitgedacht, Kei", haspelte ich hervor, legte meinen Helm kurz auf den meiner Freundin und formte mit den Lippen die Worte: Ich liebe dich.

Dann folgte ich Yoshi, der schon vorgelaufen war.
 

Im Hangar angekommen erklomm ich Prime Lightning, versiegelte ihn und befestigte die Anschlüsse.

"Durchstarten, Prime!"

"Müssen wir wieder durch die Decke, Sir? Ich glaube, die Stelle da oben haben sie neulich erst geflickt."

"Nein, heute nehmen wir die Schleuse."

Neben mir kam Yoshi in seinem Eagle in die Schleuse. Die Innenschleuse glitt mit atemberaubender Geschwindigkeit zu. Dies verdeutlichte mir die eigentlich sehr effektive Technik des Naguad-Militärs. Auch die Sauerstoffatmosphäre wurde sehr schnell abgesaugt.

Als sich das Außenschott öffnete, blinzelte ich verwundert mit den Augen. Ging das wirklich so schnell?

Ich trat die Pedale durch und startete direkt, neben mir stieg Yoshi auf.

Im Orbit, den wir relativ schnell erreichten, parkten bereits zwei Boosterpacks auf uns. Mit unseren Fähigkeiten als KI-Meister würden wir aus ihnen weit mehr herauskitzeln als an Leistung vorgesehen war.

Mittels Lasertechnik dockten die Booster relativ schnell an. Nach einem oberflächlichen Check traten wir die Pedale durch und ritten auf einer KI-verstärkten Welle zurück nach Lorania. Die Schirme der Booster flammten verdammt oft auf, wenn sie kosmische Trümmer abwehrten, aber das war uns egal. Unsere Freunde waren in Gefahr!
 

3.

Michi Tora drehte sich in den Schlag hinein, gelangte so an den Körper des Angreifers und versetzte ihm einen harten Hieb mit dem rechten Ellenbogen. Danach glitt er mit einer Drehung fort von dem Mann.

Der große Naguad sah auf seinen Bauch, wo er den Treffer kassiert hatte und musterte dann den kleineren jungen Mann, der eindeutig Elwenfelt-Gene in sich trug.

"Du glaubst doch nicht etwa, dass mir so ein kleiner Hieb mit dem Ellenbogen den Saft aus den Knochen lutscht? Da bist du hundert Jahre zu früh dran. Und jetzt mach dich... Uh..."

Der große Naguad brach in die Knie ein. Schaum stand vor seinem Mund und mit Entsetzensgeweiteten Augen starrte er den frechen Bengel vor sich an. Auf dem Weg hierher hatte er zwanzig Elite-Infanteristen besiegt, aber diese Bursche hier... Der KI-Meister fiel zur Seite und röchelte leise.

Michi nahm eine entspannte Haltung an, gab die Abwehrstellung auf. "Ein normaler Mensch und ein normaler Hieb hätten dir sicherlich nichts getan. Aber ich bin der Elite-Schüler von Akira Otomo. Selbstverständlich war mein Hieb auf das Zentrum deines KI gezielt und mit meinem eigenen KI geladen. Bei Akira-O-nii-sama lernt man, selbst in den unmöglichsten Situationen die entscheidende Menge KI zu schmieden und zu konzentrieren."

Michi faltete die Hände vor der Brust zusammen und verneigte sich vor dem besiegten Gegner. "Ich werde einen Sanitäter vorbei schicken, versprochen."

Dann wandte er sich um und lief den Gang hinab.

Dort kämpfte Akari mit einem anderen KI-Meister, einer kleinen, zerbrechlich wirkenden Frau. "Dass du so nett über O-nii-chan reden würdest hätte ich nie gedacht!", rief sie, während ihre Gegnerin sie mit einer Serie von Hieben eindeckte.

Michi schoss hinzu und nahm einen Teil der Aufmerksamkeit auf sich. "Ich bin nun mal sein Meisterschüler. Was soll ich dagegen machen?"

Akari lachte dazu. Kurz darauf ging ein Lichtblitz durch den Gang, während ihre KI-Rüstung entstand. Ein einziger, wie beiläufig wirkender Hieb fegte die Gegnerin an die Wand.

Die Luft wurde aus ihren Lungen gepresst, als sie zu Boden ging.

White Slayer wandte sich Michi zu und lächelte süß. "Ich bin aber auch nicht schlecht geworden, was?"

"Mit welcher Antwort kann ich mein Leben retten?"

White verzog das Gesicht zu einer verdrießlichen Miene. "Sogar den Humor hat der Meisterschüler von seinem Lehrer übernommen."

Michi setzte zu einer Antwort an, kam aber nicht dazu, sie auszusprechen. In diesem Moment kam ein Körper den Gang herab geflogen, überschlug sich mehrfach und landete schließlich genau vor Whites Füßen.

Ein ziemlich lädierter Makoto Ino ließ seine Knöchel knacken und kam den Gang herunter. "KI-Meister, pah. Haben überhaupt nichts drauf, die Kerle. Was ist mit den anderen beiden, Michi, Akari?"

"Sch-schon erledigt, Nii-chan!", beeilte sich White zu sagen. "Einer ich und einer Micchan."

"Hm. Gut. Colonel Ino hier. Schicken Sie jetzt die Sanitäter herunter. Die vier KI-Meister, die in Poseidon eingedrungen sind, wurden besiegt. Bleiben noch die vier, die draußen mit den Abwehrmaßnahmen spielen."

"Hä? Vier? Wer hat denn den vierten KI-Meister fertig gemacht?"

Makoto zuckte mit den Schultern. "Ich natürlich. KI-Meister, tsssss. Die werden maßlos überschätzt. Und sie überschätzen sich selbst."

Er sah den Gang hinunter. Über fünfzig Infanteristen der AURORA lagen hier herum, Opfer der angreifenden KI-Meister. Wie es andernorts aussah, konnte man nur ahnen.

"Was macht Ihr beide eigentlich noch hier? Blue hat alle Slayer zu den Plattformen befohlen. Aber ich möchte, dass du und Micchan euch zum Antrieb aufmacht. Doitsu ist bereits auf dem Weg, aber ich befürchte einer von uns wird nicht reichen. Akira hat zu viele mitgenommen... Ja, seid Ihr noch nicht weg?"

"Wir sind schon auf dem Weg, Nii-chan!", rief White, ergriff Michis Hand und lief den Gang hinab, hinaus auf den Bahnhof der Poseidon-Station.

Sie sprangen in die bereitstehende Bahn; sie fuhr sofort ab. Angreifende Mechas wurden sofort von den automatischen Geschützen abgedrängt.

"Mann, Mann, Mann, warum bin ich eigentlich durch den ganzen Ärger mit der KI-Ausbildung und dem Waffentraining und dem unbewaffneten Kampf gegangen, wenn Makoto-nii gleich zwei KI-Meister besiegen kann?", murrte Michi.

White riss sich vom Anblick der Mechas fort, die noch immer mit den automatischen Waffen fochten. Dauerte der Angriff wirklich erst ein paar Minuten?

Glücklicherweise waren sie beide zufällig in Poseidon gewesen, als der Angriff erfolgt war. Und glücklicherweise hatten sie sich den abgeschossenen und nun zu Fuß vorrückenden KI-Meistern in die Flanke werfen können.

"Nun, ich bezweifle, dass er es mit vier hätte aufnehmen können. Also haben wir doch sicherlich ein gutes Stück Arbeit geleistet, oder?"

Sie sah dabei zu, wie aus der Decke der AURORA humanoide Gestalten herab rieselten. Wenn sie näher hinsah, erkannte sie Banges, die direkt im holographischen Himmel zu entstehen schienen. Diese Banges ließen sich fallen, aktivierten ihre Antriebe erst kurz vor dem Boden und rasten dann auf die Poseidon-Zentrale hinzu. Sie wurden nicht unter Abwehrfeuer genommen.

"Das Red-Team?", fragte White gedankenverloren. Nein, dafür waren es zu viele.

"Die Fünfte. Ehre oder Tod. Sie greifen auf unserer Seite in die Schlacht ein. Hm, was sind sie wohl wert, wenn Akira-o-nii-sama derart mit ihnen Schlitten fahren konnte?"

"Die da sind nicht Akira", wandte White ein.

"Ist ein Argument."
 

Die Bahn hielt das erste Mal im Heckbereich der AURORA. Sie hatten fünf Stationen überfahren und waren direkt abgeliefert worden. Als sie aus dem Hochgeschwindigkeitszug sprangen, erwartete sie bereits ein Hawk. Sie stiegen auf seine voll modulierten Hände und ließen sich von ihm zwei Kilometer in die Höhe heben.

Dort öffnete sich für sie ein Wartungsschacht und ließ sie ein, tief hinein in den Heckbereich der AURORA, wo die Antriebe warteten.

Der Antrieb selbst war über neun gigantische Kavernen verteilt, die künstlich verstärkt worden waren. Jede einzelne Komponente war schwimmend gelagert, um die Arbeitsvibrationen abzufedern. Diese schwimmende Komponente war nun ein Schlachtfeld geworden, denn die Zwischenräume reichten durchaus dafür aus, um die Aufklärungskonfiguration der Banges hindurch zu lassen. Diese und die Sparrows, die ihrem Codenamen in diesem Fall mehr als gerecht wurden.

Mehrere ausbrennende Sparrow- und Banges-Wracks deuteten darauf hin, wie erbittert der Kampf geführt wurde.

Auf dem Boden kämpften die ausgestiegenen Piloten weiter.

Michi erkannte Kenji unter ihnen, der mit brachialer Kraft versuchte, den KI-Vorteil auszugleichen.

White und Michi nickten sich zu und sprangen von den Händen des Mechas hinab, mitten hinein ins Getümmel. Im Laufen griff Michi nach einer Stahlstrebe, die einem Schwert am nächsten kam und griff einen Banges an, der gerade einem Sparrow ausgewichen war und nun für ein paar Augenblicke den Erdboden berührte. Michi zog den Stahl über die Beine des Banges und hackte dabei eines ab. Der Miginagi war einer der Lieblingsstöße von Akira, der als Rechtshänder den Hieb von rechts auf den Rumpf bevorzugte.

Der Pilot stieg aus.

Er landete federnd auf den Knien, erhob sich und nahm seinen Helm ab. Dann wandte er sich Michi zu.

Der junge Mann erstarrte. Der Kerl sah Akira ähnlich. Erschreckend ähnlich. Nur um einiges älter.

"Was wollt Ihr Kinder hier?", fuhr er Michi und White an. "Dies ist ein Krieg. Im Krieg wird man verletzt!"

"Unterschätze uns besser nicht, Kerl!", rief Michi und brachte die Stahlstrebe nach vorne.

"Interessant", murmelte sein Gegenüber. Hinter ihm landete der Sparrow, der ihn die ganze Zeit so bedrängt hatte. Der Naguad reagierte darauf, erklomm den Mecha und trat hart auf die Cockpit-Panzerung. Sein Fuß schlug durch, zerbrach den Cockpitschutz und landete wohl dosiert auf dem Kinn des Piloten. Für eine Sekunde wirkte es, als würde er dem Sparrow-Piloten auf diese Weise den Kopf abtreten. Aber es schickte ihn nur ins Reich der Träume.

"Takashi-kun!", rief Michi entsetzt.

Der fremde KI-Meister sprang mit einem Salto vom Mecha herab und zog im Fallen seine eigene Klinge. KI umfloss die Klinge und ließ sie blau aufleuchten. "Interessant", wiederholte er. Dann griff er an.

Michi wich dem ersten Hieb aus, einem Tsuki, dem Stoß direkt auf den Leib und setzte einen Hidarinagi an, der vom KI-Meister blockiert wurde.

Verwundert zog der Mann eine Augenbraue hoch, als die Klinge und die Stahlstrebe aufeinander trafen, und die Strebe nicht zerbrach. Seine Verwunderung steigerte sich, als er das glimmende KI um den Stahl sah. "Wer bist du, Junge?"

"Es ist unhöflich, jemanden nach seinem Namen zu fragen, ohne sich selbst vorgestellt zu haben", blaffte Michi wütend und sprang einen Schritt zurück.

"Da hast du vielleicht Recht. Ich bin Marus Jorr, Kapitän Marus Jorr. Und du bist?"

"Michi Torah, Meisterschüler von Akira Otomo!", rief er wütend und griff erneut an.

"Du bist ein Schüler meines Bruders?", fragte Jorr interessiert und wich den Angriffen spielerisch aus.

"Wie, dein Bruder?"

"Ach, hat er es seinem Meisterschüler nicht erzählt? Wir stammen aus dem gleichen Bluterbe. Sprich, seine Eltern und meine Eltern sind miteinander verwandt. Er ist aus dem Hause Arogad, genau wie ich. Oder um es auf den Punkt zu bringen, er ist ein Naguad."

"Na und, das bin ich auch!"

"Und dann kämpfst du gegen mich?"

"Warum nicht? Menschen auf der Erde haben sich früher auch untereinander bekämpft, oder? Scheint ne ziemlich normale Sache im Universum zu sein."

"Im Imperium eher nicht", schloss Jorr ernst.

Hinter ihm prallten ein Hawk und ein Banges aufeinander. Der Hawk zerteilte den Gegner mit einer Herkules-Klinge und trennte den Torso zwischen Cockpit und Reaktor sauber auf.

"Was spielst du so lange mit dem Kerl? Mach ihn fertig, Micchan!", erklang Doitsu Atakas Stimme. Der Hawk zeigte mit der voll modellierten Hand ein Daumen hoch-Zeichen.

Michi erwiderte es mit einem breiten Grinsen.

"Noch hast du mich nicht besiegt, Kleiner!", rief Marus Jorr amüsiert und griff wieder mit einem Tsuki an.

Die Spitze der Waffe stoppte eine Handbreit vor Michis Schädel. Eine Fingerkuppe hatte sich auf sie gelegt und gestoppt. Marus Jorr sah auf. "Wer bist du denn?"

"Ich bin White Slayer. Und ich werde nicht zulassen, dass du Micchan etwas tust."

Über die junge Frau im Trikot und dem kurzen weißen Rock zuckten KI-Entladungsblitze. "Entschuldige, dass ich dir den Spaß nehme, Micchan, aber wer dich attackiert, kriegt Ärger mit mir."

Die Entladungsblitze zuckten weiter vor, über Jorrs Klinge bis zu seinen Händen. "Erstaunlich. Wirklich erstaunlich."

Jorr baute seine eigene KI-Aura auf, verstärkte sie und ließ ebenfalls Blitze entstehen. Die beiden Energien trafen aufeinander und reagierten wie zwei Plus-Pole eines Magneten.

Für eine Sekunde trat Angst in die Augen von White Slayer, als sie erkannte, wie stark ihr Gegner wirklich war.

Michi ergriff ihre andere Hand und drückte sie leicht. Auch er wurde nun von sichtbarem KI umspült.

Die beiden lächelten sich an. Als sie synchron in Jorrs Richtung sahen, riss der Naguad erschrocken die Augen auf.

Dann gab es einen Lichtblitz, der alle Sinneseindrücke auslöschte.
 

Als sich Marus Jorrs Sicht wieder klärte, fand er sich am Boden wieder. Eine Wolke aus Staub hüllte ihn ein. Hustend und spuckend richtete er sich wieder auf.

Eine mitfühlende Seele reichte ihm eine Wasserflasche. Dankbar nahm Jorr sie entgegen und trank einen kräftigen Schluck. Wieder spie er aus und goss sich einen Teil über die Stirn. "Danke", sagte er und gab die Flasche zurück.

"Keine Ursache", sagte Doitsu Ataka.

Er deutete auf Akari Otomo und Michi Torah, die bewusstlos nebeneinander auf dem Boden lagen. "Was hast du jetzt vor?"

Marus Jorr grinste schief. "Was wohl? Ich habe gegen die beiden verloren. Sie haben mich besiegt und mein KI versiegelt. Ich hätte nicht gedacht, dass ich das überleben würde."

Doitsu setzte sich neben den Naguad auf den Boden und trank nun selbst einen Schluck aus der Flasche. "Verdammt, die beiden haben meinen Hawk vom Himmel geholt. Hey, Kenji, hast du alles von dir gefunden?"

Der riesige Kenji Hazegawa kam zu ihnen herüber, wich dabei den Trümmern eines Banges aus. "Wenn die beiden das nächste Mal so einen Overkill veranstalten, sollten sie uns vorher besser vorwarnen, was?"

Nach und nach kamen weitere Soldaten der Erde und KI-Meister der Naguad zusammen.

Alle ließen sich bei den beiden nieder und teilten an Notfallreserven, was sie bei sich hatten.

Einer von ihnen, Commander Vardan Kors, deutete auf den mit Löschschaum bedeckten Aggregatblock des Antriebs in dieser Kaverne. "Gut, dass die Ingenieure den Block vom Strom genommen haben. Nicht auszudenken, was passiert wäre wenn nicht nur dieser sondern alle neun Energielieferanten durchgeschmort wären."

"Tja, dann hätten wir unseren Auftrag erreicht gehabt und den Antrieb der AURORA vernichtet", schloss Marus ernst. Er brach sich eine Rippe von einem Schokoriegel ab und reichte ihn Kenji zurück.

"Und uns alle mit dazu. Zudem haben sie die KI-Kräfte von uns allen in Dissonanz gebracht", sagte Doitsu ernst. "Kann es etwas Gefährlicheres geben als dieses Paar?"

"Mir ist noch nichts derartiges begegnet", sagte Marus ernst. "Absolut nichts, was sich aus der Energie zweier KI-Meister derart synchronisiert und potenziert hätte."
 

Marus Jorr spürte, wie ihn zwei kräftige Arme von hinten umschlangen und in einen wirklich gemeinen Griff nahmen, welchen die Menschen Doppelnelson nannten. "Ist das zufällig dein Stiefelabsatz auf meinem Kinn, hä?", rief Takashi Mizuhara wütend.

"Hey, das ist Misshandlung von Kriegsgefangenen", beschwerte sich Jorr laut.

"Ich habe nicht gehört, dass du dich ergeben hättest", konterte der Riese.

"Dann tue ich es eben jetzt!"

"Spielverderber." Takashi ließ den Mann fahren und setzte sich dazu. Er musterte die anderen KI-Meister. "Was ist mit euch?"

Abwehrend hoben sie die Arme. "Wir ergeben uns auch ohne dass du uns in die Mangel nimmst. Unsere KI-Kräfte sind sowieso versiegelt", erklärte Vardan Kors. Die anderen nickten zustimmend.

Takashi sah zu der riesigen Anlage herüber. "Junge, alleine das putzen wird Wochen dauern."

"Wir sollten es den beiden hier aufhalsen. Immerhin haben sie es verbockt. Himmel, für einen Augenblick dachte ich, die ganze AURORA explodiert. Was für eine Macht." Doitsu Ataka schüttelte nur fassungslos den Kopf.

"Schade, dass Kei nicht hier ist", murmelte Kenji. "Der könnte jetzt ein paar tolle Fotos machen." Er deutete auf Akari, die ihre KI-Rüstung verloren hatte. "Die schlafende Akari Otomo mit seligem Babylächeln, Händchenhaltend mit dem gut aussehenden Michi Torah, der zudem auch noch seinen Kopf auf ihre Brust gebettet hat. Was für ein Bild."

"Nur nicht neidisch werden. Du hast doch Emi, oder?"

"Schon. Aber bei diesem Lächeln, diesem offensichtlichen Glück kann man schon neidisch werden, oder?" Kenji grinste breit.

"Das weiß seiner Haare und das schwarz von ihren bilden einen tollen Kontrast", murmelte Marus Jorr. "Das hätte mir eine Warnung sein sollen, dass sich die beiden gut ergänzen."

"Man sollte sich eben nicht so ohne Weiteres mit Akiras kleinster Schwester anlegen", kommentierte Takashi amüsiert.

"Kleinste Schwester? Ich sehe keine Anzeichen für die Gene meines Hauses."

"Das ist eine längere Geschichte. Eigentlich ist Akari ja ein als Mensch wiedergeborener Oni und..."

Entgeistert starrte Jorr den Major der Hekatoncheiren an. "Sie ist ein Bindeglied zwischen Menschenwelt und den Dämonen?" Marus Jorr sackte in sich zusammen. Er lachte rau auf. "Dann ist sie ja Torum Acati ziemlich ähnlich. Er ist auch ein halber... Wie nennst du das? Oni. Sie hätte ihn vielleicht aufhalten können. Niemand sonst. Nicht einmal mein Bruder Akira."

"Hm. Abwarten", brummte Kenji.

"Ihr erwartet doch nicht etwa ein Wunder von Akira, oder?"

Die Offiziere und Mannschaften der Hekatoncheiren sahen sich an und begannen spontan zu lachen. Doitsu hatte bald Tränen in den Augen und Kenji musste sich seinen Bauch halten.

Takashi hatte sich sogar auf den Rücken fallen lassen.

"Was war denn daran so witzig?"

"Du hast gerade Akiras heraus ragendste Eigenschaft beschrieben, Kumpel", antwortete Doitsu mit heiserer Stimme.

**

Die beiden Banges vom Red Team der AURORA waren knallrot. Aria mochte das, denn auch Lady Death, der Mecha, den sie wieder an Megumi abgetreten hatte, war knallrot gewesen.

Nebenbei war die Leistung der Red Team-Banges erhöht worden. Es erstaunte sie jedes Mal aufs Neue, was die Menschen doch so alles schafften, wenn man sie ließ.

"Und du bist dir absolut sicher?", fragte Aria die Pilotin im Banges direkt neben ihr, während sie zusammen mit zwanzig weiteren Maschinen der Fünften Division aus dem holographischen Himmel herab fielen.

Jora Kalis brauchte nicht lange zu überlegen. "Worüber sicher? Dass ich desertiert bin? Dass ich gerade in einem Banges stecke und dabei bin, meine Kameraden anzugreifen? Dass ich gerade gegen die Interessen des Imperiums handle? Nein, absolut nicht sicher.

Sicher ist nur eines: Die AURORA darf nicht zerstört werden. Die gute Million Anelph da hinten müssen verteidigt werden."

"Na, immerhin etwas. Fünftes Bataillon, seid vorsichtig beim Angriff. Mit KI-Meistern habt Ihr noch nie gekämpft. Also achtet auf Leutnant Kalis´ Anweisungen."

Die Klarmeldungen überschlugen sich. Es schien als wäre sie aus dieser Einheit nie fort gewesen, so schnell hatten die Männer und Frauen sie wieder akzeptiert.

Und es schien als wäre ihr Dienst mit ihnen schon eine Ewigkeit und nicht ein paar läppische Wochen. Sie kannte noch immer die Namen ihrer Soldaten nicht auswendig, dennoch glaubte sie jeden und seine Fähigkeiten genau zu kennen.

Es rasten noch immer vier Banges um Poseidon, hatten mittlerweile fast alle Abwehrstellungen ausgelöscht. Ein Magnetschwebebahnzug verließ gerade den Bahnhof, wurde gedeckt von den verbliebenen Geschützen auf dieser Seite. Dann beschleunigte er auf Höchstgeschwindigkeit und war fort.

"Da hat es wohl jemand eilig, was?" Jora riss ihren Banges herum. "Hergehört, Ihr Trantüten. Jeweils fünf greifen einen Banges an. Zwei Fernkampfkonfigurationen attackieren den Banges permanent, drei Nahkampfmodelle bedrängen ihn im Nahkampf. Schnelle, kurze Attacken. Lasst euch nicht treffen, die meisten Schüsse und Schwertsteiche sind KI-verstärkt und können euch in Fetzen reißen. Verstanden?"

Die Piloten bestätigten und teilten sich selbstständig auf. "Was dagegen, wenn wir zusammen fliegen, Aria-Schatz?", fragte Jora, während sie den Gruppen ihre Ziele zuteilte.

"Du bist auch eine KI-Meisterin, hm? Kein Problem. Je schneller wir unser Ziel eliminieren, desto schneller können wir den anderen helfen. Wen hast du uns denn ausgesucht?"

"Den Stärksten, Chad Noran."

"Irgendwie habe ich nichts anderes erwartet. Na dann los!"

**

Als Yoshi und ich aus der Abbremskurve kamen und mit vollen Werten die Geschwindigkeit reduzierten, wurde die AURORA größer, immer größer, bis ich meinte, sie mit meinen Händen greifen zu können. In Momenten wie diesen wurde mir erst wieder bewusst, wie groß das Riesenschiff wirklich war. Der kleine aufleuchtende Ausschnitt, der Primes Hangar markierte, wirkte jedenfalls regelrecht verloren auf der gigantischen Oberfläche.

Seite an Seite mit Yoshi schoss ich hinein. Wir stoppten unsere Mechas hart an der inneren Schleusenwand, das Metall beulte sich unter dem Druck des Aufpralls ein.

Die äußere Schleuse schloss sich, der Druckausgleich erfolgte und die innere Schleuse öffnete sich. Wir rasten mit unseren Mechas hinein. Der Hangar war zum Glück nahe einem der Notzugänge für Mechas in den Innenraum der AURORA ausgestattet, die genau für solch einen Notfall erschaffen worden waren.

Ich flog vorneweg, Yoshi direkt hinter mir.

Als wir im Innenraum ankamen, war mir als hätte jemand mein Blut eingefroren. Als ich mich wieder gefangen hatte, war Prime nur noch wenige hundert Meter vom Boden entfernt. Hart fing ich ihn ab.

"Was ist passiert?", rief Yoshi außer sich. "Da hat irgendjemand eine unglaubliche KI-Kraft entfaltet, so mächtig wie ich sie noch nie gespürt hat. War das wirklich ein Mensch?"

"Eher zwei oder mehrere Menschen! Otomo hier, wie ist die Lage?"

"Schön, dass du mal vorbei schaust, Akira. Aria kümmert sich mit ein paar Leuten von der Fünften Banges um die KI-Meister an der Poseidon-Station, aber sie hat einige Probleme damit. Wäre nett, wenn du Yoshi entbehren könntest."

"Bin schon unterwegs", rief der Freund und änderte seinen Kurs.

"Im Heck gab es gerade eine große KI-Eruption. Einer der Reaktoren ist vom Netz gegangen. Weitere Kämpfe werden nicht gemeldet. Hat wohl wenig Sinn, dort mal nachzusehen."

"Verstehe."

"Wo wir dich am dringensten brauchen ist bei den eingefrorenen Anelph. Ein einzelner KI-Meister ist dort gelandet und hält unsere Truppen in Atem. Es gab schon Dutzende Ausfälle. Wir haben eine Kompanie Hekatoncheiren von Kottos aktiviert bekommen, aber der Gegner hat sogar mit Daisuke den Boden aufgewischt, obwohl der in einem Mecha saß. Dafür hat er aber fünf Slayer in die Nähe der Plattformen geschafft. Wenn du den Gegner ablenken könntest, bis die fünf einen ähnlichen Schild erschaffen, der gerade Fushida City schützt, wäre das echt hilfreich."

"Nur ablenken? Darf ich ihn auch besiegen?"

"Du kannst es gerne versuchen. Aber mich erreichen keinerlei Nachrichten aus dem Gebiet, kaum dass die ausgesandten Truppen ankommen. Der Kerl ist fies und stark."

"Das heißt also ich muß mich vorsehen, was?"

"Nein, das heißt du musst überleben. Und noch was, Akira. Joan ist noch in Charleston. Du passt gefälligst auf sie auf, versprich mir das. Nur für den Fall dass sie glaubt, sie müsste einen KI-Meister mit bloßen Händen angreifen. Dies ist nicht der zweite Mars-Feldzug, wo sie eine Artemis-Lanze mit bloßen Händen gestoppt hat."

"Schon klar, du hast mein Wort!"

"Danke, kleiner Bruder."

Ich schmunzelte und korrigierte meinen Kurs. Tatsächlich holte der Zoom mir schnell das Kampfgebiet heran. Mehrere Panzer versuchten einen einzelnen Mann vom Resonatorfeld abzudrängen. Der aber nutzte geschickt das Feld als Deckung und lockte seine Gegner ein ums andere Mal in die Falle.

Ich zoomte noch tiefer und erkannte die fünf Slayer, die sich im Deckschatten der erbitterten Angriffe tiefer in das Feld hinein arbeiteten. Wenn der Mann sie entdeckte und direkt angriff, was konnte dann alles passieren? Das Schutzfeld aufzubauen hatte nun höhere Priorität als den Slayern Gelegenheit zu geben, sich im Kampf zu beweisen. Moment mal, fünf? Wo war White? Und wer hatte dann das Feld um Fushida aufgebaut?

"Mako, wo ist Akari?" "Die habe ich zusammen mit Micchan zum Antrieb geschickt."

"Du hast was?" "War vielleicht ein Fehler."

"Na, danke. Solltest du mich nicht besser beruhigen oder so?"

"Hast du mir nicht mal gesagt, du willst lieber immer gleich die Wahrheit wissen anstatt angelogen zu werden? Hm? Außerdem bin ich ja schon dabei, weitere Truppen hinzubeordern, um auf den neuesten Stand zu kommen."

"Ist ja schon gut. Halte mich auf dem Laufenden, ja?"

"Ist gut.

"Verdammt", fluchte ich. "Wenn Micchan nicht ordentlich auf Akari aufpasst, dann..."

Ich landete den Mecha am Rande eines Panzerwracks. Es war an der Seite aufgespaltet worden, die innen gelagerte Munition war hoch gegangen. Verdammt, das war doch nur ein Mann, zudem ohne Banges!

Ich warf Prime herum, begann zu laufen, auf den Gegner hinzu, der gerade einen Hawk mittig traf. Ich konnte beinahe sehen, wie der Fluss seines KI den Körper des Mechas erfasste, auflud und dann meterweit davon schleuderte.

Ich... Entsetzt sah ich zur Seite des Schlachtfeldes. Dort hockte Gina, auf ihrem Schoß den Kopf einer jungen Frau gebettet. "Ai-chan!" Hastig aktivierte ich die Lautsprecher. "Gina, was ist passiert?"

"Er...", begann sie mit erstickender Stimme, "...hat Ai-chan das Genick gebrochen. Und dann hat er Joan mit seinem KI den Verstand aus dem Hirn geblasen!"

"WAS?" Ich suchte und fand Joan Reilley ein paar Dutzend Meter entfernt. Sie kniete auf dem Gras und schwankte vor und zurück, wie ein Grashalm in starkem Wind. Ihre Augen waren leer und starrten ohne zu blinzeln in unerreichbare Fernen. "Joan..." Ich ballte meine Hände zu Fäusten. Schon wieder. Schon wieder hatte jemand Joan dieses Verbrechen angetan. Schon wieder war alles was sie war und was sie wusste ausradiert worden!

Ich entsiegelte das Cockpit, löste Anschlüsse und Gurte und schoss daraus hervor. Auf dem Boden rollte ich mich ab, kam auf die Beine und lief zu ihr herüber. "Joan!"

Ihre Augen starrten durch mich hindurch, mit keiner Bewegung ihrer Miene registrierte sie meine Anwesenheit. Fassungslos brach ich vor ihr in die Knie ein. "Joan..." Ich strich über ihre warme Wange, sah in die verlorenen Augen. "Joan..."

Meine Augen füllten sich mit Tränen, als ich das Mädchen in die Arme schloss. Wie hatte dieser Kerl ihr das antun können? Wie hatte irgendjemand meine Joan überhaupt verletzen können? "Ich räche dich."
 

Entschlossen stand ich wieder auf. "Otomo hier. Alle Truppen haben sich aus dem Bereich des Angreifers zurückzuziehen. Ich übernehme ab jetzt."

"Division Commander, Begam Torum Acati hat bereits sieben Hawks, neun Panzer und vierunddreißig Infanteristen vernichtet und getötet. Sie sollten dieses Monster nicht alleine stellen!"

"Sie haben Ihre Befehle. Warten Sie das Ende des Kampfes ab und schicken Sie dann Sanitäter."

"Verstanden, Sir. Und viel Glück."

"Blue, kannst du mich hören?"

"Laut und deutlich, Akira-san."

"Ich lenke den Begam ab. Erschafft Ihr das Schutzfeld, ja?"

"Du trittst ihm alleine entgegen? Er hat sogar Daisuke umgehauen. Sein Mecha liegt in Charleston auf der Straße. Und er flucht seitdem wie ein Rohrspatz. Außerdem hat sich Dai-chan was gebrochen und..."

"Hina, ich komme schon klar. Okay?"

"Okay. Viel Glück und bleib am Leben."

Ich nahm den Helm ab, warf ihn fort. Dann schälte ich mich aus dem Pilotenanzug. Bei dem was nun kam würde er mir eher hinderlich sein. "Das kann ich nicht versprechen, Hina-chan."

Torum Acati also war mein Gegner?
 

Irritiert über den Rückzug seiner Opponenten ging er zu dem Wrack seines Banges zurück. Genau in meine Richtung. Ich ergriff mein Katana, zog es blank.

Der Begam musterte mich interessiert, hob seine eigene Waffe. "Noch so einer? Hier muß irgendwo ein Nest sein."

"Mit mir wirst du es wesentlich schwerer haben, versprochen", sagte ich düster und hüllte meine Klinge in KI ein. Wütend knurrte ich auf. Ein blaues Licht umspülte mich, verhüllte meinen Körper, mein Gesicht und meine Augen.

Als das Licht erlosch, trug ich eine blaue Uniform mit goldenen Akzenten.

Torum Acati sah mich erstaunt an. "Hm? Hätte ich mir ja gleich denken können, bei dem Gesicht. Die Familienrüstung der Arogad. Interessant. Jetzt erwarte ich doch einiges von diesem Kampf."

"Jetzt, Hina", murmelte ich mehr zu mir selbst und prallte mit Acati zusammen.
 

Hinter uns gab es plötzlich eine große KI-Entfaltung. Die Mädchen begannen damit, das Schild aufzubauen. Acati spürte es auch, sah es, vielleicht sogar besser als ich. Er drückte mich zur Seite, lief auf das Feld zu. Ich fiel darauf herein, wollte ihm nachsetzen und wurde von einem Tritt getroffen, der mich meterhoch nach hinten und in die Luft schleuderte. Die KI-Rüstung fing einiges vom Tritt ab, aber da war Acati schon heran und trieb mir seinen Ellenbogen auf den Halsansatz.

Es schmerzte höllisch, trieb mich wieder dem Erdboden entgegen.

"Zwei Schläge, und du lebst noch? Bist du ein Banges, Bursche?"

Benommen schüttelte ich den Kopf. "Verdammt. Verdammt. Verdammt!"

"Ich sage dir, woran es hapert, Sohn von Arogad. Du bist stark und schnell. Deine Rüstung hält viel aus. Aber du bist noch ungeschliffen. Du liest mein KI nicht. Ich deines aber schon. Deshalb weiß ich, wie du dich bewegen wirst. Deshalb weiß ich was du tun wirst."

Mühsam versuchte ich mich aufzurappeln. Ich fiel wieder zu Boden. Mist, hatte der Bastard mich hart getroffen. Wieder versuchte ich hoch zu kommen.

"Du bist dann wohl der Letzte, oder? Wenn ich dich besiegt habe, ist die AURORA in meiner Hand, richtig? Dann nützen euch auch diese Schutzfelder nichts mehr."

Ich sah auf, gerade rechtzeitig um zu erkennen, wie ein gigantisches, golden glitzerndes Feld entstand und den gesamten Bereich um die Podeste einhüllte. Blue stand inmitten der Tribünen, die anderen, Black, Red, Orange und Green hatten sich um sie herum angeordnet. Hina konvertierte das KI, welches die Mädchen ihr spendeten und kreierte damit das Schutzfeld.

"Wenn du der letzte starke Gegner warst, dann wird euer Anführer hoffentlich einsehen, dass weiterer Widerstand sinnlos ist. Tut mir Leid, Junge, aber ich glaube, du musst jetzt sterben."

Acati trat auf mich zu, hob seine Waffe.

Verzweifelt baute ich ein KI-Schild auf. Verdammt, konnte es, musste es so Zuende gehen? Ich sah die Klinge niederfahren und schloss die Augen. Nicht stark genug. Falsch gehandelt.
 

Die Klinge kam nie an. Stattdessen stieß der Begam einen derben Fluch aus. "Du schon wieder?"

Ich öffnete die Augen. Direkt vor mir stand eine junge Frau in einer aparten Kombination aus Minirock und ärmellosem Shirt. Sie hatte die Klinge des Begams zwischen zwei Händen aufgefangen und stemmte sich in dessen Druck hinein.

"Joan?", rief ich ungläubig.

Begam Acati stemmte sich noch mehr in seine Klinge hinein, aber Joan hielt stand.

"Aki... chan...", hauchte sie. Kurz sah sie zu mir zurück, in ihren verlorenen Augen stand für einen Augenblick ein wenig Gefühl. "...beschützen... Aki... chan..."

Mühsam richtete ich mich wieder auf. Joan hatte mir die Zeit erkauft, die ich gebraucht hatte.

"Ich habe deinen Verstand ausradiert. Wie kann das sein?" Acati befreite seine Klinge mit einem Ruck und sprang ein paar Meter weit davon.

"Diese Situation ist nicht neu für sie. Auf der Erde wurde sie von den Kronosiern entführt und zum Cyborg gemacht. Damit ihr keine unnötigen Gefühle im Weg waren, hat man ihren Verstand komplett gelöscht. Also im Prinzip haben sie das gleiche getan wie Sie jetzt."

"Aber sie nennt deinen Namen. Sie spricht! Sie erkennt dich! Das dürfte überhaupt nicht möglich sein!"

"Schon damals", sagte ich ernst und fühlte einen dicken Kloß im Hals, "war ihr für sie ein Anker in die Realität.

Joan sah mich wieder an, begann zu zittern. "Aki... chan."

Ich trat an die junge Frau heran, legte den linken Arm um sie und drückte sie an mich. "Für das was du ihr angetan hast, wirst du jetzt büßen, Begam Torum Acati!"

Die Dankbarkeit für Joan, die Wut auf den Begam, mein fester Wille und das Wissen, dass der Tod von Ai-chan nicht umsonst sein durfte, ebenso wenig wie die Tode der tapferen Verteidiger rings um mich, aktivierte mein KI. All das manifestierte sich in meinem Blick.

Und plötzlich konnte ich mit meinem eigentlich fast blinden rechten Auge, das lediglich Schattierungen erkannte, wieder etwas sehen. In Farbe, mit Tiefe... Und mit dem pulsierenden KI in Acatis Körper.

Acati schrie auf, wandte sich ab. "Das Auge! Sieh mich nicht mit dem Auge an! Die Großmeisterin... Natürlich, die Warnung vor dem Auge! Du!!!"

Wieder sah er mich an, vermied aber den direkten Blick. "Du... Du musst hier sterben! Du bist zu gefährlich für dieses Universum! Ich muß dich töten, und wenn das ganze Schiff um uns herum explodiert. Und wenn ich sterbe!"

"Versuch es doch!", rief ich wütend und verstärkte meine Aura mit all meiner Kraft.

Acati handelte ebenso, fuhr sein KI bis ans Maximum. Ich sah die ungeheuren Mengen, die von seinem Sternum ausgingen und seinen ganzen Körper erfassten, die Aura erreichten und diese verstärkten.

Auf der höheren Ebene entstand ein Kontakt. Wieder standen sich zwei Krieger gegenüber, mit langen Lanzenwaffen bewehrt. Sie griffen einander an, tauschten Hiebe aus und passierten sich. Beide waren verletzt worden, gingen aber sofort wieder in Angriffshaltung.

Ich stöhnte leise, als der Schmerz bis zu mir durchschlug. Erneut verstärkte ich meine Aura. Ich fühlte regelrecht, wie mein rechtes Auge von innen heraus zu leuchten begann!

Dann griff mein Krieger erneut an, stürzte auf seinen zu, während ich in der Realität den Arm um Joans Schulter abnahm und Acati direkt angriff. Allerdings machte der ganze Staub meiner Sicht schwer zu schaffen. Torum Acati erwartete mich schon, hatte seine Klinge zu einem Karatake, einem Hieb von oben erhoben. Ich würde einen Miginagi ausführen, einen Schlag von rechts auf seinen Rumpf. Wenn nur der ganze Staub nicht wäre.

Ich spürte, wie sich zwei schlanke Arme um meine Hüfte legten und mich stoppten.

"Nicht... sterben... Aki... chan..."

Entsetzt hielt ich inne. Und erkannte, woher der Staub kam. Wir, ich und der Begam, vernichteten den Boden mit unseren Auren!

Aber es war für einen guten Preis, für die Rettung der AURORA! Wieder wollte ich angreifen, als vor meinem Auge plötzlich ein bekanntes Gesicht erschien. "Akira!"

"Hina-chan!"

"Akira-san, was tust du da? Ihr vernichtet die AURORA!"

"Was?", rief ich entsetzt. Und erkannte, dass sich unsere Auren bereits zwanzig Meter weit in den Boden gefräst hatten. "WAS?"



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: abgemeldet
2007-03-20T11:09:02+00:00 20.03.2007 12:09
Hammer! Wie immer mit lustigen einlagen, super Schockern und Spannend. ^_________________^
Doch warum Ai??? *Messer wetz*
Von:  Miyu-Moon
2006-03-25T14:40:11+00:00 25.03.2006 15:40
*fertig gelesen*
*Heul*
Mein Lieblingchara ist tot! Meine, arme kleine Ai-Chan! *schnief*
Aber das war ein wirklich spanndendes Kapitel.
*taschentuch hol*


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